Odenwald: Versöhnliche Töne beim Landrats-Wechsel im Odenwaldkreis

Page 1

echo­online.de http://www.echo­online.de/lokales/odenwaldkreis/erbach/versoehnliche­toene­beim­landrats­wechsel­im­ odenwald_16081858.htm

Versöhnliche Töne beim Landrats­Wechsel im Odenwald

Vor großem Publikum hat sich am Montagabend in der Erbacher Werner­Borchers­Halle der Wechsel im Amt des Landrats vollzogen. Die Verabschiedung von Landrat Dietrich Kübler (links) und die Verpflichtung seines Nachfolgers Frank Matiaske (Zweiter von links) übernahmen die mit ihnen höchsten Repräsentanten des Kreises, Erster Kreisbeigeordneter Oliver Grobeis (Dritter von links) und Kreistagsvorsitzender Rüdiger Holschuh. Foto: Guido Schiek Von Gerhard Grünewald ERBACH ­ Rund 400 Besucher der Verabschiedung von Dietrich Kübler aus dem Amt des Landrats und der Übertragung dieser Stelle auf Frank Matiaske erlebten am Montagabend in der feierlich herausgeputzten Erbacher Werner­Borchers­Halle zwei Protagonisten, die ungeachtet aller parteilichen Dispute der jüngeren Vergangenheit persönlich gut miteinander auskommen. Das unverkrampfte und konstruktive Verhältnis zwischen dem scheidenden Regierungschef und seinem Nachfolger offenbarte sich dabei nicht nur in Auftritten und Gesten, sondern auch in den Ansprachen der beiden. So bescheinigte der Sozialdemokrat Matiaske seinem überparteilichen Vorgänger eine "beispielhafte Haltung" bei der Vorbereitung des Amtswechsels, und Kübler lobte Kompetenz, Fleiß und


Aufnahmebereitschaft, mit der sich der seitherige Breuberger Bürgermeister schon Monate vor seinem Dienstanstritt auf die Führung des Kreises eingestellt hatte. VON GÄSTEN, GRUSSWORTEN UND UNTERHALTUNGSBEITRÄGEN (gg). Welche Bedeutung dem Amt des Landrats und seinem Inhaber unverändert beigemessen wird, machte die Gästeliste der Festsitzung zur Neubesetzung der Führungsposition am Montagabend in der Erbacher Werner­Borchers­Halle deutlich. Kreistagsvorsitzender Rüdiger Holschuh, der zwischen Sitzungsleiter und Moderator changierte, jedenfalls brauchte selbst bei einer stark selektierten namentlichen Begrüßung schon für seine Willkommensrede einen langen Atem. Am meisten genannt wurden im Verlauf des Abends Darmstadts Oberbürgermeister Jochen Partsch, Regierungspräsidentin Brigitte Lindscheid und der frühere Landrat Horst Schnur. Selbst zu Wort meldeten sich aus der Besucherschar der Geschäftsführende Direktor des Hessischen Landtags und designierte Landrat des Nachbarkreises Bergstraße, Christian Engelhardt, der stellvertretende Vorsitzende der Bürgermeister­Kreisvereinigung, Uwe Olt (Lützelbach), die Personalratsvorsitzende der Kreisverwaltung und ihrer Eigenbetriebe, Britta Bönsel, und der mit den Odenwälder Amtsträgern befreundete Landrat des benachbarten baden­württembergischen Neckar­ Odenwald­Kreises, Achim Brötel. Er setzte mit seiner Betrachtung über die Politik und deren Rituale sowie insbesondere den Sinn und Unsinn von Grußworten weitere jener kabarettistischen Akzente, für die das Programm eigentlich allein das Kleinkunsttheater "Sockenschuss" von Carsten Werner (Ober­Hainbrunn) vorgesehen hatte. Ebenso unterhaltsam gestaltete sich der vierfache Auftritt des Herbertschen Chors aus Höchst, dessen Vorträge Zeugnis von der Vielfalt seines Repertoires und dessen gekonnter Ausführung ablegten. Zusammenrücken im Dienst des Kreises Bestätigt sahen die Mitglieder des Kreistags wie auch die zahlreichen Gäste aus Politik, Wirtschaft und öffentlichem Leben damit den Eindruck, den eine aufmerksame Öffentlichkeit schon in den vergangenen Wochen gewann: Der Sieger und der Verlierer der Direktwahl vom 15. März rückten im Vorfeld der daraus resultierenden Amtsübergabe zu gemeinsamen Terminbesuchen und inhaltlichen Abstimmungen zusammen, um eine reibungslose Weiterführung der Geschäfte des Odenwaldkreises sicherzustellen. So sehr sich die beiden im Wahlkampf und unmittelbar danach gegenseitig Fairness bescheinigt und deshalb jegliche Ressentiments ausgeschlossen hatten, so wenig vollzogen sie mit dieser Kooperation eine Selbstverständlichkeit. Die darin vielmehr ersichtliche Größe strahlte in der Übergabefeier auf fast alle Handlungen und Redepassagen ab, womit die wenigen Repliken auf die politischen Auseinandersetzungen rund um die Auftragsvergabe für das Standortmarketing und deren Folgen eher als Zeichen der Ehrlichkeit denn als Beckmesserei daher kamen. So konnte und wollte Dietrich Kübler eine gewisse Bitterkeit nicht verhehlen, als er die Verbesserung von Außenauftritt und ­darstellung als das große Anliegen seiner Landratschaft schilderte und beklagte, dass ausgerechnet dieses Anliegen gescheitert und zudem ihm selbst zum politischen Verhängnis geworden sei. Kübler spricht von Lernerlebnissen Keinen Zweifel ließ der scheidende Landrat auch am Fortbestehen seiner Lesart, dass hier vor allem Quertreiberei den Ausschlag gegeben habe. Heute sehe er auch darin eines jener Lernerlebnisse, die seine


Landratszeit "zu einem unglaublich interessanten Lebensabschnitt gemacht haben". "Ich weiß nun, dass man auch ausgerechnet von denen enttäuscht werden kann, denen man zuvor die Türen geöffnet hat", sagte Kübler, bezog sich dabei namentlich auf die Grünen, für die zuvor Elisabeth Bühler­Kowarsch umgekehrt aus der Enttäuschung über die Politik Küblers keinen Hehl gemacht hatte. Bei aller Anerkennung für Engagement und Fleiß führe für ihre Fraktion kein Weg an der Erkenntnis vorbei, "dass Sie unsere Erwartungen nicht erfüllt haben". Den stärksten politischen Tobak freilich entzündete für die seitherige Landrats­Gruppierung ÜWG deren Sprecher Georg Raab, indem er das Abrücken der Kreistags­Mehrheit vom seitherigen Amtsinhaber in und nach der Standortmarketing­Debatte als Ergebnis dessen wertete, "dass es in der Odenwälder Politik größere Erbhöfe gibt als in der Landwirtschaft", in der Kübler ursprünglich zu Hause ist. Für die damit vor allem angegriffene SPD hatte deren neuer Vorsitzender Raoul Giebenhain zu diesem Zeitpunkt schon gesprochen und die Festsitzung ebenso von abrechnenden Elementen freigehalten wie sein Gegenpart von der CDU, Harald Buschmann. Zwar unterschiedlich ausgeprägt, aber übereinstimmend formulierten beide Dank an Kübler und Anerkennung für Matiaske, bei Giebenhain gepaart mit der Freude, "dass nun wieder ein Sozialdemokrat Landrat ist". Auf Freundlich­Staatstragendes konzentrierten sich für die kleinen Fraktionen der Linken und der FDP auch Stephan Krieger und Joachim Eichner. Grobeis übernimmt den offiziellen Part Die Verabschiedungs­ und Einführungsrede für den Kreisausschuss hatte Erster Kreisbeigeordneter Oliver Grobeis gehalten und dabei die Regierungsarbeit Küblers vor dem Hintergrund der zahlreichen schwierigen äußeren Einflüsse betrachtet. Er bezog auch als Erster jene in seine Dankesworte ein, deren Würdigung sich wie ein roter Faden durch die Ansprachen des Abends zog: die Frauen der beiden Protagonisten, Elke Kübler und Gabi Matiaske­Zimmermann. Wie sein Vorgänger betonte denn auch umgekehrt der neue Landrat die Bedeutung der Rückendeckung seiner Ehefrau für sein politisches Wirken. Das will er an der Spitze des Odenwaldkreises so ausrichten, "dass wir die großen Potenziale unserer Region immer besser heben", sagte Matiaske in seiner Antrittsrede. Chancen erkennt er dabei vor allem im überbordenden Einwohnerdruck auf die Großstädte. "Inzwischen ist es doch so, dass die Ballungsräume vor lauter Zuzugsdruck geradezu explodieren", formulierte der Sozialdemokrat und leitete daraus den Ansatz für eine Umkehrreaktion in Richtung Umland ab. Diese zu stärken, könne sich jeder Odenwälder zur Aufgabe machen: "Werden Sie alle Botschafter unserer Region", wandte sich Matiaske ans Publikum.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.