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WETTER S
präsentiert neue Produkte und Erkenntnisse, die die Menschheit braucht
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Von Ralf Diesel
BERlIN
52° 31’ 12.0288’’ N 13° 24’ 17.8344’’ Ein Hauch von Morgenregen
2
RABAT
33° 58’ 17.7168’’ N 6° 50’ 59.3268’’ W Ein Gewitter nachmittags an Stellen
3
AlEPPO
36° 12’ 7.5816’’ N 37° 8’ 3.3288’’ E Eine Mischung aus Sonne und Wolken
4
WIEN
48° 12’ 29.4336’’ N 16° 22’ 25.7484’’ E Zunehmende Bewölkung
AllES lIEBE AUSSTEllUNGSZyKlON DER ERNST DER GEGENWART DAS MäNNERDING
Graw analysiert die Clique der Maler. Die malende Kaste. Die Kaste mit Quast. Okay, ohne Quatsch jetzt: Der wissenschaftliche Duktus, den man Graw in ihrem Buch unterstellen könnte, ist keiner. Es ist nämlich wissenschaftlich. Das sei erwähnt, um Missverständnisse zu vermeiden, die aus dem Titel entstehen könnten. Es gelingt der Autorin, ihre Zielsetzung, nämlich die Sonderstellung der Malerei herauszuarbeiten, spannend aufzubauen. Malerei scheint der Ausgangspunkt von Kunst zu sein, sie ist da, selbst wenn sie nicht da ist. Nämlich als Negativ, dann, wenn eine Kunst eben mit »nicht Malerei, sondern...« vorgestellt wird. Im Regelwerk der Künste spielt Malerei die zentralste Rolle, Malerei scheint nachgerade der zentrale Nerv zu sein. Wie sie es geschafft hat, sich diesen Status zu erobern, zeichnet Graw von der Frühen Neuzeit bis in die Gegenwart nach. Vor Wissenschaft friert einem aber nicht die Nase ab, das analytische Klima kühlt. Eine erfrischende Erneuerung des Bildes der Malerei. Die Ideen des Bauhaus gehen einmal um die Welt, Spuren allerorten. Nun kreist das Jubiläum. Global. Hut ab! Der Bauhausjubiläumszyklus startete letztes Jahr im März in Marokko, dann ging es nach Hangzhou, China, nächstes Kapitel New York, weiter mit Kyoto, Moskau, Sao Paulo, Lagos, Neu Delhi, und nun ist Berlin dran. Wem es zu warm wird, der kann sich im HKW die zentralste aller Ausstellungen aus dem Wanderzyklus anschauen. Und wenn es doch wider Erwarten regnen sollte, auch. Ein Soll, fast schon ein Muss. Durchforscht werden internationale Einflüsse des Bauhauses und internationale Einflüsse auf das Bauhaus. Und der Katalog fasst die multiperspektivischen Forschungsergebnisse zusammen. Mitnehmen, mitdenken, wirken lassen, genießen. Im Stillen drinnen. Schlauer wieder raus. Aber Vorsicht: Hut auf, Sonne knallt. Es gibt eine Zeit vor dem Bauhaus. Aber gibt es auch eine danach? Bauhaus endet ja nicht. Nur das Jubiläum. Letzte Kapitel Bern und Nottingham. Endet Januar 2020. Katalog bleibt. Zu dem Vielen, was der Mensch macht, zählt nun auch das Wetter. Die Hinterlassenschaften des Klimas werden wir in Zukunft betrachten können – ohne spröde pessimistisch sein zu wollen. Die Hinterlassenschaften der Vergangenheiten betrachten wir heute als Ruinen. Das Niedergerissene, Zerfallene, die Kehrseite des Ruhms, das verendende Endliche. Verortet man das Ganze, kommt man zu einer ganzen Landkarte des Dystopischen. Die Ausstellung kehrte das in uns wohnende Dystopische heraus, Entwürfe, die die Geschichte wieder verwarf. Sie zog den Schirm weg, der uns vor dem Nieder-Schlag, der unserem Handeln folgt, schützt. Dagegen steht die Kunst, als ästhetisches Zerwürfnis mit unserer Gegenwart, ein Zerwürfnis auch mit der Kultur des Betrachtens. Nicht gleich Krieg dem Kriege, so doch Bild dem Bilde. »Der Architekt baut auf, der Künstler zerstört.« Dan Graham ist zu lesen. Leider nicht mehr zu sehen. Doch unbedingt lesen. Zu den Vielen, die Gutes schreiben, zählen auch die Autor*innen hier. Das Wetter, wie wir es kannten, gibt es nicht mehr. Da weht jetzt ein ganz anderer Wind. Die Genderdebatte, wie wir sie kennen, gibt es nun bald auch nicht mehr. Da grätschen Müller und Paenhuysen einmal quer rein. Eins der wenigen Türchen im Geschlechterhaus, die noch nicht geöffnet wurden, ist nun aufgestoßen: Männerkunst. Das sagt alles. Das klingt schaurig. Wie Schnee, der einem in Nacken und Rücken rieselt. In sechs Fallbeispielen kippelt das Verständnis, wird herausgefordert. Im Gegenzug wird die Genderdebatte nicht enthebelt, soweit sind wir noch nicht, doch fachmännisch (sic!) vorgeführt. Was, wenn das Buch seiner Zeit weit voraus ist? Wird sich der Wind drehen? Der Sturm unserer m/w-Geschichte, der jetzt durch das Nadelöhr der Gegenwart pustet, wird hoffentlich irgendwann den Weg freilegen zu einer tatsächlichen Gemeinschaft. Müller und Paenhuysen gehen mit der Fahne voran. An der Fahne fehlt das Tuch. Als Fahnenstange dient ein Büchlein. Ohne dieses ist alles weitere Reden sinnlos.