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Ein Besuch in der FlüchtlingsUnterkunft
Drei Mal pro Woche wird in der Michelstädter Unterkunft Kleidung an die Flüchtlinge verteilt. Foto: Katastrophenschutz Odenwaldkreis
Foto: Katastrophenschutz Odenwaldkreis
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Foto: Katastrophenschutz Odenwaldkreis Foto: Katastrophenschutz Odenwaldkreis Katastrophenschutz Odenwaldkreis
Foto: Katastrophenschutz Odenwaldkreis Foto: Katastrophenschutz Odenwaldkreis Zurück 1 von 9 Weiter Von Regine Herrmann MICHELSTADT Einige hundert Flüchtlinge sind in der Nacht zum Dienstag in der Notunterkunft in Michelstadt angekommen. Lange bleiben werden sie nicht. "Hello", sagt Parisa, unbefangen lächelnd. Neugierig schaut sie die Besucher mit ihren tiefbraunen Augen an, ihr langes Haar ist mit einem dünnen Kopftuch bedeckt. Parisa spricht ein bisschen Englisch. Zwölf Jahre alt sei sie, sie komme aus Afghanistan. Zusammen mit ihren Eltern ist das Mädchen geflohen, in der Michelstädter Notunterkunft hat die Familie fürs Erste ein Dach über dem Kopf gefunden. Weitere Meldungen 1. Hier Normalität, dort bange Fragen
614 Flüchtlinge waren am Dienstagvormittag dort untergebracht. Am späten Montagnachmittag habe man "sehr kurzfristig" erfahren, dass am Abend fast 400 Menschen aus Afghanistan, Syrien, dem Iran und dem Irak ankommen würden, erzählt der Odenwälder Landrat Frank Matiaske (SPD). Die Erstaufnahmestelle in Gießen war so überlastet, dass sofort Plätze gebraucht wurden. Zwischen zehn Uhr abends und acht Uhr morgens kamen die Flüchtlinge an, die Aktion zog sich in die Länge, weil Kleinbusse zwischen Gießen und Michelstadt pendeln mussten. Große Reisebusse waren offenbar auf die Schnelle nicht zu organisieren. Diese zehn Stunden seien für die Helfer "eine sehr starke Belastung" gewesen, merkt Matiaske an. 75 Leute waren die ganze Nacht auf den Beinen, darunter die 25 Bundeswehrsoldaten, die zurzeit in den Odenwald abkommandiert sind. Es vergehen Stunden, bis so viele Menschen die Stationen der Ankunft durchlaufen haben. In einem weißen Zelt mit etwa 50 langen Bänken bekommen die Neuankömmlinge erst einmal eine Stärkung: Obst, Wasser, heißen Tee. Anschließend muss jede und jeder durch eine Sicherheitsschleuse wie am Flughafen, Lebensmittel werden aus hygienischen Gründen konfisziert. Probleme mit Waffen oder anderen verbotenen Gegenständen habe es noch nicht gegeben, erzählt Heiko Aßmus vom Deutschen Roten Kreuz: "Wenn es hier piept, sind das Knöpfe, Reißverschlüsse oder Gürtel." Beim ersten medizinischen Check dafür gibt es zwei getrennte Kabinen überprüft ein Arzt den Allgemeinzustand der Flüchtlinge. Bei Verdacht auf ansteckende Krankheiten steht eine
Isolierstation zur Verfügung. "Was bisher festgestellt wurde, war Husten, Erkältungen, Fieber: Nichts, was es hier nicht auch gibt", sagt Matiaske. Ausgenommen der Parasitenbefall vielleicht, unter dem manche Flüchtlinge leiden, die seit Wochen ohne frische Kleidung und Waschmöglichkeit auskommen müssen. Wer diese ganze Prozedur hinter sich hat, kommt in die eigentliche Unterkunft. Eine 10.000 QuadratmeterHalle, ein Industriebau, kahl und fensterlos. Aber warm und sicher. Wie Aßmus sagt: "Das hier ist eine Notunterkunft. Es geht um die Grundversorgung: Wärme, ein Dach über dem Kopf, medizinische Versorgung, Essen." Die meisten Flüchtlinge werden von hier aus relativ schnell in andere Einrichtungen gebracht, wo sie auch Asylanträge stellen können. Kurz hinter dem Eingang haben die Helfer an zwei großen Brettern die Gegenstände befestigt, die zur Erstausstattung gehören: Toilettenpapier zum Beispiel, ein Handtuch, eine Zahnbürste. Das befindet sich in den gelben und schwarzen Tüten, die jeder bekommt. Die Kleiderausgabe ein paar Schritte weiter ist dreimal pro Woche besetzt, der Landrat freut sich, dass die Odenwälder nach wie vor spendefreudig sind. In der Halle spielt sich alles ab. Mit weißen Plastikplanen sind die Flächen abgetrennt, wo die Menschen auf Feldbetten schlafen ein Versuch, wenigstens so etwas Ähnliches wie Privatsphäre zu schaffen. Männer und Frauen haben jeweils eigene Bereiche, es wird versucht, Familien zusammen unterzubringen. An orangefarbenen Bierzeltgarnituren wird gegessen, die Essensausgabe nimmt den hinteren Teil der Halle ein. Ein paar Jungs spielen Fußball auf einem improvisierten Spielfeld, ein Volleyballfeld gibt es auch. Bescheidene Möglichkeiten, gegen die Langeweile anzukämpfen, das erzwungene Nichtstun, das Warten. Oft werden die Helfer gefragt: "Wie geht es jetzt weiter? Und wann? Und wohin?" Das ist oft gar nicht zu beantworten. Matiaske ist unzufrieden mit diesem Zustand, auch seine Behörde hat oft keine verlässlichen Informationen. Die Steckdosen, an denen man sein Mobiltelefon aufladen kann, sind dicht umlagert. Saskia Hofmann von der Pressestelle des Kreises hat beobachtet: "Das ist oft der erste Gang der Neuangekommenen. Das Handy ist für viele sehr, sehr wichtig, um Kontakt nach Hause aufnehmen zu können." Trotz der vielen Menschen ist es überraschend leise. Kinderlachen übertönt bisweilen das Gemurmel. In einem extra Bereich können die Kleinen im Sandkasten spielen, es gibt Buntstifte, Legosteine und anderes Spielzeug. "Ich habe Durst" und "Wie heißt Du?" steht auf einer Tafel. "Die Kinder wollen unbedingt Deutsch lernen", berichtet eine Helferin. Auch das wird hier improvisiert, wenn Zeit dafür ist. Parisa steht vor einer Pinnwand mit Zeichnungen. Strände mit Palmen haben die Kinder gemalt, die Flaggen ihrer Heimatländer, Herzen. Eines davon trägt die Farben SchwarzRotGold.