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KUNST S
BERlINER GAllERy WEEKEND:
UNTERDRüCKTE FRAUENPOWER
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Wie inzwischen jedes Jahr, so auch diesen Frühling: Das Berliner Gallery Weekend präsentiert sich als ambitionierte Leistungsshow dem nationalen und internationalen Publikum. Dieses Jahr fällt da besonders die Unterpräsentation von Künstlerinnen ins Auge – und die hohe Qualität der wenigen dennoch in den 45 Galerien gezeigten weiblichen Positionen, die hier nun vorgestellt werden.
SCHON IM VORFELD wurde das diesjährige Berliner Gallery Weekend in den Sozialen Medien wegen seiner schlechten Frauenquote angegriffen, mehr als 70% der dort vorgestellten Künstler seien skandalöserweise männlichen Geschlechts, hieß es auf Facebook z. B. in einem Post der international erfolgreichen Videokünstlerin Candice Breitz. Somit entspricht dieses Jahr die Künstlerinnenquote auf dem Gallery Weekend in etwa der im Kunstbetrieb auch sonst üblichen Quote, sie ist also im schlechten Sinne repräsentativ. Diese männliche Dominanz ist aber, auch wenn Galerien Privatunternehmen sind und so klarerweise selbst entscheiden können, wen sie ausstellen und wen nicht, natürlich immer wieder scharf zu kritisieren. Als »Trost« bleibt vielleicht, dass gerade die wichtigen AusstelVon Raimar lungen auf dem Gallery Weekend heuer von Künstlerinnen Stange erarbeitet wurden. Dieser bemerkenswerte Umstand zeigt auch eindrucksvoll, wie ungerecht dessen miserable Frauenquote ist. In der Galerie Barbara Thumm in der Markgrafenstraßen sind gleich zwei herausragende Künstlerinnen zu sehen: die Britin Fiona Banner aka the Vanity Press und Anne-Mie Van Kerckhoven. Banner arbeitet bereits seit den 1990er Jahren konsequent an einer Kunstpraxis, in der Text und Bild, Buch und Kunstobjekt sich zu einer dynamischen Einheit verbinden. Immer wieder gibt die Britin dann auch Bücher und Poster heraus, so jüngst ihr sehenswertes Font Book. Jetzt zeigt sie »aufblasbare Satzpunke«, die durch den Ausstellungsraum schweben. Van Kerckhoven arbeitet wie Banner in überaus unterschiedlichen Medien, die Bandbreite reicht von kleinen Zeichnungen über vielschichtigen Collagen bis hin komplexen Leuchtkästen. Immer wieder steht hier der weibliche Körper inklusive sexuelle Begierden im Widerstreit mit technoider Logik, schen Vermarktung eines vermeintlich trist-grauen Lebens straße ebenfalls mit Malerei vertreten. Unter dem Titel etwa wenn computergenerierte Zeichnungen auf von der im damaligen Osten. Da darf ein kitschiges, von falschem Great White Fear zeigt die Künstlerin, die schon im reniederländischen Künstlerin selbst-, also handgemachte Pelz gerahmtes Erich Honecker-Porträt selbstverständlich nommierten Portikus in Frankfurt zu sehen war, neue Notate treffen. nicht fehlen. Gemälde aus den letzten Jahren. Überaus bemerkenswert ist auch die Ausstellung ostal- Die US-amerikanische Künstlerin Math Bass überzeugt in Last, but not least, zeigt das Kunst- und Projekthaus Mitte gie von Henrike Naumann in der Galerie KoW, die in der Kurfürstenstraße bei der Galerie Tanya Leighton mit in der Torstraße 111 die sehenswerte Gruppenausstellung den alten Räumen der Galerie in der Brunnenstraße ein ihren seltsam piktogrammartigen Bildern, die mal direkt Im großen Schiff der Gefühle, u. a. mit so bekannten Künstletztes Mal während des Gallery Weekend zu sehen ist. auf die Wand, mal auf Leinwand aufgetragen werden. lerinnen wie Valerie Favre, Nanne Meyer und Ann Noel. Naumann spürt in ihrer beeindruckenden Installation dem Buchstaben stehen da neben abstrakten Formen, die Mit ihren insgesamt 26 Positionen belegt die umfangreiche Phänomen der sogenannten »Ostalgie« nach und fragt wiederum durch gegenständliche Motive, wie etwa dem Ausstellung überzeugend, wie vielfältig das Spektrum der mit ihrer furiosen Inszenierung aus Videos, Soundarbei- geöffneten Maul eines Alligatoren, lakonisch ergänzt »Kunst von Frauen« nicht erst seit heute längst ist. ten, Originalmobiliar und Alltagsgegenständen aus der werden. Irgendwo zwischen Bilderrätsel und dekorativer Ein Besuch des Gallery Weekends lohnt sich also auch DDR danach, wie unser Bild von Ostdeutschland und Post Pop Art ist diese hybride Kunst in der Ausstellung To dieses Jahr auf jeden Fall und besonders dann, wenn man dem gescheiterten »real-existierenden Sozialismus« her- name A Few angesiedelt. das Augenmerk einmal konzentriert auf die spannenden vorgegangen ist aus der klischeehaften und besserwisseri- Jana Euler schließlich ist in der Galerie neu in der Linien- Präsentationen von Künstlerinnen richtet.
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Bild oben rechts Fiona Banner aka The Vanity Press Full Stop Seascape; Time, Onyx 2018 Öl auf Leinwand 12 x 9 cm © Galerie Barbara Thumm
Math Bass War Flower, 2019 Gouache auf Leinwand 213.4 x 208.3 cm 84 x 82 in Unique Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und Tanya Leighton, Berlin Anne-Mie van Kerckhoven Ornament (Orakel) 2016 Digitaldrucke auf zwei Acrylglasschichten, montiert auf lackierter Holzkiste 223,5 x 157,5 x 5,5 cm © Galerie Barbara Thumm and Zeno x Gallery
HIGHLIGHT
VIK MUNIZ x RUInART
Im diesem Jahr ist es der brasilianische Künstler Vik Muniz, der seine Vision vom Terroir und dem Savoir-faire für Ruinart künstlerisch umsetzt.
Vik Muniz, 1961 in einer einfachen Familie in São Paulo, Brasilien, geboren, erhielt im Alter von 14 Jahren ein Stipendium, das es ihm ermöglichte, Kunst zu studieren und gleichzeitig Abendunterricht zu nehmen.
Vik Muniz entwickelte rasch seinen ganz persönlichen Stil durch den Einsatz verschiedener Materialien – Schokolade, Staub, Zucker, Ketchup, Müll, Diamanten, Kaviar, Blumen und vieles mehr –, um fotografische Bilder zu schaffen, die oft auf klassische Malerei zurückgehen. Der Künstler definiert sich selbst als „Low-Tech-Illusionist”.
Während seines Aufenthalts in der Champagne zur Zeit der Ernte im Oktober 2018, verbrachte Vik Muniz viele Stunden zusammen mit dem Kellermeister, Frédéric Panaïotis, in Ruinarts Weinbergen. Vik Muniz war fasziniert von der Natur und dem komplexen Klima in der Champagne, das für den Anbau von Wein eher ungeeignet erscheint. Umso überraschender ist es, dass genau diese Herausforderung das Beste aus der Rebe zum Vorschein bringt. Wie ein Überlebensreflex produzieren Chardonnay und Pinot Noir ihre besten Früchte unter diesen widrigen Bedingungen. Beeindruckt von den Gegebenheiten, schuf Vik Muniz eine Serie von sechs Bildern wie auch eine Kunstinstallation, die inspiriert sind von der Tatsache, dass Winzer und Weinberge, sich stets den neuen Herausforderungen der Natur stellen müssen. Seine Fotografien werden durch den Einsatz natürlicher Elemente, wie geschwärztes Holz, Kohle oder Chardonnay-Blätter geprägt, die mit unserer Wahrnehmung spielen.
In seinen sieben Kunstwerken für das Haus Ruinart greift Vik Muniz die tiefen Beziehungen zwischen Mensch und Natur, Winzern und Weinreben sowie Ruinart und dem Champagner-Terroir auf.
Vik Muniz zeigt in Zusammenarbeit mit Ruinart seine Kunstwerke während des Gallery Weekend Berlin.
VIK MUNIZ x RUInART 25. - 28. APRIL 2019 DNA GALERIE AUGUSTSTRASSE 20, 10117 BERLIN
Eine Auswahl seiner Werke wird auf verschiedenen Kunstmessen gezeigt
FRIEZE (NEW YORK)
LA BIENNALE DI VENEZIA
ART BASEL
ART BASEL MIAMI
Deutschland
Deutschland
Österreich
Deutschland
Deutschland
Deutschland
Schweiz
Deutschland
Deutschland
Schweiz
Kunsthalle Baden Baden Psyche als Schauplatz des Politischen 16.03. – 16.06.2019
Kunsthalle Mannheim Confiscated! The Return of The Master Sheets 22.03 – 23.06.2019
Kunsthalle Wien Peter Friedl. Teatro 22.03 – 09.06.2019
Hamburger Bahnhof Jack Whitten: Jack’s Jacks 29.03 – 01.09.2019
Bundeskunsthalle Bonn Power Play Anna Uddenberg 05.04 – 15.09.2019
Gropius Bau The Black Image Corporation Theaster Gates 25.04 – 28.07.2019
Fondation Beyeler Rudolf Stingel 26.05 – 06.10.2019
Schirn Kunsthalle John M. Armleder. Circa, Circa 07.06 – 01.09.2019
PalaisPopulaire Summer of Love Art, Fashion and Rock & Roll 21.06 – 28.10.2019
Kunsthalle Zürich Peter Wächtler 31.08. – 17.11.2019
TEILNEHMENDE GALERIEN & KÜNSTLER
Galerie Guido W. Baudach | Björn Dahlem Blain I Southern | Bernar Venet Niels Borch Jensen | Matt Saunders Isabella Bortolozzi Galerie | Veit Laurent Kurz BQ | Raphaela Vogel Galerie Buchholz | Michael Krebber Buchmann Galerie | Nigel Cooke Capitain Petzel | Stefanie Heinze Carlier I Gebauer | Asta Gröting Crone Berlin | Clemens Krauss Contemporary Fine Arts | Tal R, Eberhard Havekost Chertlüdde | Sol Calero, Juan Antonio Olivares Dittrich & Schlechtriem | Julian Charriére Galerie Eigen+Art | Martin Eder, !Mediengruppe Bitnik Konrad Fischer Galerie | Richard Long Galerie Friese | William N. Copley, Saul Steinberg Galerie Michael Haas | Abraham David Christian Kewenig | Imi Knoebel Kicken Berlin | Robert Frank, Saul Leiter Klemm’s | Elizabeth Jaeger Klosterfelde Edition | Jorinde Voigt König Galerie | Camille Henrot, Matthias Weischer, Jeppe Hein KOW | Franz Erhard Walther, Clegg & Guttmann Kraupa-Tuskany Zeidler | Pieter Schoolwerth Tanya Leighton | Math Bass Alexander Levy | Fabian Knecht Daniel Marzona | Axel Hütte Meyer Riegger | Daniel Knorr Galerie Neu | Jana Euler Neugerriemschneider | Thomas Bayrle Galerie Nordenhake | Rémy Zaugg Peres Projects | Beth Letain Galeria Plan B | Horia Damian Gregor Podnar | Anne Neukamp PSM | Daniel Lergon Aurel Scheibler | Ernst Wilhelm Nay Esther Schipper | Ryan Gander Galerie Thomas Schulte | Jonathan Lasker, Alice Aycock Société | Kaspar Müller Sprüth Magers | Peter Fischli/David Weiss, Reinhard Mucha, Andrea Robbins/Max Becher Galerie Barbara Thumm | Anne-Mie Van Kerckhoven, Fiona Banner Galerie Barbara Weiss | Frieda Toranzo Jaeger Wentrup | Florian Meisenberg, David Renggli Barbara Wien | Jong-Ik Kim Kunsthandel Wolfgang Werner | Richard Oelze MUSEEN & INSTITUTIONEN
Museum Barberini Alter Markt Humboldtstrasse 5 – 6, 14467 Potsdam museum-barberini.com »Picasso: The Late Work. From The Collection Of Jacqueline Picasso«
Museum Berggruen Schlossstrasse 1, 14059 Berlin smb.museum/mb »The Lives Of Images – Works And Their Provenances In Museum Berggruen«
Berlinische Galerie Alte Jakobstrasse 124 – 128, 10969 Berlin berlinischegalerie.de »Realities:united. Fazit«
C / O Berlin Hardenbergstrasse 22 – 24, 10623 Berlin co-berlin.org »Boris Mikhailov – Before Sleep / After Drinking« »Cortis & Sonderegger – Double Take«
Daadgalerie Oranienstrasse 161, 10969 Berlin daadgalerie.de »Minerva Cuevas – No Room To Play«
Gropius Bau Niederkirchnerstrasse 7, 10963 Berlin gropiusbau.de »And Berlin Will Always Need You« »The Black Image Corporation« By Theaster Gates
Hamburger Bahnhof – Museum Für Gegenwart – Berlin Invalidenstrasse 50 – 51, 10557 Berlin smb.museum/hbf »How To Talk With Birds, Trees, Fish, Shells, Snakes, Bulls And Lions« »Local Histories« »Andreas Mühe – Mischpoche« »A German Legend. Emil Nolde And The Nazi Regime« »Jack Whitten: Jack’s Jacks« »Flying Steps & Osgemeos” Haus Am Waldsee Argentinische Allee 30, 14163 Berlin hausamwaldsee.de »Ammar Al-Beik – One To Free«
Hau – Hebbel Am Ufer Stresemannstrasse 29, 10963 Berlin hebbel-am-ufer.de Walid Raad – »Les Louvres And/Or Kicking The Dead« Friday, Saturday & Sunday April 26 – 28, 7 & 9pm
Jüdisches Museum Berlin Lindenstrasse 9 - 14, 10969 Berlin jmberlin.de »Res·o·nant By Mischa Kuball« »Monika Werkstatt – Ambient Werkstatt« Electronic Improvisation Saturday & Sunday, April 27 & 28, 4 - 8pm
Künstlerhaus Bethanien Kottbusser Strasse 10, 10999 Berlin bethanien.de »Chiu Chen-Hung, Pija Krajewski, Irina Ojovan, Hayden Fowler, Krista Belle Stewart«
KW Institute For Contemporary Art Auguststrasse 69, 10117 Berlin kw-berlin.de »David Wojnarowicz« »Reza Abdoh« »Frank Wagner« Thursday & Friday, April 25 & 26, 11am – 9pm Saturday & Sunday, April 27 & 28, 11am –7pm
Neuer Berliner Kunstverein Chausseestrasse 128 / 129, 10115 Berlin nbk.org »There Is Fiction In The Space Between« N.B.K. Showroom »Arnold Dreyblatt. The Resting State« N.B.K. Artothek »Uferhallen Kunstaktien«
Palaispopulaire Unter Den Linden 5, 10117 Berlin db-palaispopulaire.de »Objects Of Wonder British Sculpture From The Tate Collection, 1950s – Present« Schinkel Pavillon Oberwallstrasse 1, 10117 Berlin schinkelpavillon.de »Pauline Boudry & Renate Lorenz – Straying From The Line«
PRIVAT SAMMLUNGEN
Sammlung Boros Bunker, Reinhardtstrasse 20, 10117 Berlin sammlung-boros.de Saturday And Sunday, April 27 & 28, 10am – 6pm, Visit Without Registration.
Museum Frieder Burda / Salon Berlin Auguststrasse 11 – 13, 10117 Berlin museum-frieder-burda.de »JR – Adrian Piper – Ray Johnson«
The Feuerle Collection Hallesches Ufer 70, 10963 Berlin By Appointment thefeuerlecollection.org
Fluentum Collection Clayallee 174, 14195 Berlin fluentum.org »Guido Van Der Werve – Number Eight, Nine, Twelve, Thirteen, Fourteen, Seventeen«
sammlung hoffmann Sophie-Gips-Höfe, Aufgang C, Sophienstrasse 21, 10178 Berlin By Appointment sammlung-hoffmann.de
Me Collectors Room Auguststrasse 68, 10117 Berlin me-berlin.com »Beyond«
Miettinen Collection / Salon Dahlmann Marburger Str. 3, 10789 Berlin salon-dahlmann.de »LG Nordström« »Emanuel Seitz«
»EinE FEiEr dEs LEbEns«
Nachts in Berlin, ein einsames Fabrikgebäude irgendwo im Nirgendwo zwischen Prinzenstraße und dem Bahnhof Hallesches Tor. Irgendwann öffnet sich eine Tür in der Wand, dahinter ein bulliger Türsteher, ein Lagerfeuer im Ölfass und eigenwillige Skulpturen im Halbdunkel. Will man da wirklich rein? Unbedingt! Schließlich haben die Künstler Spencer Sweeney und Urs Fischer mit HEADZ Berlin ein Angebot gemacht, das man nicht ablehnen kann: Einen Monat lang fünf Tage die Woche jeden Abend Jazz, Verpflegung und Künstlerbedarf gratis. Für alle. Klingt irre, hat aber funktioniert. Nur – was sollte das? Gunnar Lützow hat bei Spencer Sweeney nachgefragt.
nachdem Ihr bereits den HEADZ Salon in new York City als einen ort organisiert hattet, an dem Menschen, Klänge und Bilder in Bewegung gekommen sind – welche Erwartungen hattet Ihr nach Berlin gebracht und welche Erwartungen hatten Euch nach Berlin gebracht? Hattet Ihr in Berlin ein völlig anderes Publikum erwartet und wie verhält sich das Ergebnis zu den Erwartungen? Wir hatten einfach so ein Gefühl, dass, wenn es überhaupt an einem anderen Ort als New York funktionieren würde, Berlin der richtige Ort dafür wäre. Es war nur so eine Ahnung. Wir hatten wirklich keine Ahnung, ob es tatsächlich funktionieren würde, aber das tat es. Es findet in der Zeit zwischen Einbruch der Dunkelheit und der Nachtruhe statt. HEADZ, das sind die Geheimnisse, die sich in jenen Stunden enthüllen, das Verhältnis der Stadt zu ihren Nächten.
Wenn man sich das riesige Konvolut von Arbeiten anschaut, das im Rahmen von HEADZ produziert, und nicht nur an den Wänden, sondern sogar auch an der Decke präsentiert wurde, frage ich mich, was Ihr damit vorhabt. Und: Habt Ihr bei der Sichtung des Materials Arbeiten entdeckt, die Euch wirklich überrascht haben? In New York haben wir jedes dort entstandene Kunstwerk fotografiert. Wir werden Bücher herausbringen, die Reproduktionen der Werke gemeinsam mit Aufnahmen aus dem Salon zeigen. Es gibt immer eine große Anzahl von Werken, die uns überraschen und erfreuen. Das kann man gar nicht einzeln beschreiben – so viele verschiedene Stimmen sind hier vernehmbar, so viele verschiedene Ausdrucksformen. Ein kollektives visuelles Unbewusstes. Jeder Künstler hat die Ambition, mit Warhol oder Picasso ausgestellt zu werden. Gleichzeitig versuchen viele zu vermeiden, mit weniger bekannten Kollegen gezeigt zu werden. Im Gegensatz dazu seid Ihr als etablierte, in großen Galerien vetretene Künst- ler das Risiko eingegangen, an den selben Wänden zu hängen wie – möglicherweise – ein paar gerade eingetroffene Austauschstudenten. Wie hat sich das angefühlt? Das war risikofrei. HEADZ ist ein kollektives Projekt. Es steht allen offen. Etablierte Künstler und Leute, die vielleicht noch nie in ihrem Leben gemalt oder gezeichnet haben, sind dabei, um mitzumachen und etwas zu schaffen. Ihre Arbeiten werden gemeinsam ausgestellt, unabhängig davon, welchen Grad an Erfahrung sie mitbringen. Wenn Kunstwerke in der Mehrzahl leben, befreit es sie von Erwartungen. Es ist einfach eine Feier des Lebens.
nach dem Besuch mehrerer Abende habe ich mich gefragt, ob ich möglicherweise Zeuge eines soziologischen Experiments geworden bin – wobei mir nicht ganz klar ist, was genau erforscht werden sollte. War HEADZ ein Experiment und hatte es mit der Untersuchung von Bedingungen für Kreativität zu tun oder ging es um etwas anderers? Eingangs war das Konzept, ein offenes Atelier zu schaffen, in dem Leute in einer gewissen Nähe zueinander arbeiten würden. Der schöpferische Prozess kann oft eine sehr einsame Erfahrung sein. Unser Interesse war, herauszufinden, was passieren würde, wenn man Leute einlädt, in einer Gruppe zu arbeiten. Oft haben wir ja die besten Gespräche, wenn wir gleichzeitig etwas anderes tun. Die Live-Musik befreit den Geist, so dass dort, wo Kontrolle war, Flow entsteht. In diesem Sinne haben wir versucht, eine Herausforderung zu schaffen, damit etwas Neues und Lebendiges entstehen kann. Wir hatten keine Ahnung, ob das funktioniert, doch waren davon überzeugt, es zu versuchen.
Unter den verschiedenen überraschenden Dingen im Zusammenhang mit HEADZ war die Tatsache, dass es weitgehend eine Art »Geheimtipp« blieb: Erst am letzten Tag tauchten die »üblichen Verdächtigen« auf. Wie ist es Euch gelungen, so ein großes Ereignis so lange geheim zu halten? Über unsere Mailingliste haben wir einmal wöchentlich eine Mail mit einem Gemälde und dem musikalischen Line-Up verschickt. Wir haben dann die Teilnehmer gebeten, auf der Rückseite ihrer Arbeiten ihren Kontakt zu vermerken, und haben sie dann in den Verteiler aufgenommen. Auf Social Media haben wir verzichtet, um das Ereignis in einer anderen Atmosphäre stattfinden zu lassen. Wir wollten einen authentischen Ort schaffen, der außerhalb der Kunstwelt – oder jeder anderen klar abgegrenzten Welt – wächst. In Berlin haben wir aufgrund der begrenzten Dauer mehr Menschen angesprochen. So war es eine Mischung aus »Geheimtipp« und Mailingliste, wobei wir aber bis zum Ende des Projekts Presseanfragen abgelehnt haben, so dass der Zulauf für uns überschaubar blieb.
Die Interaktion zwischen den Teilnehmern war überraschend höflich. In einem Rah- men, der zu freiem Ausdruck ausdrücklich einlädt und dazu gratis Getränke und Künstlerbedarf anbietet, hätte man doch zumindest ein spielerisch provokatives Verhalten erwarten dürfen, wie es unter jüngeren Kunststudenten nicht unüblich ist. Hat Euch das als Gastgeber eher gefreut oder habt Ihr ein wenig Rebellion hier und dort vermisst? Ja, die Stimmung war tatsächlich weitgehend respektvoll. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Da ist die Achtung des Publikums vor dem, was die Musiker leisten. Dazu kommt das gemeinsame Essen. Wir haben jeden Abend gesundes, selbstgemachtes Essen serviert. Auf eine subtile, beinahe unbewusste Weise schafft das ein gewisses Gefühl der Dankbarkeit – was einen Riesenunterscheid macht.
Und natürlich konzentrieren sich die Leute sehr auf die Arbeit an ihren Kunstwerken. Es ist erstaunlich, wie schnell die Leute reinkommen, sich das Material holen und an die Arbeit gehen – und wie lange sie dermaßen fokus-siert bleiben. Der Posaunist Craig Harris, der regelmäßig im Rahmen von HEADZ aufgetreten ist, hat das Motto für HEADZ erfunden: »Create or Vacate«. Das haut er immer wieder gerne übers Mikro raus oder arbeitet es, wenn nötig, in einen Song ein. Auf magische Weise hält auch das die Dinge in der Spur. Haha!
nimmt man mal die Werke und die Atmosphäre, in der sie entstanden sind, zusammen – gibt es so etwas wie eine Erkenntnis, wurde darin ein »Spirit of Berlin« sichtbar? Darüber hinaus wäre es interessant zu fahren, in wie weit sich die Erfahrung von HEADZ eines Tages in Eurer eigenen Praxis abbilden wird. Wir haben das bisher nur in zwei Städten, New York und Berlin, gemacht. Es ist überraschend, wie ähnlich sich die Energie und das Gefühl in beiden Städten sind. Tatsächlich ist in beiden Fällen eine vergleichbare Atmosphäre entstanden. Und ich denke, dass jeder, der daran beteiligt war, davon inspiriert worden ist. Das hält es am Laufen.
Wenn man mal für einen Augenblick alle finanziellen und organisatorischen Beschränkungen wie Zeit, Logistik und so weiter außer acht ließe – könntet Ihr Euch HEADZ in der Zukunft an einem anderen ort vorstellen? So etwas wie HEADZ lässt man besser ungeplant. So bleibt es frisch. HEADZ ist wie – zusammen träumen.
TExT
Von Gunnar Lützow
BILD