Umgang mit Rechten: Die Trottel hören zu

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Rechtsextremismus: Der Umgang mit dummen Rechten ­ Kolumne Margarete Stokowski

Donnerstag, 22.10.2015 – 15:33 Uhr

Umgang mit Rechten: Die Trottel hören zu Wir lachen über den verwirrten Pirinçci, die Idioten von Pegida und über die Rechtschreibfehler von Nazis. Das kann befreiend sein. Und gefährlich. Kolumne Am Mittwoch erst war hier von der Extremisierung in sozialen Medien die Rede. "Facebook ist hassblind", schrieb Sascha Lobo. Er sieht einen "deutschen Frühling" des Rassismus, dem man entgegentreten muss: "überall, jederzeit, entschlossen und unerbittlich". Die Entschlossenheit ist vielleicht noch nicht ganz da. Oder vielleicht ist sie da, aber gleichzeitig ist etwas anderes da: die große Belustigung. Wir lachen darüber, wie die bekloppten Nazis ihre Hakenkreuze falschrum malen und wie Björn Höcke von der AfD bei Jauch seine Deutschlandflagge verkehrtherum aufhängt. Was für ein Vogel, nicht mal das kann er. Wir amüsieren uns über Bilder von Graffitis und Kommentaren, auf denen dämliche Nazis "Sigh Heil" schreiben, "Hi Hitler" und: "die scheinasylanten können doch nur kinder machen und rumschnurren." Wie geil: Schnurren statt schnorren. Miau, miau. "Erst Henriette Reker, dann André Stahl", steht an einer Wand, eine Drohung gegen den Bernauer Bürgermeister Stahl. Und wir bemerken: Wenigstens haben die Trottel das Akzentzeichen über dem e richtig gesetzt. Wir lachen auf Facebook, und wir lachen auf Twitter. "Wenn man diese Pegida Trottel sieht, fragt man sich wie eine Pisa­Studie der DDR in den 70ern wohl ausgesehen hätte?!", schreibt jemand. "Selbst mit dem addierten IQ aller Pegida­Trottel hätte eine Kuh noch Mühe, Ihre Blasenfunktion zu regulieren", jemand anderes. Und "Grumpy Merkel" motzt über den Pegida­Galgen: "Wenn die den Gabriel da dranhängen, bricht das Ding doch eh ab. Diese Pegida­Nazis sind so dumm." Man braucht kein Abitur, um ein Messer zu benutzen Nun soll man alberne Kommentare im Internet ja nicht immer so ernst nehmen. Es ist aber auch kein reines Social­Media­Phänomen. Rechtsextreme als Idioten zu zeigen ist eine Satireform für sich. "Spaziergänger findet Hirn von Akif Pirinçci", schreibt "Welt Online" in einem Satire­Artikel. "Kaum gebraucht" sei es gewesen und habe zum Auslüften draußen gelegen. Und Carolin Kebekus schreibt Sarah Connors Lied "Wie schön du bist" um: "Ich schäm' mich / für all deine Fahnen und deine Narben / Hinter der Mauer, ja in Dresden [...] Weißt du denn gar nicht, wie blöd du bist?" Und sie empfiehlt: "'n Duden würde dir gut stehn, denn dann könnt man dich verstehn." Es ist die alte "Darf man über Hitler lachen?"­Frage in Neuauflage. Darf man über Nazis, Rassisten, Pegida lachen ­ und wenn ja, wie? Ganz bestimmt ist Humor in scheußlichen Situationen ein Mittel zum Überleben. Und manchmal ist Humor auch ein Mittel, um diejenigen auf seine Seite zu holen, die noch nicht ganz überzeugt sind. Es ist trotzdem, so einfach und verlockend es ist, kein geschickter Move, an Rechtsextremen ausgerechnet ihre Rechtschreibung und ihren IQ zu kritisieren. Wir haben keine Rechtschreibkrise ­ oder zumindest ist das kein drängendes Problem. Die intelligentesten Menschen können Legastheniker sein, und Intelligenz ist


auch gar keine Bedingung dafür, als Mensch in Ordnung zu sein. Und vor allem sind weder Klugheit noch psychische Gesundheit oder Rechtschreib­ und Grammatikfähigkeiten Bedingungen für politisches Handeln. Schönheit übrigens auch nicht. Es ist egal, wenn Rassisten hässlich sind. Sie werden nicht ungefährlicher, wenn wir sie dafür auslachen. Man muss keinen IQ­Test machen, bevor man auf eine Demo geht. Und man braucht kein Abitur, um ein Messer zu benutzen. An der Berichterstattung zu Akif Pirinçci kann man derzeit sehen, wie Pathologisierung schiefgehen kann. Die "Hamburger Morgenpost" nennt Pirinçci nach seiner Pegida­Rede einen "Hass­Hohlkopf", die "Titanic" veröffentlicht ein Gespräch mit ihm, nennt ihn "vollkommen irre" und vermutet, er sei "während des Geprächs bestimmt total betrunken" gewesen. Und hier auf SPIEGEL ONLINE wird darüber nachgedacht, "wie man ihm helfen kann", weil er eben ein "verwirrter Mann" sei. Natürlich wollen jetzt alle wissen, wer dieser kranke Typ ist. Allein während ich diese Kolumne schreibe, klettert Pirinçcis neues Buch von Rang 44 auf 31 in den Amazon­Charts ­ immer noch weit hinter Asterix, Daniela Katzenberger, dem Papst und den Minions ­ , und von Platz 7 auf 4 in der Kategorie "Politik und Geschichte". Für den verwirrten Mann ein voller Erfolg. Der Reker­Attentäter soll "voll zurechnungsfähig" sein, wissen wir jetzt. Was wäre anders, wenn er es nicht wäre? Außer, dass er weniger schuldfähig wäre ­ wäre es irgendwie weniger schlimm? War Hitler zurechnungsfähig? Es hilft nichts, und es ändert nichts. Es bleibt die Pointe in einer Demokratie, dass man nicht in Diskursethik promoviert haben muss, um am Diskurs teilzuhaben ­ und mitzubestimmen. Das Wort "Trottel" kennen sie 2006 hatten wir Partypatriotismus und haben uns gefragt, wie okay die ist, diese Begeisterung. Jetzt ist die Party vorbei (und wir ahnen: Sie war mutmaßlich gekauft), und der Patriotismus ist dort, wo er im Dunkeln wuchern konnte, ein hässliches Gewächs geworden, das wir lieber nicht anfassen wollen. Vielleicht, weil wir hoffen, dass Pegida sich selbst gegen die Wand fährt. Vielleicht, weil wir denken, es ist nicht so gefährlich, wenn viele derer, die da mitlaufen, auf dem Niveau von 14­Jährigen sind, für die die Worte "Hitler" und "Penis" die gleiche Pointe haben. Die bleiben vielleicht wieder zu Hause, wenn es langweilig wird. Oder sie zünden auch mal etwas an, gerade weil es langweilig wird. "Der Mob hasste die Gesellschaft, aus der er ausgeschlossen, und das Parlament, in dem er nicht vertreten war", schreibt Hannah Arendt in "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft". "Er ist das Volk in seiner Karikatur und wird deshalb so oft mit ihm verwechselt." Pegida ist weiterhin eine Minderheit, das darf man nicht vergessen. Aber eine Minderheit, deren Hass größer wird, je minderer sie sich fühlt. Und an diesen Gefühlen arbeiten wir mit. Vielleicht sind nicht alle "Pegida­Trottel" verloren. Wir müssten mit ihnen sprechen, um das herauszukriegen. Doch für Verständigung müssen zwei grundlegende Dinge gegeben sein. Wir müssen uns klar sein, worüber wir reden: das Thema, über das wir sprechen, und die Tatsachen, zu denen wir uns verhalten. Und wir müssen ­ zweitens ­ einander als Gesprächspartner anerkennen und uns zutrauen, dass wir uns zu dem Thema überhaupt äußern können. Pegida sägt von sich aus an der ersten Säule, weil es zum Beispiel der "Lügenpresse" nicht mehr glaubt. Ein Pegida­Anhänger wird verletzt, Pegida sagt: Einer von uns wurde verletzt. Ein Reporter wird geschlagen, Pegida sagt: Wir glauben Ihnen nicht. Das ist ein Problem für die erste Bedingung: Es ist unklar, was überhaupt wahr ist. Die zweite Säule, das gegenseitige Anerkennen als Gesprächspartner, geht kaputt, wenn wir nur noch von Pegida­Trotteln sprechen. Dann bleibt jeder in seiner Blase, und dann bleibt nicht mehr viel Kommunikation, dann bleiben nur Geräusche ­ und am Ende Sprachlosigkeit.


Wenn wir Menschen, die rechts sind, immer wieder ihre kognitiven Fähigkeiten absprechen, passieren zwei Dinge: Erstens versuchen wir nicht mehr, mit ihnen zu sprechen. Und zweitens: Die kriegen das mit. Und selbst wenn sie das Wort "kognitiv" nicht kennen, genau, wie sie bei den Ärzten "Attitüde" nicht kennen ­ das Wort "Trottel" kennen sie. Zur Startseite


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