EDITION Das Stilmagazin von BRAUN Hamburg Vol. 5
I. MODE
EUR 8.50
II. STILWELT
III. UPDATE
IV. LITERATUR
WIR SIND WIEDER PERSÖNLICH FÜR SIE DA UNSERE STORES IN HAMBURG HABEN WIEDER GEÖFFNET UND WIR FREUEN UNS SEHR, SIE BEI UNS BEGRÜSSEN ZU DÜRFEN.
KAISERGALERIE
MÖNCKEBERGSTRASSE
Große Bleichen 27
Mönckebergstr. 17
ÖFFNUNGSZEITEN Montag bis Samstag: 10:00 -19:00 Uhr
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EDITION / VOL. 5 – EDITORIAL
EDITIO N Das Stilmagazin
Liebe Leser, das neue EDITION Magazin erreicht Sie in einer Zeit, die unter ganz anderen Vorzeichen steht als die bisherigen Ausgaben. Nie hätten wir uns vorstellen können, dass sich unser Alltag in so kurzer Zeit so fundamental ändern kann. Nie hätten wir gedacht, dass andere entscheiden, wann wir unsere Geschäfte öffnen dürfen. Nie hätten wir es für möglich gehalten, dass ein Virus in so kurzer Zeit die Gesellschaft nachhaltig verändert. Und eines ist gewiss: Es wird uns auch noch länger beschäftigen. Trotzdem gilt es, sich nach dieser Zeit der Entbehrung auch einmal wieder mit den schönen Dingen zu beschäftigen. Und zu den schönen Dingen gehört mit Sicherheit das, was wir für Sie haben einkaufen dürfen, was wir für Sie haben fotografieren dürfen. Das alles natürlich zu einer Zeit, als das Virus uns noch unbekannt war. Mit dem neuen Magazin möchte ich Sie mitnehmen auf eine Reise auf die schöne Insel Madeira, in das ikonische Belmond Reidʼs Palace, um Ihnen die modischen Besonderheiten dieses Sommers zu präsentieren, die Ihnen hoffentlich ähnlich viel Spaß machen wie uns. Lassen Sie sich inspirieren, lassen Sie uns Ihre Augen verwöhnen und freuen Sie sich mit uns auf eine baldige Wiederbegegnung. Wir sind für Sie da. Vorbereitet auf das Maximum, welches man an Hygiene bieten kann, unser Ambiente und unsere Kollektionen schön, edel, einzigartig und stets individuell. Wir freuen uns auf Sie. Herzlichst, Ihr
LARS BRAUN, HERAUSGEBER
2.3
CONTE N T
12 FASHION STORY I: Die Eleganz der Zurückhaltung.
08 STILWELT IST LUXUS NACHHALTIG, HERR MARENZI? Claudio Marenzi, ein Visionär der Modeindustrie, über Innovation, Made in Italy und Nachhaltigkeit. 12 MODE FASHION STORY I: LʼAMERICANO Stil in der Retrospektive. 26 STILWELT OMA CAROLINA SEI DANK Hemdenmachertradition im 21. Jahrhundert. 28 MODE FASHION STORY II: LʼÉLITE Klassik mit Augenzwinkern. 36 STILWELT CASHMERE AN DIE MACHT Was sich hinter Colombos Kid Cashmere versteckt.
38 STILWELT WIE KANN MAN MIT KUNST HANDELN, WENN MAN FAST BLIND IST, HERR KÖNIG? Johann König über die Zugänglichkeit der Kunst und die Stellung von Künstlern. 42 STILWELT WAS BILDET CHARAKTER, HERR STRUCK? Eine Symbiose aus gemeinsamer DNA und Individualität als Erfolgsrezept einer Hotelgruppe. 46 KLASSIKER ORTE DES ANKOMMENS Ausgewählte Destinationen für die nächste Reise. 52 MODE FASHION STORY III: IL COSMOPOLITA Das Upgrade eines Klassikers.
EDITION / VOL. 5 – CONTENT
96 LITERATUR: Bücher, so bunt wie die Welt selbst.
62 STILWELT SUMMER WALK Loro Pianas Version des idealen Sommerschuhs.
88 MODE FASHION STORY V: LʼARTISTA Die perfekte Schuh-Formel.
64 UPDATE SOLLEN WIR AUTONOM FAHREN, HERR BENDEL? Der Maschinenethiker Oliver Bendel über das Zusammenspiel von Moral und Maschine.
94 KLASSIKER O AMSTERDAM! Lieblingsorte von Herausgeber Lars Braun. 100 MODE FASHION STORY VI: LʼOPTIMISTA Schau mir in die Augen!
68 MODE FASHION STORY IV: LʼITALIANO So charaktervoll, so charmant, so Cucinelli.
106 UPDATE KOMMT JETZT DIE DIGITALE PILLE, HERR FUSSENEGGER? Biotechnologe Martin Fussenegger und die Zukunft der Medizin.
84 STILWELT WAS FASZINIERT SIE AM INTERDISZIPLINÄREN, HERR KLANTEN? Robert Klanten, Inhaber des gestalten Verlags, im Gespräch.
110 KLASSIKER ADRESSEN UNSTERBLICHER KUNST Museen als Quelle der Inspiration.
86 STILWELT GESTATTEN, SANTONI Italienische Handwerkskunst in Vollendung.
4.5
EDITION / VOL. 5 – STILWELT
DIE SCHÖNHEIT DER DINGE LEBT IN DER SEELE DESJENIGEN, DER SIE BETRACHTET. David Hume
6.7
Ist Luxus nachhaltig, Herr Marenzi? Claudio Marenzi ist ein Visionär: Aus einer namenlosen Regenmäntelproduktion in Oberitalien hat er die Marke Herno geformt. Seine Firma ist ein Bekenntnis zum Spezialistentum made in Italy, doch das Engagement des Geschäftsmanns reicht weit über das eigene Unternehmen hinaus. Mit vielen Visionen will er Italiens Modeindustrie einen, die Expertise bewahren und in ein neues, nachhaltiges Zeitalter führen. INTERVIEW: Martina Müllner-Seybold. FOTOS: Herno.
So sieht ein moderner Cavaliere del Lavoro aus – dieser Ehrentitel wird
Menschen, wie Claudio Marenzi, zuteil, deren Engagement um „Made in Italy“
beispielhaft ist. Der Herno-Inhaber ist in der eigentlichen Bedeutung des Wortes Lobbyist im Sinne der italienischen Modeindustrie.
EDITION / VOL. 5 – STILWELT
Ist Luxus nachhaltig, Herr Marenzi? Claudio Marenzi ist ein Visionär: Aus einer namenlosen Regenmantelproduktion in Oberitalien hat er die Marke Herno geformt. Seine Firma ist ein Bekenntnis zum Spezialistentum made in Italy, doch das Engagement des Geschäftsmanns reicht weit über das eigene Unternehmen hinaus. Mit vielen Visionen will er Italiens Modeindustrie einen, deren Expertise bewahren und sie in ein neues, nachhaltiges Zeitalter führen. INTERVIEW: Martina Müllner-Seybold. FOTOS: Herno.
Herno hat eine über 70-jährige Geschichte, doch mehr noch interessiert Sie die Zukunft: Ihr Investment in Forschung und Entwicklung ist enorm. Was macht diese so essenziell? Ganz einfach: Ohne Forschung und Entwicklung gibt es keine Zukunft. Wer in Innovation investiert, investiert in das Wachstum seiner Marke – sowohl in der Fertigung als auch in der Vermarktung. Man kann nicht stehen bleiben, die Bedürfnisse der Kunden verändern sich. Und nur wer innovativ ist, entwickelt sich analog zu diesen Ansprüchen. Herno ist als Produktspezialist bekannt, und Sie sind sogar standhaft geblieben, als es sehr in Mode war, seine Marke durch verschiedene Brand Extensions zu verbreitern. Bleibt das auch in Zukunft das Credo – keine Herno-Schuhe oder gar ein Parfum? Wir sind jetzt seit 70 Jahren eine Monoproduktmarke, spezialisiert auf Outerwear. Das Sortiment innerhalb dieser Range haben wir, zugegeben, in diesen 70 Jahren deutlich ausgebaut. Wir produzieren Hernos Outerwear noch immer selbst und sind Spitzenklasse, sowohl was Stil betrifft als auch in punkto Funktionalität. Daher können wir es uns heute erlauben, unsere Grenzen noch weiter zu verschieben. Aber klar ist: Was auch immer wir zusätzlich machen, es muss aus unserer DNA gespeist werden. In Deutschland gelang Ihnen der Durchbruch in der Wahrnehmung als Marke, als Pep Guardiola, damals Trainer des FC Bayern, am Spielfeldrand in seiner Herno-Jacke zu sehen war. Erzählen Sie uns, wie es dazu kam. Deutschland ist heute unser viertwichtigster Markt weltweit, wir haben massiv investiert, um uns dort zu platzieren und unsere Marke zu kommunizieren. Wir lieben diesen Markt für seine Beständigkeit. Pep Guardiola kannte ich schon lange bevor er damals zum FC Bayern ging. Pep war als Testimonial natürlich ein Glücksfall – auch wenn das eigentlich gar nicht unserer Firmenpolitik entsprach, die vorsieht, das Produkt in den Vordergrund zu stellen –, weil er genau den Typ repräsentiert, den wir wählen
würden. Aber er hat Herno damals spontan und von sich aus getragen, ohne von uns ausgestattet worden zu sein. Was uns natürlich noch mehr geehrt hat, schließlich hat er Herno sowohl im Beruf als auch privat getragen. Ihnen wurde der italienische Arbeitsverdienstorden Cavaliere del Lavoro verliehen – was bedeutet Ihnen das? Das ist eine unvorstellbare Ehre für mich. Schon mein Vater war Cavaliere del Lavoro, ich habe niemals gedacht, dass ich es auch werden würde. Ich bin sehr stolz auf diesen Titel, er ist die Würdigung meiner immerwährenden Bemühungen, Bestleistungen zu erbringen. Herno ist einfach mein Leben. Wobei Sie nicht nur für Herno leben, sondern sich auch extrem in der italienischen Modebranche engagieren. Sie waren Präsident des Netzwerks Sistema Moda Italia (SMI), haben wichtige Weichen in der Interessenvertretung der Modeindustrie gestellt. Was ist aus Ihrer Sicht derzeit die größte Herausforderung für Italiens Modebranche? 2017 ist mir ein großer Schritt nach vorne für die italienische Modebranche gelungen, auf den ich vier Jahre lang als Präsident der SMI hingearbeitet habe. Wir haben die Confindustria Moda (das entspräche in Deutschland einer eigenen Modeindustrie-Abteilung in der Industrie- und Handelskammer, Anm. der Red.) gegründet. Dieser Verband treibt ambitionierte und gleichzeitig so wichtige Projekte voran. Man stelle sich nur vor: Innerhalb der Confindustria sind wir die zweitwichtigste Industriesparte, und aus unseren Mitgliedsbetrieben kommen 45 Prozent der europäischen Mode! Ich habe ein modernes Verständnis von dieser Verbandsarbeit, daher arbeiten wir ganz eng mit den Bollwerken der italienischen Mode zusammen, dem Pitti Immagine (Veranstalter der weltweit wichtigsten Herrenmodemesse) oder der Camera Nazionale della Moda Italiana (Veranstalter der Mailänder Damen- und HerrenSeit modewochen). seinem 15. Lebensjahr Mein Zielistist, Claudio ein System Marenzizu imetablieren, Unternehmen in Herno. dem wir Damals er dort den Schulferien, obwohl nicht musste.die allearbeitete als Partner anineinem Strang ziehen – er umgarsoesgemeinsam italienische Exzellenz weiterzuentwickeln und zu fördern.
8.9
WIR SOLLTEN UNS ALLE MEHR AUF DIE WERTE QUALITÄT UND BESTÄNDIGKEIT BESINNEN. Claudio Marenzi
Die Top-Agenda dieser Branche ist zweifellos die Nachhaltigkeit. Absolut, und ich kann, ehrlich gesagt, überhaupt nicht verstehen, wie sich jemand der Umwelt nicht verpflichtet fühlen kann. Das gilt sowohl für jeden von uns persönlich als auch für uns als Industrie, denn die Modeindustrie ist hinter der Öl- und Gasproduktion der zweitgrößte Verursacher von Umweltverschmutzung. Ich empfinde es also sowohl als moralische als auch als staatsbürgerliche Pflicht, dass wir uns hier verbessern und weiterentwickeln. Bei Herno stehen Umweltthemen schon lange auf der Prioritätenliste. Unsere Fabrik bezieht ihren gesamten Strom aus Solaranlagen, der neue Gebäudeteil hat eine komplett begrünte Fassade, die eine Menge Energie spart. Auch in den Produkten ist Nachhaltigkeit Teil der Philosophie, seit 2016 haben wir die Linie „Made Green in Italy“, in die wir viel Forschungsarbeit stecken. Das führte zur Linie „Herno First-Act“, die ein PEF-Zertifikat trägt. Seit dieser Saison gibt es „Herno Globe“, eine Linie, die unser Verständnis von Nachhaltigkeit auf ein neues Level hebt. Sie ist das Ergebnis von vielen Jahren der Produktentwicklung. Außerdem sind wir auf dem Weg, ein plastikfreies Unternehmen zu werden. Wie kann ein Mann seine Garderobe nachhaltiger gestalten? Das Wichtigste ist, zu hinterfragen. Es gibt viele Verlockungen mit grünem Anstrich, aber nicht alles, was ein grünes Etikett trägt, ist auch nachhaltig. Am wichtigsten finde ich, dass wir uns auf die Bedeutung von Qualität besinnen, Teile kaufen, die lange schön bleiben, und so vermeiden, dass sinnlos konsumiert wird und etwas auf dem Müll landet. Verstehen Sie sich als Slow-Fashion-Marke? Ja, aus zwei Gründen: Wir sind ein italienisches Familienunternehmen, dem Luxus verpflichtet. Die doppelte Antithese zur Fast Fashion! (Lacht.) Ist die aktuelle Nachhaltigkeitsdiskussion somit eine Chance für Marken wie die Ihre, die schon aus Prinzip auf Qualität setzen? Ganz im Gegensatz zur billigen Fast Fashion, die ja für einen Großteil der Verschmutzung verantwortlich ist? Absolut, wir müssen aufhören, so häufig und ohne jeden Bedarf Mode zu konsumieren. Ich sehe mit großer Freude, dass selbst in der jungen Generation ein Wertewandel stattfindet. Nach Jah-
ren des kopflosen Konsums kommen wir zurück zu bewussteren und ethischeren Kaufentscheidungen. Luxus, da bin ich mir sicher, kann und muss nachhaltiger werden. Denn ich verstehe Luxus in erster Linie als Synonym für Qualität. Funktionelle Stoffe einzusetzen hilft uns, die Lebensdauer eines Produktes zu erhöhen, und begünstigt so eine nachhaltigere Kaufentscheidung. Wünschen Sie sich von den nationalen Regierungen oder der EU strengere Regeln, um Mode mit Wegwerfcharakter gar nicht erst auf den Markt zu lassen? Das ist auf jeden Fall ein globales Thema, und unsere nationalen Regierungen und die EU müssen schützen, was in unserem Wirtschaftsraum existiert. Das ist ihre Verpflichtung, nicht nur moralisch. Es muss Regeln und strenge Sanktionen geben, außerdem sehr konkrete Unterstützung für den Teil der Industrie, der sich der Qualität verpflichtet fühlt. Eine der Zahlen, die in Ihrem Unternehmen beeindrucken, ist der Exportanteil von mehr als 70 Prozent ... Italien ist für uns selbstverständlich ein wichtiger Markt, aber mit kontinuierlichem Wachstum ist es fast normal, dass der Exportanteil irgendwann den Heimatmarkt überflügelt. Wir sind stolz darauf, sowohl in Italien als auch im Export zugelegt und unsere Position gefestigt zu haben, unsere weltweite Präsenz resultiert dann in dieser Exportrate. Auch wenn sehr bekannte Designer bereits für Herno gearbeitet haben, stellen Sie immer die Marke, mehr noch, das Produkt selbst in den Mittelpunkt. Erklären Sie uns diese Strategie. Ich verstehe Herno als ein großes Team, das ich mit großem Vergnügen leite. Dieser Teamspirit ist uns wichtig, ich möchte nicht die Leistung eines Einzelnen herausheben. Daher sieht man in unseren Anzeigen auch nur unsere Produkte, denn die bleiben unsere Protagonisten, der Fokus all unseres Schaffens. Wir setzen sie als Still-Life-Bilder in Szene, weil wir unsere Kunden nicht in einen bestimmten Stil drängen wollen. Unsere Kunden sind freie Menschen, die von uns als Marke keine Tipps brauchen, wie sie sich anziehen sollen. Der schlaueste Kauf, den ein Mann machen kann, ... ... ist ganz klar ein Herno-Regenmantel!
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EDITION / VOL. 5 – STILWELT
II.
I.
I. DER NAME: Seit 1948 beweist Herno, dass eine Koexistenz von Mode und
Tradition möglich ist.
II. DER URSPRUNG: Regenbekleidung fand im sonnenverwöhnten Ita-
lien wenig Anklang. Trotzdem verfolgte Giuseppe Marenzi mit seiner Frau
Alessandra Diana das Ziel, wasserabweisende Mäntel herzustellen. Mit Erfolg!
III. DIE ZUKUNFT: Die Firma legt großen Wert auf Nachhaltigkeit – von
der Idee bis zum fertigen Produkt. In naher Zukunft soll das Unternehmen
III.
komplett plastikfrei sein.
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EDITION / VOL. 5 – FASHION STORY I
L’Americano Eine Farbpalette wie aus einem alten Polaroidfoto: Creme-, Beige- und Braunnuancen sind nicht die einzige modische Reminiszenz an die guten alten Zeiten. Schmale Hemdkragen, Polos sowie Sakkos und Hose mit weiter Silhouette erinnern an die Eleganz anno dazumal. Besonders stark wirkt das Outfit, wenn es monochrom von Kopf bis Fuß gestylt wird. Authentisch inszeniert im einzigartigen Belmond Reidʼs Palace auf Madeira.
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Sakko BRIONI Leinenhemd BORRELLI Hose INCOTEX 12 . 13
EDITION / VOL. 5 – FASHION STORY I
Sakko BELVEST Hemd BORRELLI Einstecktuch TOM FORD
Sakko DE PETRILLO Hemd BORRELLI Hose INCOTEX 14 . 15
EDITION / VOL. 5 – FASHION STORY I
Sakko und Poloshirt von STILE LATINO Hose INCOTEX 16 . 17
EDITION / VOL. 5 – FASHION STORY I
Anzug LARDINI Hemd und Krawatte von BORRELLI
STIL KENNT KEINE ÖFFNUNGSZEITEN. WWW.BRAUN-HAMBURG.COM
EDITION / VOL. 5 – FASHION STORY I
Sakko BRIONI Leinenhemd BORRELLI 20 . 21
EDITION / VOL. 5 – FASHION STORY I
Ein Meisterwerk sartorialen Designs Mit einem Anzug aus Seide und Wolle schafft Ermenegildo Zegna eine stilvolle Option für die Sommersaison. Der edle Stoff kombiniert auf ideale Weise die Vorzüge der beiden natürlichen Materialien: Sie wirken kühlend und temperaturausgleichend, hinzu kommt eine unvergleichliche Webstruktur. Edle Details wie Perlmuttknöpfe und ein Spitzrevers mit Handkanten runden das Gesamtbild ab.
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Anzug und Hemd von ERMENEGILDO ZEGNA 22 . 23
EDITION / VOL. 5 – FASHION STORY I
Anzug und Hemd von ERMENEGILDO ZEGNA
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Oma Carolina sei Dank Finamore, das ist Lässigkeit und Understatement gepaart mit italienischer Qualität und Kreativität: In dritter Generation führen die Finamores ihre Marke. TEXT: Martina Müllner-Seybold. FOTOS: Mark Newton.
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s ist eine Geschichte, die in Neapel an jeder Straßenecke erzählt werden könnte: Oma Carolina Finamore nutzt in den 1920er Jahren ihr besonderes Talent, schöne Hemden zu schneidern, und bringt es zu bescheidener Bekanntheit in ihrer Heimatstadt. Selbstverständlich, dass damals Knopflöcher von Hand gefertigt wurden oder die in der neapoletanischen Schneidertradition so wichtige „Mezzo punto“-Schulterverarbeitung mit Handkante Gültigkeit hatte. Die Regeln der „Sartoria Partenopea“, der Handwerkskunst, eben. Ungewöhnlicher schon, dass Carolinas Sohn Alberto und Schwiegertochter Stefania diese Regeln noch immer achteten, als ihr Geschäftssinn es ihnen in den 1960er-Jahren ermöglichte, in der an Neapel grenzenden Gemeinde San Giorgio a Cremano ihre erste Fabrik zu eröffnen. Ma dai, Fabrik! Da würde jetzt Simone Finamore, gemeinsam mit seinen Geschwistern Paolo, Andrea und Annamaria Inhaber in der dritten Generation, vehement protestieren. „Wir haben nicht 58 Angestellte, wir haben 58 Hemdenschneiderinnen“, sagte der Geschäftsführer von Finamore einmal in einem Interview. Gut, auch das ist eine Geschichte, die in Neapel an beinahe jeder Straßenecke erzählt werden könnte, gäbe es da
nicht diesen besonderen Finamore-Zauber. Wie kaum ein anderer italienischer Hersteller hat die Marke ihre Hemdenmachertradition ins 21. Jahrhundert übersetzt. Altes Wissen und Handarbeit ja, aber Look and Feel exakt auf der Höhe des Zeitgeists. Früher als der Wettbewerb hat man bei Finamore verstanden, dass zu unkonstruierten, modernen Sakkos und von jeder Steifheit befreiten Anzügen eine ganz neue Generation an Hemden gehört. Die heute selbstverständliche Portion an Lässigkeit hat Finamore mit erfunden. Doch nicht nur im Business liefert Finamore die perfekte Ergänzung zur modernen „capospalla“, der Konfektion. Auch die Freizeithemden, allen voran Finamores Leinenmodelle, bestechen. Leichtgewichtige, extrem hochwertige Stoffe, die mit weichen Kragen und Manschetten ihre Modernität beweisen. Farbstellungen und Muster, die dem Trend immer diesen kleinen Schritt voraus sind – obwohl sie sich eigentlich um Modetrends gar nicht scheren. Keine Frage, Finamore-Hemden sind Lieblingsstücke, die nicht ausschließlich mit dem Verstand zu erfassen sind. Aber verwundert das? Schließlich steckt im Familiennamen der Finamores ein großes Wort. Amore. Und ob das Liebe ist!
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EDITION / VOL. 5 – STILWELT
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Strickjacke und Pullunder von DOPPIAA Jeans PT TORINO
EDITION / VOL. 5 – FASHION STORY II
L’Élite Dunkelblauer Blazer mit Goldknöpfen, um drei Generationen verjüngt. Das Zitat macht Spaß, Strickpolos und Marinefarben machen das Augenzwinkern perfekt. Mode kann genau das: leicht, ironisch und lässig sein.
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EDITION / VOL. 5 – FASHION STORY II
Blazer GABRIELE PASINI Pullover DOPPIAA
Blazer GABRIELE PASINI Pullover DOPPIAA Jeans DONDUP 30 . 31
Blazer LARDINI Pullover DOPPIAA Jeans JACOB COHËN
EDITION / VOL. 5 – FASHION STORY II
Blazer LARDINI Pullover DOPPIAA Jeans JACOB COHËN
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Blazer BELVEST Poloshirt DOPPIAA Jeans CITIZENS OF HUMANITY
EDITION / VOL. 5 – FASHION STORY II
Blazer BELVEST Poloshirt DOPPIAA
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Cashmere an die Macht Am Fuße der piemontesischen Alpen, im kleinen Städtchen Borgosesia, entstehen einige der feinsten Cashmere- und Edelgarne der Welt. Lanificio Colombo – dieser Name ist in Bezug auf die Verarbeitung von Fasern, die teurer als Gold gehandelt werden, die internationale Benchmark. TEXT: Martina Müllner-Seybold. FOTOS: Mark Newton.
D
as Haar sibirischer Steinböcke, der Yangir- und CashmereZiege, des Guanako-Kamels und sogar extreme Raritäten wie Albino-Vicuña: Colombos Spezialisten bereisen die hintersten Winkel der Welt, um an die Rohware zu gelangen. Wichtigstes Prinzip bei Colombo ist dabei Sortenreinheit. Nur so kann die herausragende Qualität erreicht werden. Wenn es um die Kontrolle jedes Prozessschrittes geht, sind die Brüder Roberto und Giancarlo Colombo absolute Perfektionisten. Schon die erste Selektion der Fasern geschieht in den eigenen Anlagen in Borgosesia. Jeder folgende Arbeitsschritt, vom Auskämmen und Waschen bis zum Spinnen, wird akribisch überwacht. Ganz besondere Aufmerksamkeit gilt diesen Prozessen, wenn es sich um die absolute Spitze in der Cashmere-Qualität handelt: Kid Cashmere. Für die Herstellung von Kid-Cashmere-Garnen und die daraus gearbeiteten Strickwaren verwendet Lanificio Colombo ausschließlich das feine Unterhaar von jungen Cashmere-Ziegen. „Capra hircus laniger“, hinter diesem lateinischen Namen verbirgt sich des Cashmerespinners absoluter Traum. Weil die Jungtiere der Cashmere-Ziege noch feineres Haar
haben und die Unterwolle sehr sauber ist, sind die Produkte aus Kid Cashmere von beeindruckender Weichheit und haben einen streichelzarten Griff. Dass Colombo nicht nur alle initialen Produktionsschritte, sondern auch das Verstricken des Kid Cashmeres in eigenen Händen hält, adelt das Endprodukt umso mehr. Kid-Cashmere-Pullover, -Rollkragen, -Westen und -Accessoires sprechen überwiegend eine sehr klassische Formensprache, Colombo setzt auf eine zeitlose Farbpalette. Man will Lieblingsstücke erschaffen, die für viele Jahre ihren fixen Platz im Kleiderschrank haben und halten. Mit besonderen Stricktechniken wie einer Waffeloptik stellen Colombos Designer die außergewöhnlichen Produkteigenschaften von Kid Cashmere in den Fokus. Je mehr Struktur und Volumen der Cashmerefaden im Strickprozess erhält, umso weicher das Endergebnis. Doch auch im Glattstrick entfaltet Kid Cashmere seine volle Schönheit. Diese zu erhalten, ist unkomplizierter als man denkt: Cashmereprodukte sollten nach dem Tragen gelüftet werden, das Naturprodukt regeneriert sich so hervorragend. Ist eine Wäsche erforderlich, sind spezielle Cashmerewaschmittel angeraten.
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EDITION / VOL. 5 – STILWELT
Seinem Leben stets höchsten Standard zu weihen, nach diesem Leitsatz funktioniert die Marke Colombo. Dabei jonglieren die Designer unaufhörlich zwischen Tradition und Moderne. Sie schaffen Mode mit Beständigkeit, die auch die junge Generation überzeugt.
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Wie kann man mit Kunst handeln, wenn man fast blind ist, Herr König? Seit einem Unfall in seiner Kindheit ist Johann König stark sehbehindert. Das allerdings konnte ihn nicht davon abhalten, zu einem der bedeutendsten Galeristen Deutschlands aufzusteigen. TEXT: Markus Deisenberger. FOTOS: Lukas Gansterer, Roman März.
Johann König stammt aus einer Künstlerfamilie, seine Mutter war Illustra-
torin und Schauspielerin, sein Vater Kunstprofessor und Kurator. Kein Wunder, dass auch er mit einer kreativen Ader geboren wurde.
EDITION / VOL. 5 – STILWELT
ICH HABE MIR IMMER DIE FREIHEIT GENOMMEN, ZU EXPERIMENTIEREN UND UNTERSCHIEDLICHE SACHEN ZU MACHEN. Johann König
„Blinder Galerist“ heißt das Buch, das Johann König gemeinsam mit dem Journalisten Daniel Schreiber geschrieben hat, und schon sein Titel spielt auf die Absurdität an, die darin liegt, dass jemand, der kaum noch sehen kann, in einem Beruf erfolgreich ist, in dem es wie in kaum einem anderen um das Visuelle geht. Aber die Absurdität ist nur eine vermeintliche, denn er sei ja kein Händler einzelner Werke, erzählt König, sondern vertrete Künstler und deren Gesamtwerk. Es gehe also weniger darum, ein bestimmtes Werk oder sogar ein Detail zu beurteilen, als sich durch eine Grundsatzentscheidung für einen bestimmten Künstler zu entscheiden und sie oder ihn dann zu vertreten. „Ich suche eher Künstler aus als Kunstwerke.“
Heute betreibt er sein Berliner Hauptgeschäft in der monumentalen ehemaligen Kirche St. Agnes, die der Architekt Werner Düttmann 1967 im Stil des Brutalismus baute. Daneben betreibt er eine Dependance in London. Der bloße Galeriebetrieb aber ist ihm zu wenig. „Man muss sich immer verändern“, sagt er. „Ich habe mir immer die Freiheit genommen, zu experimentieren und unterschiedliche Sachen zu machen.“ So gibt er seit einiger Zeit sein eigenes Magazin heraus, und auch ein Interview-Podcast mit Stimmen aus dem Kunstbetrieb hält ihn auf Trab. „Es macht mir einfach mehr Spaß, verschiedene Sachen auszuprobieren, die Kunst auch in andere Bereiche zu bringen und andere Bereiche in die Kunst zu holen.“
Seit seinem Unfall – er hatte als Junge mit Schwarzpulver von Platzpatronen hantiert und dabei eine Explosion herbeigeführt, die ihm kurzfristig das Augenlicht nahm, das erst nach unzähligen Operationen auf einem Auge teilweise zurückkehren sollte –, hat König nun dieses schwere Handicap. „Da gibt es nichts zu beschönigen“, meint er, aber das dürfe auch kein Grund sein, etwas nicht zu versuchen. Der Galerist sah und sieht die Behinderung als Herausforderung. „Durch den Unfall hat sich bei mir eine Resilienz ausgebildet, die es braucht, wenn man mit solch einem Krankheitsbild zurande kommen will, und die einem auch zugutekommt, wenn man Projekte auf die Beine stellen und als Unternehmer seinen Weg gehen will.“ Kunst sei für ihn immer das schlimmste und größte Geschenk zugleich gewesen, erzählt König. Schlimm, weil es vor ihr kein Entrinnen gab: In seiner Familie drehte sich alles um Kunst. Seine verstorbene Mutter, Edda Köchl-König, war Schauspielerin und Illustratorin, sein Vater, Kasper König, ist einer der bekanntesten Ausstellungsmacher Deutschlands und langjähriger Direktor des Kölner Museums Ludwig. Sein Onkel wiederum ist der Kunstbuch-Verleger Walther König, und sein älterer Halbbruder, Leo König, eröffnete 1999 eine Galerie in New York. Und als wäre das alles nicht genug: Dazu war auch noch Gerhard Richter der Trauzeuge seiner Eltern, und als Kind hat er mit On Kawara und Hans Ulrich Obrist gespielt. Kunst war überall, sie war allgegenwärtig im Leben der Königs. Und dass zu Hause echte Warhols und Richters an der Wand hingen, war so normal wie in anderen Familien die gehäkelte Tischdecke.
Ein weiteres Erfolgsrezept: König hat im Laufe seiner Karriere auch an Positionen geglaubt, an denen die breite Kunstwelt lange nicht richtig interessiert war. So etwa im Fall der Sound- und Installationskünstlerin Natascha Sadr Haghighian, die bei ihm seit 2003 ausstellt und 2019 den deutschen Pavillon bei der 58. Venedig-Biennale bespielte. Wie sehr dieser Mut noch gefragt sei? König winkt ab. Das habe weniger mit Mut zu tun als vielmehr mit Ausdauer. „Die braucht es als Galerist, aber mehr noch als Künstler.“ Wenn man sich in diesem Bereich profilieren wolle, müsse man eben Leute pushen, die noch nicht so bekannt seien. Man müsse Risiken eingehen und Behauptungen aufstellen, dass man in etwas einfach gut sei und sich deshalb dafür einsetze. Hat sich hinsichtlich der Förderung von bisher unbekannten Künstlern im Laufe der Jahre etwas geändert? „Ja. Heute muss die Nachwuchsarbeit, die wir betreiben, schneller Früchte tragen“, denn der Markt entwickle sich dahin, „dass die Sammler immer mehr auf etablierte Positionen setzen.“ Die ganze Kunstwelt stecke gerade in einem massiven Umbruch, von dem man nicht so recht wisse, wohin er führe. „Wir sind gezwungen, darauf mit neuen Konzepten zu reagieren.“ Etwa damit, unterschiedliche Kunstdisziplinen miteinander zu mischen. „Ob Literatur oder Tanz, das hat bei uns alles schon stattgefunden.“ Oder Kunst zu vermitteln, sie einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. „Wir haben auch sonntags geöffnet, bieten Kinderkurse an.“ Die Schwelle zur Kunst solle niedriger werden. „Alles, was wir machen, dient diesem Zweck.“ Deutsche Kunst sei immer noch ein Exportschlager, meint König, und genieße international ein hohes Ansehen. „Aber wenn wir nicht aufpassen und den hohen Steuer- und Bürokratieaufwand nicht in den Griff bekommen, wird der Kunstmarkt ins Hintertreffen geraten. Die Künstler zwar erst in zweiter Linie. Aber wenn es dem Markt schlecht geht, geht es früher oder später auch den Künstlern schlecht. Das ist ja ein Bio-System.“
Irgendwann im späten Teenageralter gab es dann aber den Moment, „in dem ich ahnte, dass mir das ganz große Erfüllung geben könnte“, und so gründete König noch vor den letzten Abiturprüfungen seine erste Galerie. Aus Trotz, wie er sagt. „Mein Bruder hatte schon eine Galerie in New York, das war beeindruckend. Da dachte ich: Das will ich auch. Trotzdem.“
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EDITION / VOL. 5 – STILWELT
I.
I. Inspiriert vom Standort der König Galerie, der ehemaligen St. Agnes
Kirche, zeigte die von Elmgreen & Dragset kuratierte Ausstellung „The Others“ von Nov. 2016 bis Jan. 2017 fünfzehn Arbeiten von zwölf Künstlern.
Auf ihre ganz eigene Weise präsentierten diese Formen des menschlichen Körpers in der christlichen Ikonografie.
II. Die Hallen der König Galerie bieten einen idealen Raum für moderne und sehr puristische Kunstformen.
II.
ZUR PERSON: Johann König wurde am 22. Juli 1981 in Köln geboren, als Spross einer Künstlerfamilie. Nachdem sein Vater zum Direktor der Städelschule ernannt wurde, zog die Familie 1988 nach Frankfurt am Main. Seit 2002 lebt König mit seiner Frau, der Kunsthistorikerin Lena König, in Berlin. Im gleichen Jahr gründete er dort die Galerie für zeitgenössische Kunst. Seit 2012 befindet sich diese im Gemeindezentrum St. Agnes in Kreuzberg. Nachdem die ehemalige Kirche saniert worden war, stehen der Galerie heute das Kirchenschiff, die Kapelle und der Garten zur Verfügung. Seit über zehn Jahren erscheint König jährlich in der „Power 100“-Liste der Zeitschrift Art Review.
Mit seinem erfolgreichen Lean-Luxury-Konzept hat Ruby-Gründer
Michael Struck in den letzten Jahren für jede Menge Gesprächsstoff unter den Hoteliers gesorgt.
EDITION / VOL. 5 – STILWELT
Was bildet Charakter, Herr Struck? Ein Weltenbürger, der anderen Weltenbürgern ein Zuhause auf Zeit gibt: Michael Struck, Gründer der Ruby Hotels, ist ein Disruptor, wie er im Buche steht. Das Gestern ist für ihn bestenfalls die Benchmark, die die Erfolgszahlen seiner Lean-Luxury-Hotelkette und seiner Workspaces noch beeindruckender macht. Im Interview verrät der in den USA als Drilling geborene Unternehmer, worauf er beim Reisen getrost verzichten kann und warum Digitalisierung seine Trumpfkarte ist. INTERVIEW: Martina Müllner-Seybold. FOTOS: Ruby Hotels.
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MEINE PERSPEKTIVE IST IMMER DIE DES GASTES. Michael Struck
Herr Struck, Ihre Vita verrät, dass Sie Veränderung lieben. Wie erklären Sie sich diese Lust, Standards und Prozesse zu hinterfragen und zu optimieren? Ich habe vor der Hotellerie in vielen anderen Branchen gearbeitet, zunächst als Strategieberater für die Boston Consulting Group, dann als Manager und Geschäftsführer verschiedener größerer Unternehmensgruppen im Immobilienbereich, aber auch im Einzelhandel und im Konsumgüterbereich. Als ich vor mittlerweile fast 20 Jahren in die Hotellerie gekommen bin, war meine Perspektive die des Gastes. Als Quereinsteiger hatte ich das Privileg, dumme Fragen stellen zu dürfen. Die Antworten, die sie gebracht haben, gepaart mit der Perspektive von jemandem, der schon in anderen Branchen Unternehmen geführt und gegründet hatte, waren mein Kapital. Als Unternehmer bin ich per se auf der Suche nach Möglichkeiten, Dinge zu verbessern. Mein Antrieb ist, mehr Kunden- und gleichzeitig Unternehmenswert zu schaffen. Und ich war mehr als glücklich, dass diesem Drang, es anders zu machen, auch die entsprechende Entscheidungs- und Gestaltungskraft gegenübergestellt war. Meine beruflichen Stationen haben mir viel aufgezeigt, was man besser machen kann, und die Ruby Hotels und Workspaces sind sozusagen mein Best-of. Wie definieren Sie und Ihre Zielgruppe denn heute Luxus? In den modernen bis postmodernen Lebenswelten unserer Zielgruppe haben sich Prioritäten und Präferenzen verschoben, das bringt einen ganz anderen Luxusbegriff mit sich. Also nicht BlingBling, Status und Exklusivitätsvorteile. Sondern New Luxury. Diese Zielgruppe sagt: Für mich ist Luxus, ultimative Individualität leben zu können, in größtmöglichem persönlichem Freiraum. Ein Erleben, das immer auf die persönliche Weiterentwicklung zielt. Die Amerikaner würden es Self-Improvement nennen. In diesem Fall nicht nur bezogen auf Leistung, sondern wirklich auch ein Mensch zu werden, der mehr vom Menschsein versteht. Das geschieht überwiegend über Kontakte zu anderen, Gleichgesinnten, über die Inspiration, die man sammelt. Wenn man das auf die Hotellerie übersetzt, geht es darum, einen Ort zu schaffen, der Raum für Inspirationen bietet. Der Charakter hat, Seele, der Individualität atmet und auch für Individualisten der richtige Ort ist, weil es eben kein Ketten- und Massenprodukt ist. Ein Ort für Individualisten, wo man die Kreativen der Stadt, aber auch die Querdenker trifft. Das war und ist der Luxusbegriff, den ich mit Ruby verfolge. Ich wollte diesen Luxus auch
bezahlbar machen. Das liegt vielleicht daran, dass die bisherigen Design-, Lifestyle-, Boutique-Hotels in einem Preissegment sind, das ich mir bis vor Kurzem selbst nicht hätte leisten können und auch heute nicht leisten möchte, weil ich dafür einfach zu sparsam aufgewachsen bin. Als Drillingskind bin ich nicht mit dem goldenen Löffel groß geworden. Also wollte ich die Preise für dieses urbane Hotel- und Arbeitserleben leistbar machen, demokratisieren. Dieser Ansatz war der Kern, kombiniert mit persönlichen Leidenschaften. Ruby hat ja eine ganz große Leidenschaft für Musik. Das teile ich mit meinen Mitstreitern hier, das teile ich aber auch mit den meisten unserer Gäste. Die Eigenständigkeit der Hotels geht so weit, dass jedes seinen eigenen Zweitnamen trägt. Genau, nicht ohne Grund: Es ist wie bei Menschen. Ruby ist sozusagen der Familienname, die DNA. Die Kinder einer Familie verbindet auch ihr Nachname und ein paar genetische Informationen. Aber selbstverständlich hat jedes Kind seinen eigenen Kopf – das erlebe ich als Vater einer Tochter und zweier Söhne täglich. Ähnlich hat auch jedes unserer Hotels seinen eigenen Charakter. Denn ich bin überzeugt: Wer in der Hotellerie immer und überall das gleiche macht, kann keinen Charakter schaffen. Deshalb versuchen wir, mit jedem Hotel eine neue Persönlichkeit zu schaffen. Jedes Hotel muss seine eigene Balance finden zwischen den beiden Polen, auf denen das Ruby-Konzept fußt: Qualität, wo’s drauf ankommt, und Standardisierung, wo sie möglich ist, um dadurch Kosteneffizienz zu schaffen. Wir arbeiten enorm technologiegetrieben, Digitalisierung ist in unseren Hotels ein Key-Success-Faktor.
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I. 50ER-JAHRE-CHIC: In der Bar des Ruby Lotti Hotel in Hamburg herrscht
nicht nur ein cooles Ambiente. Während man die neuesten Cocktail-Kreationen testet, läuft Musik im hauseigenen Ruby Radio.
II. BESCHEIDENHEIT: Im Loft ist nichts überflüssig und alles Interieur
wohlüberlegt. Eingerichtet von Wissenschaftlern und Künstlern, mit hohem Komfort und wenig Schnickschnack.
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II.
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Orte des Ankommens Am Ziel der Reise ankommen: Das bedeutet nicht Stillstand. Ankommen bedeutet zunächst Ballast abwerfen. Teil davon kann auch sein, seinen Horizont zu erweitern und wunderbare neue Schätze und Orte dieser Erde zu entdecken. Jetzt können wir zwar noch keine konkreten Reisen unternehmen, aber wir können schon mal davon träumen. TEXT: Eva Goldschald. FOTOS: Hotels.
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Träumen Sie auch davon, ganz entspannt inmitten
unberührter Natur Urlaub zu machen?
Dann herzlich willkommen im Cuixmala Resort.
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NUR WER UMHERSCHWEIFT, FINDET NEUE WEGE. Norwegisches Sprichwort
I. CUIXMALA RESORT „Alles, was in Cuixmala getan wird, geschieht mit dem Gedanken, die Umwelt zu schützen.“ Cuixmala ist eine Oase, ein Ort der Entspannung und der Entschleunigung. 2018 erhielt das Resort den Condé Nast Traveler GOLD AWARD sowie den Readersʼ Choice Award. Hier residieren Sie, umgeben von einem 30.000 Quadratmeter großen Biosphärenreservat im UNESCO-Weltkulturerbe, im zweitbesten Hotel von ganz Mexiko. Endloses Meer, Kokospalmen, und dahinter die malerische Berglandschaft – besser gehtʼs nicht! DESTINATION: CUIXMALA / MEXIKO WWW.CUIXMALA.COM
II. LIGHTHOUSE BY BROWN HOTEL Work hard, play harder – ein sehr passender Slogan für dieses coole und ziemlich hippe Hotel im Zentrum der Metropole Tel Aviv. Nur zwei Minuten zu Fuß vom Meer entfernt, bietet es neben einer beeindruckenden Aussicht auch eine imposante (Innen-)Architektur. Stylish, unkonventionell und mit dem Blick für das Besondere wurde es von Architekt Nestor Sandbank entworfen. Im 18. Stock des Towers befindet sich eine Terrasse mit 360-Grad-Rundumblick, Außenduschen und einer spektakulären Sky Bar. DESTINATION: TEL AVIV / ISRAEL WWW.BROWNHOTELS.COM/LIGHTHOUSE
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III. AMANBAGH RESORT Exotisch, magisch und voller Leidenschaft – Indien besitzt eine ungeheure Anziehungskraft und ist so voller Gegensätze. Während das Zentrum von Rajasthan voller Leben und Abenteuer ist, gilt Amanbagh etwas abseits als wahre Oase ohne Zeitgefühl. Umrahmt von den Aravalli-Bergen inmitten von Eukalyptusbäumen, findet man Ruhe, Entspannung, Wellness und Frieden. Der Wellness-Bereich ist fantastisch, daneben glänzt das Hotel mit ayurvedischer Küche und einem umfangreichen Yoga-Angebot. DESTINATION: RAJASTHAN / INDIEN WWW.AMAN.COM
IV. HOTEL VERNET 1897 erwarb der Schweizer César Ritz das geschichtsträchtige Hotel in Paris – es wurde zum Hôtel Ritz. Das im Haussmann-Stil erbaute Gebäude befindet sich im achten Arrondissement, nur einen Katzensprung vom berühmten Arc de Triomphe entfernt. Unter der Ägide von Intérieur-Designer François Champsaur modernisiert, verkörpert es den Pariser Chic des 21. Jahrhunderts – eine Verbindung aus Moderne und Tradition. Beeindruckendes Highlight: die imposant verzierte Glasdecke im Restaurant, entworfen von Gustave Eiffel. DESTINATION: PARIS / FRANKREICH WWW.HOTELVERNET-PARIS.FR
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Vom Träumen in die Ferne Ein Ort, der so schön ist, dass Sie ihn nie verlassen möchten. Ein Ort, der zeigt, dass nichts so kostbar ist wie die Freiheit. Erweitern Sie Ihren Horizont und besuchen Sie mit uns die magischen Plätze dieser Erde. TEXT: Eva Goldschald. FOTO: © Belmond.
Stellen Sie sich vor, Sie stehen auf einer Terrasse. Unter Ihnen schlagen die Wellen mit einer unglaublichen Wucht gegen die Steinwand – ein Geräusch, beängstigend und beruhigend zugleich. Sie blicken aufs Meer und es scheint, als stünden Sie über dem gesamten Atlantischen Ozean, als gehöre das unendliche Blau ganz allein Ihnen. Willkommen auf Madeira! Die Insel ist ein Ort für Naturliebhaber. Einsame Wege entlang der Küste, aussichtsreiche Bergpfade oder Segeltörns entlang der Küste – hier darf die Seele baumeln und der Geist ruhen. Seit über 120 Jahren steht das Resort Belmond Reid’s Palace auf Madeira für Luxus, ausgezeichneten Service und zeitgenössische, exklusive Küche. Umgeben von üppigen, subtropischen Gärten, liegt das prächtige Hotel über dem Hafen von Funchal. Jedes der 123 Zimmer und jede der 35 Suiten strahlen unvergleichliche Eleganz und Wärme aus – hier fühlt man sich so geborgen wie zu Hause. Auch kulinarisch hat das Resort einiges zu bieten. Neben drei Restaurants mit mediterraner, einheimischer und italienischer Cuisine – teils ausgezeichnet mit einem Stern des Guide Michelin – kommen
Gäste auch ganz privat auf dem eigenen Balkon in den Genuss der Küche. Je ein Salz- und Süßwasser-Pool, ein großzügiger Fitnessund Spa-Bereich sowie zwei hauseigene Tenniscourts lassen auch in puncto Wellness und Sport keine Wünsche offen. Dieser Hotspot steckt voller Überraschungen und bietet wahre Höhenflüge – im wahrsten Sinne des Wortes. Auf Wunsch organisiert das Hotel für seine Gäste Drachenflüge – eine wunderbare Möglichkeit, die Stadt und die umliegende Naturlandschaft aus der Vogelperspektive zu entdecken. Das Belmond Reid’s Palace ist so vielseitig, so besonders, dass Gäste es als ihren neuen Lieblingsort entdecken – einen Ort, der Abenteuer mit purer Entspannung und sämtlichen Annehmlichkeiten vereint. So wunderbar, dass man gar nicht mehr abreisen möchte.
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DESTINATION: MADEIRA / PORTUGAL WWW.BELMOND.COM
In den Stadthöfen, zwischen Neuer Wall und Große Bleichen, ist das TORTUE HAMBURG gelegen. Es ist eine Gesamtkonzeption aus Gastronomie, Hotel und Event inmitten der Hamburger Innenstadt, die 2018 eröffnete. Als Member of Design Hotels findet man hier heute 126 Zimmer und Suiten in einem modernen, klassischen Design, gestaltet von Kate Hume aus Amsterdam. Im Hochparterre liegt die großzügige offene Lobby mit der kleinen Smokers Lounge, der „bar bleu“, sowie der „brasserie“, die hanseatisch und dabei stets très français zum Frühstück, zum Lunch und zum Dinner einlädt. Der französisch anmutende Innenhof ist ein Ort zum Verweilen und Genießen. Über ihn gelangt man in das asiatische Restaurant „JIN GUI“. Ein Restaurant mit offener Küche, asiatisch dirigiert und mit internationalem Einfluss. Entworfen wurde es von der renommierten Designerin Joyce Wang aus Hongkong. Für ganz besondere Anlässe bietet es zwei individuelle Private Dining Räume.
FRANZÖSISCHES »SAVOIR-VIVRE« IM HERZEN HAMBURGS
Im kleinen Kreis dinieren oder tagen kann man zudem oberhalb des JIN GUI in den drei individuell gestalteten salons. Die Tages- und Nachtbar „bar noir“ ist in ihrer Opulenz international und intim. Sie wurde von Stephen Williams entworfen und ist ein Ort, an dem sich Wiedersehen, geschäftliche Erfolge oder private Anlässe stilvoll feiern lassen. Erweiterbar durch die „bar privé“ ist sie zudem die Heimat einer erlesenen Getränkekarte mit hauseigenen Cocktailkreationen. In regelmäßigen Abständen finden in den Bars des TORTUE auch öffentliche Events statt: Zum Beispiel jeden Mittwoch der TORTUE Afterwork in der „bar noir“ mit DJ Kai Schwarz. TORTUE HAMBURG Stadthausbrücke 10 · 20355 Hamburg T +49. 40. 33 44 14 00 www.tortue.de Eventübersicht und Tickets: http://bit.ly/tortueevents2020
Il Cosmopolita Ein Lieblingsmaterial in neuem Kontext: Seersucker steht wie kein anderes Gewebe für die Leichtigkeit des Sommers. Die markante Textur erhält mit Streifendessin, etwa in Hemden, Shirts und Hosen, einen Hauch von Retro, das seinen Gegenspieler in Jacken, Blousons oder Westen aus technischen Stoffen findet. Dazu die Kapuze als Attribut einer modernen Lässigkeit mit neuer Substanz.
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EDITION / VOL. 5 – STILWELT
Summer Walk Von bestechender Eleganz: Das Modell Summer Walk von Loro Piana ist die Luxusversion eines Bootsschuhs und mit seinem Leichtgewicht ein idealer Sommerschuh. TEXT: Martina Müllner-Seybold. FOTO: Mark Newton.
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ie luxuriös kann eigentlich ein Bootsschuh ausfallen? Die italienische Luxusmarke Loro Piana hat darauf die definitive Antwort: Summer Walk. Dieses Schuhmodell vereint den Casual-Charakter eines Segelschuhs mit der Eleganz eines Mokassins. Ungefüttertes, weiches Veloursleder ist ideal, um den Schuh im Sommer ohne Strümpfe zu tragen, „scalzo“, wie man in Italien sagt. Dafür werden die Wörter „senza calze“, also „ohne Strümpfe“, zu einem Adjektiv zusammengezogen. Alleine für solche Kunstgriffe muss man die italienische Sprache lieben. Kunstgriffe erfordert auch die Herstellung des Summer Walk, der fast ausschließlich in Handarbeit hergestellt wird. Die flexible Sohle aus hellem Latex spricht die Designsprache von Bootsschuhen: Fast künstlerisch muten die in die Sohle geritzten Initialen des Labels an, die die nötige Rutschfestigkeit der Sohle garantieren. Im Absatz des Schuhs ist eine kleine Hommage an das Leben an Bord versteckt, die nur echte Segler auf Anhieb verstehen. Dort befindet sich eine kleine Aussparung, in die man seinen Namen schreiben kann. Das ist nützlich, wenn, wie auf vielen Booten üblich, die ganze Crew auf die gleiche Schuhmarke schwört. Ob es
im Falle dieses Loro-Piana-Modells nötig sein wird, den Schuh zu beschriften, bleibt offen – schließlich sind Connaisseurs, die sich einen so erstklassigen Schuh gönnen, selbst an Bord der teuersten Yachten wohl eher in der Minderzahl. Außerdem hat Loro Piana mit einer riesigen Farbpalette für das Modell Summer Walk vorgesorgt, dass die Individualität des Trägers nicht zu kurz kommt. Extrem dezent das Labeling am Schuh: eine kleine Raute lediglich mit Loro Pianas Initialen an der Ferse. Die lederne Innensohle ziert der schön geschwungene Schriftzug und – selbstverständlich – der stolze Hinweis, dass Loro Pianas Summer Walk zu 100 Prozent in Italien gefertigt wird. Eine echte Überraschung sind das geringe Gewicht und die Flexibilität des Schuhs. Das Tragegefühl des Leichtgewichts ist überragend komfortabel, selbst an heißen Sommertagen und unter großer Beanspruchung. Das darf nicht verwundern – schließlich ist die gesamte Familie Loro Piana ausgesprochen segelbegeistert. Bei allem Sinn für Ästhetik verlieren Italiens renommierte Nobelschneider daher nie die Funktionalität aus den Augen. „Bella figura“ alleine würde die Loro Pianas in ihren Ansprüchen niemals zufriedenstellen.
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EDITION / VOL. 5 – UPDATE
Sollen wir autonom fahren, Herr Bendel? Der Maschinenethiker Oliver Bendel untersucht brennende Fragen der Robotik abseits der Technologie. Ein Gespräch über ins Leere laufende Übertragung von Verantwortung und die Verrücktheit der Welt. INTERVIEW: Markus Deisenberger. FOTO: Dominic Büttner.
Herr Bendel, kann eine Maschine moralische Entscheidungen treffen? Es kommt darauf an, was man unter Moral versteht. Zunächst ist das eine Metapher: So wie man sagt, dass der Brief einen Kopf hat, kann man sagen, die Maschine habe eine Moral. Mit dem Terminus technicus, der daraus entstanden ist, meinen wir Maschinenethiker nicht, dass die Maschine eine vollständige menschliche Moral hat. Das würden wir nie behaupten. Aber die Maschine bildet bestimmte Aspekte menschlicher Moral ab.
was Verantwortung tragen kann, und daher auch nichts, was wir zur Verantwortung ziehen können. In vielen Fällen ist das kein Problem. Wenn ich in meiner Wohnung bestimmte Entscheidungen auf eine Maschine übertrage, macht die Maschine in meiner Abwesenheit einfach das, was ich sonst machen würde. Draußen in der Welt ist das grundlegend anders: Wenn ich die Verantwortung auf ein Auto übertrage und diese im Straßenverkehr ins Leere läuft bzw. sich auflöst, ist das sehr wohl problematisch. Sie haben sich vehement gegen einen Einsatz von vollautonom fahrenden Autos in Städten ausgesprochen. Weshalb? Gegen das autonome Fahren an sich habe ich nichts. Es sollte nur dort stattfinden, wo es sicher ist, und das sind für mich Autobahnen. Die sind übersichtlich, relativ gerade und mehrspurig. Wenn dort Unfälle passieren, was ab und zu der Fall sein wird, wird man das eher wie einen Flugzeugabsturz werten, der regelmäßig alle paar Jahre passiert, was betrüblich ist, die meisten von uns aber nicht davon abhält, weiter ins Flugzeug zu steigen. In Städten aber werden die Systeme für autonomes Fahren auf viele Jahre hinaus noch von der Komplexität der Umgebung überfordert sein. Dort gibt es viele bewegte und unbewegte Objekte, die es zu beurteilen gilt. Wir Menschen können ganz schnell priorisieren, das Auto nicht. Es muss alles identifizieren und analysieren und wird daher fast zwangsläufig auch zu Fehleinschätzungen kommen. Insgesamt ergeben sich in Siedlungen praktische Dilemmata, die schwer zu lösen sind.
Welche Aspekte sind das? Menschliche Moral ist sehr komplex. Sie besteht sowohl aus rationalen als auch aus emotionalen Elementen wie Intuition und Empathie. Das hat die Maschine natürlich noch nicht. Was man ihr beibringen kann, sind moralische Regeln. Man kann die Maschine sogar dazu bringen, dass sie diese anpasst. Auch manche Menschen halten sich ausschließlich an vorgegebene Regeln – eine eher schwache Moral. Der amerikanische Philosoph James Moor behauptet, eine volle Moral könne eine Maschine nicht haben, weil ihr das Ich-Bewusstsein fehle. Ich-Bewusstsein reicht ja noch gar nicht. Ein hoch entwickeltes Tier wie ein Schimpanse, das einen auf sein Fell gemalten Fleck im Spiegel sieht, versucht nicht, den Fleck am Spiegel wegzumachen, sondern an sich selbst. Es hat eine Form von Selbstbewusstsein. Das heißt aber nicht, dass dieses Tier eine Moral hätte. Dazu muss noch mehr kommen. Der Roboter Pepper hat keine Emotionen, kann aber welche zeigen. So gesehen könnte die Simulation von Bewusstsein oder etwas, das mit Ich-Bewusstsein zusammenhängt, schon möglich sein. Einen vollumfänglich moralischen Akteur aber können wir nicht bauen. Der nämlich hat Bewusstsein als mentalen Zustand, Denkfähigkeit und Willensfreiheit. Davon sind wir noch weit entfernt.
So wie das sogenannte Trolley-Problem, bei dem eine Straßenbahn auf eine Weiche mit einer Gruppe von fünf Gleisarbeitern zurast. Auf dem Nebengleis steht nur ein Arbeiter. Darf die Weiche so umgestellt werden, dass der Arbeiter stirbt, weil man damit die Gruppe rettet? Oder: Darf eine Maschine einen alten Mann für ein kleines Kind opfern? Das Trolley-Problem gehört zu den Gedankenexperimenten. Diese sind wichtig und dienen beispielsweise dazu, die Haltung eines Menschen abzufragen. In der Realität wird es kaum passieren, dass sechs Leute in dieser Weise auf den Gleisen stehen. Mann gegen Frau, Erwachsener gegen Kind – dazu kann es kommen.
Droht uns, wenn wir Maschinen entscheiden lassen, nicht ein Verlust von Verantwortung? Wenn wir Verantwortung an eine Maschine abgeben, ist da nichts,
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EDITION / VOL. 5 – UPDATE
MAN BRAUCHTE EINEN FAHRLEHRER, DER DEM AUTO STÄNDIG DIE VERRÜCKTHEIT DER WELT ERKLÄRT. Oliver Bendel
Die Ethikkommission „Autonomes und vernetztes Fahren“ hat sich 2017 auf eine Position festgelegt: Bei unausweichlichen Unfallsituationen sei jede Qualifizierung nach persönlichen Merkmalen (Alter, Geschlecht, körperliche oder geistige Konstitution) genauso wie eine Aufrechnung von Opfern untersagt. Wie beurteilen Sie das? Man kann so eine Kommission schon einsetzen, aber sie ist ein Puzzlestein. Letzten Endes muss die Gesellschaft mitreden, zudem die Vernunft, und solch eine Kommission ist nicht die Gesellschaft und spiegelt sie auch nicht wider. Zur Entscheidung: quantifizieren und qualifizieren – ich würde beides ablehnen. Das Qualifizieren und Klassifizieren lehnt eben auch die Kommission ab. Beim Quantifizieren scheint sie mir eine Hintertür offen gelassen zu haben. Den Grund dafür sehe ich nicht ein. Mal ganz grundsätzlich: Warum soll ich sterben, damit zwei andere gerettet werden? Ich frage meine Studenten immer: Dürfte man den Bendel töten, um zwei Studenten zu retten? Nein, sagen alle. Dürfte man ihn töten, um die Bevölkerung von Basel zu retten? Da wanken die Ersten. Dürfte man ihn töten, um die Menschheit zu retten? Spätestens da ist allen klar: Man muss den Bendel töten! Im Straßenverkehr haben wir 1:2- oder 1:3-Situationen. Da funktioniert die Sache nicht. Es gibt keinen Grund, weshalb man mich töten müsste, um zwei oder drei andere zu retten. Und wenn ich die Maschine würfeln lasse? Auch unbefriedigend, oder? Der Mensch ist kein Zufallsgenerator. Er hat Intuitionen. Für mich hat der programmierte Zufall deshalb etwas Zynisches. Was will man den Eltern dann erzählen? „Ihr Kind wurde getötet. Das hat der Zufallsgenerator so entschieden.“ Kann ich überhaupt sichergehen, dass die Maschine würfelt? Vielleicht hat sie ja inzwischen dazugelernt. Die meisten von uns wollen Maschinen mit starren Regeln ausstatten. Es gibt aber auch Leute, die wollen, dass Autos ständig dazulernen. Wenn man dieser Meinung ist, könnte man das, was Sie sagen, dass die Maschine ihre Prinzipien an das Gelernte anpasst nicht ausschließen. Dass sie irgendwann aus eigenem Antrieb zu qualifizieren und zu quantifizieren beginnt.
Was denken Sie? Wir haben hier eine Meile in Zürich, wo überwiegend junge Männer mit ihren Maseratis und Lamborghinis unterwegs sind. Würde dort ein Auto dazulernen, würde es lernen, wie man dicht auffährt, laut mit dem Motor röhrt und bei Rot über die Kreuzung brettert. Man bräuchte einen Fahrlehrer, der dem Auto ständig die Verrücktheit der Welt erklärt. Im „Moral Machine Experiment“ ließ man fast vierzig Millionen Menschen aus 233 Ländern Dilemmata lösen. Das Ergebnis: Eine Mehrheit würde eher einen Kriminellen überrollen als einen Hund. Kann man die Moral an der Mehrheitsmeinung festmachen? Oder wie soll es aussehen, wenn die Gesellschaft mitredet? Die bloße Abstimmung reicht nicht. Auch keine Statistik. Man könnte dennoch den Eltern nicht vermitteln, dass die Maschine ihr Kind töten musste und die Gesellschaft voll dahintersteht. Man darf nicht allein nach den Befindlichkeiten einer Gesellschaft gehen, sondern muss rechtsstaatliche Prinzipien – und dazu gehört z. B. auch der Minderheitenschutz – beachten. Dann kommt man relativ schnell zu dem Ergebnis, dass man bestimmte Entscheidungen – wie Kriminelle einfach zu töten – nicht mittragen kann. Aber auch wenn ich diese Prinzipien miteinbeziehe, ist das Problem letztlich nicht lösbar. Daher muss die Lösung sein: keine autonom fahrenden Autos in der Stadt.
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ZUR PERSON: Oliver Bendel (geboren 1968 in Ulm an der Donau) studierte Philosophie und Germanistik sowie Informationswissenschaft und
promovierte über anthropomorphe Softwareagenten. 2009 wurde er von der Hochschule für Wirtschaft FHNW in Basel zum Professor ernannt. Heute gilt Bendel als einer der weltweit führenden Maschinenethiker. Er selbst versteht sich als Roboterphilosoph, der das Verhältnis zwischen
Mensch und Maschine untersucht und danach fragt, wie die Maschine der Gegenwart und Zukunft beschaffen ist, sein wird und sein soll.
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EDITION / VOL. 5 – FASHION STORY IV
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EDITION / VOL. 5 – STILWELT
Was fasziniert Sie am Interdisziplinären, Herr Klanten? Robert Klanten und sein gestalten Verlag sind so international wie selektiv. Im Interview spricht der Verleger darüber, was Bücherregale über ihre Besitzer aussagen, wie zukunftsfähig vermeintliche Anachronismen sind und was an einem global agierenden Unternehmen dann doch typisch deutsch ist. INTERVIEW: Martina Müllner-Seybold. FOTO: gestalten.
Herr Klanten, würden wir einen Blick in Ihr Bücherregal werfen, was würde das über Sie aussagen? In meinem Bücherregal steht mein privater Geschmack. Sie würden also Bücher zu Themen wie Geschichte, Literatur oder Philosophie finden. Nicht alles, was ich privat lese, könnte bei gestalten veröffentlicht werden. Weil es dafür kein Publikum gibt oder weil es so speziell ist? Weder noch, sondern weil ich der Ansicht bin, dass ein Verlag ein gewisses Profil besitzen sollte. Dieses Spektrum muss klar bespielt werden. Es geht in erster Linie um gestalten und um das, was die Leser interessiert. Da müssen persönliche Präferenzen außer Acht gelassen werden. Dem Medium Buch wurde schon alles mögliche Apokalyptische prophezeit. Welche Zukunftsprognose treffen Sie für das Buch? Bücher wird es mit Sicherheit noch sehr lange geben. Viele Leute stellen sich die Diskrepanz immer wie ein Pendel vor, das von analog zu digital schwingt. Dabei sollte die Rede von Kraft und Gegenkraft sein. Sicherlich weisen viele Zeichen Richtung digital, aber bestes Gegenbeispiel ist die Musik. Plötzlich war Spotify da, bot Musik für quasi umsonst, und auf einmal laufen Menschen scharenweise auf Konzerte und kaufen sich Vinyl-Schallplatten. Warum? Weil beides eine andere und wertvolle Art der Teilhabe ist. Genauso gibt es immer noch eine enge Bindung zu Erlebnissen, Gerüchen und Atmosphäre. Wir versuchen, mit analogen Medien genau dieses Interesse zu stillen. Trifft das auch auf die nächste Generation zu, die gefühlt den ganzen Tag durch Social Media swipt und für die Bilder etwas sehr Inflationäres geworden sind? Das muss man abwarten, weil es sich um einen Wachstumsprozess handelt. Ich meine schon, dass es in Zukunft einige geben wird, die keine Bücher oder andere analoge Medien benötigen. Gleichzeitig sind da aber auch sehr viele junge Menschen, die den umgekehrten Weg gehen. Sie suchen nach mehr Substanz und Inhalt. Etwas, das Kraft und Halt verleiht. Bücher sind dafür die perfekte Lösung. Sie haben sich als Verlag international aufgestellt. Ist etwas typisch deutsch an Ihrem Verlag?
Grundsätzlich würde ich im ersten Impuls diese Frage verneinen. Wenn ich nach Amerika komme, fragen mich die Leute immer wieder: „Wie, euer Verlag ist deutsch? Das habe ich gar nicht mitbekommen.“ In England dachten unsere Mitarbeiter lange Zeit, dass gestalten genauso ein verrückter Kunstname ist wie Häagen-Dazs. Das ehrt mich in gewisser Weise. Wir funktionieren als Marke fast überall auf der Welt. Trotzdem mag etwas an unserem Zugang typisch deutsch sein. Im Gegensatz zu manchen anderen Ländern besitzen wir eine große Neugierde und Lust auf die Welt. Ein amerikanischer oder englischer Verlag würde unsere Arbeit vermutlich mit einer anderen Haltung machen. Insofern sind wir tatsächlich auch sehr deutsch. Allerdings setzt ein sehr internationales Team diesen Ansatz dann in die Tat um, rund die Hälfte unserer Mitarbeiter kommen aus Ländern wie England, Kanada oder Schweden, unsere Bürosprache hier in Berlin ist meistens Englisch. Was braucht es, die Rolle als „Chronist und Impulsgeber von visueller Kultur“, wie Sie sich einmal selbst in einem Interview bezeichnet haben, zu erfüllen? In erster Linie sind wir neugierig und setzen uns mit Themen und Konzepten auseinander, die Menschen weiterbringen und Spannung besitzen. Unsere Leser sind zwischen 25 und 55 Jahre alt, sie bereichern ihr Leben mit Neuem. Sie sind Schaffende, nicht zwingend Kreativ-Schaffende, viele schaffen ihre eigene berufliche Existenz oder lesen, um sich zu motivieren. Sie sind immer auf der Suche, nach besseren Ideen, besseren Konzepten, und sie streben nach Dingen, die sie persönlich voranbringen. Diese Suche verkörpern auch wir als Verlag und sie verbindet uns mit unserer Zielgruppe. Sie publizieren und sind damit sozusagen ein Influencer der alten Schule. Gleichzeitig kooperieren Sie mit einflussreichen Influencern der neuen Schule wie Highsnobiety. Was macht diese Zusammenarbeit so spannend? Spannende Sachen finden seit Jahren nicht mehr innerhalb einer Disziplin statt, sondern da, wo sich Disziplinen aneinander reiben. An diesen Stellen funkt es. Es ist sehr spannend, sich das anzusehen, und genau das macht den Reiz dieser Zusammenarbeit aus. Wir beobachten und dokumentieren sozusagen den Funkenschlag.
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Der Herr der Design-BĂźcher: Mit gestalten hat sich Robert Klanten einen Namen gemacht. Sein erstes Buch und zugleich sein erster
Versuch als Verleger handelte von der Kultur der Technoszene.
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Santoni fßr BRAUN Hamburg – wenn zwei traditionsreiche Familienunternehmen im Gleichklang arbeiten.
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Gestatten, Santoni. Ein Name wie ein Versprechen: 1975 in Italiens Schuhcluster, den ostitalienischen Marken, gegründet, erlangte das Unternehmen internationale Bekanntheit. TEXT: Martina Müllner-Seybold. FOTO: Mark Newton.
Seit 45 Jahren fest in den Händen der Familie – so oder so ähnlich beginnen viele Erfolgsgeschichten in Italien. So beginnen sie auch in den Marken, Italiens Schuhvalley. Im Hinterland einer bezaubernd schönen Küste reihen sich die Schuhproduktionen dicht an dicht. Diese Reibung spornt an, aus der Masse hervorzustechen. Denn viele Hersteller in den Marken sind bis heute namenlos geblieben. Dieses Schicksal wäre nichts für Giuseppe Santoni gewesen, Sohn der Unternehmensgründer Andrea und Rosa Santoni. Sein Eintreten in die Firma markierte eine Zeitenwende. Stand Santoni früher nur für formelle Brown Shoes, so wagte Giuseppe nun das Experiment mit Schuhen mit Kreppsohle. Der erste Schritt in Richtung einer erfolgreichen Markenwerdung war gemacht. Klassik, ganz innovativ Was genau Santonis Klasse ausmacht, ist schwer zu beschreiben. Selbstverständlich: die Handarbeit, die Akribie, das Produktwissen, die Detailverliebtheit – aber ganz genauso ist es die Kunst, dieses Erbe in einen neuen Kontext zu setzen. Dem klassischen Anzugschuh eine gewagtere Silhouette zu geben, ein schmissigeres Design, eine leicht abgewandelte Farbe. Das ist Nuancen- und Millimeterarbeit, schließlich würden die Santonis wüten, würde man ihre Schuhe als verrückt oder ausgefallen bezeichnen. Die hohe Kunst, innerhalb eng gesteckter ästhetischer Normen auszubrechen und individuell zu sein – von Santoni kann man sie lernen. Hingabe ans Handwerk Vieles, was Santoni so besonders macht, entsteht nicht am Zeichentisch eines Designers. Sondern dort, wo die Schuhe später produziert werden. Wenn erfahrene Handwerker hinzugezogen werden, um das Neue möglich zu machen, ist Innovation auf der Überholspur. Weil sie erst durch Routine und Savoir-faire lebendig wird. Giuseppe Santoni hat noch einen weiteren Grund, warum er die Mitarbeiter und ihr Können für das wichtigste Asset seiner Marke hält. „Bei Schuhen kann man niemandem etwas vormachen. Wer Schuhe anhat, die nicht angenehm zu tragen sind, den kann man auch mit Werbeversprechen nicht einlullen“, sagte der erfolgreiche Manager im Interview mit einer italienischen Tageszeitung. Damit ist klar: Am Material und am Handwerk wird bei Santoni niemals gespart. Herausragend unabhängig Dass die Marke sich international eine so treue Fangemeinde aufbauen konnte, geht bereits auf Andrea Santoni zurück. Dem Firmengründer war schon früh bewusst, dass es für eine italienische Produktion nur dann eine Zukunft geben würde, wenn Santoni zur Marke würde. Für diesen Sonderweg wurde der Unternehmer anfangs von Kollegen belächelt, heute freut sich Santoni über internationale Bekanntheit, die auch in Zahlen ablesbar ist. Ein Exportanteil von mehr als 90 Prozent ist im Heimatland des guten Geschmacks die Ausnahme, nicht die Regel. So wie Santoni die Ausnahme, nicht die Regel ist.
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L’Artista Kunstvolles Handwerk und allerhöchste Qualität – wer Lässigkeit zum Stil erhebt, sucht nach Perfektion im Produkt. Wenige, dafür kompromisslos hochwertige Zutaten: Mit dieser Formel ist man modisch bestens beraten.
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EDITION / VOL. 5 – FASHION STORY V
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EDITION / VOL. 5 – FASHION STORY V
Sneakers SANTONI
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EDITION / VOL. 5 – FASHION STORY V
Espadrilles TOM FORD
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O Amsterdam! Willkommen in Amsterdam, in der Stadt, durch die sich die Grachten wie Adern ziehen, in der es mehr Räder als Autos gibt, und die wie wenige andere für Nachhaltigkeit steht! Eine Stadt so voller Leben und gleichzeitig doch zurückhaltend. Herausgeber Lars Braun präsentiert seine persönlichen Lieblingsorte in der Stadt. TEXT: Eva Goldschald. FOTOS: Brunel Johnson/unsplash.com, citizenM Amstel, Rijksmuseum, The Tailor.
EDITION / VOL. 5 – KLASSIKER
I. HOTELS CITIZENM AMSTEL / SARPHATISTRAAT 47 Hier bekommen Sie nichts, was Sie nicht brauchen, und alles, was Sie brauchen. Ein hippes Hotel mit allen technischen Features mitten in der Stadt. Perfekt für den erlebnisreichen Citytrip. MORGAN & MEES / TWEEDE HUGO DE GROOTSTRAAT 2-6 Das Boutique-Hotel liegt im Künstlerviertel Oud-West. In legerem Chic eingerichtet, bietet das Hotel gemütliche Zimmer und großzügige Suiten. TWENTY EIGHT / STADIONPLEIN 260 Fußläufig entfernt zum Museumplein und zum Vondelpark liegt dieses Aparthotel. Jedes der Zimmer verfügt über eine voll ausgestattete Küche sowie einen Wohn- und Arbeitsbereich.
II. MUSEEN RIJKSMUSEUM / MUSEUMSTRAAT 1 Hier reisen Sie auf vier Etagen durch die niederländische Geschichte. Im Museum befindet sich außerdem die größte öffentliche Bibliothek zum Thema Kunstgeschichte in den Niederlanden. ANNE-FRANK-HAUS / WESTERMARKT 20 Ein Haus als Symbol für den Holocaust, eine Lebensgeschichte im Mittelpunkt. Das Must-do in Amsterdam. Tipp: Unbedingt mehrere Wochen im Voraus reservieren, da das Haus stets gut besucht ist. TROPENMUSEUM / LINNAEUSSTRAAT 2 Ein Museum der Weltkulturen in einem der imposantesten Gebäude der Niederlande. Nicht nur die Kunst, auch verschiedene Workshops und Lesungen geben Einblicke in die Kulturen dieser Welt.
III. RESTAURANTS CAFÉ RESTAURANT AMSTERDAM / WATERTORENPLEIN 6 Mittelpunkt der alten Generatorenhalle ist das ehemalige Wasserwerk. Großzügige Räume versprühen ein besonderes Ambiente, bei schönem Wetter sitzt man auf der kleinen Terrasse am Wasser. BAR THE TAILOR / DAM 9 Die Bar ist eine Hommage an den berühmten Schneider A. W. Krasnapolsky, für den die Bars in Amsterdam als Inspirationsquellen dienten. Die Cocktails sind außergewöhnlich, lecker und kreativ. BROUWERIJ ʼT IJ / FUNENKADE 7 Ein Besuch dieser hippen Brauerei – direkt neben einer Mühle – gehört in Amsterdam dazu. Wer sich zwischen 60 Biersorten nicht entscheiden kann, nimmt am besten an einer Führung teil.
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EDITION / VOL. 5 – LITERATUR
Inspiration, seitenweise „Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die gewaltigste.“ Was Heinrich Heine so poetisch formulierte, hat ohne Zweifel auch heute noch Gültigkeit. Diese Bücher entführen Sie in Universen, die so faszinierend, so einzigartig, so farbenprächtig und so erstaunlich sind wie die Welt selbst. TEXT: Eva Goldschald, Anna Fierlinger. FOTOS: Verlage.
I. NACH DER MODERNE Unter dem Motto „Memphis, Maximalism, and New Wave Design“ erzählt das Buch MORE IS MORE von Farben, Formen und Fantasie. Wie finden die Freigeister unter den Designern neue Ideen und Kombinationen? Wie wirkt sich die Postmoderne auf die Stile verschiedener Wohnräume aus? Leser werden auf ihrer Reise durch die Welt der Architektur von Interviews mit kreativen Köpfen wie Camille Walala begleitet, um Memphis und dem Revival der 80er auf die Spur zu kommen. AUTOR: CLAIRE BINGHAM TITEL: MORE IS MORE VERLAG: TENEUES
II. WALKER'S WONDERLAND Tim Walker gilt als einer der bekanntesten Modefotografen unserer Zeit. Seine Bilder sind Tor zu einem unbekannten und bizarren Wunderland – sie erzählen von fernen Welten und eleganter Schönheit. Das Spannungsfeld zwischen Realität und Fantasie sowie das Spiel von Licht und Schatten verleihen Walkers Arbeiten ihren Reiz. Mit Kommentaren bekannter Vertreter verschiedener Kunst- und Kulturrichtungen ist diese Collector’s Edition ein wunderbares Sammlerstück. AUTOR: TIM WALKER TITEL: SHOOT FOR THE MOON VERLAG: THAMES & HUDSON
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KEIN SCHIFF NIMMT UNS MIT INS WEITE WIE EIN BUCH. Emily Dickinson
III. DIOR & RUSHHOUR Fotografie vom Feinsten: Der Lichtzeichner Peter Lindbergh beeindruckt mit seinen einzigartigen Abbildungen von Mode und Menschen. Die Kulturkleider von Dior verzaubern in unterschiedlichsten Blickwinkeln und Momenten. Unter anderem dient der Times Square zur Rushhour als Location für das letzte Buchprojekt des Modefotografen Lindbergh, wobei Haute Couture noch nie so facettenreich gestaltet wurde. Einzigartige Kreativität auf mehreren Ebenen. AUTOREN: PETER LINDBERGH, MARTIN HARRISON TITEL: HAUTE COUTURE TRIFFT TIMES SQUARE VERLAG: TASCHEN
IV. AUF DER ÜBERHOLSPUR So viel mehr als nur ein Mittel zum Zweck: Neben ihrer Funktion als Transportmittel von A nach B befördern uns Autos auf der Überholspur in Richtung Zukunft. „Fast Forward“ präsentiert besondere Automobile in exklusiven Designs, die dennoch straßentauglich, praktisch und der breiten Bevölkerung zugänglich sind. Dieses Buch bietet Einblicke in Skizzen, Fotografien, Interviews und Porträts von früher und heute. AUTOR: JAN BAEDEKER TITEL: FAST FORWARD VERLAG: GESTALTEN
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EDITION / VOL. 5 – FASHION STORY VI
L’Optimista Heute John Lennon, morgen Top-Gun-Star Maverick: Die Sonnenbrillen der Saison machen Mut, groß zu denken. Filigrane Metallrahmen lassen keinen Zweifel daran, dass eine neue Generation an Sonnenbrillen den Trend dominiert. Ihr Großmeister ist derselbe geblieben: Tom Ford.
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„Wir müssen ein ,Internet of the Bodyʻ aufbauen, in dem die Genetik
und die Zellaktivitäten mit der Elektronik verschaltet sind.“ Zukunftsgedanken von Martin Fussenegger, Professor für Biotechnologie und Bioingenieurwissenschaften an der ETH Zürich.
EDITION / VOL. 5 – UPDATE
Kommt jetzt die digitale Pille, Herr Fussenegger? Eine elektronische Pille, die Krankheiten gleich selbst diagnostiziert und therapiert? Was nach purer Science-Fiction klingt, hält Biotechnologe Martin Fussenegger für äußerst realistisch. Ein Gespräch über molekulare Prothesen und die Heilbarkeit von Krebs. INTERVIEW: Markus Deisenberger. FOTOS: ETH Zürich.
Herr Fussenegger, in 50 Jahren, sagen Sie, gibt es elektronische Pillen, die bestimmte Krankheiten diagnostizieren und therapieren. Wie gewagt ist diese These nach dem gegenwärtigen Forschungsstand? Das ist natürlich eine langfristige Entwicklung. Trotzdem sieht man schon jetzt, dass es in diese Richtung geht. Nehmen Sie die von Novartis bereits auf dem Markt etablierte Zelltherapie. Da werden Zellen entnommen, entsprechend umprogrammiert und dann dem Patienten wieder einverleibt. Diese Zellen bekämpfen dann einen bestimmten Blutkrebs. Wir sind daran, Zellen noch viel komplexer zu programmieren. Inwiefern? Indem sie Krebsmarker, Blutfettwerte, Glukosewerte, überhöhte Entzündungsstoffe etc. messen und Diagnosen stellen. Das Problem der heutigen Therapie ist doch: Die Menschen gehen meist viel zu spät zum Arzt. Wer unterzieht sich mit 50 einer Darmspiegelung? Wer macht regelmäßig ein Hautscreening? Man geht erst zum Arzt, wenn man richtig krank ist. Viele Krankheiten, wie Diabetes, Parkinson oder Alzheimer, werden deshalb zu spät entdeckt. Die programmierten Zellen übernehmen also eine Überwachungsfunktion? Ja, sie werden aber auch so programmiert, dass sie, falls die Krankheit im Frühstadium entdeckt wird, gleich das benötigte Protein entwickeln und gegensteuern. Bei zu hohen Blutzuckerwerten wird Insulin produziert, bei zu hohen Blutfettwerten ein Sättigungshormon, bei zu hohen leberschädigenden Werten ein leberstärkendes Protein. Eine Art molekulare Prothese. Die Zellen überwachen den Blutkreislauf, und sollte das Problem auftreten, wird sofort gegengesteuert. Mit der richtigen Dosis und zu einem Zeitpunkt, wo das im normalen medizinischen Kreislauf noch gar nicht entdeckt wird. Bis dato machen wir das mit Pillen und Injektionen. Aber wenn Sie an die Dosierung denken, das ist doch Mittelalter: Der Arzt fragt Sie, wie schwer Sie sind. Dann schaut er
in einer Tabelle nach und verordnet Ihnen drei Pillen pro Tag. Das ist eine grobe Abschätzung. Bei Zellen, die den Marker bestimmen und selbst Proteine produzieren, ist das viel genauer. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, bestimmte Krankheiten komplett zu heilen. Was braucht es noch, damit diese Früherkennung mittels programmierten Zellen erfolgreich an einem Menschen durchgeführt wird? Die Beispiele, die wir erarbeitet haben, sind in Tiermodellen validiert. Bei Mäusen und Kühen funktionieren die verschiedenen Systeme relativ stabil über einen längeren Zeitraum hinweg. Nun müssen diese Systeme, bevor man sie Menschen zur Verfügung stellt, in der sogenannten „Good Manufacturing Practice“, das heißt in ganz speziellen Protokollen und Produktionsanlagen produziert werden. Dann erst kann man die Zellen in drei klinischen Phasen an einer kleinen Gruppe von Menschen testen. Wem wird die neuartige Technologie zuerst zugutekommen? In einer ersten Phase Menschen mit erhöhtem Risiko für etwa Brust- oder Darmkrebs. Menschen mit Fällen von Diabetes in der Familie oder solchen, die bereits einen Herzinfarkt hinter sich haben. Aber der Tag wird kommen, an dem man zur Konfirmation eine Zelle implantiert bekommt, die gegen viele Krankheiten schützt, weil man fortan dieses Back-up-System in sich trägt. Sie sprechen oft von der E-Pille. Was genau ist mit „elektronisch“ gemeint? Wir hegen den Wunsch, die Genetik und auch die Zellbiologie langfristig an die Elektronik anzuschließen. Wir reden viel vom „Internet der Dinge“, in dem Maschinen miteinander vernetzt sind und miteinander kommunizieren. Mit anderen Menschen kommunizieren wir über Telefone, E-Mail, Twitter und andere soziale Medien. Aber wir kommunizieren nicht mit unserem Körper. Noch nicht. Im Prinzip müssen wir ein „Internet of the Body“ aufbauen, in dem die Genetik und die Zellaktivitäten mit der Elektronik ver-
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Blutfettwerte, Glukosewerte oder eine überhöhte
Zahl an Entzündungsstoffen – liegt die Zukunft dieser
Messungen in elektronischen Pillen?
schaltet sind. Dass ich in Echtzeit weiß, was in meinem Körper passiert, macht Sinn, damit ich mich anpassen kann. Und es macht Sinn, dass der Arzt bei einer Therapie weiß, was in meinem Körper los ist, und entsprechend eingreifen und regulieren kann. Eine Zelle einzusetzen, die den Kalziumwert misst, funktioniert bereits. Inwieweit führt die hinzutretende Kommunikation mit Computern dazu, dass sich die zeitliche Realisierung in der Medizin nach hinten verschiebt? Das ist schon eine zusätzliche Herausforderung, weil es bis dato noch nicht gelungen ist, Genetik direkt mit Elektronik zu verbinden. Es wurde noch kein Protein entdeckt, das WiFi, Bluetooth und andere Radiowellen antennenmäßig aufnehmen kann. Das sollte möglich werden. Und das wollen wir mit dem etwas provokativen Begriff der elektronischen Pille anstoßen. Es handelt sich eigentlich um ein elektronisches Inputsignal, das als Pille im therapeutischen Sinne dient. Was passiert, wenn das Implantat registriert, dass ein KrebsMarker zu hoch ist? Ein tattooähnlicher Leberfleck entsteht. Das Tattoo soll einen Denkanstoß liefern. Mir Zellen unter die Haut spritzen zu lassen, die das analysieren können, schadet mir ja erst mal nicht. Sollte ich dann ein Problem kriegen, bekomme ich einen Leberfleck. Dann muss ich nicht in Panik verfallen, denn zu diesem Zeitpunkt weiß ich, dass ich eine fast 100-prozentige Heilungschance habe. Die Diagnosen ersetzen nicht den Arzt, aber es ist ein Frühwarnsystem, das man einsetzen kann, bevor man zum Arzt geht.
Klingt überzeugend. Bekommen Sie auch negatives Feedback? Klar. Das reicht von der Auffassung, dass wir Menschen von Gott erschaffen sind und man uns nicht einfach „umprogrammieren“ darf, bis hin zur Furcht, wir würden eine Menschmaschine erschaffen, und zu dem Argument, dass solche Eingriffe in die Evolution verboten sein sollten, weil wir dadurch unsere Identität verlieren würden. Aber das positive Feedback überwiegt. Viele Mütter, deren Kinder Diabetes 1 haben, schreiben mir. Der Leidensdruck der Patienten ist sehr groß, ihre Hoffnung noch größer. Aber ganz allgemein: Die Menschheit ist schon bereit, einen medizinischen Fortschritt zu unterstützen. Das hat weniger mit dem Streben nach Unsterblichkeit als vielmehr mit dem Wunsch nach einer besseren Lebensqualität zu tun.
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ZUR PERSON: Martin Fussenegger ist Professor für Biotechnologie und
Bioingenieurwissenschaften an der ETH Zürich. Die Zukunft, sagt er, liege in digitalen Pillen, die aus Elektronik und Zellen bestehen und mit
unserem Stoffwechsel kommunizieren. Sie sollen beispielsweise automatisch Blutzucker- und Blutfettwerte messen und diese in therapeutische
Proteine umwandeln – beispielsweise in Insulin. Auch in der Früherken-
nung von Krebs sollen sie punkten: Ist ein bestimmter Krebs-Marker zu hoch, entsteht ein Leberfleck. So kann Krebs wesentlich früher als nach herkömmlichen Methoden diagnostiziert und therapiert werden, was die Heilungschancen enorm vergrößert.
Adressen unsterblicher Kunst So ewig und wunderschön wie Rom, so schlaflos und voll unendlicher Möglichkeiten wie New York und so lebendig und schillernd wie London: Die Kunst hat viele Facetten, die allesamt begeistern und beeindrucken. Drei ihrer Hauptschauplätze, kurz porträtiert. TEXT: Kim Schneider. FOTOS: Cristina Gottardi, Roman Fox, Nicole Fahey, Rebekah Rabon/unsplash.com.
EDITION / VOL. 5 – KLASSIKER
I. BRITISH MUSEUM 1753 aus der Sammlung des Wissenschaftlers Sir Hans Sloane entstanden, ist das „BM“ seitdem stetig gewachsen und gehört heute zu den größten und bedeutendsten kulturgeschichtlichen Museen der Welt. Von den alten Ägyptern mit ihren Mumien über den Nahen Osten bis nach Afrika und Ozeanien – die Sammlung des British Museum ist riesig und eindrucksvoll. Auf drei Stockwerken kann man hier, im Londoner Stadtteil Bloomsbury, in die beeindruckenden Facetten der Kunst vordringen oder sich im riesigen Innenhof entspannen und die Atmosphäre auf sich wirken lassen. Ein echtes MUST-SEE in London! WWW.BRITISHMUSEUM.ORG DESTINATION: LONDON / UNITED KINGDOM
II. METROPOLITAN MUSEUM OF ART An der Fifth Avenue zwischen Central Park und dem East River, in der noblen Upper East Side (Manhattan), erhebt sich diese weltbekannte Hochburg der Kunst. Hier trifft man sich, um moderne Kunstwerke zu entdecken, über alte Meister zu staunen und den Surrealismus real zu erleben. Von außen gesehen ist das Museum eine Rotunde, innen vereint es eine Vielzahl geometrischer Formen – der Architekt Frank Lloyd Wright wollte damit die Plastizität organischer Strukturen widerspiegeln. Unbestritten hat er aber auch einen Ruhepol in dieser hektischen Stadt geschaffen. WWW.METMUSEUM.ORG DESTINATION: NEW YORK / USA
III. VATIKANISCHE MUSEEN So viel Kunst auf so wenig Platz – im kleinsten Staat der Welt erwarten den Besucher die „Musei Vaticani“. Der Erwerb eines Tickets ist dringend zu empfehlen, schon allein der Besuch der Sixtinischen Kapelle mit dem weltberühmten Deckengemälde von Michelangelo ist den Preis allemal wert! Aber es gibt noch so viel mehr zu entdecken: In verschiedenen Sälen und Höfen des Palastes werden Kunstwerke aller Art ausgestellt. Die Vatikanischen Museen bieten einen künstlerischen Streifzug durch die klassische Antike über das Mittelalter bis hin zur modernen, zeitgenössischen Kunst. WWW.MUSEIVATICANI.VA DESTINATION: STAAT VATIKANSTADT / ITALIEN
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IM LEBEN GEHT ES NICHT UM DEN ERFOLG – SONDERN UM DAS GELINGEN. Prof. Dr. Gerald Hüther
„Man sollte das Kind also davon abhalten, in den Brunnen zu fallen“, findet Prof. Dr. Hüther. Als Wissensvermittler beschäftigt er sich mit der Frage nach den Lebensbedingungen, die das menschliche Potenzial zur vollen Entfaltung bringen – dazu zählt auch die Würde.
EDITION / VOL. 5 – STILWELT
Warum ist die Würde für den Menschen essenziell, Herr Hüther? Er zählt zu den bekanntesten Hirnforschern Deutschlands und ist Wissensvermittler aus Leidenschaft: Prof. Dr. Gerald Hüther über die Wichtigkeit der Würde und darüber, warum wir jeden Tag an ihr arbeiten sollten. TEXT: Martina Müllner-Seybold. FOTO: Gerald Hüther.
Herr Hüther, was führte Sie zur Hirnforschung? Ich habe mich als kleiner Junge in die Vielfalt des Lebendigen verliebt und wollte Biologie studieren. Innerhalb der Fachrichtung entdeckte ich dann meine Faszination für das Gehirn. Was ist Ihre Motivation, neben einem Forscher auch ein aktiver Wissensvermittler zu sein? Ich stellte fest, dass sich in der Hirnforschung alles zu sehr um Details dreht. Darin wollte ich mich nicht verlieren. Stattdessen baute ich eine Forschungsabteilung in der psychiatrischen Klinik in Göttingen auf. Nach ein paar Jahren bemerkte ich, dass viele dieser Patienten keine Therapie benötigen würden, wenn zuvor irgendwann jemand mit ihnen geredet hätte. Man sollte das Kind also davon abhalten, in den Brunnen zu fallen, und nicht darauf aus sein herauszufinden, wie viele Knochen es sich gebrochen hat. Welches sind die Fähigkeiten, die man für ein gelingendes Leben braucht? Dass man spürt, einen Platz in dieser Gesellschaft zu haben und wertgeschätzt zu werden. Dadurch entwickeln junge Menschen ein Bewusstsein für Würde. Das kann in den gegenwärtigen Schulen allerdings kaum gelingen. Wie sollen Schüler lernen, dass sie etwas wert sind, wenn sie immer nur belehrt und bewertet werden? Gerade, im Februar 2020, ist mein neues Buch „Education for Future“ erschienen. Darin gehe ich mit meinen Mitautoren auch der Frage nach, wie es passieren konnte, dass die Schule von einer Maus zu einem Elefanten aufgeblasen wurde. Sie beherrscht Familien, Lebensläufe, Diskussionen und kostet irrsinnig viel Geld. Was dort passiert – Aufbewahrung, Ausbildung und Selektion –, ist aber nicht das, was junge Menschen brauchen, um zu kompetenten Gestaltern ihres Lebens heranzureifen. Was sollte stattdessen gelehrt werden? Bildung für das Leben. Ein wichtiger Aspekt ist es, Kindern bei der Bewusstwerdung ihrer Würde zu helfen. Selbstverständlich ist es unter meiner Würde, andere Leute über den Tisch zu ziehen. Gleichzeitig lasse ich mich aber auch nicht zum Objekt der Absichten anderer machen. Menschen mit dieser Einstellung sind nicht mehr verführbar und ein Totalausfall für alle Werbestrategen. Würde erinnert uns daran, dass wir lebendige Wesen sind, Subjekte. Objektzuweisung führt im Gehirn zu einem Zustand, bei dem die gleichen Netzwerke aktiviert werden wie bei körperlichen Schmerzen.
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Lässt sich Würde kategorisieren oder variiert sie je nach Typ? Würde ist eine rein subjektive Entscheidung. Was für ein Mensch will ich sein? Und jetzt wird es interessant: Die Nazis hatten auch eine Ethik und eine Moral, aber keine Würde. Wenn man sich in anderen Kulturen umschaut, trifft man überall auf ganz unterschiedliche Ethik- und Moralvorstellungen. Dort allerdings, wo es um das zutiefst Menschliche geht, da sind sich alle wieder einig. Warum ist Würde für die Menschen essenziell? Menschen haben oft genug bewiesen, dass sie völlig würdelos leben können. Langfristig ruiniert dieses Verhalten aber den Planeten, weil es jedes konstruktive Zusammenleben verhindert und natürliche Grundlagen zerstört.
bleiben. Dieser innere Kompass ist die Würde. Der Prozess dauert allerdings. Wir haben bereits eine eigene Initiative dazu gegründet: www.wuerdekompass.de. Wo beginnt Würde, wo endet sie – oder hat Würde ein offenes Ende? Seine eigene Würde zu bewahren, ist so etwas wie ein Anliegen. Das muss man jeden Tag wieder neu versuchen. Das ist so ähnlich wie: „Der Weg ist das Ziel.“ Wenn ich mich jeden Tag frage, wie ich meine Würde bewahren kann, ist das ein Weg, um bei mir zu bleiben und mich nicht in der Vielfalt von Handlungsoptionen zu verirren.
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Wie können wir Würde lernen bzw. ist Würde überhaupt erlernbar? Jedes Kind kommt mit einem Gefühl dafür zur Welt, was richtig ist, was es braucht, damit es ihm gut geht. Wird das verletzt, brüllt das Kind. Kein Kind könnte über unangenehme Erfahrungen lamentieren, wenn es kein inneres Bild davon hätte, wie es sein sollte. Manche Kinder haben das Glück, auch später noch die Erfahrung machen zu dürfen, dass sich andere über ihre bloße Gegenwart freuen und nicht, weil sie irgendwelche besonderen Leistungen erzielen. Das vermittelt Wertigkeit und stärkt das Selbstwertgefühl. Drückt sich die Würde eines Menschen auch in seinem Äußeren aus? Wenn sich der Mensch seiner eigenen Würde bewusst ist, macht er sich nicht mehr zum Objekt. Im Umkehrschluss kleidet er sich nicht mehr so, dass ihn andere dafür bewundern. Er kann anziehen, was er möchte. Es geht also darum, sich selbst schön zu finden. Würde ist die Grundlage von Freiheit. Kann ich mit meiner Kleidung Würde ausstrahlen? Ja, dann strahlen Sie Ihr Wohlgefühl und damit Authentizität aus. Beispielsweise hat es vielen Männern geholfen, dass Barack Obama den Schlips abnahm. So konnten auch sie das komische Ding um den Hals loswerden. Wie würde eine Welt aussehen, in der keine Würde mehr vorhanden ist? Eine Dystopie? Die haben wir schon. Eine würdelosere Art des Zusammenlebens der Menschen auf dieser Welt kann man sich ja kaum vorstellen. Nicht nur, weil so viele Menschen unterdrückt werden. Das war in früheren Zeiten ja auch schon so. Man sicherte sich die Herrschaft durch Unterdrückung. Aber der Unterdrückte muss noch nicht automatisch seine Würde verlieren. So richtig würdelos wird es erst dann, wenn Machthaber ihre Interessen durch Verführung sichern. Verführte können sich ja noch nicht einmal mehr dagegen wehren, die schützen ja sogar noch ihre Verführer. Wie kam es dazu, dass wir so würdelos miteinander umgehen? In unserer Gesellschaft funktionieren die alten Herrschaftsstrukturen nicht mehr, in denen Menschen von oben nach unten zum Objekt gemacht wurden. Unsere heutige Welt ist viel komplexer, globalisiert und digitalisiert. Die ist nun nicht mehr mit hierarchischen Strukturen zu lenken. Um den Sprung ins 21. Jahrhundert zu vollziehen, müssten wir es schaffen, dass jeder Mensch in sich selbst einen inneren Kompass ausbildet, der ihm hilft, Mensch zu
ZUR PERSON: Professor Dr. Gerald Hüther ist Neurobiologe und Autor
einiger populärwissenschaftlicher Bücher. Nach seinem Studium floh er
in den 1970er Jahren mit einem gefälschten Visum im Pass aus der DDR. Seitdem forscht er an mehreren Instituten in den Abteilungen für neurobiologische Grundlagenforschung.
Die kleinen Freuden des Lebens Es sind die kleinen Dinge, die durch ihre Feinheiten den Alltag versüßen und das Leben bereichern. Fünf einzigartige Objekte – so kostbar, so besonders und so außergewöhnlich, dass sie unsere ungeteilte Aufmerksamkeit verdienen. TEXT: Eva Goldschald. FOTOS: Hersteller.
I. DIE ZUKUNFT DES KLANGS Bang & Olufsen überzeugt mit bestem Klang, verbunden mit faszinierendem Design. Der Highend-Aktivlautsprecher Beolab 50 ist kabellos einsetzbar und mit edelstem Eichenholz versehen. Das Unternehmen kombiniert herausragende Verarbeitungsqualität mit elegantem Design und einer revolutionären Audiotechnologie. Das ist Klang pur! Dank der akustischen Linse passt das Gerät die Klangleistung an seine Zuhörer an. Wenn ein Sweetspot-Hörvergnügen erreicht werden soll, zieht sich die Linse zusammen und sendet ein direktes Schallbündel an den Ort, an dem Sie den Klängen lauschen möchten. Bei einem Haus voller Gäste öffnet sich die Linse und füllt den gesamten Raum mit Klang. BEOLAB 50
II. SCHREIBEN WIE DA VINCI Der Ethergraf mit Metallmine entstand in der Designschmiede von Ferrari. Er liegt so sanft und souverän in der Hand wie das Auto der Firma, aus der er stammt. Auf den ersten Blick sieht er aus wie ein sehr edler und doch normaler Bleistift. Setzt man ihn dann auf Papier, oxidiert die Mine in Kontakt mit diesem. Er hinterlässt also keine Spuren auf der Kleidung und seine Spitze nutzt sich kaum ab. Als Vorbild diente der Silberstift von Leonardo da Vinci. Einziger Nachteil: Das Geschriebene lässt sich nicht wegradieren. Hier verhält es sich wohl wie mit einer analogen Kamera: Man hat die Gestaltung eines Motivs im Kopf, und erst wenn das Bild perfekt ist, drückt man auf den Auslöser. PININFARINA ETHERGRAF
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III. MOTORLOSES LAUFEN Geschwungener Holzrahmen für ein natürliches Training: Mit dem Sprintbok verbraucht man 30 Prozent mehr Kalorien als mit einem herkömmlichen Laufband, da der Kraftaufwand durch den geschwungenen Rahmen größer ist. Auch ist hier, anders als bei den üblichen Geräten, keine Wartung notwendig. Die beweglichen Holzlamellen sind mit Linoleum beschichtet und federn Laufstöße ideal ab. Es bietet dem Läufer ein komplett selbstbestimmtes Workout, da es nur durch die eigene Beinkraft angetrieben wird. Mit dem ersten Entwurf des Modells gewann Nohrd den französischen Designwettbewerb „Concours Lépine“. Ein Sportgerät, das auch unbenutzt gerne im Raum stehen bleiben darf. SPRINTBOK VON NOHRD
IV. ESPRESSO MACCHIATO, PER FAVORE Die Bezzera BZ10 ist eine echte italienische Espressomaschine. Ausgestattet ist sie mit der aufwendigen Zweikreis-Technik, also zwei separaten Wasserkreisläufen. Während mit dem einen frischer Kaffee aufgebrüht wird, stellt der andere im selben Moment heißen Dampf für Milchschaum her. Das elegante Edelstahlgehäuse mit übersichtlich angeordneten Bedienelementen macht die Maschine zum Luxusgerät in der Küche. Firmengründer Luigi Bezzera ließ sich 1901 ein innovatives Kaffeezubereitungsverfahren patentieren. Vier Jahre später wurde seine erste Espressomaschine auf einer Mailänder Messe ausgestellt. Bis heute ist die Firma in Familienbesitz – mittlerweile in der vierten Generation. BEZZERA ZWEIKREIS-ESPRESSOMASCHINE
V. ZEITLOSER KLASSIKER Unter Vielfliegern genießt sie einen legendären Ruf, bei Sammlern gehört sie zum Inventar. Die berühmte Weltzeituhr 5230R von Patek Philippe überzeugt mit einem neu gestalteten Gehäuse in Rosé- oder Weißgold und einem durchbrochenen Stundenzeiger. Sie besitzt eine 24-Stunden- sowie eine Tag-/Nachtanzeige für die 24 Zeitzonen. Ein handgenähtes Armband aus Alligatorleder in Schokobraun rundet das perfekte Erscheinungsbild ab. Das Uhrwerk läuft mechanisch mit automatischem Aufzug. Die Rückseite der Uhr gibt den Blick frei auf das eindrucksvolle Uhrwerk. Im Automatikwerk sind 33 Rubine verarbeitet. Die Schweizer Uhrenfirma gibt es seit 1839. Sie ist die letzte unabhängige Genfer Manufaktur in Familienbesitz. 5230R VON PATEK PHILIPPE
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EDITIO N
VOL. 5 / 2020
HERAUSGEBER Lars Braun BRAUN Hamburg Mönckebergstraße 17, 20095 Hamburg, Kaisergalerie, Große Bleichen 27, 20354 Hamburg. T +49 (0)40/33 44 7-0, F +49 (0)40/33 44 7-103, www.braun-hamburg.com
MITARBEITER DIESER AUSGABE Markus Deisenberger, Kim Schneider, Martina Strasser, Christina Hörbiger-Strasser, Anouk Schönemann, Sigrid Staber, Eva Goldschald, Christian Görgl, Sigrid Felbersohn, Anna Fierlinger LEKTORAT Uta Scholl (www.korrifee.at)
FÜR DEN INHALT VERANTWORTLICH Marc Schmidt
FOTOGRAF Mark Newton (www.marknewton.com)
VERLEGER UCM Werbe- und Verlagsagentur, B2C Corporate Publishing GmbH, Salzweg 17, A-5081 Salzburg, www.ucm-verlag.at
STYLING Roswitha Wieser
CREATIVDIRECTION Nicolaus Zott
SHOOTINGLOCATION Belmond Reidʼs Palace (www.belmond.com)
PROJEKT- UND REDAKTIONSLEITUNG Alexandra Hawel
MODELS Robertas Aukstuolis, Romedius Türr, Maikel Keibalo
ARTDIRECTION Lisa Baumgartlinger
DRUCK Samson Druck GmbH, 5581 St. Margarethen im Lungau
TEXTCHEFIN MODE Martina Müllner-Seybold
ANZEIGEN Heike Hagemann (h.hagemann@braun-hamburg.com)
Geringe Farbabweichungen sind drucktechnisch nicht zu vermeiden. Copyright vorbehalten.
HAIR & MAKE-UP Marlies Kürbiss