Duftende Marken-Ware

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suche. Nazzareno Polini und Trüffelhündin Grace bei der Arbeit: Sie schnüffelt, er gräbt.

duft. Manche Trüffeln wachsen einen Meter unter der Erde. Ein guter Hund findet sie dennoch.

gramm. Noch im Wald wird die eben erst ausgegrabene Knolle gewogen – aus Neugier.

Die Marken sind Italiens unbekannteres Trüffelgebiet. Eine Spurensuche mit Codewörtern, Belohnungswurst und Fonduta. 38  Schaufenster

zwei anderen Hunden nach, bringt dem Mann die Jause und nimmt die erschöpften ersten zwei Hunde wieder mit nach Hause.“ Er hingegen lebe mit den beiden Hündinnen. Und wenn sie müde sind oder unwillig, bedeutet das eben für ihn: keine Trüffeln.

grazie! Während der Saison wird in den Restaurants der Region großzügig gehobelt.

Belohnung. Grace, die schwarz-weiße, arbeitet an diesem Nachmittag ein bisschen mehr als die braun-weiße Teppa. Diese ist aber zumindest beim Anstellen um die Belohnungswurststücke aus Polinis Bauchtasche genauso eifrig. „Ancora una volta! Cerca la pallina!“, heißt es da schon wieder aus Nazzareno Polinis Mund – „Noch einmal! Such’s Balli!“ Die Schnauze am Boden, huschen die Hündinnen (in den Marken sind höchstens zwei Tiere pro Mann erlaubt) im Zickzack durch den idyllischen Herbstwald. Sie sind durchaus flinker im Unterholz als der Mensch. Ein paar Kratzer im Gesicht sind bei Trüffelsuchern Standard, eine Kapuze kann helfen, ein robuster Hosenstoff auch. Grace schlägt unter einer Eiche an, beginnt mit den Pfoten in der Erde zu scharren. „Piano“, versucht er ihren Eifer zu dämpfen, ruhig Blut. Der Trüffelpreis richtet sich schließlich nicht nur nach dem Gewicht, sondern auch danach, wie unbeschädigt die Knolle ist. Würmer und Pfotenkratzer sind da hinderlich. Grace hält tatsächlich inne, lässt ihr Herrchen seinen langen, dünnen Spaten zücken und vorsichtig graben. Diese vanghetta dabeizuhaben, ist für Trüffelsucher laut Gesetz verpflichtend, die Waldpolizei, la polizia forestale, kontrolliert. Polini legt mit diesem Werk-

team. Nazzareno Polini ist immer mit zwei Hunden unterwegs. Zur Belohnung gibt es Wurststücke.

Duftende Marken-Ware Text und Fotos: Anna Burghardt

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erca la pallina, Grace!“, feuert der Mann mit der schwarzen Kapuze seine Mischlingshündin an. Und Grace sucht folgsam das Balli. Es wird rund 73  Gramm wiegen, dem Kapuzenmann rund 250  Euro einbringen und dem drahthaarigen Fräulein Grace ein paar Belohnungswurststücke. Und ebendieses Balli wird womöglich in einem Ristorante in Acqualagna oder Urbino über gebutterte, dotterlastige Tagliatelle gehobelt werden, über das Käsefondue Fonduta oder über Fazzoletti, „Taschentücher“ genannte eierlastige Crêpes. „La pallina“ ist nämlich das Codewort zwischen dem Bergführer Nazzareno Polini und seinen Trüffelhündinnen Grace und Teppa. Zufällig vorbeikommende Wanderer sollen nicht mitbekommen, dass hier gerade Trüffeln gesucht werden – ein harmloses Ballspiel, sonst nichts, bitte gehen Sie weiter. Trüffelplätze sind kostbare Geheimnisse. Die Konkurrenz zwischen den Trüffelsuchern ist natürlich auch in dieser Region, in den mittelitalienischen Marken, groß, die Stimmung unter den großteils männlichen Knollenjägern nicht immer freundlich. Freundlich ist indes der Umgangston im Team Nazzareno. Das ist keine Selbstverständlichkeit, wie der studierte Naturwissenschaftler erzählt, kein typischer Trüffelsucher, da man ihn auch für Trüffelabenteuer buchen kann: „Manche halten ihre Hunde wie Jagdhunde draußen im Käfig. Da geht der Mann am Vormittag mit zwei Hunden suchen, zu Mittag kommt die Frau mit

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wertvoll. Emidio Angellozzi leitet eine Trüffelbaumanlage, eine Tartuficoltura. Schwägerin Rita prüft die Qualität.

üppig. Im alten Kino von Amandola finden Trüffeldinner statt: Gespart wird nicht.

spezialität. Ob ­Fazzoletti, Tagliatelle oder Ricottaravioli: Trüffel auf alles.

zeug sowie seinen behandschuhten Händen allmählich eine beige Knolle frei. Grace beobachtet ihn mit Argusaugen. Man riecht den intensiven Duft der Erde nun tatsächlich schon von mehreren Metern. „Bello! Brava!“, ruft Polini und hält eine große weiße Trüffel in die Höhe. Das Fundloch verschließt er sofort wieder, es gilt schließlich, möglichst wenige Spuren zu hinterlassen, die seinen Konkurrenten dienlich sein könnten. Nazzareno Polinis Rekord bei wild wachsenden weißen Trüffeln: ein Kilo an einem Tag. Die schönsten, die perfekt runden Stücke aus den Marken, so erzählt der Nebenerwerbssammler, gehen allesamt an den Markt von Alba im Piemont. Dort werden sie zu weitaus höheren Preisen gehandelt als auf den großen Trüffelmärkten von Acqualagna oder Amandola, die jeden Oktober und November Zehntausende Besucher in die Marken locken. ppig zugehobelt. Dann duftet in diesen histoÜ rischen Städten jedes Restaurant auf Trüffelkomm-raus, gehobelt wird überaus großzügig – oft bei Menüpreisen von gerade einmal 40 Euro inklusive Wein, etwa aus der autochthonen weißen Rebe der Marken, Bianchello. In der Osteria Del Parco, in einer Seitengasse des Hauptplatzes von Acqualagna gelegen, serviert man im Rahmen eines solchen Menüs Carpaccio, Eierspeise, Tagliatelle, Polenta sowie Crostini mit einer sämigen Sauce aus Trüffelfond, Weißwein und Butter – alles üppig mit gar nicht so dünnen Scheiben von Trüffeln zugehobelt. Schließlich ist das Jahr 2018 ein geradezu phänomenales Trüffeljahr. In der engen Küche der Osteria scheint man sich heuer wenig um die duftenden Hobelabfälle zu kümmern, sie liegen überall herum; in schlechteren Jahren wie 2017 mag das anders gewesen sein. 40  Schaufenster

ernte. Was die Trüffelplantage von Angellozzi hergibt, wird erst einmal sortiert.

Auf den Märkten der Marken werden nicht nur „wilde“ Trüffeln aus den Wäldern verkauft, sondern auch Knollen von Plantagen. Die Firma Angellozzi hat eine solche, von hohen Zäunen samt überwachtem Eingangstor eingefasst. Gepflanzt wurden hier, mitten im Nirgendwo, Bäume, deren Wurzelgeflecht mit Trüffelsporen infiziert ist. Hauptsächlich Eichen und Hainbuchen. Dass man unter diesen Bäumen dann Trüffeln findet, ist zwar sehr wahrscheinlich, aber nicht garantiert. Die Bäume der Angellozzis werden durch Beschneiden klein gehalten, damit sich die Wurzeln nicht zu weit ausdehnen und die Sporen leichter sortenrein gehalten werden können. Die Erde rund um diese Bäumchen lockert man regelmäßig auf: Die Trüffeln sollen schließlich bequem zu möglichst perfekten Kugeln heranwachsen können, so wie Küchenchefs sich das eben wünschen, sie sollen sich nicht mühsam durchkämpfen müssen und am Ende gar zerfurcht und mit zerdepschtem Antlitz das Licht der Marken erblicken. Für das Aufstöbern der Knollen auf der Trüffelplantage sind wie bei der Suche im unterholzreichen Wald Hunde notwendig. Jene des Familienbetriebs Angellozzi werden neben dem Hauptquartier in einem Freiluftzwinger gehalten. Wie Trüffelhunde überhaupt trainiert werden, erfährt man indes, wenn man eine Trüffeltour bei Nazzareno Polini bucht: mithilfe der gelben Kapseln von Überraschungseiern. Löcher hineinbohren, Trüffelstücke hineingeben. Und die Hunde von Welpenbeinen an la pallina suchen lassen. s

Tipp trÜffeln kaufen. Die Firma Cibus mit Sitz in den Marken verkauft Trüffeln mit Qualitätssiegel in Wien etwa bei Urbanek und im Schwarzen Kameel. Trüffeltouren bei Nazzareno Polini: nenopolini.com. Infos über die Marken: turismo.marche.it

Die Reise erfolgte auf Einladung der Region Marken.

Die Tartuficoltura ist mit hohen Zäunen gesichert.


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