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#4/2015

MENSCHEN WOLLEN NICHT VON EINER MASCHINE KAUFEN. DAVID SCHNEIDER

€ 6,90

Neues Denken. Warum wir alles hinterfragen müssen /// Multi Channel. Vom Buzzword zum Business /// Follow Me! Instagram wird zum Recherche-Tool /// Vom richtigen Zeitpunkt. Sind Saisons von gestern?





004 EDITORIAL

Nichts Neues

Coverfoto: Bernhard Musil

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Liebe Leserinnen und Leser, vom immer Neuen haben wir schon lange Abschied genommen. Denn, wenn Sie so wollen, steht die Medienbranche vor genau der gleichen Herausforderung wie die Modebranche. Echte Neuigkeiten sind heute so schnell beim Leser angekommen, dass unser gutes altes Papier, auf dem wir drucken, dagegen uralt aussieht. Also muss unser Anspruch lauten: Nicht irgendwas Neues finden, sondern das vermeintlich Bekannte aus neuen Perspektiven sehen. „Neu denken“ haben wir als Schwerpunkt über diese Ausgabe geschrieben. Und ja, es gibt sie, die Unternehmen, die Mode neu denken und dabei – man höre und staune – oft ganz ohne den Neuigkeitswahn auskommen, der unsere Branche an den Rand des Ruins gebracht hat. Kay Alexander Plonka ist nach Flimby (God save the Sneaker, ab Seite 077) und nach Hartha (Handwerk mit Zukunft, ab Seite 075) gereist, um von Produkten zu berichten, die nur gut sind, weil sie eben nicht dauernd neu erfunden werden. Freilich, um Aktualität kann sich kein Hersteller drücken – aber wo Kreative und Handwerker passioniert arbeiten können, wird das auch niemals passieren. David Schneider, ZalandoVorstand und Gesprächspartner von Stephan Huber und Quynh Tran im Longview (ab Seite 022), hat als Onlinepionier die Verpflichtung, nachzudenken. Über Allianzen, die so niemand erwartet hätte. Mit einem Absolutismus, der niemand verwundern soll: „Im Endeffekt wollen wir die erste Anlaufstelle für jegliche Fashionfrage oder jegliches Fashionproblem werden.“ Allmachtsfantasien sind das keine – im Gegenteil. Muss das nicht für jeden Händler oder Hersteller der Anspruch sein? „Haben wir immer so gemacht“, ist keine probate Handlungsanleitung mehr. 2015 sollte man es endlich starten lassen, das 21. Jahrhundert. Die Wege der Wahl: Digitalisierung, Transformation oder schlicht: neues Denken. Tommy Hilfiger CEO Daniel Grieder ist berechtigt stolz, mit dem digitalen Showroom einen Meilenstein gesetzt zu haben. (Es ändert sich. Alles.,

ab Seite 046). Doch nicht nur die Großen können sich neu erfinden. Kleine Händler, die ihre Grenzen hinter sich lassen, begeistern uns ebenso wie Onlineshops, die stationär ihr Glück versuchen (Die eine Hand und die andere, ab Seite 050). Carsten Bange, Softwareexperte und Digitalisierungsvordenker, lässt im Gespräch mit Nicoletta Schaper Zukunft erahnen (Wir sind mitten in einer Revolution, ab Seite 042). Seine Thesen klingen zunächst gewagt, dann nachvollziehbar und schließlich ganz vernünftig. „Selbst die Beratung lässt sich weitgehend automatisieren.“ Eine Kampfansage an Ihr Businessmodell? Dann erst recht: lesen! Viel Vergnügen dabei wünscht Ihr style in progress Team



006 INHALT

004 EDITORIAL Nichts Neues

010 JETZT THE LONGVIEW 022 „Die Vision ist, alles zu vernetzen“ Zalando-Gründer und -Vorstand David Schneider über die Zukunft des E-Commerce – und sein Zusammenleben mit dem stationären Handel

SO LÄUFT’S 022

028 Luxus oder Qualität? Immer die gleichen Marken – von wegen: Bei hochwertigen Schuhen ist neuer Schwung drin

NEU DENKEN 032 Das Ende der Welt Stephan Huber über die Pflicht, Altes neu zu denken 034 Wie geht’s weiter? Was neues Denken verändern kann – Branchenprofis am Wort 042 „Wir sind mitten in einer Revolution!“ Carsten Bange denkt ohne Tabus in die Zukunft 046 Es ändert sich. Alles. Digitalisierung ist kein Schreckgespenst – sondern der wichtige Schritt in die Zukunft 049 „Mode und Technologie greifen immer mehr ineinander“ Mona Bijoor sagt dem Orderzettel den Kampf an 034

050 Die eine Hand und die andere Grenzen hinter sich lassen – das Gebot der Stunde für E-Commercer und stationäre Händler 056 (Ver)folgungsjagd Ich instagramme, also bin ich – das neue Lieblingsmedium der Branche 059 „Multichanneling ist Realität“ Susanne Lindner liebt das Quadrat 060 #asseenoninstagram Label-Hotties aus dem Netz gefischt 062 No Season! Die richtige Ware zum richtigen Zeitpunkt – gar nicht so einfach 065 Just in Time Wie American Vintage mit Schnelligkeit Risiko minimiert 066 Die machen gemeinsame Sache! Warum Netzwerke das Überleben sichern – nicht erst seit heute

056

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071 Einer für alle … Ist Jürgen Wolf jetzt Türsteher? So kommt man in den Club Homeboy



008 INHALT

072 Nah und (immer) da In China produzieren ist clever? Glauben Sie! 075 Handwerk mit Zukunft Stetson Europe fühlt sich wohl in Ostdeutschland 076 Nur Mut Quantum Courage macht vieles anders und gerade deshalb richtig 072

077 God save the Sneaker Raues Klima, coole Schuhe: New Balance produziert in Flimby

078 FINDEN WIR GUT MODE 082 Was der Sommer den Herbst lehrt Ein Trendausblick auf die kommende(n) Saison(s)

VOR ORT 092 The Style Council Trunk Clothiers/London 094 Ganz oder gar nicht Walser Leder & Mode/Hohenems 096 Unvergleichlich sein Casa Moda The Concept Store/Salzburg 082

098 Mode, diplomatisch Septième Etage/Genf 100 Mal zwei Bungalow/Stuttgart 102 Ärmel hoch und los Die Stiefväter/Luzern 103 Eine Schatzkammer The Box/Hamburg 104 Einen Schritt voraus Runway/Ho-Chi-Minh-Stadt 106 Perfekt wäre nicht perfekt Room Nine/Bonn

108 EDITOR’S LETTER Neues Denken 092

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108 IMPRESSUM


B O T T O M U P FA B U L O U S L O W WA I S T

germany berlin - munich - info +39 059 7362111 • austria info Office - bergheim +43 6646312802 • LIUJO.COM


jetzt

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Baracuta Erste Womenswear-Kollektion Zum ersten Mal in der über 50-jährigen Geschichte der britischen Marke Baracuta wurde auf dem Pitti Uomo in Florenz eine Kollektion für Frauen präsentiert. Diese 15-teilige CapsuleKollektion zeigte für Frühjahr/Sommer 2016 Modelle wie die klassische G9 Harrington mit dem kultigen Fraser Tartan Futter in schmalen, taillierten Schnitten. Neben klassischen Farben wie Navy und Dunkelgrün stehen auch pastellige Farbtöne wie Iris, Candy und Mint Green zur Auswahl. Abgerundet wird die Linie mit einer Version in schwarzem Glattleder und einer blauen Wildledervariante. Ergänzend zu den femininen Blousons ist zudem eine Regenjackenlinie erhältlich. Neben einem loose-fit Fishtail-Regenmantel mit Kapuze, gibt es einen doppelreihigen Trenchcoat, ein urbanes Canvas Cape mit abgerundeten Kanten und einen Oversize Staubmantel mit Schalkragen. In Deutschland und Österreich wird Baracuta über die Agentur Komet und Helden vertrieben. www.baracuta.com

Tatras ließ seinem kreativen Spieltrieb freien Lauf: Kevin James Morley designte eine Capsule Kollektion nach seinen Vorstellungen.

Tatras Verspielte Kuriositäten In der Frühjahr-/Sommer-Kollektion 2016 präsentiert der japanisch-italienische Jackenspezialist Tatras von Masanaka Sakao eine weitere, sehr viel versprechende Capsule-Kollektion: In Zusammenarbeit mit dem jungen Londoner Designer Kevin James Morley entstand eine 20-teilige Kollektion aus Daunenjacken, die Morley auf seine charismatische, ironische und verspielte Art kurios redesignte. Heraus kamen glamouröse Designs, die das formelle eines Blazers mit den sportlichen Attributen eines Anoraks in Einklang bringen. Kreative Kooperationen haben eine lange, erfolgreiche Tradition bei Tatras. Kevin James Morley reiht seinen Namen dadurch neben Designikonen wie Eley Kishimoto, Loro Piana und Robert Geller, die alle schon eine Capsule-Kollektion für Tatras designten. Die innovative, progressive Marke mit japanischen Wurzeln hat es seit ihrer Gründung im Jahr 2000 immer geschafft, eine Brücke zwischen ihren japanischen Wurzeln und ihrer Designphilosophie mit italienischem Produktions-Know-how zu schlagen. Höchste Qualität steht dabei immer im Vordergrund, daher stammen die Daunen ausschließlich von den besten polnischen Herstellern. www.tatras.it

IQ+ Berlin Anniversary Edition Der Parka ist eines der Key Pieces von IQ+ Berlin. Zum fünfjährigen Jubiläum bringt das Label jetzt eine limitierte Auflage seines Modells von 2010 in einer Anniversary Edition heraus. Das authentische Karofutter wird dafür wieder eingesetzt. Zudem hat das Berliner Team einige Details weiterentwickelt und das Styling überarbeitet. Der Parka kommt in den Farben Oliv, Navy, Black und Stone in einer nummerierten Edition von 500 Stück. Im EK kostet die Jacke mit Kaninbesatz 192 Euro, in der Variante mit Kanin und Finnracconn 211 Euro. Die VK-Preise liegen zwischen 499 und 549 Euro. Der Verkauf lief bis 15. Oktober, geliefert wird in den letzten beiden Novemberwochen. Der Vertrieb geht direkt über IQ fashion GmbH in Berlin. Britische Stilikone: Jetzt sind Baracuta-Jacken auch für Ladys erhältlich.

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Nicht nur für kalte Berliner Wintertage: Der Parka wird neu aufgelegt.


jetzt 011

Die „Stories by Parajumpers“ erzählen Geschichten von Menschen – hier von einem Pferdefarmer bei Reykjavik.

Parajumpers Storytelling Es geht um drei Mädchen, die Schlittenhunde züchten, um Chris, amerikanischer GI und Parajumper in Rettungsaktion oder um einen italienischen Architekt, der von seiner Arbeit in New York City berichtet. Die Kurzfilme von Parajumpers erzählen echte Geschichten über Menschen, ihr Leben und ihre Leidenschaften und präsentieren sie gleichzeitig als Testemonials der Marke. So promotet Parajumpers die Wintersaison 2016 und wählt damit einen subtileren, aber sicher nicht ineffizienten Weg der Werbebotschaft. Die Imagefilme mit dem Titel „Stories by Parajumpers“ erscheinen monatlich bis Dezember, zu sehen auf Instagram, Facebook, der Parajumpers-Website oder am PoS. „Es geht um Storytelling und Emotion“, sagt Matthias Schwarte, der Parajumpers mit seiner Münchner Agentur vertreibt und die neue Werbekommunikation mit unterstützt. „Das ist ein spannender Ansatz des Produktmarketings, auf den wir viel positives Feedback bekommen.“ www.parajumpers.it, www.agentur-schwarte.de

Warm-Me Mütze trifft Shirt Eine Monoproduktbrand zu sein, wäre das eine. Eine Monoseasonbrand zu bleiben, das andere. Verwundert es, dass Warm-Me, erfolgreich mit Cashmere-Beanies, seine Kompetenz das ganze Jahr über beweisen will? Hinter dem Gedanken, ein weiteres Produkt in seine Linie aufzunehmen, stehen allerdings nicht zuerst kaufmännische Überlegungen, sondern eine ganz praktische Herausforderung – nämlich die ganzjährige Auslastung für die Stricker in Nepal. Diesen fühlen sich Iris und Christian Obojes, Theresa Steinbacher und Thomas Brugger, die vier Teilhaber der Marke, verpflichtet. Nicht erst seit den verheerenden Erdbeben, die auch die Familien der Warm-Me-Stricker betroffen haben. Doch Charity for show ist nicht WarmMes Stil: Lieber gute Arbeit schaffen. Zwei T-Shirt-Modelle sollen genau das ermöglichen. Long- und Shortsleeve, beide unisex, ein simpler Größenschlüssel. Wahlweise in allen Farben und Degradees, in denen es auch Mützen gibt. Und selbstverständlich aus 100 Prozent Cashmere. Im EK kosten die Shirts 104 Euro, um 269 Euro werden sie als Ganzjahresartikel in die Läden kommen. www.warm-me.com Nur Mützen? Nein, reines Cashmere kommt jetzt auch als T-Shirt daher.

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012 jetzt

„Es ist so schön zu sehen, dass aus einer Idee von zwei Freunden, ein so schönes Projekt gewachsen ist“, sagt Nova Meierhenrich, Mitinitiatorin der HerzPiraten.

Die Superlova Sneakers von NoBrand sind einen Schritt voraus.

NoBrand Der Schuh fürs Nachtleben In diesem Herbst hat NoBrand nach dem Konzept von Think Inc. Communications den sogenannten Superlova herausgebracht, einen Premiumledersneaker mit leuchtfähiger LED-Sohle, für den die portugiesische Marke ein Jahr Entwicklungszeit in Anspruch nahm. Die transparenten Sohlen können über mehrere Stunden konstant leuchten, auf Wunsch aber auch variabel blinken; dafür werden die Batterien über einen USB-Port geladen. Um den Schuh zielgruppengerecht in der Clubbingszene zu promoten, kooperiert NoBrand mit namhaften DJs, die die Sneakers bei ihren Auftritten tragen. Den Start machten szenenbekannte DJs auf der Partyinsel Ibiza, von da aus geht die sogenannte Superlova DJ Worldtour weiter an weltweit platzierte Hot Spots, um auch dort Teil der DJ-Performance zu sein. Unter den Botschaftern des Superlova sind unter anderem Carl Cox, Nakadia, Möwe, Nervo und Henri Matisse. www.nobrand.pt, www.thinkinc.de

Freaky Heads x HerzPiraten Was fürs Herz Das Hamburger Modelabel Freaky Heads präsentiert im November eine Capsule-Kollektion als Charity-Projekt für den gemeinnützigen Verein HerzPiraten, der krebskranke Kinder unterstützt. Gemeinsam designten die Spezialisten für coole Beanies und Caps mit den Gründern der HerzPiraten, der Moderatorin Nova Meierhenrich und dem Segler und angehenden Arzt Malte Kamrath, je zwei Sets bestehend aus Mütze und Schal für Kinder und Erwachsene. In trendigem Grau gehalten zeigt ein Set aus Feinstrick das Herz-Print der HerzPiraten, das andere Set ist aus Grobstrick mit modischem Zopfmuster. Für jedes verkaufte Accessoire werden fünf Euro an den Verein gespendet. Verkauft wird die Kollektion seit Oktober 2015 in ausgewählten Boutiquen und im Onlineshop von Freaky Heads. www.freakyheads.de

Münchens Erste Häuser gründen Wertegemeinschaft

Starkes Quintett (v.l.n.r.): Flori Schuster von Sporthaus Schuster, Caspar-Friedrich Brauckmann von Kustermann, Christin Lüdemann von Kaut-Bullinger, Frank Troch von Hirmer und Robert Waloßek von Bettenrid.

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Die Münchner Familienunternehmen Hirmer, Sporthaus Schuster, Kustermann, Bettenrid und Kaut-Bullinger haben sich Anfang Oktober unter dem Namen „Münchens Erste Häuser“ zu einer neuen kulturellen Wertegemeinschaft im Einzelhandel zusammengeschlossen. „Wir sind keine weitere Aktions- oder Marketinggemeinschaft, sondern wollen unsere gemeinsamen Werte, Stärken und Kultur in den Vordergrund stellen“, so Frank Troch, Geschäftsführer von Hirmer. Gemeinsam schauen die fünf Traditionshäuser auf 740 Jahre Handelserfahrung und eine erfolgreiche Positionierung in der Münchner Einzelhandelslandschaft zurück und wollen ihr Verständnis von Einkaufs- und Servicekultur im Verbund stärken, voneinander lernen und Kompetenzen bündeln. „Tradition, das Münchnerische, Qualität, Service, Beratung und Wertschätzung unserer Mitarbeiter sind Begrifflichkeiten, die in allen Häusern gleichermaßen gelebt werden. Diese gemeinsamen Werte sind der Ursprung unserer Kooperation“, sagt Caspar-Friedrich Brauckmann, Geschäftsführer von Kustermann. Wenn es um Herrenbekleidung, Sport, Küchen-, Ess- und Wohnkultur, guten Schlaf und Badkultur sowie Büro, Schule und Schreibkultur geht, ist jedes Haus ein Spezialist. „Diese Unikate im Einzelhandel zeichnen sich ganz besonders durch ihre Persönlichkeit und die unverwechselbare Philosophie aus, die sie über Jahrzehnte und Jahrhunderte gebildet haben. Ihr Charisma trägt dazu bei, dass München weltweit einzigartig ist und sich klar von anderen austauschbaren internationalen Einkaufsquartieren unterscheidet“, so Flori Schuster, Geschäftsführer von Sporthaus Schuster. www.erste-haeuser.de


jetzt 013

Josef Einwaller Nepalhilfe x Warm-Me Trekking mit Mehrwert

Diesel startet mit neuer Struktur für den europäischen Markt.

Seit den verheerenden Erdbeben in Nepal ist kein halbes Jahr vergangen – doch die Weltöffentlichkeit vergisst schnell. Dem stemmen sich der Innsbrucker Modehändler und Bergsteiger Josef Einwaller und die Inhaber von Warm-Me mit aller Kraft entgegen. Im Oktober bricht eine Gruppe von 16 Personen zum Trekking durch das Rolwaling-Tal auf. Mit drei hehren Zielen: Das seit Mai gesammelte Geld, fast 500.000 Euro, direkt zu überbringen, beim Wiederaufbau tatkräftig mit anzupacken und als Touristen ein Zeichen zu setzen. Nichts sei jetzt so wichtig, als dass die Normalität wieder anlaufe, würden doch die Träger der Touristen ganz maßgeblich zum Einkommen vieler Familien beitragen, so Einwaller. Das Label Warm-Me, das in Nepal produziert, gibt seit jeher einen Euro pro verkaufter Mütze an verschiedene Hilfsprojekte in Nepal. Beim Trekking-Trip sind Christian Obojes und Theresa Steinbacher sowie der Fotograf Yuri Catania, der die Anstrengungen der rein privat organisierten Nepalhilfe dokumentieren wird, mit dabei. Spenden? Nach wie vor wichtig und willkommen, zum Beispiel für Solarpaneele für 140 Euro das Stück. Josef Einwaller Nepalhilfe Warm-Me helps: IBAN AT762050303301646364, BIC SPIHAT22

Anpacken für den Wiederaufbau – die privat organisierte Nepalhilfe von Bergenthusiast Josef Einwaller.

Quantum Courage Zeig, was du drauf hast!

Veronique Schröter und Christina Bischof gewannen die Quantum Courage Challenge mit ihrem Quäntchen Mut.

Die Marke Quantum Courage und die Münchner Agentur Think Inc riefen im Sommer gemeinsam Bloggerinnen zu einer besonderen Challenge auf: Getreu dem Markennamen sollten sie ihr Quäntchen Mut zeigen – in Form individueller Fotos. Die einzige Bedingung war, dass das schwarze Brand-Shirt darauf getragen wird. Aus den vielen Einsendungen wählte eine Jury bestehend aus Fotograf Andreas Ortner, Maximilian Köhler von Quantum Courage, Holger Petermann und Florian Metz von Think Inc die beiden Gewinnerinnen aus: Christina Bischof von christinabiluca.com und Veronique Schröter von veroniquesophie.com. Sie gewannen mit ihren Einsendungen ein Luxuswochenende in Cannes auf Kosten von Quantum Courage. Als Überraschungsgast wurde die bekannte Mode- und Lifestylebloggerin Caro Daur ebenfalls eingeladen. www.quantumcourage.com

Diesel Neue Struktur Im September gab Diesel bekannt, dass man einen ambitionierten Plan verfolgt: Die weltweite Einzelhandelsstruktur soll einer Erneuerung und Umstrukturierung unterzogen werden, um die damit verbundenen Geschäftsabläufe in Europa direkt von der Konzernzentrale im italienischen Breganze aus steuern zu können – direkter und vor allem noch effektiver als bisher. Zu diesem Zweck wurde Diesel Europe als eigene Region gegründet, das General Management übernimmt Joanna Onland, die jahrelange Erfahrung als Managerin bei Diesel mitbringt. Das Hauptziel der neuen Struktur ist die Optimierung der bestehenden operativen Geschäftszweige und ein direkteres Management von Diesels wichtigsten Key-Accounts – mit speziellem Fokus auf Multibrandretailer, Kaufhäuser und wichtige Imagestores. Diesel Europe will mit gezieltem Marketing die gesamte Region unterstützen und vor allem die Weiterentwicklung der Marke im Einzelhandel forcieren. www.diesel.com

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jetzt agen turen

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Aco Deutschland Überflieger

„Wir investieren in neue Sparten: Luxury Sportswear und Accessoires“, sagt Aco Deutschland Geschäftsführer Michael Schulz. So hat er für Luxury Sportswear zwei neue Brands ins Haus geholt: Hydrogen aus Italien, eine Heritage Kollektion mit Inspiration aus der Tenniswelt plus Sportswear-Unisex-Kollektion, sowie das Denimlabel Superjeans of Sweden. Mit Rebecca Minkoff aus den USA ist eine neue Accessoiremarke hinzugekommen, die in Deutschland bereits in einigen Departmentstores zu finden ist und die Aco im deutschen Markt neu positionieren will, in Zusammenarbeit mit Select Trading in München. Zu den bereits angestammten Marken von Aco gehört die Kollektion Pinko, laut Schulz „ein echter Überflieger. In den letzten Saisons haben wir uns eine starke Präsenz in den Departmentstores und bei namhaften und ausgesuchten Einzelhändlern erarbeitet und eine deutliche Sichtbarkeit im deutschen Markt erreicht.“ Verstärkt wird hierbei der Ausbau bei Schuhen und Accessoires. Dabei arbeitet die Marke verstärkt mit Sofortprogrammen alle zwei Wochen innerhalb der Saison. Hydrogen ist neu bei Aco DeutschLabels: AnneClaire, Dsquared Underwear, land, eine italienische Kollektion mit Inspiration aus der Tenniswelt. Ebony & Ivory, Front Row Society, Fracomina, Fusalp, Gas Jeans, Geospirit, Hydrogen, Iceberg, Just Cavalli, Moschino Underwear, Parosh, Peuterey, Pinko, Rebecca Minkoff, Superjeans of Sweden, Space Style Concept, Versace Collection, Versace Underwear Aco Modeagentur, Düsseldorf/Deutschland, info@acomode.de, www.acomode.de

CP Fashion Neue Jeans im Portfolio Die neueste Marke im Portfolio von CP Fashion ist die Jeansmarke AOS – Articles of Society aus Los Angeles. Das Konzept der im Premiumbereich angesiedelten Marke ist es, klassische Jeansmodelle mit sehr guten Passformen zu günstigen Preisen anzubieten. Gegründet wurde Articles of Society im Jahr 2012 und arbeitet mit einem Team von Leuten, die vorher bei Marken wie Hudson, Antik Denim, Theory und Vince gearbeitet haben. „Im Gegensatz zu den etablierten Brands wächst diese Marke zweistellig und ist bereits beim amerikanischen Händler Nordstorm zu einem der größten Premiumjeansanbieter geworden. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist im Jeans Bereich stark in den Vordergrund gerückt. Besonders Hosen mit VK-Preislagen von 100 bis 150 Euro und einer vernünftigen Kalkulation sind auch in Deutschland vermehrt gefragt. Voraussetzung bleibt allerdings, dass, gute Passformen und hochwertige Optik gewährleistet sind“, erklärt Agenturchef Reinhard Oberstein und fügt hinzu: „In letzter Zeit haben wir uns verstärkt mit dem Thema große Größen auseinandergesetzt und bieten neben Silver Jeans auch bei den beiden Marken Chaser und Debbie Katz Oberteile für diesen Markt an, mit sehr guter Resonanz.“ Labels: Articles of Society, Chaser, Debbie Katz, Greywire, King Baby Studio, LA Gang, Michael Stars, Robin’s Jeans, Silver Jeans Co., Soia & Kyo CP Fashion, Bad Säckingen, Düsseldorf und München/Deutschland, info@cpfashion.de, www.cpfashion.de

Die Hinterhofagentur Umdenken

Mit einem breiten Lagerangebot punktet die Kollektion von Des Petits Hauts.

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„Wir verspüren erstmals ein allgemeines Umdenken in der Sortiments- und Einkaufspolitik“, sagt Dominik Meuer von der Hinterhofagentur in München. „Die Einkäufer suchen verstärkt nach neuen, unverbrauchten Labels, die eine eigene Produktaussage haben und noch nicht komplett überdistribuiert sind.“ Diese Kollektionen kann die Hinterhofagentur in vielen Bereichen bieten. Die Herrenkollektion von Wool & Co bietet aktuell ein umfangreiches Lager- und PoS-Programm für den Winter über ein eigenes B2B-Portal an. Ab Sommer wird auch bis Größe 3XL produziert. Die HAKA-Kollektion Breco’s ist im Konfektionsbereich für Herbst/Winter vor allem mit Sakkos, Mänteln und Anzügen sehr gut bestückt. Auch die Marke Cape Horn bietet mit hochwertig verarbeiteten Daunenjacken eine gute Palette. Die französische DOB-Kollektion von Des Petits Hauts ist aufgrund ihres breiten Lagerangebots schon in den Nachorders sehr gut dabei. Trotz der warmen Monate August und September ist Dominik Meuer mit dem bisherigen Anlauf des Lagergeschäfts zufrieden. „Wir hatten in der abgelaufenen Frühjahr/Sommer Vorordersaison auch wieder verstärkte Nachfrage nach einer sportiven Komplettkollektion für Damen und Herren. Ein aufeinander abgestimmtes Programm ist neben Produktspezialisten wieder stärker gefragt. Da wird es vielleicht zur kommenden Saison einen Neuzugang geben.“ Labels: 0039 Italy Men, BOB, Breco’s , Cape Horn, Des Petits Hauts, Koike Escayola, Out of Order, Sophie, Wool & Co Die Hinterhofagentur, München/Deutschland, d.meuer@diehinterhofagentur.de, www.diehinterhofagentur.de

Articles of Society aus Los Angels ist der Neuzugang bei CP Fashion.


jetzt agenturen 015

room with a view Grüß Dich, Michel!

Neuzugang in der Agentur Another Souvenir: Anna + Nina.

40 Big Brands und ein kommerzielles Sortiment? Von diesem Image will sich room with a view zunehmend verabschieden. „Zuallererst muss eine Kollektion eine Story zu erzählen haben – am liebsten eine, die auf Nachhaltigkeit, Qualität und vor allem Eigenständigkeit setzt“, sagt Agenturinhaber Christian Obojes. Das bedingt, dass das Portfolio deutlich spitzer wird. In Österreich im guten Mix mit Dauerbrennern wie Canada Goose oder 7 for all Mankind, in der Schweiz und in Deutschland in Reinform. Apropos Deutschland: Michael Schreittmiller betreut dort ab sofort alle Kollektionen von room with a view. „Unsere Brands passen einfach gut zu seinem Kundenstamm und er liebt nischige Kollektionen wie R13, Warm-Me, Nemen oder NLST“, freut sich Christian Obojes. Die entsprechenden Kunden trifft man dort, wo die Händler auf Trüffelsuche sind: in Mailand, Paris oder in Locations wie dem Reservat in Düsseldorf, wo verschiedene Agenturen gemeinsam für Spannung sorgen und die Händler inspirieren. „Wir haben gelernt, dass einige unserer Marken das internationale Umfeld brauchen, um richtig wahrgenommen zu werden“, resümiert Christian Obojes. Labels: Österreich: 7 for all Mankind, Aglini, Bands of L.A., Briston Watches, Canada Goose, Ecoalf, George Gina & Lucy, Giorgio Brato, Hanky Panky, Nemen, NLST, Moon Boot, Peuterey, Philo-Sophie, Pomandere, R13, Roque Ilaria Nistri, Tkees, Tyoulip Sisters, Wood‘d, Warm-Me; Deutschland: Nemen, NLST, R13, Warm-Me; Schweiz: Giorgio Brato, Nemen, NLST, R13, Warm-Me room with a view, Salzburg/Österreich, christian@roomwithaview.at, www.roomwithaview.at

Another Souvenir Die Produktspezialisten Ihre Kompetenz in Sachen Special-Productund Accessoirekollektionen haben Vanessa Baroni-Wieler und Tommy Wieler mit ihrer Agentur Another Souvenir erfolgreich über die letzten Saisons ausgebaut. Als Neuzugänge begrüßen sie in diesem Herbst das Schmucklabel Anna + Nina aus Amsterdam, das mit einer avantgardistischen, feinen Kollektion antritt, das viele Details wie Sterne, Perlen und Quasten zeigt. Sowie Paulo Coelho, ja, was der Name vermuten lässt, ist richtig: Hinter der Schmucklinie steht der Erfolgsautor. Auch bei den bestehenden Kunden hat sich einiges getan: „Die schwedische Unterwäschenmarke Bread & Boxers launchte ihre Loungewearkollektion mit Hoodies, Jogginghosen und Sweatshirts aus Biobaumwolle in den Basisfarben Grau, Melange und Navy. Die Pariser Uhrenmarke Briston hat die zwei neuen Serien Gentlemen Driver mit schönen Damenuhren in spannenden Kombinationen aus Gold und Farbe und Alpine Hunter mit matten, maskulinen Designs herausgebracht“, sagt Vanessa Baroni-Wieler. Labels: Anna + Nina, Bread & Boxers, Briston, La Môme Bijou, Nach Bijoux, Paulo Coelho, Prtty me, Vanessa Baroni, Wood’d, Zinga Another Souvenir GmbH, Leinfelden/ Deutschland, tommy@anothersouvenir.de, vanessa@anothersouvenir.de, www.anothersouvenir.de

Neuer Verantwortlicher bei room with a view Deutschland – bekanntes Gesicht: Michael Schreittmiller.

D-tails Erfolgreicher Allrounder

Der Service von Alpha überzeugt Agenturinhaber Patrick Coppolecchia Reinartz von D-tails.

„Unseren größten kommerziellen Erfolg haben wir mit der Kollektion von Alpha Studio. Dank eines Lagerprogramms mit rund 40.000 Teilen können Kunden innerhalb von zwei Tagen per DHL-Lieferung nachsortieren. Diese Marke riskiert etwas, um erfolgreich zu sein, und wir wissen die Kollektion als Allrounder zu schätzen“, sagt Patrick Coppolecchia Reinartz, der auch mit der Positionierung der Marke im gehobenen Segment sehr zufrieden ist. Als Neuzugang begrüßte D-tails vor zwei Saisons die österreichische Marke Weber+Weber, die urbane Casual Menswear mit alpenländischen Einschlägen zeigt. „Diese Marke fasziniert mich einfach, denn der Look ist für einen Kunden, der zwar aus dem alpenländischen Raum kommt, sich damit aber genauso in New York zuhause fühlt. Ein absolut spannendes Produkt“, so Coppolecchia Reinartz. Labels: (+) People, 81 Carati Collection, Alpha Studio, Anna F., Bark, Borbonese, Bruno Parise, Gherardini, Costumein, Cruna, Essent’ial, Globe-Trotter, Graziani Jewels, Liverani, L(!)W Brand, Massimo Alba, Pollini, Quinto Ego, Rialto 48, Spektre Sunglasses, Vintage de Luxe, Veeshoo, Wally Walker, Weber+Weber D-tails, München/Deutschland, info@d-tails.de, www.d-tails.de

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016 jetzt

agenturen

Deluxe Distribution Runder Geburtstag Zum Zehn-Jahres-Jubiläum der Berliner Agentur Deluxe Distribution gibt es jede Menge Grund zur Freude. Der Neuzugang Ben Sherman Footwear, für den die Agentur auch als Distributeur fungiert, hat schon nach der zweiten Saison alle Erwartungen weit übertroffen und wird ab der kommenden Saison über Deluxe Distribution auch in Tschechien vertrieben. „Mit der Männerlinie Extended von Minimum konnten wir in Deutschland und Österreich besonders bei den großen Departmentstores punkten“, freut sich Ilya Morgan. „Unser erster Auftritt mit Minimum auf der Premium in diesem Sommer war ebenfalls ein voller Erfolg, denn es konnte ein ganz neuer Kundenkreis erreicht werden.“ In Deutschland und Österreich ist das dänische Label nun bei über 300 Kunden vertreten. Die Deluxe Distribution GmbH wurde am 1. September 2005 von den Geschäftsführern Ilya Morgan und Antonio Sanchez-Camara gegründet. Die Idee dazu kam ihnen am Strand der Insel Hydra und wurde direkt in die Tat umgesetzt. Heute hat die Agentur mit Sitz in Berlin-Mitte 15 Mitarbeiter inklusive einer eigenen PR-Abteilung und einem Team für Lager und Logistik, denn für die Marken Ben Sherman Footwear, Kling, Smash, United Nude und WeSC fungiert die Generalagentur auch als Distributeur. Mit einem Netzwerk aus über 20 Agenturen und freien Handelsvertretern betreut Deluxe Distribution neben der D-A-CH-Region für einige Labels auch die Benelux-Länder. „Wir freuen uns auf viele spannende neue Saisons mit unseren Kunden und haben für die Zukunft noch jede Menge freie Kapazitäten, um einige neue Marken aufzunehmen“, sagt Morgan. Labels: Ben Sherman Footwear, Kerbholz, Kling, Minimum, Minus, Schutz, Skunkfunk, Smash, United Nude, WeSC Deluxe Distribution, Berlin/Deutschland, info@deluxe-distribution.de, www.deluxe-distribution.de

Neuzugang in der Agentur von Patrick Ebnöther: Mey Story.

The Wearhouse Fashion Trade Wenn weniger mehr ist Patrick Ebnöther, der seine Kunden gerne auf die einzelnen Marken ausführlich schult, hat sein Portfolio gestrafft und eine neue Marke hinzugenommen: Mey Story. Im Fokus steht hier ein feines weißes T-Shirt, das aus handgepflückter, hochwertigster Pima Baumwolle aus Peru vollständig in Deutschland von Hand gefertigt wird. Neben einer T-Shirt-Kollektion beinhaltet die neu gelaunchte Marke auch eine Unterwäschekollektion. Auf Wunsch kann jedes Teil von Mey Story mit den Initialen personalisiert werden. Mit Mey Story schafft das Familienunternehmen Mey eine vollkommen eigenständige Markenwelt für Herren und spricht damit eine neue, sehr anspruchsvolle Zielgruppe an. Mey hat diverse Auszeichnungen für Nachhaltigkeit erhalten und wird immer noch als Familienunternehmen geführt Labels: Barena Venezia, Caliban, Campomaggi, Caterina Lucchi, Circolo 1901, Freedom Day, Giuglielminotti, GMS-75, Hunkydory, Mason’s, Mey Story, Michael Stars, Nabholz, Paltò, Rude Riders, Siviglia White, Stone Island, Tintoria Mattei 954 The Wearhouse Fashion Trade GmbH, Erlenbach/Schweiz, wearhouse@wearhouse.ch, www.wearhouse.ch

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Happy Birthday! Deluxe Distribution feiert zehnjähriges Bestehen. Im Bild: Ilya Morgan und Antonio Sanchez-Camara.

Aco Österreich French Spirit, made in Italy Space Style Concept ist eine modisch starke, französisch inspirierte Kollektion made in Italy und seit Herbst 2015 neu bei Aco Österreich. Vor zehn Jahren von Simona Corsellini gegründet, spiegelt die Kollektion ihre Vorliebe für Femininität und Eleganz wider, zeitlos und zeitgemäß zugleich. Damit ist die Marke, die Europa, Russland und China zu ihren stärksten Märkten zählt und zusätzlich den Mittleren und Fernen Osten ins Visier nimmt, auf Wachstumskurs. „Unser Weg, neue Märkte zu erschließen, hat sich als erfolgreich erwiesen, daher werden wir die bisherigen Ergebnisse konsolidieren und immer weiter nach neuen Vertriebsmöglichkeiten Ausschau halten“, so Rudolf Kail über seine Neu bei Aco Österreich ist die femiAgentur. Mit Niederlassungen in nin-elegante Kollektion Space Style Salzburg und Wien für vorrangig Concept. Österreich und Osteuropa teilt er das Portfolio in drei sich ergänzende Sparten: Designerbrands wie Versace und Just Cavalli, Sportswear wie zum Beispiel Napapijri und Premiumfashion wie Maliparmi, Steffen Schraut und Pinko. Für den Herbst sind ein bis zwei zusätzliche Newcomer geplant. Labels: Allegri, Atos Lombardini, Elisabetta Franchi, Etoile du Monde, Furry, Gas, Geospirit, Hotel Particulier, Just Cavalli, Maliparmi, Napapijri, Pinko, Riani, Space Style Concept, Steffen Schraut, Trussardi Jeans, Versace Collection, Versace Jeans. Aco Österreich, Salzburg/Österreich, info@acomode.at, www.acomode.at


CO SY PA N T S

www.alberto-pants.com


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Panorama Messe 4.0 Expect the unexpected, so lautet das Motto der Panorama zur Herbst-/Winter-Saison 2016/17. „Wir stellen die Messe 4.0 vor – die größte Revolution im Trade-Show-Bereich seit Bestehen von Modemessen“, verkündet Panorama-Chef Jörg Wichmann. Das neue Projekt macht die Panorama zur interaktiven Messe; so können die einzelnen Ausstellerstände nach dem zweiten Messetag auch online virtuell besucht werden. Zusätzlich gibt es Einsicht in die Lookbooks und außerdem spezielle Angebote; nicht nur attraktiv für Händler, die keine Zeit haben, die Messe real zu besuchen. Darüber hinaus wird sich das sogenannte Nova Concept mit einem gewünscht spitzen, zeitgenössischen Nischenangebot an Mode und Non-Textiles, Technikneuheiten und IT-Retail-Lösungen weiter emanzipieren. Der Begriff „zeitgenössisch“ meint hier vor allem den Mix, der auf Brüche setzt: So gibt es authentische und traditionelle Spezialistenkollektionen, die in Kombination zu kleinen Designerlabels und Accessoires, aber auch zu Raumdüften und Home-Produkten noch mal neue Spannung erhalten. Auch räumlich wird das Nova Concept in Halle 9 weiter ausgebaut, denn mit Halle 8 und 9 kommen insgesamt 10.000 Quadratmeter hinzu. Halle 8 wird ebenfalls einem neuen Konzept gewidmet: auf 3.000 Quadratmetern soll hier ein separater Bereich für Schuh-und Accessoireskollektionen entstehen. Damit möchte die Panorama der Bedeutung des Segments Rechnung tragen und die Produkte im Kontext mit der Mode präsentieren.. Die Area Pop Mart präsentiert in Halle 5 Young Fashion auf 2.600 Quadratmetern, während der Bereich Now Sofortorderkollektionen vorbehalten ist. Auch das Kernsegment der Panorama mit kommerziellen Kollektionen soll weiterhin optimiert werden und präsentiert sich in den Hallen 1 bis 4. Eine eigene Food Hall ist dem Thema Essen und Entspannung vorbehalten, als Alternative zum Berlin Street Market im Sommer. Dort halten in bester Berliner Manier diverse Foodtrucks Kulinarisches aus aller Welt bereit. 19. bis 21. Januar 2015, www.panorama-berlin.com

Gallery Ortswechsel Mit dem Umzug in das Areal Böhler läutet die Düsseldorfer Gallery eine neue Ära ein. Ab Januar 2016 werden alle Segmente der Ordermesse auf das stimmungsvolle Industriegelände ziehen. In einer ehemaligen Federnfabrik und der alten Schmiedehalle sind dann alle Bereiche unter einem Dach vereint: Gold Area, Silver Area, Designer Brands, White Area und Red Carpet. Wie bereits in der Botschaft können Agenturen und Showroom-Konzepte auch über die reguläre Laufzeit hinaus ihre Kollektionen zum Ordern präsentieren. Neben mehr Atmosphäre verfügt die neue Location über viel mehr Platz (13.000 statt bisher 5.000 Quadratmeter), kostenfreie Parkplätze und kurze Wege in die Stadt. Die Gallery nennt ihren neuen Ort daher auch „The 15-Minute Venue“. Wie bisher wird es einen Shuttle-Service zu anderen zentralen Orderstandorten geben. „Wir haben hier völlig neue Möglichkeiten der Inszenierung“, so Philipp Kronen, Managing Partner

Supreme Women &Men Neue Allianzen mit starken Partnern Vermehrt wollen französische und italienische Marken in den deutschen Markt eintreten. Die Supreme Women&Men Düsseldorf und München, organisiert von The Supreme Group by munichfashion.company, arbeitet deshalb zukünftig mit Muriel Piaser Consulting aus Paris und Bruno Zeppa – Strategia & Impresa aus Italien zusammen. Ziel ist es, Unternehmen aus Frankreich und Italien nicht nur als Präsentationsplattform und Ordermesse zu dienen, sondern darüber hinaus mit Netzwerkpartnern der Supreme Group den Vertrieb zu organisieren und ihnen zu ermöglichen, in Deutschland Fuß zu fassen. Als Experte mit

langjähriger Exporterfahrung und Kenntnissen weltweiter Märkte stellt Bruno Zeppa zum einen italienische Marken auf der Supreme Women&Men vor und fungiert zudem auch als Partner und Vermittler, wenn es um die Distribution geht. Seit über 15 Jahren agiert Muriel Piaser in der Modebranche und hat unter anderem für die Messeveranstalter Who’s Next sowie den Salon du Prêt-à-Porter in Paris zahlreiche nationale und internationale Plattformen entwickelt und berät derzeit internationale Modemarken und Fashiongremien. Für die Supreme Women&Men fungiert sie künftig als Sales Consultant für französische Marken und Designer. Supreme Women &Men Düsseldorf, 30. Januar bis 2. Februar 2016, Supreme Women&Men München, 13. bis 16. Februar 2016, www.munichfashioncompany.com

der Igedo Company bei der Vorstellung des neuen Areals. Zudem gebe es genug Raum für Erweiterungen der Gallery, die mit 550 Kollektionen in der Botschaft an ihrer Kapazitätsgrenze angelangt war. Im Sommer wurden die Industriehallen des Areals Böhler bereits für die Modenschauen genutzt: Shows von Thomas Rath, Barbara Schwarzer, Düsseldorfer Designern und der AMD Akademie Mode & Design öffneten das Gelände für Fachbesucher. 29. bis 31. Januar 2016, Red Carpet vom 31. Januar bis 2. Februar 2016, www.the-gallery-duesseldorf.com

Die Gallery übersiedelt auf das Industriegelände des Areals Böhler.

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Premium, Seek & Bright Starke Gemeinschaft Die Premium-Gruppe, Veranstalter der Berliner Messen Premium und Seek sowie der Premium Order München, erwirbt die Skate-, Street- und Sportswear-Messe Bright. Dafür gehen die Anteile der Bright-Gründer Marco Aslim und Thomas Martini auf die Premium-Gruppe über. Beide fungieren künftig als Geschäftsführer. Jörg Arntz, einer der drei Geschäftsführer der Premium-Gruppe, kommentierte den Schritt mit den Worten: „Wir stärken den Modestandort Berlin und übernehmen damit die Führungsrolle mit einem kraftvollen, progressiven Herrenangebot. Mit Blick auf die Veränderung des Modemarkts und die Auswirkungen der Digitalisierung sehen wir Kreativität und Konsolidierung als die beiden entscheidenden Treiber der aktuellen Marktentwicklung. Dabei setzen wir auf gemeinsame Prozesse im Hintergrund, um Synergien zu nutzen, Stärken zu bündeln und Potenziale auszuschöpfen. Der kreative Part, und damit die Schnelligkeit in der Identifizierung von Trends, bleiben hingegen getrennt, um klare und unverwechselbare Profile der einzelnen Messen sicherzustellen.“ Premium, Seek und Bright, 19. bis 21. Januar 2016, www.premiumexhibitions.com

Show & Order Vorn dran Safe the date: Die Show & Order findet diesmal bereits ab Montag, 18. Januar statt und damit einen Tag früher als die anderen Berliner Messen. „Nach intensivem Austausch mit der Branche möchten wir Einkäufern, Ausstellern und Agenten mit dem vorgezogenen Eröffnungstag entgegenkommen, denn der Montag bringt für Aussteller und Händler viele Zeit- und Kosteneinsparungen mit sich“, begründet Verena Malta, Geschäftsführerin der Show & Order. Hinzu komme, dass Paris direkt im Anschluss stattfindet und dieser Messestandort besonders für den Schwerpunkt junge DOB und Accessoires wichtig sei. Auch

zur Januar-Veranstaltung wird der jüngst lancierte French Showroom stattfinden, der in einem separaten Bereich der Show & Order stattfindet und der außerdem den internationalen Anspruch der Messe herausstellt. 18. bis 20. Januar 2016, www.showandorder.com

Die Geschäftsführer der Premium-Gruppe (v.l.n.r.): Jörg Arntz, Anita Tillmann, Marco Aslim, Thomas Martini und Dr. Florian Bachelin. Foto: Steve Herud

ispo München Neue Hallenaufteilung Nach sechs Jahren konstanter Aufteilung setzt die ispo nun ab 2016 in München mit einigen Umstrukturierungen neue Impulse. Die überarbeitete Struktur der elf von insgesamt 16 Hallen soll den Fachbesuchern einen noch effizienteren und besseren Überblick über die wesentlichen Entwicklungen und Trends ermöglichen. Sie berücksichtigt dabei aktuelle und zukünftige Marktveränderungen. Das Wachstumsthema Health & Fitness hat ab 2016 in der Halle B4 mehr Raum für Neuheiten. Die unmittelbare Nähe zum Segment Performance in der Halle C4 gewährleistet gleichzeitig eine bessere Besucherführung und Produktorientierung. Der Bereich Actionsports bekommt durch den Umzug in die Hallen B5, B6 und A6 einen eigenen Eingang Ost, der für branchenspezifische Events zur Verfügung steht. Der Outdoorbereich zieht in die Hallen A1 bis A3 und hat nun die direkte Anbindung an die Ski-Community, die weiterhin in den Hallen A4 und A5 zu finden sein wird. Die ispo Vision bleibt weiterhin in Halle B1 und auch das Sportstyle-Segment präsentiert sich nach wie vor in den Hallen B2 und B3. 24. bis 27. Januar 2016, www.ispo.com

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Selvedge Run Neue Location Nach dem Debüt des Selvedge Run im Sommer 2015 in den Reinbeckhallen im Berliner Stadtteil Schöneweide steht nun für die Winter-Edition ein Umzug in die Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg an. Die ehemalige Brauerei liegt nur drei U-Bahnstationen vom Alexanderplatz entfernt und ist heute ein Kulturzentrum mit Eventlocation für Konzerte, großem Kinokomplex, zahlreichen Bars, Clubs, Restaurants und Kneipen, einem Supermarkt sowie einer Tiefgarage und einem auf Macintosh-Produkte spezialisierten Computerladen.Somit bietet sie alles, was das Herz des urbanen Messenomaden zum Überleben im Großstadtdschungel begehrt. Der denkmalgeschützte Gebäudekomplex lässt mit zahlreichen Hallen und einer Grundfläche von über 25.000 Quadratmeter ausreichend Platz für das Wachstum des Selvedge Run. Auch die technische Ausstattung von Heizung über Strom und Lichtversorgung bis hin zu sanitären Einrichtungen und anderen technischen Grundvoraussetzungen sind in der Kulturbrauerei gegeben. Die Inneneinrichtung wird das Team der Berliner Möbelmanufaktur Noodles, Noodles & Noodles aus Berlin übernehmen. 20. bis 22. Januar 2016, www.selvedgerun.com

Mit einem innovativen Raumkonzept beantwortet die Munich Fabric Start die steigende Nachfrage nach mehr Ausstellungsfläche. Foto Architekt Lederer-Piloty, München

Munich Fabric Start Der neue Hub

Glas soll vor dem Kesselhaus eine neue Fläche bieten. „Gleichzeitig fungiert dieser neu gewonnene Raum auch als eine Art Hub zwischen den beiden Bereichen der Munich Fabric Start im MOC und der Bluezone in der Zenith Halle“, erklärt Sebastian Klinder. Der sogenannte Kohlebunker soll gemeinsam mit der Fläche des Kesselhauses eine zusätzliche Ausstellungsfläche von 2.500 Quadratmetern ermöglichen. In dieser neuen Kreativarea soll das Besondere aus den beiden Welten stilistisch verbunden und inszeniert werden. Munich Fabric Start, 2. bis 4. Februar 2016, Bluezone, 2. bis 3. Februar 2016, www.munichfabricstart.com

Die neue WeAr Select London findet in Old Billingsgate, London statt.

Die Munich Fabric Start ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen und stieß aufgrund der kontinuierlich steigenden Nachfrage nach mehr Ausstellungsfläche langsam an ihre räumlichen Grenzen. Durch optimierte Raumnutzung konnte man aber den Ausstellern zwar immer noch sehr gut gerecht werden, dennoch freuen sich die Veranstalter nun auf die Möglichkeit, die Messe mit einem optisch ansprechenden Raumkonzept erweitern zu können. Eine hochmoderne Konstruktion aus Stahl und

WeAr Select London British Spirit

Chic Expansion der Distributionskanäle

Das B2B-Magazin WeAr ist Initiator des gleichnamigen Messeevents in London und hat dafür die Zusammenarbeit mit dem British Fashion Council angekündigt. Zeitgleich findet im Januar die London Collections Men statt. So soll es für beide Veranstaltungen gemeinschaftlich gültige Tickets geben, um den Einkäufern den Messebesuch zu vereinfachen. Die WeAr Select London präsentiert Menswear und Womenswear, Schuhe und Accessoires eben-

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so wie Non-Fashion-Produkte im Sinne von Conceptstores. Unter den bislang 100 Ausstellern befinden sich CP Company, Blauer, Hudson, Denham, Avant Toi, Handstich und Kind Baby. Das WeAr Magazine wird in acht Sprachen in über 50 Ländern herausgegeben und kooperiert für sein neues Messeformat mit der Trend-Forecasting Company WGSN. 9. bis 10. Januar 2016, www.wearselectlondon.com

Parallel zur gerade gelaufenen Chic in Schanghai vom 13. bis 15. Oktober 2015 sind die Vorbereitungen für die 24. Ausgabe der Chic im Frühling vom 16. bis 18. März 2016 bereits in vollem Gange. Geplant sind ein neues Design und eine neue Anordnung der Strukturen und Prozesse, um den teilnehmenden Marken eine gemeinsame Entwicklung zu ermöglichen. Besonders wichtig ist der Messeleitung, den Einkäufern weitere bekannte nationale und internationale Marken zu präsentieren. Außerdem bereitet sich die Chic darauf vor, die wirtschaftliche Plattform für internationale Zusammenarbeit, Kapitalzusammenschlüsse und Erweiterung von Distributionskanälen zu werden. Ein anderer Sektor, in den die Chic investiert, ist der sich rapide entwickelnde digitale Bereich, der sowohl für B2B als auch B2C extrem stark nachgefragt wird. Auch Deutschland wird wieder auf der Chic mit dem Pavillon „Made in Germany“ teilnehmen. Die Umsetzung übernimmt erneut die Messe Düsseldorf, die den Gemeinschaftsstand inspiriert vom Layout eines Departmentstores gestalten will. 16. bis 18. März 2016, www.chiconline.com.cn



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„Die Vision ist,

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alles zu vernetzen.“

David Schneider (im Bild) und Robert Gentz haben Zalando 2008 gegründet und zum größten Onlinehändler Europas gemacht.

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Es ist ein American Dream des Unternehmertums, den man so aus Europa kaum kennt. Nach einer gescheiterten Firmengründung in Mexiko und der Rückkehr nach Deutschland mit leeren Händen haben die Studienfreunde Robert Gentz und David Schneider es noch einmal gewagt – und innerhalb von sieben Jahren aus einem kleinen Start-up ein MDAX-notiertes Milliardenunternehmen gemacht: Zalando. Vom stationären Handel als alles verschlingenden Kannibalen beäugt, hat der E-Commerce Gigant einen Wandel durchgemacht, was zu Beginn nur grell und laut war, ist zur Plattform für Mode gewachsen. Wie es mit seinem jungen Team, extremer Agilität und den Möglichkeiten der Technologie in die Zukunft gehen soll, wo das Digitale ins echte Leben greift, verrät Vorstand David Schneider im Interview mit style in progress. Interview: Stephan Huber, Quynh Tran. Fotos: Bernhard Musil

Was war das Einkaufserlebnis, das dir am meisten in Erinnerung geblieben ist?

Gerade wenn wir davon reden, wohin wir uns in Zukunft entwickeln wollen, hat sich mir ein Erlebnis besonders eingeprägt: Wir hatten ein Treffen mit Adidas, ich brauchte noch am selben Tag einen Adidas-Schuh und war natürlich viel zu spät dran – auch bei uns hätte ich die Lieferung nicht mehr rechtzeitig bekommen. Ich habe dann geschaut, wo ich den Schuh so schnell noch finden kann, bin durch Berlin gerannt, irgendwann im Adidas-Store gelandet und habe am Ende einen ganz anderen Schuh gekauft, als ich eigentlich wollte. Da habe ich mich gefragt, wie man einen solchen Bedarf besser bedienen kann. Kunden sind heute mobil unterwegs, niemand ist mehr an den Desktop gebunden, deshalb möchten sie auch im E-Commerce eine übergangslose Erfahrung. Im Idealfall würden wir einem Kunden sagen können, wo er das Produkt findet und ihm 30 Minuten später einen Fahrradkurier schicken. Dafür müsste man etwas schaffen, das lokalen Standorten den Zugang zu einem zentralen Netzwerk ermöglicht. In diesem 415 style in progress

Zusammenhang wird es extrem interessant, wie sich die Landschaft zwischen den dezentralen und lokal gewachsenen Strukturen des klassischen Handels und den großen, zentralen und besser skalierbaren Strukturen des ECommerce entwickeln wird.

Könnte man dann statt der bisherigen Konkurrenz an eine sinnvolle Koexistenz von Fachhandel und E-Commerce denken?

Absolut. Unsere Vision ist, Menschen und Mode zu vernetzen. Zum Beispiel haben wir jetzt schon angefangen, dass Marken wie Mango einen Teil ihrer Produkte direkt an Kunden liefern. Natürlich legen wir Wert darauf, dass der Kunde das gleiche Serviceversprechen erhält, gleichzeitig sind wir aber nicht limitiert auf das, was in unseren Logistikcentern verfügbar ist, sondern haben Zugang zum Gesamtsortiment der Marke und dadurch ein größeres Angebot. Man könnte da noch ein Stück weitergehen und sagen, warum nicht auch lokale Händler anbinden. Wir verstehen uns darüber, dass wir die Technologie stellen – wir investieren extrem viel in technologische Infrastrukturen, die so etwas

möglich machen und damit auch einzelnen Händlern und kleinen Marken eine Anbindung sowie eine viel größere Reichweite ermöglichen. Wir sind der Matchmaker, wir kennen den Kunden, seine Vorlieben, haben Zugang zu ihm und die nötige Technologie, um das richtige Produkt mit dem richtigen Kunden zu verbinden. Wir können es schaffen, ein großes Netzwerk aufzubauen, das eine Verbindung herstellt von jeglichem Laden zu jeglichem Kunden. Natürlich müssen da noch Fragen wie die lokale Logistik oder die Inventarerfassung geklärt werden, aber die Frequenzfrage kann für viele Händler interessant sein, da die lokale Anbindung auch Einschränkung bedeutet. Wenn man Servicepartner in einer großen Struktur ist, haben Kunden ganz andere Gründe physisch in den Laden zu kommen. Unser Ziel ist es, das Netzwerk dafür zu schaffen.

Was war die ursprüngliche Vision?

Als wir 2008 angefangen haben, war es simpel: Wir haben gesehen, dass das Onlineangebot an Schuhen nicht gut war. Es gab lediglich Kataloghändler, die noch mit großen Telefonbüchern

agierten, und den stationären Handel, der Onlineshops zusätzlich als Filiale betrieb. Und da haben wir gesagt, dafür können wir etwas schaffen, das besser funktioniert, Punkt. Wir wollten ein breiteres Angebot mit besserem Zugang zum Sortiment schaffen, kombiniert mit schneller, kostenloser Lieferung und hoher Convenience. Heute ist Zalando etwas ganz anderes als nur ein Onlinehändler mit ganz anderen Visionen – beinahe eine Plattform, auf der alles zusammenläuft, was mit Fashion zu tun hat. Im Endeffekt wollen wir die erste Anlaufstelle für jegliche Fashionfrage oder jegliches Fashionproblem werden. Sucht zum Beispiel ein Kunde einen speziellen Artikel und braucht ihn sofort, wollen wir eine Lösung dafür schaffen. Wenn ein Kunde nur Inspiration sucht und sich Anfang der Saison über neue Trends informieren will, soll er bei uns die richtigen Sachen ausgespielt bekommen. Die E-Commerce-Landschaft ist da noch nicht so weit entwickelt. Bisher war alles sehr transaktional mit einfachen Produkten und unemotionalen Themen. Fashion ist aber eben emotional,


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Die Kampagne Zalando x Topshop mit Supermodel Cara Delevingne hat dazu beigetragen, die Außenwahrnehmung des Unternehmens zu verändern.

man muss sich viel tiefergehende Gedanken machen, ähnlich wie bei Musik. Da gibt es heute Services, die einem ein persönliches Angebot liefern, das relevant ist, obwohl es Millionen von Liedern gibt. Wir wollen das auf die Mode übertragen und es schaffen, dem Kunden die relevanten Themen auszuspielen, die Themen, die ihn wirklich persönlich interessieren.

Die Wahrnehmung von Zalando hat eine enorme Transformation durchlebt. Welche Rolle spielen Maßnahmen wie die Reduktion des Markensortiments oder Kampagnen wie die mit Cara Delevingne für den Wandel des Bilds der Marke nach außen? Wie verändert das die Art und Weise, wie Leute über Zalando reden?

Wir wollen mit den besten Marken zusammenarbeiten und die neuesten Themen frühzeitig spielen, um einen modisch interessierten und informierten Kundenkreis zu adressieren. Topshop und Gap, die wir dieses Jahr als Markenpartner gewin-

„Wir wollen den Standort Berlin mitprägen.“

nen konnten, sind gute Beispiele. Zu diesen Marken hat man in Deutschland sonst nur schwer Zugang. Unsere Themen und die Art und Weise, wie wir kommunizieren, sprechen eine deutlich andere Sprache als noch vor ein, zwei Jahren, auch wenn man sich die Kampagnen anschaut. In der Vergangenheit haben wir sehr stark auf Markenbekanntheit gesetzt und sind dadurch in fast allen Kernländern bei etwa 90 Prozent Bekanntheit. 2010 haben wir richtig losgelegt mit dem Marketing, es war laut, sehr viel Schreierei, aber es hat super funktioniert. Jetzt wollen wir die nächste Stufe schaffen. Wir wollen nicht nur Aufmerksamkeit, sondern dass Fashioninteressierte uns besser kennen lernen, dass es persönlicher wird, dass wir Fans bekommen. Zum einen wird das durch unsere modischere Ausrichtung reflektiert, zum anderen dadurch, dass wir von dieser Einbahnstraßenkommunikation, laute Werbung zu machen, weggehen und stattdessen einen stärkeren Dialog mit den Kun-

den führen. Das war auch bei der Kampagne mit Cara Delevingne für Topshop der Fall. Vom Kunden kam deutlich mehr zurück, ob nun per Nachahmung oder mit Kommentaren. Wir hatten Campaign Hubs online, wo man seine eigene Stadt eingeben konnte, die dann von Cara nachgesprochen wurden, was man mit Freunden teilen konnte. In der aktuellen Kampagne geht es um „Share Your Style“. Man kann selbst Fotos hochladen und voten lassen – soll ich das tragen oder nicht? Es entsteht eine ganz andere Interaktion. Brand Awareness, Markenprofilierung, Kundenkommunikation. Was ist die nächste Stufe von Zalandos Evolution?

Momentan sind wir natürlich Händler. Wir selektieren, kaufen Waren ein, gehen durch unsere Prozesse und verkaufen. In Zukunft möchten wir zur Plattform werden, die es ermöglicht, jeden Kunden individuell anzusprechen. Jeder soll den einzelnen Themen und Marken folgen können, die ihn interessieren, style in progress 415


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„Momentan sind wir natürlich Händler. Wir selektieren, kaufen Waren ein, gehen durch unsere Prozesse und verkaufen. In Zukunft möchten wir zur Plattform werden.“

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und das vielleicht auch mit Freunden teilen. Man kann so ein Modenetzwerk ermöglichen, das die Wünsche der Kunden und die Art und Weise, wie sie Mode erleben wollen, versteht. Hier denken wir in alle Richtungen. Die Bread & Butter zum Beispiel soll Kunden eine physische Plattform bieten, Mode zu erleben. Marken erhalten dort wiederum eine Möglichkeit, ihre Produkte gut zu präsentieren. Mit der Bread & Butter habt ihr in erster Linie einen international geschützten Namen und einen Mietvertrag erworben. Kam die Debatte um den Flughafen Tempelhof gelegen, länger daran arbeiten zu können? Und soll das Event überhaupt an die Fashion Week angedockt sein, die im Juli ja zeitlich nicht unbedingt vorteilhaft ist?

Das war natürlich höhere Gewalt. Wir waren kurz davor, genauer über die Pläne mit der Bread & Butter zu reden, aber es versteht sich von selbst, dass es

nun wichtigere Themen gibt, die wir unterstützen müssen, wo es geht. Weil noch nicht abzusehen ist, wie sich die politische Situation bis zum kommenden Sommer entwickelt, warten wir zunächst ab. Und wir müssen schauen, wie sich die Berliner Fashion Week entwickelt. Wir denken, dass Berlin viel zu bieten hat, um sich gegenüber Mailand, Paris und London abzugrenzen und etwas Neues zu machen. Wir wollen den Standort mitprägen. Als was für ein Unternehmen wollen ihr euch in Zukunft definieren? Was ist eure Zielsetzung gegeben des Wachstums und der technologischen Möglichkeiten?

Das ist eine schwierige Frage. Wir haben Technologie, wir haben Mode, wir haben den operativen Aspekt und alles ist wichtig und spielt zusammen. Eine starke Differenzierung sehen wir im Investment in die Technologie. Wenn wir jegliches Problem um Fashion lösen wollen, brauchen

wir die nötige Technologie und dafür jede Menge Experten. Wir müssen aber auch extrem agil sein. Dafür müssen wir die richtige Kultur schaffen, damit die einzelnen Bereiche unabhängig bleiben, wir Talente anziehen, zum Beispiel mit den neuen Tech-Standorten in Dublin und Helsinki, und sie durch die agile Struktur motivieren, Innovationen zu schaffen. Zalando ist stark technologisch ausgerichtet und hat gerade Anteile an der Softwarefirma Anatwine gekauft. Wo spielt der Mensch bei so viel Technologie eine Rolle?

Anatwine gibt Marken die Möglichkeit, ihren eigenen Shop anzubinden, direkt an Kunden zu liefern, und stellt Tools zur Verfügung, die eigenen Inhalte und den eigenen Store managen zu können. Es arbeitet sich in die Systeme der Marken ein und bildet eine Schnittstelle zu Zalando. Das unterstützt unsere Vision und verstärkt die technologischen Möglichkeiten.


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Trotzdem ist Mode emotional, Menschen wollen nicht von einer Maschine kaufen, sondern interessanten Leuten folgen und sich von ihnen inspirieren lassen. Im E-Commerce war die erste Zündstufe Zugang schaffen. Der Zugang ist mittlerweile geschafft, jeder ist online, überall gibt es Angebot. Was sich im Einzelhandel über Jahrzehnte entwickelt hat – wo baut man einen Laden hin, wie adressiere ich Laufkundschaft, was nimmt der Kunde im Laden wahr, bis hin zum Geruch, wie kann ich ihn persönlich beraten und so weiter – kann man auf den E-Commerce übertragen. Letztendlich läuft es darauf hinaus, dass der Kunde ein gutes Gefühl haben will und Mode als ein emotionales Produkt leben will. Technologie als Problemlöser – das größte Problem im E-Commerce bleiben aber Retouren. Wie wollt ihr das realistisch lösen?

Retouren sind fester Bestandteil unseres Geschäfts, für uns sind sie kein Problem. Man muss Kleidung anprobieren, um zu entscheiden, das ist auch im Laden so. Was wir nicht wollen sind Retouren, die dadurch zustande kommen, dass der Artikel falsch beschrieben, das Bild nicht gut oder die Beratung oder Qualität schlecht war. Das sind die Retouren, die wir vermeiden wollen. Aber die Retouren, die dadurch entstehen, dass Kunden eine Auswahl bestellen und zu Hause entscheiden möchten, sind für uns völlig in Ordnung. In manchen Ländern, die noch wenig Erfahrung mit E-Commerce haben, betonen wir sogar, dass die Sicherheit, alles zurückgeben zu können, ein zentraler Servicepunkt von uns ist.

„Wir ver­ stehen uns als diejenigen, die die Straßen bauen, dem Kunden den Zugang legen, eine starke Reichweite haben, technologisch ermöglichen.“

siert und da die Korrelationen herausziehen. Dadurch kann man ein deutlich besseres und individuelleres Angebot erstellen. Bei unserer Beratungsplattform Zalon telefoniert der Stylist sogar mit dem Kunden, um bestimmte Eckdaten wie Lieblingsmarken und Muster konkret abzufragen. Bei einem lokalen Angebot könnte man sogar schauen, wo der Kunde ist und dadurch vielleicht bessere Angebote bieten. Man muss aber Kunden bewusste Wahlmöglichkeiten geben, personalisierte Dienstleistungen auch wieder abzuwählen. Zusätzlich ist klar, dass wir Daten nie an Dritte weitergeben, außer es ist zwingend notwendig, wie die Adresse bei einer Lieferung durch eine Marke zum Beispiel. Momentan gibt es sehr viele Onlineshops, aber irgendwann wird der Markt aufräumen. Wo siehst du den Markt und die Verbindungen zwischen onund offline in zehn Jahren?

Wenn man sich überlegt, wo wir vor fünf Jahren standen, kann in zehn Jahren ziemlich viel passieren. Extrem spannend finde ich, wie dramatisch schnell sich das Kundenverhalten durch mobile Geräte verändert. Auf einmal sind Leute nicht mehr in Browsern unterwegs, sondern halten sich überwiegend in Apps auf. Dadurch fängt der Markt an, sich stärker zu sortieren. Wenn ich auf den Startscreen schaue, habe ich nur einen begrenzten Platz für Apps, die ich nutze und die für mich relevant sein können. Da werde ich nicht zehn Shopping-Apps haben, auch wenn alle eine andere anbieten. Da sortiert sich, wer es auf den Startscreen schafft

und wer nicht, ein bisschen wie in der Offlinewelt. Wer baut die Einkaufsstraße, wer ist der große Flagshipstore, wer ist der kleine Händler, wer ist in welcher Location. Das bedeutet nicht, dass alles andere nicht gebraucht wird oder ausstirbt, sondern, dass es unterschiedliche Rollen geben wird, die man einnimmt und sich die Verhältnisse anders sortieren werden. Wir verstehen uns dabei als diejenigen, die die Straßen bauen, dem Kunden den Zugang legen, eine starke Reichweite haben, technologisch ermöglichen. Wir schaffen eine Infrastruktur, um beispielsweise Händlern, die stark auf eine spezifische Zielgruppe zugeschnitten und lokal begrenzt sind, Zugang zu Kunden zu haben, in einer Welt die online und mobil ist. Aktuell ist es noch ein Chaos, weil jeder in online/mobile will, langfristig wird sich das sortieren und on- und offline mehr ineinandergreifen. Das wird viel mehr spannende Möglichkeiten eröffnen, auch Kleinhändlern und kleinen Marken.

Zalando SE Gegründet 2008 in Berlin, Deutschland Vorstand: Robert Gentz, David Schneider, Rubin Ritter Startkapital: 50.000 Euro Umsatz: 2,2 Milliarden Euro (2014) Mitarbeiter Ende 2008: 40 Mitarbeiter Mitte 2015: über 9.000 Durchschnittsalter der Mitarbeiter: 30 Aktive Kunden: 16,4 Millionen Besuche des Onlineshops: 135 Millionen pro Monat Anteil der Besuche von mobilen Geräten: 57 Prozent Fotos Content Creation pro Tag: 1.000

Das andere große Problem des Onlinehandels ist die Datensicherheit. Immer mehr Kunden stellen sich die Frage, was Unternehmen mit dem Wissen, das sie über den Kunden sammeln, machen. Wie kann man Kunden Sicherheit geben?

Das ist ein sensibles Thema. Wir wollen natürlich kundenbezogene Informationen nutzen, um unser Angebot besser zu machen. Bestes Beispiel: Wenn ich personalisieren will, muss ich wissen, was ein Kunde möchte und kann analysieren, was er sich anschaut, wofür er sich interes-

Stephan Huber und David Schneider im Showroom des Berliner Hauptquartiers, wo die Eigenmarken gezeigt werden.

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LUXUS ODER QUALITÄT?

Wie definiert sich Luxus im Schuhsortiment? Ist es der Markenname oder doch die ausgezeichnete Produktqualität? Spätestens seit große Brands durch überhöhte Preise in die Kritik geraten sind, kommt so mancher Einkäufer ins Grübeln. Text: Ina Köhler. Illustration: Claudia Meitert @Caroline Seidler

Einkäufer müssen natürlich das auswählen, was ihre Kunden wollen. Letztere setzen ab einem gewissen Preis auf die vermeintliche Sicherheit, die ihnen eine Marke bietet. Gianni Klemera, italienischer Agent, erklärt es so: „Ich glaube, dass man das Thema trennen muss: Einmal ist Luxus durch hohe und höchste Qualität definiert – und dann durch die Story einer Marke. Parallel zu echten Luxusherstellern wie Giuseppe Zanotti, Louboutin oder Jimmy Choo hat sich im letzten Jahrzehnt ein Markt entwickelt, der sehr stark von Designernamen und vom Marketing geprägt ist. Beispiele wären für mich Prada, Ferragamo oder Gucci, noch stärker gilt dies für Luxussneakers. Diese werden teilweise zu Preisen angeboten, die lediglich das Image, aber nicht mehr die Qualität widerspiegeln. Im Markt haben sie dennoch eine hohe Relevanz durch Social-Media-Kampagnen.“ Ganz absurd wird die Exklusivitätsdebatte bei marketinggetriebenen Produkten wie Luxussneakers: So verkauften sich die limitierten Yeezy Sneakers, einer Kooperation zwischen Kanye West und Adidas, für 350 Euro – und waren innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. Auf Ebay stiegen die Preise für die „exklusiven“ Sneakers made in China auf bis zu 3.000 US-Dollar. Druck auf den Luxusmarkt

Auch der Handel spürt den zunehmenden Druck: „Der Luxusmarkt ist in den vergangenen fünf Jahren zunehmend schwieriger geworden“, so Andrea und Franz Wunderl vom Schuhhaus Wunderl in Sollenau. Sie machen einerseits Faktoren

wie die Finanzkrise und eine größere Nachdenklichkeit der Konsumenten verantwortlich. „Zum anderen ist die Luxusbranche durch sinkende Verkaufszahlen in einer Phase der kreativen Stagnation gefangen.“ In ihrem Sortiment führen sie Marken wie Prada, Miu Miu und Linea Rossa sowie Tod’s. Zudem ergänzen sie ihr Sortiment beispielsweise mit Modellen von Gianvito Rossi, „Unsere Kunden kommen zu uns, weil sie sich Individualität wünschen.“ Henning Korb, Apropos

Chloé, Stuart Weitzman und anderen. Das Sortiment ändere sich von Saison zu Saison, wichtig sei jedoch die Qualität. „Die Marke ist für viele Kunden schon noch wichtig, aber eher als Qualitätsmerkmal als im Sinne von Must Haves oder sturer Markenfixiertheit“, meinen Franz und Andrea Wunderl. „Diese Zeiten sind beim mündigen Kunden vorbei.“ Beim Luxusstore Apropos setzt man auf den Mix aus bekannten Marken einerseits und Newcomern andererseits. „Unsere Kunden kommen zu uns, weil sie sich Individualität wünschen. Diese Individualität wird durch High-End-Kollektionen mit besonderem Design und einem hohen Grad an Exklusivität geboten“, erklärt Einkäufer Henning Korb. „Es gibt diverse Beispiele, in denen erfolgreiche Luxusmarken innerhalb von wenigen Saisons fast vom Markt verschwanden, weil sie überdistribuiert waren und somit für den Käufer immer uninteressanter wurden. Der Louboutin-Hy-

pe hält eben genau aus einem Grund dauerhaft an, nämlich durch die selektive Distribution. Natürlich sind die Kollektionen auch immer wieder traumhaft, dies sei unbestritten.“ Qualität als oberste Maxime

Die Qualität müsse zudem stimmen, das bestätigen alle: „Value for Money ist ein großes Thema, und dass Hersteller einfach so die Preise von Saison zu Saison erhöhen, fällt den Kunden natürlich auf und macht gewisse Labels daher auf Dauer unglaubwürdig“, glaubt Henning Korb von Apropos. Nicht einfach sei es jedoch für neue Brands, in den Markt zu kommen: Am ehesten gelingt das noch, wenn die Macher der neuen Brands schon über Erfahrung im Markt verfügen, wie Gianvito Rossi, Sohn von Sergio Rossi, der mit seiner Marke 2006 debütierte und von Beginn an Redaktionen und Einkäufer begeisterte. Die Marke seines Vaters Sergio Rossi „Viele Kunden müssen erst überzeugt werden, dass sie einer neuen Marke in dieser Preislage vertrauen können.“ Jörg Remberg, Cheaney & Sons

war Jahre zuvor an die Gucci Gruppe verkauft worden. Auch die Inhaber von Wunderl hat Gianvito Rossi damals überzeugt: „Den Luxus, mit neuen Marken zu experimentieren, hat man heutzutage nicht mehr so sehr wie noch vor 15 bis 20 Jahren“, so Franz und Andrea Wunderl. „Im Falle von Gianvito Rossi war es so, dass wir noch vor der style in progress 415


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ersten Kollektion von Gianvito, den wir von Sergio Rossi Zeiten schon kannten, eingeladen wurden, sein neues Projekt anzusehen. Wir waren gleich davon begeistert und sind seitdem treue Kunden.“ „Es ist ein beratungsintensives Geschäft“, bestätigt auch Jörg Remberg, der mit seiner Agentur die britische Herrenschuhmarke Cheaney & Sons vertreibt. „Viele Kunden müssen erst überzeugt werden, dass sie einer neuen Marke in dieser Preislage vertrauen können.“ Die Erfahrung einer bekannten Luxusmarke half den Cousins Jonathan und William Church, die Schuhmarke Cheaney & Sons zu etablieren. Nach dem Verkauf ihrer eigenen Marke Church an den Luxuskonzern Prada erwarben sie 2009 durch ein Management-Buy-out die traditionsreiche Firma Cheaney & Sons wieder, die jahrzehnte„Die Marke ist für viele Kunden schon noch wichtig, aber eher als Qualitätsmerkmal.“ Franz und Andrea Wunderl

lang für Church produziert hatte. Heute stellt diese klassische Schuhe made in Great Britain unter eigenem Namen her. Joseph Cheaney & Sons wurde bereits 1886 in Northamptonshire gegründet, einem traditionellen Zentrum für britische Schuhmacherkunst. Doch erst das Engagement und Know-how der erfolgreichen Church-Macher weckte Cheaney aus dem Dornröschenschlaf. Viel Wert legt man auf die handwerkliche Tradition und das Know-how der 120-köpfigen Belegschaft, die auch individuelle Wünsche erfüllen kann. „Wichtig ist, dass man eine gleichbleibend gute Qualität zu einem vernünftigen Preis liefert“, so Remberg, „nur so ist es möglich, mit großen Marken zu konkurrieren.“ Angemessene Preislagen als Einstiegshilfe

„Ich glaube, dass sich neue Brands über Qualität und ein angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis im Markt behaupten müssen, wenn sie kein entsprechendes Marketingbudget im Rücken haben“, bestätigt Gianni Klemera. „Der Konsument ist 415 style in progress

sehr gut informiert – gerade auch über Preise.“ Diese Ansicht teilt auch die junge Designerin Charline de Luca, die in diesem Jahr für das Projekt Design Trendsetter von der GDS ausgewählt wurde. „Es ist total wichtig, ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis als Newcomer zu bieten, da man im Laden ja direkt neben den großen Marken steht. Der Eingangspreis ist wichtig, darüber kann man ins Geschäft kommen. Doch noch wichtiger ist es, im Design etwas Spezielles zu bieten, was wiedererkennbar ist und was keiner hat. Die großen Brands sind überall, allerdings habe ich den Eindruck, dass die Shops doch offen für Neues sind.“ Viele Stores führen luxuriöse Brands zwar noch als Eyecatcher, darunter allerdings gibt es Luft bei VK-Preisen von knapp unter 300 Euro. „Der Händler ist auf der Suche nach Marken, mit denen sich gute Margen realisieren lassen“, meint Gianni Klemera. „Wenn ein Produkt passt, ist es nicht schwer, vom Fleck weg viele Tophändler damit zu erreichen.“ Diese Erfahrung teilen auch die Newcomer von Ancient Greek Sandals, einer in Griechenland produzierten Marke von Christina Martina und Nikolas Minoglou. „Wir hatten das Glück, dass wir von Beginn an in mehr als 30 Ländern vertreten waren. Unsere Vertriebsagentur Rainbowwave Ltd. hat für uns einen großartigen Job gemacht.“ Die Wichtigkeit der richtigen Agentur sei nicht zu unterschätzen. „Letztlich weiß der Kunde, dass ich darüber nachgedacht habe, Produktion und Distribution sind garantiert“, so Klemera. Dennoch braucht es auch Offenheit auf Seiten der Einkäufer für ihre Flächen. Experimente sind gefragt, mutige Entscheidungen und Events, um Schuhe richtig zu präsentieren. So wie die Kooperation zwischen der GDS und der Düsseldorfer Filiale von Breuninger, die für drei Tage „Die Branche muss ihre kreativen Köpfe unterstützen.“ Kirstin Deutelmoser, Director GDS

im April eine Pop-up-Fläche mit individuellen Designern wie Alain Tondowski, Charline de Luca, Laurence Dacade und

Ancient Greek Sandals inszenierte – die Inspiration kam von der Initiative Design Trendsetter, die zur GDS erstmals im Frühling vorgestellt worden war. „Wir hatten schon lange mit der Messe über Kooperationen gesprochen und freuen uns jetzt über dieses Event“, so Andreas Rebbelmund, Geschäftsführer von Breuninger Düsseldorf. „Die Designer können ihre Produkte auf der Fläche „Es ist total wichtig, als Newcomer ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis zu bieten.“ Charline de Luca

präsentieren und wir können mit dem Pop-up-Store in den drei Tagen unseren Kunden ein ganz besonderes Sortiment zeigen – letztlich eine Win-win-Situation für alle.“ Das bestätigt auch Annalisa Damico, Sales Manager von Alain Tondowski: „Events wie diese sind total wichtig für die Schuhbranche. Der Schuhhandel muss offener werden für neue Produkte.“ Prinzipiell ist das der Handel schon, allerdings gelten für die Stores eigene Kriterien: So führt Apropos neben Loboutin und andere aus dem Luxussegment auch neue Namen wie den Gewinner des CFDA-Awards Paul Andrew oder Labels wie Tory Burch und Slip-ons von Bloggerin Chiara Ferragni. „Die Kollektion muss zuerst einmal zu unserer Ästhetik passen, das ist das Wichtigste überhaupt“, so Einkäufer Henning Korb. „Wenn dieses Kriterium erfüllt ist, spielen neben Exklusivität auch Qualität und Passform eine wichtige Rolle. Marketingaktivitäten sind auf unserem Markt häufig ausschlaggebend, wenn ein Label von einer tollen Kampagne begleitet wird, steigert das die Attraktivität des Produktes.“

Design Trendsetter Mit der Design Trendsetter Area hat die GDS seit Frühjahr 2015 eine neue Plattform für innovative Schuhe und Accessoires geschaffen. Auf der separaten Fläche innerhalb des Studio Segments stellen insgesamt 20 internationale Designer ihre Produkte vor. An der Auswahl waren neben GDS-Chefin Kirstin Deutelmoser Experten wie Giuseppe Baiardo, Onward Luxury Group, die Designer Ernesto Esposito und Veronique Branquinho beteiligt. Kriterien waren vor allem kreatives Potenzial und Qualität der Produkte. Auf der Fläche stellten Designer und Brands wie Laurence Dacade, Alain Tondowski, Charline de Luca, Casamadre, Ancient Greek Sandals oder Finsk aus. Ihre Produkte werden teilweise schon weltweit bei Topeinzelhändlern wie Colette, 10 Corso Como, Selfridges, Joseph, Bergdorf Goodman oder Saks verkauft. Das Projekt ist zunächst für zwei Saisons geplant. Die Branche müsse ihre kreativen Köpfe unterstützen, so GDS Director Kirstin Deutelmoser. „Darüber hinaus wollen wir einen realen Mehrwert für unsere Besucher schaffen.“ www.designtrendsetter.com


19 – 21 JA NUA RY 2 0 16

THE EUROPEAN MARKETPL ACE FOR LEADING BRANDS w w w.panorama-berlin.com


032 SO LÄUFT’S NEU DENKEN

Beispiele?

Die Jeans sind ja so etwas wie der Musterschüler der Globalisierung. Als erstes Kleidungsstück haben sie ein Image globalisiert. Key-Look der Gegenkultur, Ikone der Jugend, Symbol der Freiheit. Das war eine klare und über Jahrzehnte extrem erfolgreiche Positionierung. Ein no-brainer! Spätestens ab dem Moment, in dem Jeans dank der Globalisierung und auch (medialen) Digitalisierung zum in jeder Hinsicht grenzenlosen Massenprodukt geworden sind, ein Stereotyp. Die tätowierte Rock-’n’-Roll-Jugendlichkeit wurde zur leeren Pose und Jeans zu einem Logistikgeschäft. An der Suche nach einer neuen, glaubwürdigen Positionierung in einer (Konsum-)Welt haben sich nicht wenige die Zähne ausgebissen. Am durch die Digitalisierung veränderten Kommunikations- und Konsumverhalten der für das Image nach wie vor so zentralen Kernzielgruppe Jugend und am durch die Globalisierung erst möglichen Durchmarsch der Vertikalen sowieso. Und so ist, um diese Kausalkette abzukürzen, die Bread & Butter letztlich ein Opfer der Globalisierung geworden.

Das Ende der Welt Ein Kommentar von Stephan Huber

„I

t’s the end of the world as we know it!“ Nicht wenige haben diesen Refrain eines R.E.M.-Songs aus dem Jahr 1987 (!) wohl oft und eher ohne viel darüber nachzudenken mitgesungen. Nicht wenigen wird er vielleicht aktuell manchmal in den Sinn kommen. Der Umbruch, den wir auf allen Ebenen der Gesellschaft und damit direkt in unserem persönlichen, individuellen Alltag er- und durchleben, hat tatsächlich eine völlig neue Dimension. Was uns dabei teilweise den Atem nimmt, ist nicht die Veränderung selbst. Unsere Erde ist seit 4,5 Milliarden Jahre eine „World in Progress“. Es ist die Geschwindigkeit dieser Veränderung und das weit verbreitete Gefühl, dass diese Veränderung nicht mehr gestaltet werden kann, sondern einfach unkontrolliert passiert. Die Treibsätze des Umbruchs heißen Digitalisierung und Globalisierung. Das ist keine Kritik oder Wertung, sondern schlicht eine Tatsachenfeststellung. Jede aktuelle Debatte, jede Herausforderung und jede große und kleine Veränderung lässt sich auf diese beiden Schlüsselfaktoren zurückführen. Der rasante wissenschaftliche Fortschritt, der VW-Skandal, Netflix, TTIP, die Finanzkrise, Snowden, die deutschen Exporterfolge, verändertes Konsumverhalten, sogar die saublöde Diskussion darüber, warum Kriegsflüchtlinge Smartphones besitzen und auch noch verwenden – Globalisierung und Digitalisierung. Die Mode ist von diesen Beschleunigungskräften besonders intensiv betroffen. Das ist herausfordernd, manchmal fast beängstigend, gleichzeitig auch hoch spannend. Diese so direkte Spiegelfunktion von gesellschaftlichen, soziologischen und kulturellen Trends und Umbrüchen war und ist für mich das Faszinierendste an dieser Branche.

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Oder:

Eine ganz wesentliche kulturelle Funktion des Modefachhandels war es über lange Zeit, den Duft mondäner Weltgewandtheit und das Flair der internationalen Metropolen erlebbar zu machen. Also ein wenig Paris, Mailand und New York nach Regensburg oder Wels zu bringen. Die Bilder, die Storys, das Wissen. Denn diese Glitzerwelt war nicht nur physisch weit weg. Heute tragen wir sie in der Hosentasche mit uns herum und bereisen all die mythischen oder irgendwie ein wenig entmystifizierten Sehnsuchtsorte längst nicht mehr nur mit dem Finger auf der Landkarte.

Worauf ich hinauswill:

Unsere Branche befindet sich in einer epochalen Phase des Umbruchs. Dieser Umbruch wird sich weiter angetrieben von – ja, ich wiederhole mich – Digitalisierung und Globalisierung unverändert fortsetzen. Und vieles dabei ist, jawohl, Neuland! Wie recht sie doch hatte ... Das zwingt uns dazu, Positionen zu überprüfen, letztlich alles zu hinterfragen. Es zwingt uns dazu, neu zu denken. Wie gesagt, das ist herausfordernd, manchmal fast beängstigend, gleichzeitig auch hoch spannend. Vor allem aber ist es, um noch einmal Angela Merkel zu zitieren, alternativlos. Vielleicht sollte man dabei den Refrain weitersingen: „It’s the end of the world as we know it … and I feel fine ...“


Photo by Irene Schaur


GEHT’S WEITER

WIE

?

NEU DENKEN

Stillstand ist Rückschritt. Die Modebranche ist im Wandel, tiefgreifend und strukturell. Onlinehandel boomt, die Vertikalen erweitern aggressiv ihre Flächen und Markenhersteller expandieren mit eigenem Retail. Doch, um es mit Kafka zu sagen: „Wege entstehen dadurch, dass man sie geht.“ style in progress wollte von Meinungsbildnern in der Branche wissen: Was denken Sie anders oder neu? Und was machen Sie ganz persönlich schon anders, um dem Wandel in unserer Branche zu begegnen? Text: Kay Alexander Plonka. Illustrationen: Claudia Meitert@Caroline Seidler

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SAISONSO LÄUFT’S 035 UNABHÄNGIG NEU DENKEN. STATEMENTS EINKAUFEN

ABKEHR VOM SINNLOSEN KONSUM

„Anfang 2012 beschloss ich: Ich kaufe mir jetzt ein Jahr keine neue Kleidung mehr. Ursprünglich war die Idee, mir selbst zu beweisen, dass ich es kann. Doch es kam ganz anders (Ja, ich hielt durch, übrigens). Ich beschäftigte mich viel mit der Produktionsweise der Kleidung, die ich konsumierte. Üblicherweise, das war H&M, Promod, Desigual und so weiter. All diese Informationen überforderten mich zunächst: Näherinnen bekommen einen Lohn, von dem sie selbst in Bangladesch nicht überleben können, es herrschen keine akzeptablen Sicherheitsstandards, giftige Chemikalien landen bei den Fabriken ungefiltert in den Flüssen, Bauern geben ihre Macht an die Konzerne ab, weil sie jedes Jahr neues, gentechnisch verändertes Saatgut kaufen müssen, in Kamerun müssen Kleinbauern so viel Baumwolle anbauen, dass auf ihren eigenen Feldern kein Platz bleibt, sich selbst was Essbares zu ziehen. Und So weiter. Immer wieder wurde ich gefragt: Was machst du nach dem Jahr Shoppingdiät? Wie geht es weiter? Zu Beginn wusste ich das selbst noch nicht, doch nach und nach wurde mir klar: So, wie es vorher war, würde es nachher nicht weitergehen. (Anmerkung der Red.: Nachzulesen auf http://ichkaufnix.wordpress.com) Mein gesamtes Konsumverhalten stellte sich um. Denn ich realisierte: Als Konsumentin ist meine Macht mein Geld. Denn mein Geld, das wollen sie ja alle von mir, und ich kann entscheiden, wer mein Geld bekommt. Dementsprechend kaufe ich seither nicht nur viel weniger Kleidung als zuvor – dem Fast-Fashion-Prinzip entsage ich inzwischen völlig, sondern nur noch entweder ökologisch und fair produziert oder Second Hand. ‚Weil ich es mir wert bin‘ ist ein bekannter Werbeslogan, der in meinen Augen zu Shopping als Belohnung anheizt. Die Fast-Fashion-Industrie will uns Modekauf als eine Nebenbei-Handlung verkaufen, schnell mal ein neues Top für einen Partyabend, kostet ja nur fünf Euro. In Wahrheit hat das Top aber einen viel höheren Preis, den die Umwelt und Arbeiterinnen bezahlen. Ich gehe nicht mehr shoppen, ich kaufe Kleidung, wenn ich sie brauche. Schlicht, ökologisch, fair. Weil ich es mir wert bin.“ Nunu Kaller, Konsumentensprecherin bei Greenpeace und Autorin/Bloggerin von IchKaufNix

„Die Schnelllebigkeit der Branche kann für den Einzelhandel gefährlich sein, vor allem in Bezug auf die Liquidität. Die Zeitspanne, in der eine Kollektion zum regulären Preis verkauft werden kann, wird immer kürzer. Der Kunde wird dazu erzogen, entweder auf die Sale-Phase oder auf Bestseller und Must-Haves zu warten. Ich kaufe mittlerweile vermehrt saisonunabhängig ein. Sonst müssten wir Schals im Juli verkaufen, weil diese dann geliefert werden und Badehosen in der ersten Januarwoche. Der Kunde ist zwar flexibel, aber wir versuchen die Saisons wieder in die richtige Reihenfolge zu bringen. Denn ein Beispiel aus der Praxis zeigt: Ende Juli ist es für den Kunden ein Ding der Unmöglichkeit eine gute Badehose zu kaufen – das wollen wir ändern. Der Kunde von heute will gar nicht jede Woche neue Ware, sondern eine Selektion, die länger aktuell ist. Cruise- und In-Season-Kollektionen lassen wir zum Teil ganz bewusst aus. Denn wie soll der Kunde der ganzen ‚New In‘-Kommunikation folgen können, wenn man sogar selbst Probleme damit hat, obwohl man jeden Tag mit den Kollektionen zu tun hat? Bei uns funktioniert der Mix von Streetwear und Luxusbrands immer besser. Diese Entwicklung sehen wir seit der Ladeneröffnung vor fünf Jahren. Und wir freuen uns, dass die Präsentation von Einstiegspreissegment neben High-End-Produkten sehr gut von unseren Kunden angenommen wird.“ Herbert Hofman, Buyer & Creative Director Voo Store Berlin

AUF DEN STRUKTURWANDEL REAGIEREN

„Für uns als Vertriebsagentur ist es sehr wichtig, Veränderungen in der immer komplexer und vor allem schnelllebiger werdenden Branche rechtzeitig zu erkennen, richtig darauf zu reagieren und trotzdem dabei unseren Prinzipien und Zielen treu zu bleiben, um auch weiterhin ein nachhaltiger Geschäftspartner zu sein. In Zeiten des demografischen Wandels steht das Thema Personalentwicklung ganz oben auf unserer Prioritätenliste. Gut ausgebildete, engagierte und motivierte, internationale Nachwuchskräfte sind ein wichtiger Teil unseres Teams. Durch ihre globale Erfahrung und Ausrichtung bleiben wir stets am Puls der Zeit und kreieren aus diesen Einflüssen den idealen Handelsweg für den D-A-CH-Markt. Dazu haben wir die Markenzusammenstellung an den Branchenwandel und die damit verbundene Onlinetendenz angepasst. Mit unserem Portfolio bieten wir unseren Kunden eine übersichtliche, aber dennoch vielseitige und internationale Produktauswahl im Premium- als auch im Streetwearbereich. Damit bedienen wir unterschiedliche Geschmacksrichtungen, Altersgruppen und Verkaufskonzepte. Durch eine enge Zusammenarbeit und intensive Kommunikation mit Produzenten und Designern finden wir marktspezifische Lösungen für die Kollektionen unserer Marken. Offenheit, Verlässlichkeit und Flexibilität sind Eigenschaften, die uns seit vielen Jahren auf dem Weg zu unseren Zielen begleiten und uns dabei helfen, unseren Job mit Leidenschaft und einem hohen Maß an Qualität auszuüben. Der persönliche Kontakt zum Kunden steht immer an erster Stelle – die permanente Kontaktpflege und ein hervorragender Service, also der physische Handel, ist für uns bis heute unersetzbar. Folglich sehen wir die Kombination aller genannten Faktoren als ideale Verbindung, um in Zeiten des Strukturwandels in der Modebranche erfolgreiche Geschäfte zu führen.“ Angelika Malzacher, Inhaber MaschAgency

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DENKEN, STATT REGULIERUNG VON AUSSEN

NACHHALTIGKEIT INTEGRIEREN

„Wir leben in einem satten Markt und in einer Multioptionsgesellschaft. Sich nicht entscheiden zu können, weil es ALLES gibt, artet schon fast zu einer Volkskrankheit aus. Im Einkauf auf alle Themen ein bisschen setzen oder da noch ein zusätzliches Kerzerl oder Büchlein auf den PoS dazustellen, reicht nicht aus. Die Kundengruppe, die für den größten Umsatz steht, definiert sich stark über Kleidung und setzt diese auch als Differenzierungsmerkmal ein. Diese Kunden wollen überrascht, animiert und inspiriert werden. Es braucht klare, verständliche Einkaufsthemen mit Gesicht und Herz und authentische, faszinierende Inszenierungen. Für mich übersetzt heißt das für das Jahr 2015: Wenn Kunden das Smartphone zücken, ein Foto machen, positiv über Social-Media-Kanäle berichten und mit einem gefüllten Einkaufssackerl das Geschäft verlassen, wurden sie definitiv verführt! Auch nachhaltiges Einkaufen kann ein gutes Gefühl hervorrufen. Wir haben Mitte September 2015 unsere nachhaltigen Flächen stark vergrößert, sie komplett neu gestaltet und die ursprüngliche Idee, rund um Grünpflanzen, Kartons, Weizen und Jute weiterentwickelt. Der neue Weg soll möglichst viele Aspekte von Nachhaltigkeit visualisieren, die Fläche ist zur Gänze aus upcycelten Materialien gestaltet. Recycelte Designermöbel, ein Teppich aus recyceltem Plastik und Tische aus Metall vom Schrottplatz, die neu designt wurden. Außerdem legen wir großes Augenmerk darauf, dass die Materialien aus der Region kommen. Die Fläche soll sich in das Gesamtkonzept von Kastner & Öhler integrieren und trotzdem provozieren. Aber das Wichtigste ist, sie muss für Fashion stehen!“ Christian Adelsberger, Einkaufsleitung HAKA Kastner & Öhler

„Bereits seit ein paar Jahren kommt mir immer wieder zu Ohren, dass sich Händler und Hersteller nach dem guten alten Schlussverkauf sehnen. Den Hintergrund dieses Wunsches verstehe ich. Die Problemlösung können wir eigentlich selbst in die Hand nehmen, indem wir Ware entsprechend der Saisons liefern. Ich denke, wir sind uns alle einig, wann die kalten Wintermonate sind und wann die größte Chance auf warme Sommermonate besteht. Weshalb also Winterware im Juni und Sommerware schon ab Dezember ausliefern? Das verursacht unnötigen Druck auf den Handel und verlagert den Kern der Saisons in die grundsätzlich falschen Monate. Die Konsequenz daraus für Konsumenten, Händler und Hersteller kennen wir. Der Konsument bekommt saisonale Artikel nicht in den dafür vorgesehenen Monaten, der Händler kann nicht die Saison und das entsprechende Wetter voll ausschöpfen und die Hersteller kämpfen mit den Produzenten um Produktionsdeadlines, damit die Ware entsprechend früh geliefert werden kann. In meiner Firma fühlen wir uns nicht gezwungen, den vorgegebenen Takt einzuhalten. Wir liefern in Absprache mit unseren Kunden die Winterware im September und Oktober aus und Sandalen mit Fokus auf die warmen Sommermonate. Das tolle daran ist, die absolute Mehrheit unserer Handelspartner teilt unsere Ansichten. Diese Art des miteinander Denkens kann auf so viele weitere Bereiche angewendet werden. Wichtig ist die Grundeinstellung dazu. Wir müssen nicht umdenken, wir möchten mitdenken. Das Denken und der Austausch mit unseren Partnern macht uns Spaß und hat grundsätzlich einen positiven Antrieb.“ Felix Engelmann, Inhaber Haptiques Trading Company

GLOBAL KOMMUNIZIEREN UND ENTWICKELN

„Nach zehn Jahren im Einzelhandel als Co-Geschäftsführer, Einkäufer, Kreativdirektor und Human-Resources-Verantwortlicher habe ich mich Ende 2014 aus dieser Position verabschiedet. Neben vielen Faktoren ist sicher auch der Umstand, dass sich die Branche innerhalb der letzten Jahre stark verändert hat, ein Grund für diesen doch recht großen Schritt gewesen. Gerade im hochspezialisierten Einzelhandel ist der Druck deutlich spürbar geworden, der bei innovativen kleinen, aber auch bei weltweit agierenden Firmen mehr und mehr in den Vordergrund gerückt ist. Diese Entwicklung ist im Hinblick auf die Globalisierung des Einzelhandels und der damit einhergehenden Kommunikation (Social Media) nachvollziehbar. Genau hier setze ich mit meiner Beratungsagentur an: Ohne den lokalen Händler und die jeweiligen Gegebenheiten eines nationalen Marktes aus den Augen zu lassen, bin ich bemüht, den Blick Richtung Global zu erweitern. Ein Hersteller distribuiert zwar in unterschiedlichen Regionen, aber neue Medien agieren über jede Grenze hinweg. Konsumenten sind heutzutage bestens informiert und können quasi in Echtzeit Verfügbarkeiten eines bestimmten Produkts international abrufen. Meine Arbeit selbst hat sich ebenfalls globalisiert. Ein interessantes Betätigungsfeld scheint sich in Fernost zu entwickeln. Systematiken, Abläufe, Strategien, die sich in Europa bzw. in den westlich ausgerichteten Wirtschaftsräumen etabliert haben, können z. T. in diesen noch relativ jungen Märkten adaptiert werden. Ich bin auf die Entwicklungen innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre gespannt, denn, was sich in meinem bisherigen Tätigkeitsfeld in drei bis fünf Jahren bewegt hat, scheint in Asien fast mit doppelter Geschwindigkeit abzulaufen.“ Jörg Haas, Founder & Director Beinghunted. net.work

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UNDERWEAR SOCKS SHIRTS www.maratexfashion.li


038 SO LÄUFT’S NEU DENKEN. STATEMENTS

WERTE VORLEBEN

„Mit Andersmachen verstehe ich, Dinge neu zu übersetzen, zu begreifen, ohne die Grundidee zu vernachlässigen und nicht gegen den Strom zu schwimmen. Werden Designs oder Konzepte wie so häufig nur kopiert, dann führt das zu Eintönigkeit und das ist das, was wir gerade in der Modebranche viel zu oft erleben. Ein bisschen hiervon, ein bisschen davon, um möglichst jedem gerecht zu werden. Oft ohne zu merken, dass der Spagat immer größer wird, um glaubwürdig und authentisch zu sein. Und plötzlich ist der Endverbraucher weiter als die Industrie und sucht etwas ganz anderes. Ich möchte bei der Umsetzung meiner Ziele so wenig Kompromisse wie möglich eingehen. Für unser Label Wunderwerk gibt es dazu einen ganz einfachen Grundsatz: Wir machen in erster Linie Mode zu einem sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis – Punkt. Qualität, Passform und Aktualität sind Grundvoraussetzung, um am Markt – nicht in der Nische – eine Rolle zu spielen. Die Nachhaltigkeit, der Respekt vor Mensch, Natur und Tier, vorwiegend europäische Produktion sowie der Einsatz von möglichst naturbelassenen Rohstoffen, wie Biobaumwolle und Wolle aus kontrolliert biologischer Tierhaltung, sind für uns selbstverständlich und unantastbar in unserer DNA verankert. Egal, ob Knopf, Garn oder Taschenfutter. Ist eine Umsetzung mit nachhaltigen Techniken nicht möglich, machen wir sie einfach nicht oder versuchen, das Ziel auf anderem Wege zu erreichen. Das meinen wir mit ‚more than organic‘ und möchten das auch so vorleben. Das positive Feedback unserer Kunden und das Wachstum über unsere Erwartungen hinaus bestärkt uns darin, dass wir genau das Richtige tun. Mode hat mit der Freude an Neuem, Innovation und auch mit dem Verlassen der üblichen Comfort-Zone zu tun und dass man dabei an Morgen denkt, ist doch klar, oder?“ Heiko Wunder, geschäftsführender Gesellschafter Rheinstoff GmbH & Co. KG

MEHR EMOTION UND DIE RÜCKKEHR DER ALTEN, WAHREN WERTE

„Es kommen positive Signale aus dem stationären Handel und dem Onlinehandel: Es scheint sich doch die Mär des großen Feindes Onlinehandel zu relativieren: Der stationäre Handel erkennt seine Chancen des persönlichen Kontakts zum Konsumenten und das ‚Multichannel Marketing‘ wird hier und da in die Tat umgesetzt. Ein Miteinander wird wieder spürbar, die großen Grabenkämpfe zwischen On- und Offline scheinen geklärt. Am Ende bleiben einige wenige Onlineplattformen, die schon früh und professionell den Markt erobert haben und die Anzahl der stationären Händler bleibt relativ stabil. So hat jeder Trend seinen Gegentrend und demnach wird auch der stationäre Handel wieder seine Renaissance erleben, wenn die Chancen der Informationsgesellschaft richtig und professionell genutzt werden. Kopfschmerzen bereitet mir die fehlende Emotion in der Mode, die mit dieser Informationsflut einhergeht. Nicht mehr Emotion, Geschmack oder Stil, sondern Listen, Zahlen und Abverkaufsergebnisse werden immer mehr zum Leitmotiv des Einkaufs. Das hat sich der stationäre Handel wohl vom Onlinehandel abgeschaut. Der Onlinehandel wiederum reagiert mit virtuellen Einkaufsberatern und auf die fehlende Emotion des Onlinebusiness. Der Trend vom Gegentrend ist für mich vorprogrammiert: Es muss wieder mehr Emotion in der Modebranche Einzug halten. Die Transparenzgesellschaft führt zu einer entemotionalisierten Gesellschaft und das Leben im digitalen Schwarm führt zur Verödung und zur Vereinsamung des Individuums. Die Transparenzgesellschaft ist eine Gesellschaft des Misstrauens und des Verdachts, die aufgrund des schwindenden Vertrauens auf Kontrolle setzt. Damit wird das moralische Fundament der Gesellschaft brüchig und Werte wie Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit verlieren an Bedeutung. Also wünsche ich mir den Trend vom Gegentrend: mehr Emotion, mehr Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit. Eigentlich ganz einfach: die Rückkehr der alten, wahren Werte.“ Mark Grütters, Inhaber Fashion Factory

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MEHR GANZJAHRESTAUGLICHE WARE

„Aufgrund weniger Trendimpulse im Markt braucht der Handel in Zukunft wieder mehr Identität. Auf Basis dieser Tatsache können im hochwertigen Handel nur Konzepte funktionieren, die eine klare Botschaft und damit auch eine Zielgruppe haben. Ein Einkauf der sich nach Sommer- und Wintersaison aufteilt, ist eigentlich Schnee von gestern. Der Handel braucht mindestens 80 bis 90 Prozent ganzjahrestaugliche Ware, die sich durch unterschiedliche Lieferrhythmen erneuert. Durch die bis dato sehr engen saisonalen Abgrenzungen und falsche Auslieferungsrhythmen resultiert ein permanenter Sale in den Läden. Anstelle von Preisaktionen muss der Handel wieder seine Leistung und DNA in den Vordergrund stellen. Nur so ist gewährleistet, dass der Endverbraucher auch wieder Lust am Einkauf und ebenso ein entsprechendes Preis-Leistungs-Verhältnis erkennen kann. Ware wird derzeit nur wie Junk Food behandelt. Die Konzentration auf das Wesentliche gilt für meinen Einzelhandel, als auch für meine Agentur. Ich habe mich in meiner Agentur immer auf eine limitierte Anzahl von Produkten konzentriert und den Servicegedanken extrem hoch gehalten. Dies funktioniert mittlerweile seit über 30 Jahren sehr erfolgreich.“ Rolf Griesinger, Inhaber Internationale Mode GmbH



DEN WANDEL VORANTREIBEN

EIGENPROFIL STÄRKEN

„Wir als Luxushändler müssen ganz einfach der Tatsache ins Auge schauen, dass die meisten unserer Brands, Labels und Kollektionen heutzutage flächendeckend über die vielen Monostores oder Onlinehändler erhältlich sind. So kann man den Flat von Charlotte Olympia in Wuppertal oder Paderborn theoretisch genauso kaufen wie in London oder New York. Was heißt das für uns? Wir wollen uns als Marke weiter etablieren und das Eigenprofil stärken. Es geht nicht nur darum, aus dem unglaublichen Angebot eine feine, aussagekräftige Selektion zusammenzustellen, es geht auch darum, den Kunden Freude zu vermitteln, bei uns zu kaufen. Mit unserem neuen Shopkonzept Uzwei verfolgen wir das Projekt sehr zielstrebig und konsequent. Der Editorialansatz, das Zusammenstellen von Themen, verschiedene Bühnenbilder über eine Saison und der Versuch, einen Lifestyle zu kreieren, dem junge und modeinteressierte Konsumenten gerne folgen. Ich freue mich unheimlich darüber, dass es schon nach einem Jahr gelungen zu sein scheint, eine gewisse Brandloyalität zu unserer eigenen Marke entwickelt zu haben. Modeaffine Frauen kaufen teilweise ihre Loewe-, Proenza- oder Stella-McCartney-Tasche auch deshalb, weil sie dem Stil und der Selektion unseres Redaktionsteams vertrauen. Je schärfer das Profil bei Uzwei, umso leichter tun wir uns auch bei Unger, wieder mehr Klarheit ins Sortiment zu bringen. So wie man auf der einen Seite in der Spitze um die modisch interessierten, neugierigen, selbstbewussten und begeisterungsfähigen Konsumenten kämpft, so können wir das gehobene Luxussegment bei Unger in der Breite sehr stark abdecken und gewinnen hier oftmals kaufwilliges Klientel zurück, das in der Monobrandwelt nicht zurechtkommt. Es wird kaum einem Kunden möglich sein, seinen Saisonbedarf nur über die Geschäfte der internationalen Luxusmarken abzudecken. Wie häufig passiert es, dass man einem Must-Have-Teil hinterherläuft und durch die geringe Sortimentstiefe der Schuh bei Hermès, die Hose bei Bottega Veneta oder der Anzug bei Dior nicht in der richtigen Größe da ist. Ich beschäftige mich mit den Veränderungen in unserer Branche schon seit vielen Jahren und ob unsere Strategie, unsere Ideen und unsere Rezepte am Ende die richtigen sind, wird sich zeigen. Ohne klare Handschrift und Profil aber glaube ich, ist Einzelhandel im Luxussegment heute nicht mehr systemkompatibel.“ Florian Braun, Geschäftsführer Unger GmbH & Co KG

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„Ein großer Reiz in der Mode ist das Neue, Unverbrauchte. Unser Interesse daran befeuert die immer schnelleren Kollektionswechsel, vor der nicht einmal die ehrwürdige Haute Couture sicher ist. Dabei bleibt aber nicht nur die Kreativität der Modeschaffenden auf der Strecke, die immer seltener Zeit haben, Innovationen zu erarbeiten und sich immer öfter mit Rekombinationen zufrieden geben müssen, die aus kreativer Sicht nur Fingerübungen sind. Nur gut, dass inzwischen immer deutlicher wird, dass die Kreativität nicht die einzige Ressource ist, die dabei auf der Strecke bleibt. Auch andere Ressourcen kommen zu kurz: Die Menschen, die Fast Fashion, aber auch die High Fashion namhafter Marken unter oft unwürdigen sozialen Bedingungen produzieren und sich nicht einmal ihre Existenz sichern können, und die Ressourcen der Natur – Wasser, Energie; Rohstoffe wie Baumwolle, die so knapp werden, dass die Industrie umdenken muss. Wandel vollzieht sich in dieser Sphäre der Branche nicht aus reiner Vernunft, sondern aufgrund von Sachzwängen. Rohstoffmangel ist ein solcher Sachzwang, steigende Energiekosten ein weiterer. Hier wird ökologischer Wandel angestoßen und neue Methoden werden getestet – Jeans aus recycelter Baumwolle, Jacken aus recyceltem PVC, das Konzept des geschlossenen Kreislaufs, bei dem aus alten Ressourcen neue hergestellt werden, sind nur wenige Beispiele. Sozialer Wandel, also in Bezug auf die Arbeitsbedingungen der Produzenten – vom Designer bis hin zum Textilarbeiter – vollzieht sich ebenfalls nur durch Sachzwänge. Schlechte Publicity, wie die im Nachgang der Katastrophe von Rana Plaza gehört dazu. Der Wandel, der in der Mode fällig ist, hat sich in der Lebensmittelindustrie längst vollzogen: Wer will, kann erfahren, welches Huhn sein Frühstücksei gelegt hat. Mode hingegen ist und bleibt ein weitestgehend anonymes Produkt, das vom Himmel in die Regale der Läden zu fallen scheint. Diese Tatsache will ich ändern und setze mit meiner Arbeit als Modejournalistin und besonders mit meinem Start-up Fair-a-porter darauf, den Wandel an zwei Fronten voranzutreiben: Indem ich die Konsumenten über das Thema nachhaltig produzierte Mode informiere und ihnen eine Plattform biete, auf der sie Mode bewusst konsumieren können, indem ich ein Angebot transparent produzierter Mode kuratiere. Und zweitens, indem ich Marken, die nachhaltig produzieren, eine Plattform biete, auf der sie ihr Angebot platzieren können. Dabei kuratiere ich nicht nur die Klassenbesten, sondern auch die, die auf einem guten Weg sind – also good und best practise. So arbeite ich mit Fair-a-porter auf eine Modebranche hin, in der die Lust an Mode lebt – aber unter anderen Vorzeichen. Nicht pseudo innovative Produkte mit kurzer Halbwertszeit sind begehrenswert, sondern sorgsam und transparent produzierte, schöne Mode, bei der alle auf ihre Kosten kommen: die Kunden, die Vielzahl der Produzenten und die Natur.“ Alex Bohn, Journalistin www.fairaporter.com

HAUSAUFGABEN MACHEN

„Wichtig ist es, zu wissen: Wer ist mein Kunde. Und darauf sollte man sein Produkt ausrichten. Optimal ist es, wenn man seine Produktion so an die Gegebenheiten des Marktes anpassen kann, dass man stets in der Lage ist, auf Entwicklungen im Markt rechtzeitig zu reagieren. Außerdem sollte man bei der Wahl seiner Partner darauf achten, das Konstanz und Verlässlichkeit in der Firmenführung gegeben sind und nicht alle sechs Monate die Richtung wie bei einem Fähnchen im Wind gewechselt wird.“ Fares Hadid, Geschäftsführer Berlin Bicycle Week


SO LÄUFT’S 041 NEU DENKEN. STATEMENTS

NEUE UNTERNEHMENSKULTUR SCHAFFEN

„Eine große Herausforderung bringt der Wandel ganz sicher mit sich: die Beschleunigung fast aller Prozesse. Denken sie zum Beispiel daran, wie kurzlebig Trends inzwischen geworden sind. Als Händler müssen wir neue Wege gehen, um in dem sich immer schneller drehenden Marktumfeld weiterhin erfolgreich zu sein. Wir glauben, dass sich dafür auch unsere Unternehmenskultur in Teilen verändern muss. Es gibt Bereiche, in denen weniger Kontrolle und statt dessen mehr autonome Entscheidungsfindung auf operativer Ebene sinnvoll erscheint. Kommunikation ist ein Beispiel, dass sich hier aufdrängt. Insbesondere im Bereich Social Media oder Bloggerkooperationen verfolgen wir einen neuen Ansatz: Statt Inhalte detailliert vorzugeben, lösen wir Kontrolle dort gezielt auf. Wir sind sehr neugierig auf die mittelfristigen Resultate. Aber schon jetzt bin ich mir sicher, dass das immer schnellere und kompetitivere Umfeld dazu führen wird, dass auch andere trendsensible Unternehmensbereiche noch mehr Raum zu eigenständigem Handeln benötigen. Zum Beispiel der Einkauf. Unsere Kunden erwarten von uns, dass wir topaktuelle Ware anbieten. Da das heute aber auch extrem kurzlebig geworden ist, müssen wir uns fragen, ob herkömmliche Sourcingprozesse noch schnell genug auf Trends reagieren können. Bei zunehmender Geschwindigkeit des Marktes weder die Wettbewerbsfähigkeit noch seine Identität zu verlieren – das ist die Aufgabe, vor die uns der Wandel heute stellt.“ Dipl.-Ing. Markus Dielmann, Geschäftsführung Dielmann-Gruppe

SCHNELLIGKEIT UND INTUITION

WENIGER REDEN – MEHR HANDELN

„Ich denke, wir machen noch immer viel zu wenig anders. Die Welt hat sich in den vergangen zehn Jahren geändert und unser Verhalten als Konsumenten noch viel mehr. Die Modebranche hechelt hinterher. Geändert, wirklich geändert hat sich nichts, außer dem Onlinebusiness. Der stationäre Handel ist immer noch derselbe. Messe, anschließend Vororder und ein halbes Jahr später ist alles anders, als man gedacht hat, und wieder sind wir alle sprachlos und fassungslos! Wir sind wie Politiker, wir können stundenlang auf Messen diskutieren, jammern, schimpfen und am Ende des Tages sind wir verwundert, dass nichts passiert ist, und es so kommt, wie es kommen musste. Dann gibt es die Topseller, es gibt die Kunden, die sie kaufen möchten, aber von den Topsellern gibt es zu wenig und der Kunde wird noch immer in seinem Verhalten unterschätzt! Wieso verhält er sich nicht so, wie wir es wollen? Weil wir alle unser Verhalten geändert haben beim Geld ausgeben! Und der Handel? Der Handel sieht wieder zu, geht auf die gleichen Messen, nutz dasselbe Ordersystem – kaum mehr was am Lager zum Austauschen, kaum mehr Flexibilität. Die Frage wird sein, wann ändert man etwas – merkbar für den Kunden und für einen selber? Wann kaufen wir genug von den Topsellern, um dem Kunden das zu geben, was er sucht? Ein Beispiel war in diesem Jahr der 15. August am ‚italienischen Feiertag‘ – sollen wir die Geschäfte öffnen oder nicht? Dieser Tag war bis jetzt nicht wirklich ertragreich. Nach langen Diskussionen und weil der August zäh genug war, haben wir beschlossen, alle sechs Geschäfte in der Innsbrucker Altstadt zu öffnen, und siehe da: Der August war gerettet. Rekordumsatz mit Shoppinggästen aus Asien, Dubai und Termingeschäfte mit VIP-Stammkunden! Einheimische, Chinesen und Scheichs kauften bei 30 Grad die Topseller der Herbstsaison! Das heißt für uns: Lokal-global-Business ist angesagt und dieser heiße Sommer hat uns noch mehr bestätigt: Ab Juli künftig mehr neue Herbstware anzubieten, den Summer Sale noch früher zu starten und jedes Jahr eine neue Modesprache zu lernen! So läuft’s in Innsbruck.“ Theresa Minatti-Einwaller, Einkauf Einwaller

„Um als Marke auch in Zukunft modern und frisch aufzutreten, müssen wir – nicht zuletzt auch wegen der Krise – eine andere Denkweise an den Tag legen als bisher. Wir müssen uns vor Augen halten, dass das, was wir tun, neue Trends entstehen lässt. Nur so können wir die Art, wie sich Menschen kleiden und fühlen, verändern. Normalerweise kommen die Trends von denen, die nicht der Mode folgen. Auch wir glauben, dass ist der Weg der Wahl, wenn man Märkte erreichen will, die ständigen Änderungen unterliegen. Heute ändern sich Mode und Märkte so schnell, das gestern noch die High Fashion Impulsgeber war und morgen plötzlich die technische Outerwear den Ton angibt. Um auf diese Veränderungen zu reagieren, bedarf es einer gewissen Schnelligkeit und Intuition. Das Ziel muss sein, die einzelnen Märkte mit kleineren Kollektionen zu bedienen. Detailreich und mit einer gut definierten DNA, die in allen Märkten Anklang findet. Um immer zeitgemäß zu bleiben, sollten wir außerdem über das Jahr hinweg mehrere Liefertermine ansetzen, damit wir dem Endverbraucher stets ein breites Angebot bieten können.“ Enzo Fusco, Inhaber FGF Industries

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„WIR SIND MITTEN IN EINER REVOLUTION!“ Die zunehmende Digitalisierung bringt einen tiefgreifenden Wandel mit sich und stellt damit nicht nur klassische Geschäftsmodelle auf den Prüfstand. Im Interview spricht Marktanalyst Carsten Bange über die großen Veränderungen und welche Chancen die Digitalisierung birgt. Text: Nicoletta Schaper. Fotos: Peter Schaffrath

Herr Bange, Sie sagen allen Branchen umwälzende Veränderungen durch die Digitalisierung voraus.

Wir befinden uns in einer technologischen Revolution, wobei es in erster Linie um Daten und ihre Analyse geht. Wie können Daten Prozesse verbessern? Inwieweit können sie Grundlage für ganz neue Geschäftsmodelle sein? Ein Schlagwort heißt Industrie 4.0, was nichts anderes bedeutet als die Digitalisierung im Fertigungsbereich. Ein weiteres Schlagwort heißt: Software wird wichtiger als Hardware.

Bei vielen Maschinen möchte der Käufer eigentlich nicht die Maschine haben, sondern das, was sie produziert. Viele Hersteller verändern gerade ihr Geschäftsmodell und überlassen ihre Maschinen den Kunden 415 style in progress

mit einer Zusage über eine bestimmte Produktionsmenge, die dann bezahlt wird. So bietet der Kompressorenhersteller Kaeser statt des Kompressors auch ein Abrechnungsmodell für die genutzte Menge an Druckluft an oder die Firma Schwäbische Werkzeugmaschinen berechnet die produzierten Einheiten auf der Maschine. Ein anderes gutes Beispiel ist Carsharing, auf das inzwischen auch die Automobilhersteller setzen. Statt um den Preis des Produktes geht es um Dienstleistung. Gerade im deutschen Markt hat das großes Potenzial, da unsere Hardware im internationalen Vergleich in aller Regel hochpreisig ist. Also ist Software ein Wettbewerbsvorteil der Zukunft.

Und damit verbunden die Steuerung der Maschine, wodurch auch der Gewinn steuerbar wird.

Bei Maschinenherstellern sind die Wartungskosten entscheidend, ein Problem, das bisher der Kunde hatte und für das nun der Hersteller verantwortlich ist. Wenn er zu datengetriebenen, intelligenteren Verfahren der Wartung kommt, ist das ein wichtiger Hebel für seine Profitabilität. Durch regelmäßige Messungen von Sensordaten kann präziser vorausgesagt werden, wann Teile ausgetauscht werden müssen. Damit wird der ungeplante Ausfall, der ja riesige Kosten verursacht, viel seltener. Auch Roboter werden dank Software intelligenter. Dass ein Roboter Teile zum Verbauen identifizieren kann, erreicht man nicht mehr mit fester Programmierung, stattdessen wird der Roboter mittels Software zu einer autonomen Handlungsweise befähigt. Das selbstfahrende Auto von Google oder entsprechende Ankündigungen der deutschen Hersteller zur IAA zeigen ebenso, dass sich künftig alles um Software beziehungsweise um die Steuerung dreht. Das Auto selbst wird damit zum Beiwerk. Verstehen die Automobilhersteller den Ernst der Lage?

Mittlerweile scheint die Brisanz doch erkannt worden zu sein; es gibt sehr viele Initiativen auch der deutschen Automobilhersteller. Aber das Rennen ist noch offen, wobei IT-Konzerne, insbesondere Google, das Tempo

vorgeben – und nicht Mercedes oder BMW. Und die übrigen Branchen?

Ich denke, die strategische Bedeutung von Daten ist allgemein erkannt. Woran es hapert, ist die Umsetzung. Viele zögern aufgrund von fehlendem Know-how auf Technologie- wie auch auf Anwendungsseite. Dabei ist die Technologie viel weiter, als viele sich das vorstellen. Schon 2011 hat Facebook 500 Terrabytes an neuen Daten pro Tag (!) verarbeitet. Um sie auch nutzen zu können, hat Facebook die Technologien gemeinsam mit seinen Lieferanten weiterentwickelt und kann heute Werbung jedem Nutzer zielgerichtet zeigen. So ist Facebook als Werbeplatz sehr attraktiv geworden. Was bedeutet die Digitalisierung für den Handel?

Zurzeit ist der Onlinehandel das Wachstumssegment. Inwieweit das den stationären Handel beeinflusst, ist eine noch unbeantwortete Frage. Tatsächlich gibt es Dinge, die ich nicht physisch sehen und anfassen muss. In Seoul gibt es schon seit einiger Zeit eine U-Bahnstation, wo man sich auf dem Bildschirm ein Supermarktregal anschauen und mit dem Smartphone den Code der Produkte scannen kann. Das Regal, die Milchpackung ist imaginär. Muss ich eine Milchpackung überhaupt anfassen? Ich will ja eine Information haben, das Ablaufdatum wissen, den


„Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass Kompetenz in Software wichtiger wird als Hardware“, sagt Softwarespezialist Caren Bange.

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Fettgehalt oder ob Bio Bio ist. Über das Smartphone können viel mehr Informationen geliefert werden, als auf einer Packung gedruckt werden kann. Warum hat sich das noch nicht in der Breite durchgesetzt?

Die Lebensmittelbranche ist besonders langsam, die Margen sind extrem gering und die Investitionen hoch. Kürzlich hat Amazon angekündigt, in den Lebensmittelhandel einzusteigen und wie immer werden dadurch Entwicklungen angetrieben werden. Derzeit investieren Handelsformate wie Rewe und Edeka stark in Datenanalyse. Was an Frischegütern bis Samstagabend nicht verkauft wurde, wird weggeworfen. Je mehr Daten vorhanden sind, desto besser lässt sich vorausplanen. Dabei helfen nicht nur interne Datenquellen, auch Jahreszeit und Wetter haben großen Einfluss. DHL konnte den Fahrereinsatz anhand der Wetterdaten deutlich optimieren, denn wenn es sonntags regnet, wird viel mehr online eingekauft, was dienstags ausgeliefert werden muss. Darüber hinaus helfen die Daten der Konkurrenz: Welche Aktionen macht der Mitbewerber? Dazu kommen demografische Daten. Dass das Sortiment dadurch bestimmt wird, ist nichts Neues. Aber die Vorhersage und damit die Steuerung von Warenströmen und Angeboten wird viel genauer. Der Knackpunkt könnte immer noch die Lieferung sein.

Auch das Problem schnelle Lieferung lässt sich lösen. Da, wo die Händler nicht genug Tempo sehen, treten sie selbst in Aktion. Das Ziel heißt Same-Day-Delivery, und wenn das die Logistikbetriebe nicht hinbekommen, baut ein Anbieter wie Amazon die Drohnen eben selbst. Weil Geschwindigkeit entscheidend ist. Aber auch auf dem Boden ist noch Platz für datengetriebene Disruption. So experimentiert Uber gerade in New York City mit einem Kuriermodell. Das Paket wird sehr schnell abgeholt und geliefert, und warum auf dem Weg nicht noch einen Fahrgast mitnehmen? Das Ziel solcher „Crowd sourced“ Modelle ist, dass die Lieferung in einer Stunde preiswerter wird als die sonst übliche Übernachtlieferung. 415 style in progress

Dem stationären Modehandel sagen Sie trotz Onlineboom große Chancen voraus.

Ich bin der Meinung, dass das haptische Erlebnis wichtig bleibt. Als Konsument möchte ich das Material sehen und wissen, wie es sich anfühlt. Und ich möchte die Kleidung anprobieren. Auch wenn es Entwicklungen gibt, die eine elektronisch abgebildete Anprobe möglich machen, „Daten können nicht nur Prozesse verbessern, sondern Grundlage für ganz neue Geschäftsmodelle sein.“ Carsten Bange, Geschäftsführer Barc GmbH

glaube ich dennoch, dass der stationäre Handel auch künftig eine Daseinsberechtigung hat. Seine Chance ist das Einkaufserlebnis, bei dem es nicht nur um den Prozess des Erwerbs geht, sondern auch um den Spaß dabei. Als moderner Konsument möchte ich aber die Vorteile des Onlinekaufs mit dem Kauf im Geschäft verbinden. Derzeit entstehen in Manhattan die Hudson Yards, riesige Retailflächen ohne angrenzende Lager. Hier wird der Modestore zum Showroom: Alles gibt es nur einmal in der jeweiligen Farbe und Größe, wodurch die Auswahl umso größer werden kann. Auch der Kauf findet im Geschäft statt. Was der Kunde auswählt, bekommt er nicht mehr mit auf den Weg, sondern wird noch am selben Tag aus einem Zentrallager zu ihm nach Hause geliefert. Und was bedeutet die Digitalisierung für den Service am Point of Sale? Beratung ist ja eine Stärke des stationären Handels.

Selbst die Beratung lässt sich weitgehend automatisieren. Anhand der Daten lässt sich ein Profil erstellen, auch in welchen Netzwerken der Konsument unterwegs ist. Ich kann herausfiltern, wie sich Moden entwickeln, ich kann datengetrieben Trendsetter identifizieren, dem viele folgen werden. Ein Verkäufer muss schon sehr gut sein, um Vergleichbares nur aufgrund seiner Erfahrung und Intuition zu leisten. Aber auch für den stationären Handel lässt sich das Sortiment anhand der Datennutzung viel genauer auf

die Zielgruppe zuschneiden. Heute kann ja auch derjenige, der am Schaufenster vorbeiläuft oder davor stehenbleibt, bereits identifiziert werden. Der nächste Schritt wäre, ihm das Angebot im Schaufenster anzupassen. Ebenso sind Tablets im Schaufenster und Click and Collect heute schon Realität. Aber oft können nur große Händler die technologischen Investitionen stemmen.

Für den kleinen Händler gibt es immer noch zwei Möglichkeiten: Entweder sucht er die Nische oder er tut sich mit anderen Händlern zusammen, wie bei dem klassischen Konzept der Genossenschaft. Gerade wenn er sich spezialisiert, kann das für ihn vorteilhaft sein. Wie kritisch sehen Sie die Digitalisierung?

Erst einmal sollte sich jeder bewusst sein, dass sie kommt. Die Möglichkeiten, sehr viel über einzelne Personen zu wissen, sind gegeben und sie werden in wachsendem Maße genutzt. Dabei zeichnet sich bereits ab, dass Begriff und Verständnis von Privatsphäre sich verändern werden. Viele Menschen werden den Deal Daten gegen Service verstehen, und das Bewusstsein wächst, dass nichts umsonst ist. Wichtig ist, dass wir die Wahl behalten, was wir preisgeben und was nicht. Mein Facebook-Profil ist zum Beispiel seit Jahren verwaist, aber ich habe nicht den Eindruck, dass ich dadurch einen wirtschaftlichen oder sozialen Nachteil hätte. Dagegen birgt die Digitalisierung gerade für Industrie und Handel Chancen, die es wahrzunehmen gilt. In Deutschland fehlt oft die Bereitschaft, etwas auszuprobieren und auch mal Risiken einzugehen, da steht uns unsere Mentalität im Weg. Daher meine Aufforderung an die Unternehmen, experimentierfreudiger zu werden. Es gibt Bereiche, wo man bereits mit geringen Investitionen in Daten und Technologie etwas erreichen kann. Beim Sinneswandel, dass man mit den Daten einen wirklich großen Vermögensgegenstand hat, fängt es an. Die Geschwindigkeit, in der ich neue, innovative Dinge anbiete, wird immer wichtiger. Und die Zeit, die ich habe, immer kürzer. Darüber hinaus werden Arbeitsplätze überflüssig.

Bisher hat jede technologische Revolution mehr Jobs geschaffen, als verloren gingen. Allerdings gibt es Forscher, die in Frage stellen, dass dieses Muster auch dieses Mal greift. Wir können aber davon ausgehen, dass wir künftig mehr Freizeit haben werden. Die Entwicklungen in der Robotik führen zu massiver Entlastung in physischen Tätigkeiten, und auch was die künstliche Intelligenz betrifft, werden sogar anspruchsvolle geistige Fähigkeiten durch Maschinen ersetzt werden können. Das ist keine Science Fiction mehr. Unsere Tätigkeiten können sich in den nächsten 50 bis 100 Jahren in Richtung Kultur verschieben. Und wenn wir mehr Zeit haben, haben wir auch mehr Zeit zum Einkaufen. Da sind wir wieder beim Einkaufserlebnis. Nur im stationären Handel lässt sich eine Erlebniswelt schaffen. Da kommt online nicht mit.

Carsten Bange ist Gründer und Geschäftsführer der Barc GmbH in Würzburg. Das Institut ist als Marktanalyst vorrangig auf Datenmanagement und Datenanalyse spezialisiert und hat mit 18 Analysten das europaweit größte Team in dieser Nische. Barc formt mit den Analystenhäusern CXP und PAC die führende europäische Analystengruppe für Unternehmenssoftware und IT-Services mit Präsenzen in acht Ländern. www.barc.de


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S WARUM DER MENSCH DIE WICHTIGSTE RESSOURCE BLEIBT STYLE IN PROGRESS #1/2016 12. JANUAR 2016

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ES ÄNDERT SICH. ALLES. Die Digitalisierung verändert die Modeindustrie in ihren Grundfesten. Mit dem Aufstieg des E-Commerce und der Social Media hat es angefangen. Mit den Produktionsprozessen und der Transformation des Wholesale-Business geht es weiter. Text: Quynh Tran. Illustration: Claudia Meitert @Caroline Seidler

Digitalisierung. Ursprünglich bedeutete das lediglich die Überführung von Inhalten auf analogen Datenträgern in digitale Systeme, etwa von Papier auf CD-ROMs und Disketten. Mit dem Internet hat der Prozess eine ganz andere Dimension bekommen. Mittlerweile sind es nicht nur Daten, sondern Gegenstände, Räume, Prozesse, die digital werden. In der Modebranche hat E-Commerce gezeigt, welche Auswirkungen die Digitalisierung hat. Hat man vor zehn Jahren noch an Onlineshops gezweifelt, ist heute klar, dass der Onlinehandel den Markt bereits komplett umgewälzt hat. Fragt man, was durch Digitalisierung noch verändert wird, so ist die Antwort: alles. Das fängt bei der Produktion an und geht über den Handel bis hin zur Kommunikation mit dem Kunden. „Die entscheidende Herausforderung für Modeunternehmen heute ist: Was bedeutet es, ein wirkliches digitales Modeunternehmen zu sein? Das betrifft zum einen alle Faktoren, die mit Prozess- und Effizienzoptimierung zu tun haben, zum anderen alle Schnittstellen zum Kunden. Digitalisierung bedeutet nicht einfach nur einen Webshop einzurichten. Digitalisierung erfordert eine ganz andere Art und Weise zu denken“, sagt Javier Seara, Partner und Global Sector Leader für Fashion/Apparel bei The Boston Consulting Group. „Schaut man sich heute ein Kleidungsstück an, liegen die Herstellungskosten bei etwa 20 Prozent des Verkaufspreises. In den 80 Prozent dazwischen liegen viele Ineffizienzen in Geld und Zeit, die durch Technologie optimiert werden können“, schätzt Seara. Digitalisierung heißt heute: Anders denken, agil denken

Neue Technologien gestalten immer mehr Schritte im

Herstellungsprozess effizienter. Virtuelle 3D-Modelle von Kleidungsstücken erleichtern die Konzeption von Kollektionen, 3D-Drucker können unmittelbar darauf Prototypen erstellen und die Informationen für Schnittmuster dann in Echtzeit zu den Lieferanten bringen. Vom Kollektionsentwurf bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Kollektion im Laden hängt, vergeht heute bis zu einem Jahr – diesen Zeitraum zu verkürzen, ist ein Segen, den sich die Modebranche von der Digitalisierung erwartet. Auch Inventur und Lieferung von Kleidung kann durch digitale Mittel optimiert werden. Gerry Weber oder Marc O’Polo gehören zu den ersten Marken, die RFID-Technologien eingeführt haben, um Produkte in der gesamten Wertschöpfungskette, vom Produktionsstandort bis zum Laden, berührungslos über elektromagnetische Wellen zu verfolgen. Mittlerweile hat auch die Inditex-Tochter Zara die Technologie implementiert und will bis 2016 in allen Produktionsstätten und Stores RFID haben, die den Warenbestand automatisch erfasst und Zeit und Kosten spart. Die Herausforderungen des Handels

Den größten Impact hatte und hat die Digitalisierung allerdings im Handel. Der Aufstieg des E-Commerce mit Größen wie Asos und Zalando hat den Markt, allen voran den Einzelhandel, grundlegend erschüttert. Doch statt sich zu kanibalisieren, greift Stationäres und Digitales immer mehr ineinander – Einwegstrategien funktionieren in Zeiten hoch anspruchsvoller Kunden nicht mehr, Multi- und Omnichannel sind das Gebot der Stunde. „On- und Offline müsse Hand in Hand gehen, müssen von-

einander lernen“, sagt Anita Tillmann, Gründerin und Geschäftsführerin der Premium. Das Kaufverhalten hat sich durch die Digitalisierung und die Nutzung von Smartphones, Tablets etc. (mobile Devices) sehr stark verändert – alles ist jederzeit verfügbar. Das führt zu Online-Impulskäufen, die stark kontextabhängig sind. Dennoch wird der Großteil der Verkäufe zur Zeit im stationären Handel getätigt. Denn für den Kunden sind immer noch der direkte Kontakt und eine kompetente Beratung wertvoll und wichtig. Das haben einige Onlineangebote durch Curated Shopping mit individualisierter Auswahl und Stylingberatung bereits umgesetzt. „Onlineplattformen haben die ,Customer Journey‘ perfektioniert – wie führe ich den Kunden durch das Sortiment? Wie gebe ich adäquate Kaufimpulse auf Basis der Einkaufshistorie – und das ist ein Lernpotenzial für den stationären Handel.“ Dass die beiden Welten immer mehr ineinandergreifen, sieht man nicht nur an großen Onlineretailern, sondern auch am stationären Handel, der nach und nach supplementär Onlineshops einrichtet. „Durch die großen Player sind die Standards im E-Commerce sehr komplex und schon definiert. Als klassischen Einzelhändler stellt uns das vor eine große Herausforderung, weil wir relativ spät in den Onlinehandel gestartet sind und mit wenig Ressourcen das ins Digitale übertragen müssen, was wir im Stationären anbieten: Inhalte, die über das Produkt hinausgehen, und Emotionen. Um das Einkaufserlebnis in den virtuellen Raum zu bringen, braucht es ein individuelles Storytelling, eine redaktionelle Denkweise, die wir mit unserem Relaunch im Herbst schaffen werden“, sagt Andreas Kampe, style in progress 415


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Head of E-Commerce des Berliner Departmentstores Quartier 206. Zum eigenen Webshop gibt es eigentlich keine Alternative – was jedoch nicht heißt, dass man das Onlinebusiness auch selbst betreiben muss: Die globale Plattform Farfetch präsentiert das Sortiment von momentan etwa 300 Luxusboutiquen, übernimmt Marketing, Sales und Logistik und lässt sich am Gewinn beteiligen – ein Modell, das Ressourcen bündelt und teilt. Wenn der Wholesale digital wird

Eine ganz andere Sphäre der Digitalisierung hat Tommy Hilfiger mit seinem digitalen Showroom eingeführt. Statt Musterteile an der Stange zu flippen, setzt sich der Händler an ein iPad. Auf einem großen Bildschirm kann er dann die Modelle an einer Puppe sehen, im 360°-Radius anschauen, heranzoomen, Materialien und Farben variieren und Informationen abrufen. Das einzige „Echte“ sind nur noch ein paar Stoffproben und natürlich der menschliche Kontakt zu den Mitarbeitern der Marke. „Wenn sich der digitale Showroom durchsetzt, und ich bin überzeugt, dass er das tut, dann könnte dies das gesamte Wholesale-Modell damit grundlegend verändern. Der gesamte Wholesale-Gedanke ist insgesamt veraltet. Es muss sich etwas ändern – und diese Veränderung wird digital sein“, sagt Javier Seara. „Die Idee des digitalen Showrooms wurde anfänglich, auch intern, skeptisch beäugt. Aber das System wurde nicht nur für uns, sondern auch für den Einkäufer viel übersichtlicher und effizienter“, sagt Daniel Grieder, Global CEO von Tommy Hilfiger. Und weiter: „Für mich ist es nicht eine Frage, ob, sondern wann sich digitale Showrooms in der Textilindustrie durchsetzen werden, weil es so viele Vorteile gibt. Dazu kommt ein weiterer wichtiger Faktor: Die heutige Generation bewegt sich immer mehr dahin, dass der Endverbraucher online kauft, sie ist daran gewöhnt, alles online zu machen, und das sind auch die Einkäufer von morgen. Sie wollen einen digitalen Showroom. Sie wollen zum Markt kommen, wollen aber am Bildschirm einkaufen. Die Menschen sind 415 style in progress

es gewohnt, Dinge auf Bildschirmen zu machen.“ „Digitale Orderprozess machen vieles einfacher, man kann seine Bestellungen sehen und Farbe und Quantität ändern, statt sich mit unzähligen Papierdurchschlägen herumzuschlagen. Für die mittelpreisigen und vielleicht auch die Premiumsegmente kann ich mir das sehr gut vorstellen, für den Luxusbereich eher nicht“, schätzt Milena Lubosch, Head of Buying E-Commerce beim Departmentstore Quartier 206. Digitale Strukturen

Holger Peterman, Geschäftsführer der Think Inc Communications GmbH schätzt das Potenzial positiv ein: „Was sich digitalisieren lässt, wird digitalisiert. Das betrifft den Handel, Messen und Kommunikation. Durch digitale Strukuren, werden auch neue Flächen und Räume geschaffen. Im Handel sowie auf Messen könnten Showflächen für Key-Produkte geschaffen werden, die sich besonders und markenbewusst inszenieren lassen. Der Rest wird von der Stange in die digitale Fläche verschoben.“ „Für Marken, bei denen es um systematisches Einkaufen geht, macht ein digitaler Showroom Sinn, für andere weniger. Im Premiumsegment kann ein digitaler Showroom eine Hilfeleistung sein, aber er genügt nicht“, resümiert Anita Tillmann. „Als Messe stellen wir die neuesten Trends vor, wir sind Mediator und Informant und bringen relevante Player aus Mode und Industrie im Tech-Gebiet zusammen. Die Digitalisierung von Orderprozessen ist nicht unsere Kernaufgabe.“ Für Tommy Hilfiger ist der digital unterstützte Showroom schon jetzt ein Erfolg: „Die Geräte optimieren die Prozesse und verkürzen die Orderzeit um die Hälfte und sobald die Leute das verstanden haben, waren sie begeistert“, berichtet Grieder. Reverse-Digitalization: Wie das Digitale ins Stationäre zurückkommt

Auch im Einzelhandel setzt Tommy Hilfiger auf technische Innovation. Mit dem „Store of the Future“ werden digitale Elemente ins Stationäre gebracht: In den Tommy-Hilfiger-Läden

sollen iPads Kunden Zugriff auf ein größeres Sortiment geben, das man vor Ort am Bildschirm einkaufen kann. Ein Konzept, das auch schon Adidas mit seinem adiVerse Touchscreen-Wänden realisiert hat. Topshop hat gar einen Tweet-Mirror eingerichtet, das Kunden in Echtzeit Reaktionen zu ihrem Outfit auf Twitter gibt, C&A Brasilien hat Kleiderbügel, die in Echtzeit Facebook-Likes von Produkten zählen. Für Grieder ist genau diese Vernetzung zwischen on- und offline das Modell der Zukunft: „Die ganze Branche muss Omnichannel werden. Es spielt keine Rolle mehr, wo der Konsument kauft, Hauptsache er kauft. Man muss den Kunden für die Marke gewinnen, es geht nicht mehr um Quadratmeterumsatz, sondern Begeisterung und Innovation pro Quadratmeter. Der Kunde ist mittlerweile schneller als das Unternehmen, und das ist gefährlich. Man muss bereit sein, Veränderungen in das Unternehmen fließen zu lassen und Visionen haben, wie es morgen aussehen könnte. Überlässt man diese Veränderungen der nächsten Generation, ist das zu spät.“ Gerade die Informiertheit des Kunden bietet aber ein großes Potenzial, so Anita Tillmann: „Es gab bisher noch nie so viele Menschen, die an Mode oder Looks interessiert sind und ein Bewusstsein dafür haben, was Mode mit einem macht. Ganz stark sieht man das in der Männermode. Das ist das erste Mal, dass junge Männer sich Gedanken machen, wie sie wirken, und Mode bewusst inszenieren und für sich einnehmen. Das Bewusstsein für Mode hat sich in dieser Selfie-Kultur ganz stark verändert, das hat jetzt schon Effekt auf die Modebranche und wird einen noch größeren Effekt haben. Wenn all diese Kids, die mit den Social Media aufgewachsen sind, mal Geld verdienen, wird das große Auswirkungen auf den Verkauf von Mode haben.“ Dieses Potenzial, so Holger Petermann, kann man gezielt beeinflussen: Petermann kooperiert mit DMR, einem Experten für Social-Media-Analyse und Markenbewertung, um den „Bespoken Process“ zu optimieren, einen Prozess durch digitale

Kommunikation „möglichst schnell und zeitgleich Key-Produkte in die Medienwelt zu steuern, um die Wahrnehmung und Relevanz einer Marke bei Endverbrauchern zu erhöhen, Begehrlichkeiten zu fördern und letztendlich einen Kaufimpuls auszulösen. Das wird in dem Zusammenhang extrem wichtig, um das Image einer Marke zu festigen.“ Der Kunde greift in den Produktionsprozess ein

Mittlerweile ist der Kunde nicht nur modisch informiert und aktiv, sondern greift sogar in den Produktionsprozess ein. Durch Meinungen in Social Media nimmt er signifikanten Einfluss auf das Sortiment. Firmen wie Google und IBM bieten Big-Data-Analyse-Software an, die Tonalität und Schlagwörter in Nutzermeinungen auswerten, um Kundenpräferenzen zu filtern. Das funktioniert dann so: IBMs „Social Media Analytics“ hat für den Herbst Wildleder als Trend identifiziert, laut Frankfurter Allgemeine Zeitung waren bei H&M bis Ende August bereits über 30 Prozent der Kleidungsstücke ausverkauft. Kosmetikhersteller Bobbi Brown oder Mac gehen sogar so weit, Konsumenten die Farben der nächsten Saison über Likes bei Facebook aussuchen zu lassen. Auch Modeunternehmen greifen immer häufiger auf die Meinung ihrer Kunden zurück und lassen sie durch Customizing selbst entschieden, wie etwa bei Prada bei seinen Schuhklassikern, bei Nikes Laufschuhen, bei Longchamps Taschen. Das ist auch für Tommy Hilfiger ein Thema: „Dass der Kunde sein eigenes Design produzieren kann, auswählen kann, welchen Schnitt, welche Farben, welche Details er will, wird in Zukunft eine große Rolle spielen. Das wird dann direkt digital in einen Produktionsbetrieb übermittelt und zwei Wochen später kann der Kunde sein Customized Produkt im Laden abholen. Die Prozesse in der Produktion werden in Zukunft durch die Digitalisierung extrem verkürzt werden. Digital is the new normal“, sagt Daniel Grieder.


„MODE UND TECHNOLOGIE GREIFEN IMMER MEHR INEINANDER.“ Nach Jahren als Einkäuferin für Modefirmen wie Anne Taylor und Pea in the Pod erkannte Mona Bijoor: Mit dem Bestellen mit Katalogen, Zetteln, Excel-Tabellen und Fax steckt der Modegroßhandel im 20. Jahrhundert fest. Um das Ganze papierlos, analytisch und effizient zu machen, gründete sie 2010 Joor. Vier Jahre später laufen beinahe drei Milliarden Bestellungen über die US-Onlineplattform, zu den Kunden zählen Rag & Bone, Facconable, Peter Pilotto, Jason Wu, Marni, Balmain, APC, Stella McCartney, Charlotte Olympia und Loewe. Etwa 40 Prozent der Order kommen aus Europa und europäische Designer verkauften über Joor im Wert von rund 1,5 Milliarden US-Dollar. Im Interview mit style in progress legt Mona Bijoor ihre Sicht auf die digitale Zukunft der Mode dar. Text: Petrina Engelke. Foto: Joor

Wieso ist das Konzept, im Showroom zu bestellen, nicht mehr zeitgemäß?

Showrooms haben sicherlich ihre Bedeutung, die meisten unserer Kunden nutzen Joor sogar dort. Aber es gibt auch das Bedürfnis, Neues für den Laden zu finden, ohne selbigen verlassen zu müssen. Das hat für kleine Läden und E-Commerce-Start-ups alles verändert. Resort Collection, High Summer Collection, Pre-Fall: Es gibt immer mehr Versuche, neue Kollektionen zu verkaufen. Wohin wird das Ihrer Ansicht nach führen?

Ich denke, Neuartigkeit wird als Trend nicht verschwinden. Verbraucher wollen Diversifikation, und es ist wichtig, diese Neuartigkeit übers Jahr in Kollektionen einzuspeisen. Allerdings haben wir auch schon sehr erfolgreiche Kollektionen erlebt, die nur zwei- bis viermal im Jahr kommen. Es gibt keine allgemeingültige Regel. Erfolgreiche Marken

haben ihre eigene Philosophie, bleiben ihrer Strategie treu und lassen sich von Branchennormen nichts vorschreiben. Wenn Sie sich die Daten über die Bestellungen auf Ihrer Plattform anschauen. Was passiert gerade in der Modebranche, das Ihnen vorher gar nicht aufgefallen ist?

Der interessanteste und überraschendste Trend, den man im Auge behalten sollte, ist die weitreichende Wirkung von Fast Fashion, wo Marken bei dem Versuch, im Trend zu bleiben, ihre Produkte sehr schnell von den Laufstegen in die Läden bringen. Wir beobachten, dass das die Mode zunehmend trendfrei macht: Es wird immer schwieriger herauszukristallisieren, was die Designer weltweit gemeinsam haben. Zu einem gewissen Grade wird Mode immer einen Bezug zur Jahreszeit haben, weil niemand im August Pelz tragen will, egal, was die Trends vorschreiben. Aber

die größten Innovatoren in der Mode scheren sich nicht darum, welche Farbe grad in ist, sondern darum, wie man das richtige Produkt zum richtigen Preis zum Kunden bekommt. Was ist Ihre persönliche Sicht auf das Tempo der Mode und auf ihre Zukunft?

Mode und Technologie greifen immer mehr ineinander. Kleidung beschäftigt sich zunehmend mit Funktionalität und funktionale Produkte wollen zunehmend stylisch sein. Letztes Jahr entschied Apple, zum Uhrenhersteller zu werden, und Fitbit wurde ein Mode- und Fitness-Accessoire. Diese Grenze wird weiter verwischen.

Mona Bijoor hat mit Joor den Modegroßhandel digitalisiert – und vereinfacht. Ihr Plan: Nicht nur die Modebranche soll davon profitieren, sondern in Zukunft auch die Möbel- und Spielzeugindustrie.

https://jooraccess.com/

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Die eine Hand und die andere Während Onlineshops antesten, wie sich „brick and mortar“ anfühlt, wissen stationäre Händler: Digital ist die Zukunft. Grenzen überschreiten und aus Trennendem etwas Verbindendes zu machen, das ist die Kunst der Stunde. style in progress hat Menschen und Unternehmen aufgesprürt, die aus dem Buzzword Multichannel machen, was es erst zum Leben erweckt: ein einträgliches Geschäft.

Text: Kay Alexander Plonka, Quynh Tran. Illustrationen: Claudia Meitert@Caroline Seidler. Fotos: Gesprächspartner

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Stylealbum Onlineconceptstore im Hinterhof

Mit einem ausgewogenen Mix aus luxuriöseren und günstigeren Produkten spricht Stylealbum coole Businessladys und trendige Studentinnen an. Nun hat die kleine Onlineboutique einen Laden in Düsseldorf eröffnet.

Wer online präsent ist, darf sich stationär auf Lagen verlassen, die nur informierte Kunden finden: In einem Hinterhof in der Bastionstraße 9 im Düsseldorfer Stadtteil Carlstadt hat der Onlineconceptstore Stylealbum Ende August einen 180 Quadratmeter großen Laden eröffnet. Das Sortiment beinhaltet neben Mode von Designern wie Achtland, Stine Goya, Kaviar Gauche, Baum und Pferdgarten, Just Female und Malaika Raiss auch Accessoires, Schmuck, Papeterie, elektronische Gadgets, Beauty- und Interieurartikel, die im luftigen Loftambiente präsentiert werden. Letztes Jahr hatte Stylealbum-Gründerin und Modedesignerin Sue M. Lee mit einem dreimonatigen Pop-upStore in der Bilker Allee bereits einen Ausflug in die Welt des stationären Handels unternommen. Acht Jahre zuvor hatte Lee den Onlineshop eröffnet. Warum jetzt also doch fest stationär? „Der Sortimentsmix von Stylealbum ist sehr besonders. Das Umfeld ist wichtig für die Inszenierung der Produkte und die persönliche Ansprache der Kunden. Die Fotos im Internet werden den besonderen Details und aufwändigen Verarbeitungen der Designerteile nicht immer 415 style in progress

gerecht. Die Erfahrung aus dem Pop-up-Store hat gezeigt, dass die Kundinnen gerne beraten werden wollen und sich die einzelnen Teile auch gerne erklären oder kombinieren lassen. Es geht primär nicht nur ums Shoppen, sondern um ein Erlebnis. Dennoch ist die Verbindung von offline und online wichtig, um bestmöglichen Service anbieten zu können.“ In der Lage im Hinterhof sieht sie keinen Nachteil: „Wir sind davon überzeugt, dass das Konzept funktioniert. Conceptstores wie der Voo Store in Berlin oder Merci in Paris machen vor, dass die Lage in einem Hinterhof durchaus erfolgreich sein kann. Wir planen regelmäßig Veranstaltungen im Store, wie beispielsweise Lesungen, Filmabende oder Produktpräsentationen, um immer wieder Anreize zu schaffen, uns regelmäßig zu besuchen. Wir möchten, dass der Kunde sich bei uns wohlfühlt

und sich gerne bei uns aufhält und das über das reine Shoppen hinaus.“ www.stylealbum.com

Sue M. Lee ist selbst Modedesignerin, für ihren Onlineshop Stylealbum wählt sie Kollektionen, die sich oft nicht selbst erklären – da kommt der neue, stationäre Laden genau richtig.


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Online City Wuppertal Jede Stadt ist Klein-Amazon Das deutschlandweit einmalige Förderprojekt „Online City Wuppertal“ will die Ohnmacht des stationären Handels angesichts überregionaler Onlinekonkurrenten beenden und Wuppertaler Kunden das gute Gefühl geben, dass sie online shoppen und dennoch die lokale Wirtschaft stärken können.

„Wir wollen den Wuppertaler Kunden zeigen, dass die Produktbreite und -vielfalt der großen Onlinemarktplätze bereits in der eigenen Stadt verfügbar ist, wir müssen sie nicht von irgendwo herholen“, erklärt Projektmanagerin Christiane ten Eicken von der Wirtschaftsförderung Wuppertal. Gemeinsam mit Wirtschaftspublizist und Innovationsberater Andreas Haderlein hat sie die Stadt Multichannel-fähig gemacht. „Die Produktvielfalt und -verfügbarkeit ist kein Alleinstellungsmerkmal von Amazon & Co. Sie ist in der eigenen Stadt ja vorhanden“, so Haderlein. Bereits 65 stationäre Händler nehmen an dem Projekt teil und bieten über 8.000 Artikel online an. Viele der Händler sind inhabergeführte kleinere Geschäfte aus den Segmenten Mode, Schmuck, Lebensmittel und Möbel. „Aus Projektmitteln hätten wir nie die Möglichkeit gehabt, einen Onlineshop für die ganze Stadt zu realisieren. Daher sind wir froh, mit der österreichischen Firma atalanda einen Partner gefunden zu haben, der die Plattform für den Marktplatz und die Abwicklung für die taggleiche Lieferung anbietet – ein unschlagbarer Wettbewerbsvorteil gegenüber den Großen im

Internet“, sagt ten Eicken. Die Zustellung der online bestellten Produkte übernimmt der Lieferdienst MyCocktail Taxi, der damit tagsüber seine Fahrzeugflotte optimal auslastet. Wer bis 16.30 Uhr bestellt, bekommt seine Ware noch am gleichen Tag. Das überzeugt: Die teilnehmenden Händler berichten über mehr Frequenz, auf der Fläche wohlgemerkt! Umsatzsteigerungen mitunter in zweistelliger Höhe sind die Folge. Der Onlinepräsenzanbieter atalanda ist derzeit mit 130 Städten im Gespräch, im Herbst wollen Attendorn, Göppingen und Wolfenbüttel mit eigenen Marktplätzen starten. In der Wuppertaler Rathaus Galerie entsteht derzeit in einem ehemaligen TV-Studio das „Retail Lab“. Hier sollen zukünftig überregionale Onlinehändler in einem Shop-in-ShopKonzept angesiedelt werden. „Sie können hier im Rahmen

des Pilotprojektes temporär innovative Multichannelkonzepte auf der Fläche testen“, berichtet Haderlein. Zudem wird in Kürze ein Drive-in-Schalter eröffnet, an dem Pakete bequem mit dem Auto abgeholt und retourniert werden können. www.onlinecity-wuppertal.de

65 stationäre Händler bieten 8.000 Artikel an. Wuppertal macht vor, dass Sortimentsbreite und -tiefe kein Monopol der Big Player im E-Commerce sind. Projektmanagerin Christiane ten Eicken kann Erfolg vermelden: mehr Frequenz und Umsatzsteigerung.

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Kresnik Woman Store Curated Shopping, handgemacht

Hinaus in die Welt – oder zumindest erstmal nach Österreich und Deutschland – so könnte man die Zielvorgabe von Helga und Helmut Kresnik für das Jahr 2015 fassen.

In der südsteirischen Kleinstadt Leibnitz ist der Name ein Begriff, denn schon vor 58 Jahren hat Helga Kresniks Schwiegermutter begonnen, den Familienbetrieb mit den ersten Modefachgeschäften aufzubauen. Mittlerweile gibt es auf dem Leibnitzer Hauptplatz drei Franchiseläden und seit zwölf Jahren die eigene Multibrandboutique Kresnik Woman Store mit Marken im gehobenen Preissegment. Geschäftsführerin Helga Kresnik ist erreichbar für ihre Kundinnen, vor Ort, per Telefon und seit Juni 2015 auch online auf der Personal-ShoppingPlattform mywomanstore.at. Begonnen hat alles vor sieben Jahren, als eine Freundin einer Kundin nach der Herkunft ihres tollen Outfits gefragt hat. Kresnik hat ihr kurzerhand per Post ein Outfit geschickt und diesen Service seitdem immer wieder erfolgreich weitergeführt. Mit ihrer Website, einer Curated-Shopping-Plattform, ist das, was sie im Stationären schon anbietet auch online verfügbar: „Wir wollen kein Sortiment ins Internet stellen, sondern unsere Serviceleistungen und damit unser Geschäft stärken“, sagt Kresnik. Als Kundin registriert man sich mit persönlichen Angaben und Geschmackspräferenzen auf der Website, wird dann vom Stylingteam per Telefon und E-Mail zwecks Feinabstimmung kontak415 style in progress

tiert und bekommt gegen eine Sicherheitsleistung ein personalisiertes Überraschungspaket, in der Regel, mit zwei miteinander kombinierbaren Outfits im Wert von 2.500 Euro von Marken wie Burberry, Max Mara, Marc Cain, Michael Kors, Moncler, Più & Più, Schumacher oder Strenesse. Was die Kundin von den Outfits nicht behalten möchte, kann sie zurückschicken. Was Kresnik von klassischen Curated-Shopping-Plattformen unterscheidet? „Ich glaube, dass wir das besser können. Wir müssen zwar viel über das Internet lernen, aber mit Beratung haben wir große Erfahrung und sind viel näher am Kunden dran.“ Aufmerksamkeit bekommt mywomanstore.at auf jeden Fall: Neben Facebook-Likes und stetigen Neuanmeldungen wurden im ersten Monat schon zehn Päckchen verschickt. www.mywomanstore.at

Ein Onlinestore hätte sich wohl lange nicht rentiert – die Beratung ihres Ladens ins Internet zu übertragen, erschien Helga Kresnik da schon schlauer. Zehn Päckchen im ersten Monat sind der gute Anfang.


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Amsterdenim Die Win-winSituation

Das holländische Label Amsterdenim will seinen Händlern mit dem eigenen Webshop keine Konkurrenz machen. Es überlässt deshalb die Erlöse aus dem Onlineverkauf seinen stationären Händlern.

Amsterdam gilt als inoffizielle Denimhauptstadt der Welt. Daher nannte Ben Fokkema sein Label kurzerhand voller Stolz Amsterdenim. Das Logo spiegelt wider, was Amsterdam so besonders macht: die historische Altstadt mit den vielen Brücken, malerischen Grachten und filigranen Hausgiebeln. In bester holländischer Kaufmannstradition hat Fokkema auch sein sympathisches Businessmodel entwickelt. Händler, die Amsterdenim verkaufen, können am Online Community Programm teilnehmen. Online erwirtschaftete Umsätze gehen dabei komplett, abzüglich der Versandkosten und einer Bearbeitungspauschale, an die teilnehmenden Händlern. Ben Fokkema erklärt das Konzept: „Wenn ein Endverbraucher den Onlinestore besucht und ein Produkt findet, das ihm passt, bekommt er einen Store in seiner Nähe angezeigt. Hat der Kunde das Produkt gekauft, kann er entscheiden, ob er die Ware im Store abholen will oder ob wir sie nach Hause liefern sollen. Entscheidet er sich für die Abholung, senden wir die Ware sofort an den Shop. So hat jeder Händler die Möglichkeit, auf die gesamte Kollektion zuzugreifen. Der Kunde kann die Ware anfassen, anprobieren, sich beraten lassen und sich im Zweifelsfall für ein andere Größe oder

ein anderes Modell entscheiden. Wir glauben, dass diese Vorgehensweise der nächste Schritt in puncto Einzelhandel und Brand Marketing ist.“ Bereits 65 Händler nehmen an dem Programm teil. Erklärtes Ziel ist es, alle Amsterdenim-Händler zur Teilnahme zu bewegen und das Netz der Abholstationen weiter zu verdichten. Momentan arbeitet Amsterdenim an einer eigenen Software, die es ermöglicht, die Warenbestände der Händler in Echtzeit zu verbinden, damit die Verfügbarkeit in Echtzeit dem Konsumenten kommuniziert werden kann. Bisher wird der Service nur in den Niederlanden angeboten. Ab Februar 2016 soll das Win-win-Konzept auch in Deutschland und in anderen Ländern zum Einsatz kommen. www.amsterdenim.com

Mit dem Online Community Programm will Amsterdenim-Gründer Ben Fokkema seinen Händlern das Geschäft ins Geschäft bringen: Wer online bestellt, kann im Shop abholen.

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Die Modebranche hat ein neues Lieblingsmedium: Instagram-Follower sind die Social-Media-Währung der Stunde. Die Mischung aus privaten Einblicken, globaler Inspiration und visueller Information hat besonders die auf den Geschmack gebracht, die immer schneller als die anderen sein wollen.

Sarah Rutson, Vice President of Global Buying bei net-a-porter.com ist also gerade auf Ibiza. Riccardo Tisci, Chefdesigner von Givenchy auch. Und wie es der Zufall will, postet Elina Halimi, Inhaberin des Luxusstores Kabuki in Paris, den gleichen Sonnenuntergang wie die beiden – nur von einer anderen Ecke der Baleareninsel aus fotografiert. Was das alles mit Mode zu tun hat? Sehr viel. Denn ein bisschen Ibiza-Vibes nehmen alle drei (und es sind nur die einflussreichsten der diesjähigen Ibiza-Urlauber) mit in ihre Arbeit. Der pittoreske Sonnenuntergang, die Geburtsstunde eines weiteren Microtrends? Prä-Social-Media (Wie war das damals eigentlich?) wäre eine solche Kohärenz noch nicht einmal aufgefallen. Gut, vielleicht hätte ein hochbezahlter Trendscout Interviews mit allen dreien geführt, hätte Ibiza-Eindrücke in eine Farbkarte übersetzt und in einem Trendbuch feilgeboten. Wie alt klingt dieses Geschäftsmodell heute in unseren Ohren? Wer 2015 etwas auf sich hält, hat ein dickes „k“ hinter der Zahl seiner Follower. Justin O’Shea, Buying Director von mytheresa. com, bringt es auf knapp 65.000 Follower (Stand September), Sarah Rutson 34,4 k, Stylebops Fashion Director Leila Yavari auf 25,9 k. Jeden Tag ist man ein bisschen mit dabei: Wenn Justin in Mailand Miu Miu ordert, Sarah mit Gwyneth Paltrow in die Hamptons einlädt, Leila am

Text: Martina Müllner. Illustration: Claudia Meitert@Caroline Seidler. Fotos: Gesprächspartner

Edelflohmarkt Marché aux Puces de Saint-Ouen Inspiration findet. „Wer heute anderen Leuten Mode verkaufen will, muss selbst auf der Bühne stehen“, titelt die FAZ in einem Artikel über Leila Yavari. Ob es Zufall ist, dass die A-List der Buyer heute athletisch trainiert (die Männer) oder zero dürr (die Frauen) ist? Dass die Modeindustrie ein für Eitelkeiten so prädestiniertes Selbstdarstellungsmedium wie Instagram zu nutzen weiß, darf jedenfalls niemanden wundern. When it’s in Bunte, it’s #commonsense

Nein, Instagram ist längst kein Insidermedium mehr. Dagegen sprechen 400 Millionen aktive Nutzer weltweit (Stand September), der Kaufpreis von einer Milliarde Dollar, den Facebook 2012 für Instagram bezahlt hat, und die deutsche Yellowpressikone Die Bunte, die in ihrer Berichterstattung über Events wie den MTV Video Music Award neuerdings die Prominenz der abgebildeten Twentysomethings in Instagram-Followern veranschaulicht. When it’s in fashion, it’s in Vogue – und when it’s massenfähig, it’s in

Bunte. Instagrams Eigentümer freut’s: Das New Yorker Office wurde prominent besetzt, so hat zum Beispiel Eva Chen, Anna Wintour-Intima, ehemalige Chefredakteurin des Lucky Magazines und Selfmade-Instagram-Star, seit Juli den schönen Titel „Head of Fashion Partnerships“ inne. Eine Milliarde will eben auch irgendwann wieder reingeholt werden. Und so sind Geschäftsmodelle, die heute maßgeblich auf Gratistraffic aus Instagram bauen, auf wackeligen Beinen gebaut. Oder eben auf der realistischen Aussicht, dass wohl künftig ein „share of check-out“ an Instagram bzw. Facebook abzugeben sein wird. In welcher Form auch immer. Der Blick durchs Schlüsselloch der Designer, Kreativen, Buyer und Agenten jedoch, der bleibt allen offen. Gerade sind Marc Jacobs und sein Pitbull Neville schlafen gegangen. Ein Gute-Nacht-Selfie an 289 k Follower. Suzy Menkes wird’s freuen: Die Grand Dame der Modeberichterstattung liebt Instagram zur persönlichen Inspiration und um von den vielen Events, Ausstellungen

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und Shops zu berichten, die es nicht in ihre Vogue-Kolumne schaffen. Marc Jacobs hat sie anlässlich eines Interviews von Instagram vorgeschwärmt – und prompt ist auch er zum Addict geworden. Geschichten wie diese finden in klassischen Medien kaum Platz – genau deshalb sind sie so faszinierend. Zumal diese „psssst-Insider-Storys“ ja nicht nur von Menschen handeln, sondern vielfach von Marken. Marken früher finden

„Briston Watches haben wir auf Instagram entdeckt“, sagt Tommy Wieler, der gemeinsam mit seiner Frau, der Schmuckdesignerin Vanessa Baroni-Wieler, die Agentur Another Souvenir betreibt. Schnell war der Kontakt etabliert, wenige Wochen später die Uhrenmarke im Sortiment der Vertriebsprofis und – viel wichtiger – in den ersten Läden. Engelhorn, The Listener, Apropos The Concept Store, Lodenfrey, Bungalow – die Türen waren im Nu geöffnet. „Wenn man sich eine Weile durch diesen Instagram-Urwald klickt, schult man sein Auge. In diesem Format ist das Image eines Labels einfach echt gut darstellbar, man sieht schnell, ob es Stil hat oder nicht.“ Als Agent sei man „immer auf der Suche, das hört nie auf, das ist ja auch unser Anspruch, etwas Spannendes, was dem Stil unserer Accessoireagentur entspricht, zu finden.“ Weil Messen eben von allen anderen auch abgegrast werden, sei Instagram ihr derzeitiger Geheimtipp, so die Wielers. Auch Theresa Steinbacher von Warm-Me nützt das Medium „null privat, ausschließlich für unsere Marke Warm-Me und natürlich mit einem Auge auf die Agentur room with a view. Anine Bing, Sincerely Jules, Cecilie Copenhagen, Ateline Pauline, das sind alles Marken, die über Instagram gekommen sind. Schlaue Einkäufer, die auf Instagram suchen, haben diese Marken dann eben oft ein halbes Jahr früher als die anderen. Damit tritt das Medium natürlich in eine gewisse Konkurrenz zum klassischen Agenturgeschäft – denn der Tophändler, der wirklich früh dran ist, versucht natürlich die Agenturen bei seiner Recherche zu überholen.“ Ein Wettrennen, weiß auch Uwe style in progress 415


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Nicole Doleh, Inhaberin Inked: „Scouting und Sourcing sind bei mir komplett offline.“

Maier von Bungalow in Stuttgart: „Klar freut man sich, wenn man eine Marke schon führt, noch lange bevor sie in Deutschland vertreten ist. Auf Instagram entdeckt man auch mal Brands, wo man denkt: Oh, hübsch, da geh ich mal vorbei, wenn ich in Paris bin. Wenngleich ich dann auch schwäbisch bin und mir eine neue Brand auch gerne mal zwei Saisons ansehe, ehe ich eine Order platziere.“ Und ihr so?

„Wenn ich dann wieder auf dem Selfridges-Account die Schaufenster sehe, dann fühle ich mich so gut informiert, als ob ich gerade selbst in London wäre“, schwärmt Theresa Steinbacher. Colette, Beams, The Store, Luisa Via Roma – ein Instagram-Round-up durch die führenden Läden der Welt frei Haus. „Klar schaut man, was die anderen machen“, bestätigt Uwe Maier. „Ich recherchiere nicht auf Instagram, nein“, sagt Nicole Doleh von Inked in Wien. „Genau aus diesem Grund: Wenn etwas im Internet zu finden ist, kann es ja doch wieder jeder finden, der einigermaßen affin und ehrgeizig ist und die entsprechende Muße mitbringt. Das ist mir zu wenig. Scouting und Sourcing sind bei mir komplett offline, da muss ich weg, muss vor Ort in Städten wie New York oder L. A. sein, aber dann eben auch nicht dort, wo alle sind. Letztes Jahr habe ich zum Beispiel durch Zufall

beim Trekking in den Hills den Besitzer einer Sportswearmarke kennen gelernt, die spannend ist. Oder ich fotografiere mal einen Tag lang vor einem Wholefoods Market in Brooklyn die Leute, um dann im Nachgang zu schauen: Ist da ein neuer Look, entsteht da gerade etwas Neues? Das ist mein Anspruch an Recherche, nicht einfach auf Instagram schauen. Das ist, als würde ich eine Boulevardzeitung als Quelle für Geheimtipps lesen.“ Für ihren Laden ist Doleh Social-Media-Heavyuserin: Instagram, Facebook, sowie der Inkedology-Blog tragen viel zur Identität des Ladens bei. „Wir transportieren hier unseren Lifestyle, das hat erst mal wenig mit Verkauf und Akquise zu tun. So heißt unser Newsletter zum Beispiel gang tabloid, weil wir uns als genau das fühlen: Als eine Gang, im positiven Sinne, eine Community, die sich für ehrliche, wertvolle, gehaltvolle Geschichten interessiert – und für ebensolche Marken.“ Klar, dass sich daraus auch Verkäufe generieren. „Wir bekommen Anfragen aus aller Welt, das ist natürlich ein schönes Echo.“ Dafür gibt’s Herzchen

Alessandro Squarzi, Inhaber der gleichnamigen Agentur in Mailand, Bologna, Florenz und Ancona, nützt seinen persönlichen Instagram-Account und den der Agentur, „um mich selbst und meine Marke Fortela, die

Theresa Steinbacher, Brand Manager Warm-Me: „Der Tophändler versucht natürlich die Agenturen bei seiner Recherche zu überholen.“

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Uwe Maier, Bungalow und Bungalow Gallery: „Ich bin überzeugt, dass Instagram eine große Chance für kleine Marken ist.“

Alessandro Squarzi, Showroom Alessandro Squarzi und Inhaber von Fortela: „Ich lerne so viel durch Instagram.“

ich täglich trage, zu promoten“. Wie gut, wenn Macher und Marke so deckungsgleich sind. Seine langjährige Erfahrung im Modebusiness hat die Gründung der eigenen Brand geradezu aufgedrängt. Der Stil: Modern Gipsy für Männer, wie er selbst das beste Rolemodel ist, italienisch durch und durch. „Ich lerne so viel durch Instagram. Bisher habe ich noch keine neue Marke für unsere Agentur entdeckt, nein, aber viele Endkonsumenten kontaktieren mich.“ Eine ganz neue Facette des Austauschs für jemanden, der bisher eigentlich hinter den Kulissen der Mode gewirkt hat. Klar, dass auch dieses Feedback überzeugt, einfließt, anregt. „Instagram ist eine tolle Art, seine Arbeit darzustellen. Neue Menschen können auf einen aufmerksam werden und bestehende Kunden können dir folgen.“ „Instagram und Co haben die Art, wie neue Marken aufkommen, komplett verändert. Der große Vorteil ist, dass man von heute auf morgen

mit Endverbrauchern direkt in Kontakt kommt, sofort Feedback bekommt, schnell eine Fangemeinde aufbauen kann“, berichtet Theresa Steinbacher. Und weiter: „Das Tempo in Social Media macht den klassischen Saisonrhythmus, eigentlich jeden Rhythmus, absolut obsolet. Trends kommen so schnell hoch – und viele sind ebenso schnell auch wieder weg. Für Start-ups wie unsere Marke Warm-Me bedeutet das ein großes Investment: Bildmaterial das ganze Jahr über, aber vor allem Ideen und Storytelling, es ist eine Challenge, diesen Content zu bekommen.“ „Ich bin überzeugt, dass Instagram eine große Chance für kleine Marken ist“, sagt Uwe Maier. „Für uns im Handel allerdings heißt es: Geht’s um Follower oder geht’s um Käufer? Am Ende interessiert mich wie bei allem die Qualität. Sind da Leute unter meinen Followern, die sagen: Ja, echt gut, das Teil will ich kaufen!“

Tommy Wieler, Inhaber der Agentur Another Souvenir: „Wenn man sich durch diesen Instagram-Urwald klickt, schult man sein Auge.“


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„Multichanneling ist Realität.“

Susanne Lindner von Lindner Fashion in Dortmund ist bestimmt kein Digital Native – digitally addicted aber sicher zu einem gewissen Grad. Was auf Facebook, Instagram und Pinterest gepostet wird, hat die Chefin selbst gemacht. Text: Martina Müllner. Fotos: Susanne Lindner

Sowohl auf Fabeook als auch auf Instagram sind Sie sehr aktiv. Uns interessiert: Recherchieren Sie auch auf Instagram?

Das passiert unweigerlich. Ich bin generell ein Typ, der alles aufsaugt, der visuell und kreativ ist. Ich reise sehr viel – nicht nur in die Einsamkeit der Natur oder die Betriebsamkeit von Städten. Sondern eben auch im Kleinen – im übertragenen Sinne: Reisen gelingt auch auf dieses kleine Quadrat beschränkt. Und klar passiert es, dass auf mich Leute zukommen, dass ich Kollektionen und die Menschen dahinter entdecke. Versuchen Sie durch diese Art der Recherche, schneller als Mitbewerber zu sein oder Kollektionen zu bekommen, bevor sie in Deutschland präsentiert werden?

Nein, das ist eigentlich nicht die Intention. Aber zweifellos ist es ein anderes Gefühl, wenn man ein Label jagen kann, wenn man sich bewirbt, es anspricht und den Zuschlag bekommt. Das ist natürlich super – und anders, als wenn es in einem Showroom präsentiert wird, in dem es an einem Wochenende die ganze Branche sieht. Wie bedeutsam sind diese Entdeckungen auf Instagram?

Es sind kleine Ergänzungen des Sortiments, handgemachte Basttaschen aus Süditalien habe ich beispielsweise auf diesem Weg entdeckt, die Macherin kontaktiert und dann tatsächlich eine kleine Order gemacht. Aber das ist keine Fashionbrand, eben eine der Kleinigkeiten, die für Spannung im Sortiment sorgen. Beobachten Sie auch die Aktivitäten Ihrer Kollegen?

Nein, das würde mich nur verwirren. Ich nutze Instagram, um mich inspirieren zu lassen, folge Menschen mit einer coolen Gallery, Fotografen, Marken, Stores, ja, aber in allen Fällen merkt man schnell, wer Qualität bringt, wer das aus Lust und Spaß an der Präsentation macht – und wer nur for business. Vor allem gilt für mich in digitalen Medien das Gleiche wie im normalen Einkauf: Ich suche nicht immer den größten Hype, sondern Menschen und Marken, die anders an ihre Produkte herangehen. Nachhaltiger, werthaltig, gehaltvoll. Wie viel Zeit investieren Sie in Social Media und machen Sie alles selbst?

#followthebuyer Susanne Lindner teilt nicht nur Eindrücke ihrer Arbeit, sondern auch ihre Leidenschaften auf dem Lindner Fashion Instagram Account.

Ich habe diesen Bereich an mich genommen, weil ich es wirklich leidenschaftlich gerne mache – und eben auch 24/7. Für mich ist das keine Arbeit, wenn ich abends noch da sitze und Fotos bearbeite, im Gegenteil, das mache ich leidenschaftlich gerne. Der Lohn dafür? Zusatzverkäufe?

Selbstverständlich, auf Instagram haben wir, auch wenn wir nicht verrückt viele Follower haben, immer wieder Anfragen und verschicken dann in die ganze Welt. Facebook ist sehr viel regionaler – da stehen die Menschen, die einen Look gesehen haben, dann zwei Stunden später im Laden. Beides ist ein Weg, mit unseren Kunden in Kontakt zu bleiben, zu verkaufen, aber vor allem unseren Lifestyle zu teilen. style in progress 415


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#asseenoninstagram

Brooklyn Soap Company Bärtige Saubermänner

Fortela A Man with a Mission

Der neue deutsche Mann riecht nach Brooklyn. Was den Holzfällerlook der Hipster aus dem New Yorker Stadtteil olfaktorisch begleitet, fängt Parfümeur Mark Buxton für die deutsche Marke Brooklyn Soap Company ein: Mandarine, Muskatnuss, Absinth, Myrrhe, Bernstein und Moschus prägen das nach einer Bar in Brooklyn benannte Männerparfüm The Woods. Die Brooklyn Soap Company führt selbstverständlich auch Seife – flüssig, verpackt im braunen Apothekerglaslook. Auch bärtige Kerle machen sich fein: Ein veganes Shampoo extra fürs Barthaar gibt es zum Beispiel solo oder als Teil eines Anti-Rasur-Kits im Jutebeutel. Das kommt in aller Herren Länder gut an: Neben dem Voo Store in Berlin findet sich die Männerkosmetik von Brooklyn Soap auch bei Manifest in Montpellier, Sharper of Sweden in Göteborg, AP&CO in Zürich und NAP in Warschau. Einem Saisonrhythmus folgt Brooklyn Soap nicht – für die Entwicklung neuer Produkte lässt sich die Marke bis zu einem Jahr Zeit.

Alessandro Squarzi, dieser Name ist aus der Liste der Topshowrooms in Europa nicht wegzudenken. Mit seinen vier Standorten in Italien hat er geholfen, Marken wie Dondup, Forte Forte oder Monocrom groß zu machen. Mit immer größerem Erfolg entwirft er selbst – unterstützt von Spezialisten für Materialien und Research – seine Vision der perfekten Klamotte eines Modern Gipsys. Fortela rühmt sich mit dem Versprechen „fatto a mano“. Auf alten Union-Nähmaschinen hergestellt, Stoffe in Qualitäten, dass sie auch dem strapaziösen Einsatz beim Militär genügen, echte Hornknöpfe – über die Details seiner Kollektion könnte der Italiener stundenlang erzählen. Die renommiertesten Menswear-Shops der Welt kaufen: Beymen in Istanbul, Excelsior in Mailand, George’s in Rom, Harvey Nichols in Hongkong, Isetan Mitsokushi in Tokio, Stereo Muc in München. Im EK liegen die Westen zwischen 40 und 60 Euro, die Hosen von 70 bis 105 Euro. Zu den zwei Kollektionen im Jahr könnte sich in naher Zukunft auch eine Frauenkollektion gesellen.

Brooklyn Soap GmbH, Hamburg/Deutschland, T 0049.40.88232207, sales@bklynsoap.com, www.bklynsoap.com

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Fortela, Mailand/Italien, T 0039.02.29419491, milano@alessandrosquarzi.it, www.alessandrosquarzi.it


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Truss Vom Teppich zur City-Tasche

Briston Handgelenk(t)

Leuchtende Farben, geometrische Formen und ein robustes Äußeres: Elise Durbecq und Gillian Tozer haben sich verliebt. Darüber freuen sich inzwischen Läden wie Opening Ceremony, Barneys und Nordstrom, obendrein Harvey Nichols, Libertys und Supermarket in Europa, bis hin zu Boutique 1 im Mittleren Osten. Sie führen die Taschen, mit denen Durbecq und Tozer unter der Marke Truss einen Farbstreifen zum Outfit liefern und gleichzeitig den Weberinnen im mexikanischen Oaxaca helfen, ihr Handwerk zu bewahren. Aus den Plastikstreifen entstanden in der Region traditionell Teppiche, längst kommen aber auch geräumige Einkaufstaschen aus den hölzernen Webstühlen. Truss geht einen Schritt weiter und lässt in Oaxaca zusätzlich kleinere Taschen und Clutches fertigen. Verkaufspreise liegen ungefähr zwischen 95 und 196 US-Dollar. Wer ausprobieren möchte, wie sich eine Truss-Tasche trägt, kann dies während der Modewochen in New York und Paris in den Showrooms von Goods and Services tun.

300 Kunden beliefert Briston Watches weltweit, darunter Namen wie Colette in Paris, Selfridges in London oder Matches Fashion. Dass all diese Händler ordentlich Umsatz mit Uhren machen können, hätten sie wohl selbst nicht gedacht – bis Briston kam, um das zu beweisen. Auf weniger als einem Quadratmeter lässt sich mit den Uhren, die zwischen 140 und 330 Euro im VK kosten, gut Umsatz machen. Kalkuliert wird mit 2,2, eine halbe Stunde Schulung genügt, um dem Personal genügend Argumente mitzugeben. Die da wären: Das gewölbte Glas aus Italien, Leder aus Deutschland, Design aus der Schweiz – und ein Citizen-Werk, das den Uhren ein langes Leben beschert. Alle Modelle sind unisex, was im Verkauf besonders zieht, ebenso wie die austauschbaren NATO-Straps. Besonders modeaffin zeigt sich das Modell Clubmaster Classic mit seinem Gehäuse aus Celluloseacetat, besser bekannt als die Schildpatt-Nachbildung, die zum Beispiel für Brillen verwendet wird.

Truss, New York/USA, T 001.646.5618460, anne@goodsandservicesnyc.com, www.trussnyc.com

Another Souvenir, Leinfelden/Deutschland, T 0049.711.99751642, tommy@anothersouvenir.de, www.briston-watches.com

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Pre-, Main- und Postcollection. Die Taktung hat sich deutlich erhöht und gleichzeitig ist immer irgendwo Sale, zusätzlich befeuert von den vorherrschenden Order- und Lieferrhythmen. Wie ließe sich die Terminsteuerung neu denken und lenken, damit der Modehandel nicht zum Daueroutlet wird? Text: Nicoletta Schaper. Illustration: Claudia Meitert @Caroline Seidler

Am Tag vor der Eröffnung zeigt sich die neue Filiale von Kastner & Öhler im österreichischen Ried im besten Licht. Die Ware hängt, die Deko steht, die modischen Looks sind auf der Fläche ansprechend präsentiert. „Zu diesem Zeitpunkt lässt sich ungemein viel im Sortiment erkennen“, sagt Alexander Petrskovsky, Vorstand Mode und Personal. Denn für das neu entwickelte Ladenkonzept wurde an nicht wenigen Stellschrauben gedreht, auch im Sortiment. Weniger Marken und weniger Klassik, dafür dominantere Fashionthemen, ergänzt von vielen Accessoires und Non-Fashion wie im Conceptstore. „Wir wollen begehrlicher präsentieren, mit Flair und Spannung“, erklärt Petrskovsky. „Das heißt zukünftig auch, neue Ware nicht immer sofort auf die Fläche zu bringen, sondern nach und nach einzuspielen, sodass sie näher am Bedarf ist. Für uns bedeutet das zwar viel mehr Aufwand. Aber daran führt kein Weg vorbei.“ Terminliche Unlogik

Bikinis im Dezember, dicke Daune im Juli. Was absurd klingt, ist oft gelebte Realität, in den Auslieferungen, am PoS. Müßig, zu überlegen, wie es zu Alexander Petrskovsky, Vorstand Mode und Personal bei Kastner & Öhler: „Die idealtypische Saison gibt es nicht, oft kann der Handel gar nicht festmachen, was genau er wann braucht. Stattdessen kann er sich nur auf eine Mischung aus Bauchgefühl und Empirie verlassen.“ dieser terminlichen Unlogik eigentlich kommen konnte. Wann überhaupt der richtige Zeitpunkt für die Ware wäre, das sieht jeder Händler anders und das Wetter macht ohnehin, was es will. Fakt ist: Der alte Rhythmus – zweimal jährliche Vororder für drei Liefertermine im Halbjahr – reicht heute kaum einem erfolgreichen Händler aus. Auch Kastner &

Öhler hat für seine 15 Modefilialen mittlerweile zu einem großen Teil Kollektionen mit zwölf Lieferterminen, vorrangig aus dem Young-Fashion-Bereich. „Aber das Problem bleibt das gleiche: Ich muss zu einem Zeitpunkt ordern, wo ich keine Ahnung vom Bedarf am Point of Sale habe“, so Petrskovsky. „Die Kunden kaufen ungleich bedarfsnäher, dennoch brauche ich den gleichen Vorlauf von meist vier bis sechs Monaten. Industrie und Handel scheinen immer noch zu sehr an die langjährig aufgebauten Strukturen gebunden zu sein.“ Michaela Schirlbauer von Misc in Salzburg hat ebenso festgestellt, dass ihre Kunden heute deutlich näher am wirklichen Bedarf kaufen: Wenn es kalt wird, wollen sie den Pulli, wenn es heiß ist, das Sommerkleid. Im vergangenen heißen Sommer haben die im August letzten Jahres georderten und auf Schirlbauers Wunsch erst im Juli gelieferten Kleider punktgenau zu den heißen Temperaturen gepasst; kein einziges ging reduziert über den Ladentisch. Die Händlerin setzt auf ein skandinavisch geprägtes Sortiment mit kleinen, sehr individuellen Marken, der Rhythmus ist klassisch. Dem hat sich Schirlbauer angepasst. „Ich lasse mir Frühjahr-/Sommer-Ware möglichst nicht vor dem 15. Februar liefern, denn im Januar, Februar ist es sehr ruhig in Salzburg, es ist schwierig, genau dann die großen Rechnungen zu bezahlen“, sagt sie. „Die meisten Firmen liefern früher aus, als mir lieb ist, dafür kommen sie mir oft mit den Zahlungskonditionen entgegen. Aber manchmal geht diese Rechnung nicht auf, weil kleine Marken darauf angewiesen sind, früher zu liefern, um ihre Vorfinanzierung schnell wieder reinzubekommen.“ American Denim

Die Agentur Brama Gallery führt bislang ausschließlich US-Brands wie Current Elliott und Mother Denim, die nach amerikanischem Prinzip monatlich ausgeliefert werden – Jeanskol-

lektionen mit einem wachsenden Anteil an Oberteilen. Das ermöglicht einen monatlichen Warenfluss, plus Bestseller on Stock, die noch mal nachgezogen werden können. Seit Start der Düsseldorf-Dépendance im Juli letzten Jahres konnten über 250 Kunden gewonnen werden, eine Leistung im deutschsprachigen Markt, die nicht nur auf die prominenten Brands zurückzuführen ist, sondern auch auf die Vorteile des Order- und Lieferrhythmus. Markus Funder, Design und Produktion Better Rich: „Es gibt viele Schlaue, die schnell nach Auslieferung noch mal nachziehen. Sie minimieren das Risiko auf ihrer Seite, indem sie auf die bestverkaufte Ware setzen.“ „Anfangs haben wir uns den Mund fusselig geredet, denn viele Händler hat unser System erst einmal irritiert und verunsichert“, erzählt Janine Knizia, die den deutschen Showroom leitet. „Doch wir haben es ihnen auf der Stange demonstriert, dass nicht nur die Ware auf die Monate verteilt wird für ein immer spannendes Bild im Laden, sondern auch die Rechnungen aufgesplittet werden. Das sind Vorteile, die unsere Kunden heute klar erkennen und zu schätzen wissen.“ Das bedeutet weniger Warendruck im Handel und weniger Druck auf der Finanzseite, für den Vertrieb, allerdings mehr Aufwand und Lagerhaltung, was das Unternehmen Brama allerdings aufgrund seiner Größe und eines großen Lagers für alle Agenturlabels europaweit am Hauptsitz in Modena gut bewältigen kann. Auch die Ordertaktung ist bei Brama mit Precollections erhöht; was der Kunde im August ordert, ist bereits ab Oktober auf der Fläche. Doch wie geht der Händler mit zwei statt einem Ordertermin in der Saison um? „In Paris und Modena kommen die Brama-Kunden ohne weiteres für die Pre- und Mainorder in den Showroom, style in progress 415


das wird gar nicht in Frage gestellt“, sagt Janine Knizia. Anders im deutschsprachigen Markt. „Ich kann es mir nicht leisten, im Mai und Oktober noch einmal Janine Knizia, Agenturleiterin Brama Gallery Deutschland: „Unser schneller getaktetes System ermöglicht eine enge Kundenbindung, wir sind permanent im Gespräch. Aber es lässt sich nicht auf jeden übertragen, denn es braucht die entsprechende Produktionskapazität und Lagerhaltung.“ zur Order zu reisen“, sagt nicht nur Michaela Schirlbauer. „Im Mai startet im Handel bereits der Sale, da brauchen wir im Vertrieb keinen Händler anzusprechen“, bestätigt Janine Knizia. Oft hat der Handel nicht mehr das Budget und empfindet das Verkaufszeitfenster als zu klein. Das Precollectionprinzip kann den Warendruck also nur verringern, wenn der Händler anders einteilt – und es keine zu großen Minimumvorgaben gibt. Anders einteilen – aber wie?

Die Strukturen lassen sich nicht ohne weiteres aufbrechen. „Denkt man im Retail vertikal, ist das No-Season-Denken schon etabliert“, sagt André Berger, Geschäftsführer der Marke Handstich. „Die Liberalität, die damit für den Handel zusammenhängt, ist allerdings ungeheuer komplex. Wann sieht man schon mal eine saisonkompetente Darstellung auf einer Fläche? Wenn wir davon sprechen, wie wichtig Individualität ist, sollte auch jeder Händler etwas anderes wollen. Passen beispielsweise im Juni warme Jacken auf der Fläche eines bestimmten Händlers, muss das nicht für andere Händler in der Stadt gelten.“ Generell ist das Thema Sportswearjacken zurzeit kein leichtes, nicht zuletzt wegen des großen Angebots – wie in eigentlich allen Warengruppen. „Unsere Jacken sind als All-Season-Produkt quasi ganzjährig tragbar. Wir würden uns wünschen, dass wir mehr mit kleinen Paketen in den Handel einsteuern könnten, aber meist ist im Handel kein Limit dafür vorhanden“, so Berger. „Dabei braucht es den Mut, zu fokussie415 style in progress

ren und spannende Impulse zu setzen. Wir hören verstärkt aus dem Handel, dass Cashcow-Artikel der Saison immer weniger stattfinden und stattdessen die Summe des Ganzen den Ertrag bringt.“ Denn statt eines Megatrends – wann hatten wir den zuletzt? – gibt es heute unendlich viele, zulasten jeder Planungssicherheit von Industrie und Handel, denn, wer auf einen vermeintlichen Trend setzt, muss anderes wegfallen lassen. „Die Industrie hat ein nachvollziehbares Problem damit, wirklich stark an einen Trend zu glauben und ihn dann auch im Handel abzubilden“, bestätigt Alexander Petrskovsky. „Die Bereitschaft des Handels, die Vororder zurückzuschrauben und darauf Thomas Acksel, Inhaber Franz und Emil: „Wenn ich erst Anfang August T-Shirts bekomme, die mir für Juni, Juli zugesagt waren, muss ich mir überlegen, wie ich den Rest in die nächste Saison übernehme oder wie ich sie loswerde. Da ist der Verkaufszeitraum viel zu kurz.“ zu vertrauen, dass die Industrie kurzfristig Neues bringt, ist noch sehr ausbaufähig.“ Kopf und Bauch

Nicht wenige Kollektionen arbeiten heute mit häufigerer Taktung als bisher. Zum Beispiel Marken, die einen eigenen Retail haben, außerdem Produktspezialisten wie Cashmere-Kollektionen oder Hemdenanbieter. Ebenso Better Rich. Helmfried Strupat und Markus Funder haben mit ihrer lässigen Shirt-Sweat-Strickkollektion ein Produkt etabliert, das von Anfang an mit vier Order- und Lieferterminen funktioniert. „Mit diesem Dreimonatsrhythmus halten wir das Risiko überschaubar und sind näher an der Saison“, so Markus Funder. „Was für Sommer Anfang August geordert wird, kommt Anfang November in die Läden. Viele Händler würden im November gern Herbstliches ordern, das nach sechs Monaten in die Läden kommt. Aber bin ich näher an der Saison, kann ich nochmal besser auf Kurzfristiges reagieren. Und bin damit

eher auf der sicheren Seite.“ Die Budgetplanung im Handel habe sich leicht verbessert, meint Markus Funder. „Aber viele sind immer noch überrascht, dass sie in der Salephase so viel Ware übrig haben.“ Kann ein höher getakteter Rhythmus dem Sale Michaela Schirlbauer, Inhaberin Misc: „Ein Ordertermin in der Saison ist mir lieber und dass ich dann nach Bedarf Ware nachziehen kann. Zwischenkollektionen finde ich für mein Konzept nicht notwendig.“

würde er sich wünschen, dass die Liefertermine besser eingehalten würden, wie das zum Beispiel in der Zusammenarbeit mit kleinen italienischen Marken bereits bestens funktioniert. „Shorts Ende August statt am Anfang des Monats machen überhaupt keinen Sinn für mich, aber gerade bei großen Agenturen kann ich mich oft nicht auf feste Liefertermine verlassen. Ich würde mir fixe und verlässliche Liefertermine wünschen, dann könnte ich statt Kick-out-Partys zum Sale auch Kollektionsevents planen, um neue Ware zu promoten.“ Verpasste Chancen?

entgegenwirken? Wenn richtig eingeteilt wird, ja, sagt Funder. „Wir buzzern niemanden mit Ware zu und freuen uns, wenn der Händler Ware und Menge realistisch eingeschätzt hat. Aber am einfachsten vermeidet man Sale, wenn die Begeisterung und Sensibilität da ist. Ein bisschen Rechnen hilft auch enorm, aber Warenwirtschaftssysteme sind lediglich ein Hilfsmittel. Kopf und Bauch gehören zusammen.“ Currywurst und Sushi

Das heißt auch, flexibler werden in der laufenden Saison. Thomas Acksel von Franz und Emil in Dresden ist als Modehändler Quereinsteiger, seinen Menswearstore plus Onlineshop eröffnete er vor rund eineinhalb Jahren. Doch Verschiedenes scheint er für sein Konzept ganz instinktiv richtig zu machen. „In der Vororder platziere ich 20 bis 30 Prozent meines Budgets, ich versuche mir das Beste herauszupicken, vor allem Modisches“, sagt er. „Ist die Ware dann da, schaue ich, was gut ankommt und ziehe entsprechend nach. Andernfalls wäre mein Risiko zu groß.“ Was am Ende dennoch übrigbleibt, wird zum Saisonwechsel bei der Kick-out-Party veräußert, mit Currywurst, Sushi und Rock ’n’ Roll einer Dresdner Band. Doch fast die Hälfte im Geschäft ist Ware, die Acksel grundsätzlich nicht reduziert, wie zum Beispiel Redwing Boots, Jeans von Levi’s Vintage oder Momotaro. „Jeans ganz grundsätzlich nicht zu reduzieren, funktioniert aber nicht, manche Schnitte ändern sich einfach und auch online bist du zu vergleichbar“, sagt Acksel. Generell

Den Königsweg gibt es bei der Terminsteuerung als Instrument gegen Dauersale nicht. „Eher geht es hierbei um Sensibilisierung und um Partnerschaften“, sagt André Berger. „Es wird künftig noch wichtiger sein, dass der Händler die Saison früh mit ausgewählten Industriepartnern plant. Aber mit jeder Marke muss er unterschiedliche Wege gehen.“ Die Ansprüche seien nicht geringer geworden, sagt auch Markus Funder. „Mit Spaß und Engagement kann man dennoch auch heute ganz weit vorn schwimmen. Dazu gehört Flexibilität auch in der laufenden Saison, was noch zu wenigen gelingt.“ Mit dem zu sklavisch eingehaltenen Vororderrhythmus verpasse der Händler Chancen, meint Alexander Petrskovsky selbstkritisch. „Das Vertrauen in André Berger, Inhaber Handstich: „Wir sind eine Marke, die versucht, klare Botschaften zu senden und durchaus in Kauf nimmt, dass sie polarisiert. Um unsere Aussage umfassend zu präsentieren, benötigen wir eine positive Risikofreude unserer Handelspartner, die unser Konzept als Ganzes mittragen.“ kurzfristige Hot Shots muss sich die Industrie erst erarbeiten und stärker zum Bestandteil ihres Orderablaufs machen, darin sehe ich ihren größten Veränderungsbedarf.“ Denn Angebot wie auch Nachfrage haben sich nur punktuell verbessert und angenähert – aber nicht in dem Maß, wie der Markt es offenbar braucht.


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American Vintage. Just in time In diesem Jahr feiert American Vintage zehnjähriges Jubiläum und schenkt sich selbst den Neustart im deutschsprachigen Markt: Mit eigenem Vertriebsteam, einer innovativen Termingestaltung und einer Strategie, auf unternehmerische Risikobereitschaft übersetzt. Die Marke stellt sich selbst und eine anspruchsvolle Komplettkollektion vor. Zuhören lohnt sich. Text: Isabel Faiss. Fotos: American Vintage

„Ich habe die Latte hoch gelegt und scheue nicht davor zurück, Risiken auf mich zu nehmen. Wir erwarten ein hohes Level an Exzellenz von unseren Produkten und Kollektionen“, beschreibt Firmengründer und CEO Michaël Azoulay zwei Grundsätze von American Vintage. Im vergangenen September startete rund um Martina Schmidl als Wholesale Director Germany and Austria ein neues Team, das den bisherigen Importeur ablöst und über die beiden Showrooms in München und Düsseldorf arbeitet. Für Österreich wurde die Agentur von Christian Teufl beauftragt. „American Vintage ist im deutschen Handel bereits sehr gut aufgestellt, wird aber oft als T-Shirt-Brand wahrgenommen – aber wir sind eine Komplettkollektion für Männer und Frauen mit rund 450 Teilen“, erklärt Martina Schmidl. Eine Idee, die anfangs nicht jeder verstand

Was American Vintage so unkompliziert beschreibt, ist in der Umsetzung umso mutiger, denn dahinter steckt eine Produktionsphilosophie, mit der Michaël Azoulay für seine Kunden bewusst ein Risiko eingeht. Das System ist auf eine Real-Time-Order ausgelegt: am 15. Oktober beginnt die Order für Frühjahr/Sommer 2016, die Auslieferung erfolgt

Ende Dezember. Analog dazu die Termine im Frühling mit Orderbeginn Anfang Mai und Auslieferung im Juli und August. Dazwischen gibt es Flashkollektionen, mit denen man situativ auf aktuelle Trends und individuelle Anfragen von Kunden reagiert – aktuell läuft beispielsweise eine Capsule-Kollektion für Online-Imagekunden mit einer Hand voll ausgewählter Fashion Items. Es findet zwar die klassische Vororder statt, doch rund 70 Prozent der Kollektion – größtenteils Basics – sind zu diesem Zeitpunkt bereits als NOS-Programm disponiert und können je nach Ordervolumen kurzfristig justiert werden. Das und die Produktion dieser Teile in Europa ermöglichen die Lieferung innerhalb weniger Wochen. „Anfangs war es etwas schwierig, weil viele dachten, wir würden nur vorgeben, so lange zu warten, um andere Marken zu beobachten, und dann hatten sie kaum noch Budget für uns zur Verfügung. Aber wir konnten sie mit unserer Flexibilität und dem Kundenservice überzeugen, dass es zu ihren Gunsten ist, mit uns zusammenzuarbeiten“, erklärt Michaël Azoulay.

wachsen und wir wollen auf neuen Kontinenten expandieren. Auch neue Stores und Shop-inShop-Konzepte für den Ausbau unseres weltweiten Retailnetzwerkes stehen auf dem Plan. Die Eröffnung unserer deutschen Tochtergesellschaft ist sicherlich ein erster Schritt“, sagt Michaël Azoulay.

„Wir behalten zwar immer im Auge, woher wir kommen, aber gleichzeitig richten wir unseren Blick nach vorne in die Zukunft“. Michaël Azoulay, CEO American Vintage

Es war der erste Schritt

„Unser Ziel ist immer noch das gleiche: Wir wollen die Marke weiter ausbauen. Unser internationaler B2B-Bereich soll weiter style in progress 415


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DIE MACHEN GEMEINSAME SACHE! DAS NEUE WIR IST DIE PROFESSIONELL ÜBERSETZTE RÜCKBESINNUNG AUF EINEN TEILWEISE WEGZIVILISIERTEN INSTINKT: ALLIANZEN SIND EBEN KEIN ANACHRONISTISCHES ERBE DER 1960ER- UND 1970ER-JAHRE, SONDERN HABEN SCHON DEM URMENSCHEN DAS ÜBERLEBEN GESICHERT. VORAUSGESETZT, SIE WERDEN MIT JEDER MENGE FINGERSPITZENGEFÜHL, VERTRAUEN UND INTELLEKT UMGESETZT. Text: Isabel Faiss. Fotos: Unternehmen

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DIE LOBBY

für Kooperationen ist klein wie eigentlich jede Lobby in der Modebranche. Aber in diesem Fall ist es noch bedauernswerter. Umso härter die Zeiten, umso mehr wird Darwins Evolutionstheorie The Survival of the Fittest – das Überleben der am besten angepassten Individuen – mit einzeln Handeln übersetzt. Markus Dielmann von der MK-Gruppe, Lars Braun vom Masculin Modekreis, Marc Kofler von der Adventure Fashion Agency GmbH und Gabriele Frantzen mit How to Market stellen vor, warum Allianzen gestern wie heute ihre Daseinsberechtigung haben. Ihre Konzepte lassen erahnen, wie viel Potenzial in dem Thema stecken würde und was es braucht, um sich auf Augenhöhe zu begegnen. How to Market hat gerade seine Premierenveranstaltung absolviert, der Masculin Modekreis feiert nächstes Jahr sein 45-Jahr-Jubiläum. Alle Konzepte zeigen, dass Allianzen eine klar geregelte Basis brauchen, um sinnvoll und langlebig zu sein. Ist eine Allianz doch immer ein gewisses Zugeständnis. Man weiß Details um die Stärken und Schwächen des anderen, sagt sich gegenseitig die Meinung – mit einem gemeinsamen Ziel: Erfolg.

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DIE MK-GRUPPE DIE NEUE GENERATION Wenn Markus Dielmann vom gleichnamigen Schuhhandelsfamilienunternehmen aus Darmstadt vom Konzept der MK-Gruppe erzählt, klingt das nach heiler Welt. „Aber wir sind keine Insel der Glückseeligen. Manche Entwicklungen treffen uns genauso brutal wie alle anderen im Markt.“ Das Prinzip ist allerdings genial: Niemand partizipiert nur am Erfolg des anderen, sondern jeder trägt durch seinen eigenen aktiv bei. Die MK-Gruppe kooperiert durch internen Wissenstransfer, bietet ihren Mitgliedern aber auch die Möglichkeit, gemeinsam Geschäft zu machen. Sie waren Pioniere mit ihrem losen, freundschaftlichen Verbund von inhabergeführten Schuheinzelhändlern in Deutschland und der Schweiz. Inzwischen gehören zehn namhafte Unternehmen zur MK-Gruppe, die über 180 Filialen an über 100 Standorten betreiben. Im Kollektiv nützen sie Synergien und bündeln ihre Kräfte, an erster Stelle steht aber vor allem der persönliche Erfahrungsaustausch. Dafür finden in regelmäßigen Abständen informelle Treffen statt, achtmal im Jahr eine eigene Hausmesse in Bad Dürkheim und gemeinsame Ordertermine. Viele deutsche Schuhhändler hatten für italienische Schuhe ein Beschaffungsproblem, das es zu lösen galt. Die MK-Gruppe wollte an neue Märkte und Kollektionen herankommen und auf Augenhöhe mit den Lieferanten verhandeln. Anfangs saßen drei Unternehmen mit am Tisch, inzwischen sind es zehn. „Unser Verbund wurde bereits von der Elterngeneration der meisten heute tätigen Inhaber gegründet“, erklärt Markus Dielmann. Er spricht damit auch eine der größten Herausforderungen an, der sich die Gruppe stellen muss: dem Generationswechsel und der

Tatsache, dass zukünftig immer weniger Inhaber mit am Tisch sitzen werden, die auch Einkäufer sind. „Während es für die MK-Gruppe früher darum ging, überhaupt an Schuhe heranzukommen, geht es heute darum, sich im Wandel der Märkte, der Beschaffung und der Absatzsituation offen auszutauschen, damit jedes Unternehmen für sich wettbewerbsfähig bleibt.“

GEMEINSAME MARKEN Der wichtigste Synergieeffekt ist der Abstimmungs- und Orderprozess der inzwischen zehn Eigenmarken von vier Unternehmen. „Wir haben in der Gruppe gemeinsame Marken, die entwickelt werden müssen. Das ist einerseits eine Marketingaufgabe, die das jeweilige Mitglied übernimmt, dem die Marke gehört. Wenn es aber darum geht, die Kollektion weiterzuentwickeln und konkrete Produkte auszusuchen, wird die Gruppe von dem Moment an beteiligt, in dem jeder die Möglichkeit hat, sich mit einer Order anzuhängen.“ Besonders stark entwickeln sich die Eigenmarken Sommerkind, Helén Billkrantz, Van der Laan und Carrera Panamericana, mit ihnen werden rund 80 Prozent des gesamten Eigenmarkenumsatzes erzielt. „Durch das Wachstum, das wir in den letzten Jahren erreicht haben, ist der Abstimmungsaufwand zwischen den Mitgliedern sehr groß geworden. Zu diesem Zweck haben wir ein neues Onlineordertool eingeführt, weil es die Informationspolitik in der Gruppe automatisiert.“ Der Nebeneffekt ist, dass jedes Mitglied mitbekommt, wenn bei einem Kollegen ein Schuh besonders gut läuft, oder dass er im laufenden Betrieb einen Topseller nachzieht. Alles zirkuliert und jeder kann sich einer Nachbestellung anschließen. „Dadurch versprechen wir uns auch eine Beschleunigung in den Sorti-

„WENN ICH MIT EINEM KOLLEGEN SPRECHE, DER EINE VÖLLIG ANDERE PHILOSOPHIE HAT UND VON DEM ICH WEISS, DASS ER DAMIT ERFOLGREICHER IST ALS ICH, GIBT MIR DAS WERTVOLLE DENKANSTÖSSE.“ MARKUS DIELMANN, MK-GRUPPE

menten und das Mitnehmen von hohen Dynamiken in der Nachfrage, da wir unsere Marken mit Lieferanten umsetzen, die schnell liefern. Für mich sind es die Herausforderungen der Zukunft, eine schnelle Wareneinsteuerung, eine verlässliche Anlieferung und weniger komplex behaftete Logistikkonzepte zu haben“, sagt Markus Dielmann.


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ADVENTURE FASHION AGENCY GMBH DAS AGENTURKONGLOMERAT

„MANCHE SAGEN, SO EIN EINKAUFSVERBUND IST EIN ANACHRONISMUS. DAS IST ER ABER MEINER MEINUNG NACH NICHT, SONDERN EINE SEHR MODERNE FORM DER INDIVIDUELLEN KOOPERATION.“

LARS BRAUN, MASKULIN MODEKREIS

MASCULIN MODEKREIS EIN WUNDERBARES VEHIKEL Um es bescheiden auf den Punkt zu bringen: Sie vereinen das Who-is-Who der Luxusretailer in Deutschland, Österreich und der Schweiz in ihren Reihen. Der Masculin Modekreis wurde 1971 gegründet und zählt inzwischen 15 Mitglieder mit 18 Standorten, darunter Firmen wie Braun, Lodenfrey, Sagmeister und Graenicher. Neben der Eigenmarke Simon

Gray produziert die Gruppe drei Masculin Print-Journale pro Saison – es war damals auch der Gründungsgrund: „Man fühlte sich nicht mehr wohl damit, wie Designer Menswear und der damit verbundene Anspruch abgebildet wurde. So gründete man eine Werbegemeinschaft, nannte sich Masculin und fand das C besonders. Inzwischen ist daraus eine Unternehmergemeinschaft geworden, die sich über die Jahre hinweg immer wieder neu erfunden hat“, erklärt Lars Braun. Er wurde in die Gruppe buchstäblich hineingeboren. Sein Großvater erlebte noch, wie sich das Unternehmen 1980 unter Jean Braun, seinem Vater dem Masculin Modekreis anschloss. Er selbst übernahm schließlich die Geschäftsführung und kümmert sich heute um alle Belange der GmbH mit Sitz in Mainz. „Ich glaube sehr an das Thema Masculin. Es ist ein wunderbares Vehikel, um einen Teil der Baustellen, die heute jeder Händler zu lösen hat.“ Ein sehr transparenter Zahlenaustausch und Informationen beispielsweise darüber, wer wovon wieviel verkauft hat und was besonders gut oder schlecht lief, stehen im Vordergrund. Aber auch individuelle Trial-and-Error-Erfahrungen zu Steuer, Rabatten oder Events. Dafür finden viermal im Jahr Klausurtagungen statt.

Eigenmarke Simon Gray ist ein essenzieller Bestandteil des Sortiments, „doch wir haben damit noch viel Luft nach oben und diskutieren momentan sehr intensiv, in welche Richtung es gehen könnte“, sagt Lars Braun. Als größte Herausforderung für die Zukunft nennt Lars Braun neben dem Strukturwandel im Einzelhandel vor allem das Onlinegeschäft. „Das Onlinegeschäft ist uns sehr wichtig, daher sind natürlich die Onlinepräsenzen auch entsprechend groß – und ähnlich. Außerdem haben wir in unserem vermeintlich sehr homogenen Kreis einen hohen Grad an Heterogenität hinsichtlich Luxuspreislagen, Positionierung und Groß- und Kleinstadtlagen.“ Heterogen könnte man auch die Reaktionen des Handels auf den Einkaufsverbund bezeichnen, denn die Bandbreite reicht von Applaus bis zu Fragezeichen in den Augen. „Die Italiener haben dafür überhaupt kein Verständnis, sie können nur bedingt etwas damit anfangen. Manche Marken meckern, wenn sie nicht die gewünschten Volumina auf den Tisch bekommen, denn die Erwartungen sind entsprechend hoch – aber alle jubeln, wenn wir sie listen.“

Das einzige, was sich Modeagenturen in der Regel teilen, ist ein vager Termin. Marc Kofler, Inhaber der Adventure Fashion Agency GmbH, hat in der letzten Orderrunde eine ganz neue Idee vorgestellt, die auf den ersten Blick nach einer Miniaturmesse in exklusivem Rahmen aussieht, den Kooperationsgedanken hinter den Kulissen aber noch viel weiter denkt. Drei befreundete Agenturen lud er ein, sich zu einem gemeinsamen Termin in der Villa Rheinperle in Düsseldorf zusammenzuschließen und dort eine gemeinsame Veranstaltung zu machen. „Die Idee ist eigentlich dadurch entstanden, dass ich einen Spezialisten für Menswear gesucht habe. Da ich Patrick Stalherm aus der Vergangenheit kenne, habe ich ihn angesprochen, ob er nicht Lust hat, für uns die HAKA zu verkaufen und als Gegenzug seine Kunden mitzubringen“, erklärt

GROSSE SCHNITTMENGE Die wichtigste Schnittstelle der Gruppe ist aber das Masculin Journal. Darin stellen die Mitglieder Highlights aus ihrem Sortiment vor und geben den Kunden einen Ausblick auf die kommenden Themen und Trends. Fünf Mitglieder kümmern sich ehrenamtlich um die Auswahl des Sortiments für das Journal, aus dem sich jedes Mitglied dann wiederum seine ganz eigene Auswahl zurechtschneidern kann – im eigenen Interesse ist die Schnittmenge groß. Die

„ICH SEHE IMMER NOCH DEN EINZELKAMPF IM EINZELHANDEL. HINTER DEN KULISSEN WIRD GEFIGHTET, UM LABELS UND UM MARKTANTEILE.“ MARC KOFLER, ADVENTURE FASHION AGENCY GMBH

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Marc Kofler. Patrick Stalherm unterstützt bei Adventure die Marken Corneliani, Mitchumm und Invicta. Nach dem gleichen Prinzip kamen Gilda Mak und Rüdiger Matton mit hinzu, die ihre Marken mitbrachten und bei Adventure Kollektionen übernahmen.

EINE HAND WÄSCHT DIE ANDERE

„Indem wir den Agenturinhabern zusätzlich eine Verantwortung für eigene Marken geben, macht die Kooperation noch mehr Sinn, weil wir auch professionelle Unterstützung für das eigene Angebot bekommen.“ Die übrigen Vorteile liegen auf der Hand: Der Kunde bekommt ein gebündeltes, umfangreiches Angebot wie in einem Departmentstore präsentiert und steigert damit die Effizienz seines Termins. Gleichzeitig kommen neue Kontakte zustande. „Dadurch, dass wir alle Menschen sind, haben wir unterschiedliche Arten des Ansprechens und Verkaufens. Der eine hat zu diesem Kunden einen besseren Zugang, der andere zu einem anderen. Jeder profitiert von der Professionalität des anderen, von dessen Kontakten und Erfahrungswerten.“ Marc Kofler möchte mit seiner Veranstaltung auch den Standort Düsseldorf stärken. Denn von Messen, auf denen sich kleine Agenturen für viel Geld eine logistische Plattform anmieten, um sich dann Bazar-ähnlich um die Händler zu scharen, hält er wenig. „Bei uns merkt der Händler nicht, dass er eigentlich von verschiedenen Profitcentern bedient wird. Wir achten sehr darauf, dass sich alle Marken optimal ergänzen.“ Selbstredend, dass, was in Düsseldorf erfolgreich war, auch in München umgesetzt wurde.

HOW TO MARKET DER MOBILE POP-UP-STORE

Ob Allianzen im Einzelhandel letztendlich über Eitelkeit, Gebietsschutz oder schlichtweg den Mangel an guten Ideen stolpern? Warum nicht einen kompetenten Partner mit einem stimmigen Konzept ins Haus holen, der Dinge umsetzt, für die einem selbst schlichtweg die Zeit fehlt? Wer Gabriele Frantzen, Inhaberin der Agentur Best of 19 und Schmuckdesignerin aus München kennt, weiß, dass sie sich von Grenzdenken nicht abhalten lässt. Gemeinsam mit der Journalistin Sabine Spieler hat sie in diesem Sommer eine Idee umgesetzt, die ihr in New York kam. „Ich nahm an vielen Trunk Shows teil. Mich hat das überzeugt, diese Flexibilität, das Unerwartete hat mich inspiriert. Trunk Shows sind immer situativ und unexpected. Dem Einzelhändler, der eben nicht die Zeit dafür hat, sich neben dem Tagesgeschäft auch noch um eine Sortimentserweiterung zu kümmern, bieten wir diesen Effekt des Unerwarteten. Wir machen seinen Retail Space zum Happening Space.“ So entstand ihr Consulting-Package für einen mobilen Pop-up-Store. Auf Anhieb überzeugte sie namhafte Händler – im September fand bei Odeeh während der Vogue’s Fashion Night Out die erste Veranstaltung statt und im November folgen weitere bei Sagmeister und Engelhorn.

FREQUENZ DURCH KOMPETENZ Gabriele Frantzen kennt beide Seiten der Medaille und weiß nur zu gut, wie viel Arbeit hinter der Zusammenstellung und Pflege eines besonderen, kleinteiligen Sortiments steckt. Daher bietet sie das Gesamtpaket inklusive allen Produkten, einem professionellen Verkaufsteam und der Kernkompetenz der

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„ES GEHT HEUTE MEHR DENN JE UM KURATIERTE ANGEBOTE, UM EMOTIONALE ANSPRACHE UND HANDVERLESENE SORTIMENTE MIT STARKEN EINZELSTÜCKEN.“ GABRIELE FRANTZEN, HOW TO MARKET

beiden Initiatorinnen in Sachen Einkauf, Verkauf und Kommunikation an. „Der Einzelhändler per se hat heute kaum noch die Zeit, sich um kleinteilige Dinge zu kümmern. Da kommen wir mit How to Market ins Spiel. Wenn der Einzelhändler unser Konzept einkauft, installieren wir für ihn einen temporären Pop-up-Store in seinem Laden“, erklärt Gabriele Frantzen. Das Produktportfolio von How to Market präsentiert Highlights aus den Kategorien Beauty, Food, Lifestyle, Dekoration, Mode und Accessoires. „Frequenz durch Kompetenz ist unser Slogan. Indem wir neue Produkte in die Läden bringen, setzen wir die Schwellenangst

der Laufkundschaft herunter, wir bringen Individualität mit und es ist ein neuer Weg, Verkauf zu machen. Wir nehmen dem Handel sozusagen die Party ab! Das geht von der Gestaltung des Sortiments bis hin zum Design und Layout der Einladungen, von Social Media bis zur Pressearbeit. Unser Ziel ist es, das Sortiment des Händlers zu kuratieren, daher gibt es spezielle Aktionen wie täglich den Look of the Day, der sich aus dem Gesamtsortiment zusammensetzt.“ Der Einzelhandel profitiert von mehr Frequenz und neuen Kunden. Und die teilnehmenden Marken erhalten die Chance, sich in ReferenzStores zu präsentieren.


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EINER FÜR ALLE ... … und alle für Club Homeboy. Jürgen Wolf hat einen großen Wurf gelandet: Er holte sich das Who-is-Who der richtigen Händler an einen Tisch und konzipierte gemeinsam eine Kollektion, die Erfahrungswerte und Kompetenz aller zu einem gemeinsamen Konzept bündelt. Wirtschaftlich kann mit diesem Ansatz keine (Eigen-)Marke mithalten. Text: Isabel Faiss. Fotos: Club Homeboy

Jürgen Wolf hat eigentlich schon alles gemacht, was man machen kann. Er startete im Vertrieb, gründete die Marke Homeboy sozusagen auf dem Rückflug von Los Angeles nach Frankfurt, kaufte 1998 den größten Action Sport Verlag Europas und verlor aufgrund eines gescheiterten Börsengangs über Nacht so ziemlich alles. Die Auszeit, die er damit ungeahnt gewann, nutzte er auch für Schritte jenseits der Branche und konnte den Blick auf den Streetwearmarkt von außen durch die Brille des Insiders richten. Ein spannender Perspektivwechsel, der ihm zeigte, dass es eine große Zielgruppe von Männern um die 40 gibt, die in den 1990er-Jahren selbst in Skate- und Streetwear aufwuchsen, ihr inzwischen aber buchstäblich entwachsen sind. Über die kulturellen Wurzeln der Skate- und Streetwear kann Jürgen Wolf Romane schreiben, es ist auch die Geschichte seiner eigenen Jugend. So lag 2013 die Idee zum Relaunch von Homeboy auf der Hand, als erwachsene Variante für einen neuen Kunden. „Der Gap zwischen Streetwear und Menswear war meiner Meinung nach einfach viel zu groß und umso mehr ich mich um dieses Thema kümmerte, umso mehr viel mir die Nachfrage im Markt auf.“ Die Idee zu Club Homeboy war geboren. „Ich wollte mich mit einer Hand voll Multibrandhändlern an einen Tisch setzen und gemeinsam eine Kollektion konzipieren, die allen Beteiligten das gibt, was sie

brauchen. Und die kannte ich, also habe ich sie angerufen und eingeladen, sich zu treffen, ganz locker. Mit dabei waren unter anderem Reischmann, die Yeanshalle und Wöhrl. Wir haben uns ausgetauscht und ich habe meine Gedanken zum Markt und zur Zielgruppe vorgetragen.“ Nach drei Stunden war eindeutig klar, dass alle das gleiche Problem haben und die Idee gut fanden.

ZEHN PROZENT CLUBGEBÜHR Es gibt sechs Kollektionen pro Jahr. Im ersten Meeting präsentiert Jürgen Wolf seine Kollektionsidee für die nächsten sechs Monate, er zeigt aber nur Spitzen, die diskutiert werden. Danach arbeitet er mit seinem Team das Feedback aus und lässt den kommerziellen Part einfließen. „Am Ende liegt eine Musterkollektion auf dem Tisch, die wir gemeinsam erarbeitet und rund gemacht haben. Diese wird nach acht Wochen geliefert, womit wir mit der Order sehr nah an den Auslieferungstermin rutschen. Die Umsetzung von modischen Schnellschüssen gehört ebenso zum Plan. Ich gebe alle Artikel zu meinem Produktionspreis an die Clubmitglieder weiter. So bekommen wir ein Produkt mit einer unglaublichen Marge, die höher liegt als bei jeder Eigenmarke. Als Entlohnung nehme ich zehn Prozent vom Verkaufspreis als Clubgebühr, in der die Kosten für Design, Produktion und Marketing

„WENN WIR UNS IM CLUB DARAUF VERABREDEN, DASS EINZELNE ARTIKEL ZUM GLEICHEN PREIS AM GLEICHEN TAG REDUZIERT WERDEN UND KEINER EINEN ALLEINGANG MACHT, IST DAS EINER DER VIELEN VORTEILE, DIE CLUB HOMEBOY FÜR DEN HANDEL BIETET.“ JÜRGEN WOLF enthalten sind.“ Ende dieses Jahres wartet die Feuertaufe auf Club Homeboy – dann erstmals im Handel. style in progress 415


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und (immer) da Made in ganz weit weg? Das finden Konsumenten zunehmend unschick, besonders im hochwertigen Segment. Doch es gibt noch bessere Argumente für die Produktion vor der Haustüre: Schnelligkeit zum Beispiel. Text: Kay Alexander Plonka. Illustration: Claudia Meitert@Caroline Seidler

Wenn Wurstfabrikanten vegetarische Produkte anbieten, könnte man meinen: Irgendwas läuft ganz falsch – oder ganz richtig. Die Lebensmittelbranche hat vorgemacht, dass ein anderes Konsumverhalten möglich ist. Bio wird immer öfter als selbstverständlich erachtet und lokal erzeugte Produkte einzukaufen, ist mindestens genauso wichtig wie das Fair-Trade-Siegel bei Kaffee, Bananen oder Schokolade. Langsam aber sicher zieht die Modebranche nach: Missstände in der Textilindustrie – egal ob in Kambodscha, Bangladesch oder der Türkei – haben dazu beigetragen, dass immer mehr Menschen ihr Konsumverhalten hinterfragen und sich den Luxus

leisten, Textilien oder Schuhe bewusster einzukaufen und deren Herstellungsbedingungen zu hinterfragen. Dominik Meuer vertritt mit Die Hinterhofagentur Marken wie Cape Horn und Breco’s aus Italien oder Des Petits Hauts aus Frankreich, die nahezu ausschließlich in ihren Herkunftsländern oder in der EU produzieren und sagt: „Made in Italy oder made in France ist mit einer Erwartungshaltung der Kunden verbunden. Im hochpreisigen Sportswearsegment ist es heute schon fast eine Voraussetzung, um zum einen entsprechende Preislagen zu rechtfertigen und zum anderen durch raffinierte Veredelung, exklusive Stückzah-

len und hochwertige Qualitäten gegenüber Produkten aus Asien einen Vorsprung zu haben. In Europa zu produzieren, heißt letztendlich auch in das Produkt und nicht in die Transportkosten zu investieren. Die Menschen kaufen immer bewusster ein und bei Kleidung aus der EU ist klar, dass keine Giftstoffe zum Einsatz kommen und Sozial- oder Arbeitsschutzstandards eingehalten werden.“ Fair geht vor

„Fairness ist ein unverzichtbarer Bestandteil des Sports!“, schreibt der Deutsche Fußball-Bund auf seiner Website. Ein Motto, das mühelos auf die Geschäftspraktiken vieler Familienunternehmen style in progress 415


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in der Textilbranche übertragen werden kann, von denen viele schon seit Jahrzehnten ohne plakative Zertifizierung und Siegel auskommen. Denn oft wichtiger als ein Prüfzeichen ist die Grundeinstellung der Unternehmer. Ein gutes Beispiel ist die Schweizer Marke Artigiano, die seit den „Made in Italy oder made in France ist mit einer Erwartungshaltung der Kunden verbunden.“ Dominik Meuer, Die Hinterhofagentur aus München

1970er-Jahren Hemden und Blusen in der eigenen Fertigungsstätte im Norden von Portugal sowie im Tessin teilweise als Maßanfertigungen produziert. Nun wurde im September 2014 eine weitere Produktionsstätte mit zwölf Mitarbeitern im Schweizer Tessin eröffnet. Das Schneideratelier ist mit neuesten Maschinen ausgestattet und nur zweieinhalb Stunden Fahrzeit vom Hauptsitz des Unternehmens in Neerach entfernt. So kann schneller auf Trends reagiert werden, zudem lassen sich Logistik und Lagerkosten optimieren. „Kunden können mehrmals im Laufe einer Saison nachbestellen“, erklärt Projektleiterin Aline Aeberhard. In der schweizerischen Produktionsstätte wird ein Hemd vom Zuschnitt bis zum Legetisch in allen Schritten im Haus produziert, es trägt sein Label „Made in Switzerland“ völlig zurecht. Die Seidenstoffe für die Damenblusen stammen beispielsweise aus Italien und werden am Comer See gefärbt. „Kurze Wege zu den Lieferanten ermöglichen schnelleres und flexibleres Agieren und damit bessere Servicequalität für unsere Kunden. Kleine Stückzahlen oder einzelne Serien mit Stickereien lassen sich so problemlos umsetzten“, sagt Aeberhard. Die Hemden und Blusen aus der Schweiz werden in 18 Länder exportiert. „Für die Kunden wird es immer wichtiger, woraus und von wem ein Produkt gefertigt wird. Wir setzen ganz bewusst auf den Manufakturstandort Schweiz auch aus marketingtechnischer Sicht, um die Marke zu stärken. Aber in erster Linie, weil 415 style in progress

wir unserer Verantwortung gerecht werden wollen. Bei einem Hemd aus der Schweiz ist klar, dass es nicht unter fragwürdigen Umständen hergestellt wurde. Produktionskosten allein sind in unserem Segment nicht ausschlaggebend. Freilich muss der Preis wettbewerbsfähig bleiben, die Stoffqualität besser sein und das Produkt feiner und durchdachter – nur ein Herkunftsnachweis aus der Schweiz allein reicht nicht aus.“ Die richtige Zielgruppe ansprechen

Besonders Männer begeistern sich für langlebige Qualitätsprodukte made in Germany. Das kommt Mey aus Albstadt bei der in diesem Sommer gelaunchten Marke Mey Story zugute. Mit der zehnteiligen Kollektion schafft der renommierte Unterwäschehersteller den Sprung in die Sortimente von HAKA-Läden. Alle Teile von Mey Story werden vollständig in Deutschland aus feinster handgepflückter Pima Baumwolle aus Peru von Hand gefertigt. Neu ist, dass es sich bei dieser Linie um eine komplett eigene Markenwelt handelt, die separiert von den klassischen Wäschekollektionen

„Unsere Ziel ist es, das feinste weiße T-Shirt zu machen.“ Michael Prues, Head of Business Development von Mey Story

nur im gehobenen Facheinzelhandel oder ausgewählten Conceptstores erhältlich ist. In Deutschland und Österreich wird Mey Story von der Agentur Heritage Agents und in der Schweiz von der Agentur The Wearhouse vertrieben. Mitte September war das Produkt zum ersten Mal im Handel. Nicht irgendwo, sondern in Läden wie Andreas Murkudis, Lodenfrey, Schnitzler, Engelhorn, Volls, Sagmeister, Kastner & Öhler oder Neumann. Die VK-Preise für T-Shirts in den Variationen V- und Crew-Neck starten bei 59,90 Euro, Unterhemden und Shorts kosten ab 39,90 Euro. Michael Prues, Head of Business Development von Mey Story

erklärt: „Unser Ziel ist es, das feinste weiße T-Shirt zu machen. Ein Produkt ohne modische Halbwertszeit in Topqualität. Die speziell entwickelte Passform

„Für die Kunden wird es immer wichtiger, woraus und von wem ein Produkt gefertigt wird.“ Aline Aeberhard, Artigiano

beruht auf langjähriger Erfahrung der deutschen Produktionsstätten. Von der Faser bis zum fertigen Teil wird großer Wert auf höchste ökologische Standards gelegt. Mit Mey Story richten wir uns an eine sehr anspruchsvolle Zielgruppe, für die Nachhaltigkeit, umweltverträgliche Produktion sowie Traditionen und Handarbeit einen sehr hohen Stellenwert haben. Unser Feedback aus dem Handel ist, dass zum einen das Trageerlebnis als auch das Preis-Leistungs-Verhältnis als einzigartig empfunden werden. Zudem sprechen wir hier über Produkte, die wir auf Lager haben. Die Bestände im Handel können wir zu jeder Zeit wieder aufstocken.“ Gutes muss nicht teuer sein

Qualität hat ihren Preis. Dass Produkte von besserer Qualität für den Endverbraucher in einem erschwinglichen Preisrahmen liegen können, zeigt Espadrij l’originale. Im Jahr 2009 startete Felix Staeudinger, Inhaber der Agentur Panorama Europe, mit der Produktion von klassischen Espadrilles aus Canvas mit Naturkautschuk beschichteten Sohlen aus Jute. „Schuhe herzustellen, die eine deutlich längere Lebensdauer haben, ist ein wichtiger Schritt in Richtung Nachhaltigkeit. Mir war es wichtig, zu beweisen, dass es möglich ist, in Europa zu produzieren und die Schuhe dennoch in einem kommerziellen Preisrahmen anzubieten, damit sich viele Menschen unsere Produkt leisten können“, erklärt Staeudinger. Die Stoffe werden in Spanien gewebt. In einem kleinen Dorf in den französischen Pyrenäen werden die mediterranen Slipper auf traditionelle Art von Hand vernäht. Ein Paar kostet 29,95 Euro. Besonders gefragt sind sie bisher bei der Zielgruppe der 30-

bis 40-Jährigen, die sie mit ihren Kindheitserinnerungen vom Urlaub am Mittelmeer verbinden. „Made in France spielt eine große Rolle. Wir wollen die EU als Produktionsstandort stärken. Der Produzent ist uns am Anfang entgegengekommen, damit wir für den Markteintritt trotz geringer Abnahmezahlen wettbewerbsfähig sein konnten. Heute, trotz der viel höheren Stückzahlen, zahlen wir immer noch den gleichen Preis wie vor sechs Jahren. Hier gilt das Motto Leben und leben lassen.“ In der kleinen Manufaktur arbeiten zehn Mitarbeiter und gerade wird aufgrund der weltweiten Expansion von Espadrij l’originale eine neue Halle gebaut. Mittlerweile gibt

„Mir war es wichtig zu beweisen, dass es möglich ist, in Europa zu produzieren und die Schuhe dennoch in einem kommerziellen Preisrahmen anzubieten.“ Felix Staeudinger, Espadrij l’originale, Panorama Europe

es Chukka Boots für Männer und verschiedene Modelle mit Keilabsatz für Frauen sowohl aus Canvas als auch Veloursleder zu VK-Preisen bis 79,90 Euro. Das ganze Jahr über wird produziert. Im Lager in Düsseldorf sind alle Farben und Größen stets vorrätig. Mittlerweile wird nach Australien, China, Japan und in die Arabischen Emirate exportiert. Der nächste Schritt ist so clever wie konsequent: Auch Kinder sollen bald in nachhaltig produzierten Espandrilles laufen können.


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Stetson Europe. Handwerk mit Zukunft Wo zum Himmel liegt Hartha? Im Herz von Sachsen. Dort entstehen, egal, ob aus Cashmere, Loden, Leinen, Seide, Leder oder einfach nur aus reiner Schurwolle, Schirmmützen von Stetson. Text: Kay Alexander Plonka. Fhotos: Stetson

Wie die 1865 gegründete US-Marke Stetson nach Sachsen kam? Ganz einfach, die Friedrich W. Schneider GmbH aus Köln, der europäische Lizenznehmer der Marke, fand hier seltene Ressourcen: Handwerk, Können und vor allem Handwerker, die in bester Manufakturarbeit jährlich rund 35.000 Mützen fertigen. Zwischen Dresden, Leipzig und Chemnitz gelegen, hat die Friedrich W. Schneider GmbH & Co. KG ihre eigene Produktionsstätte in Hartha, in der neben den sogenannten Ballonmützen auch Angler- oder Regenhüte, Fell-Schapkas oder Deerstalker-Mützen – besser bekannt als Kappe von Sherlock Holmes – gefertigt werden. „Da, wo es geht, investieren wir lieber in die Qualität des Produktes als in lange Transportwege. Strickmützen lassen wir im Allgäu und in der Oberpfalz fertigen. Die originalen Cowboyhüte kommen aus den USA, Baseball Caps aus Asien und Strohhüte aus Panama, aber wir produzieren auch in Tschechien und Polen. Mittlerweile schließt sich die Transportkostenschere wieder und die Produktion in Europa macht zugunsten von besserer Qualität und kürzeren Lieferwegen viel mehr Sinn als noch vor ein paar Jahren“, erklärt Geschäftsführer Klaus Kirschner. Familientradition

In Hartha werden neue Modelle entwickelt, die Muster gefertigt, Fehler von Lohnfertigern korrigiert sowie die Materialprüfung und Qualitätskontrolle durchgeführt. Betriebsleiterin Anne-Kathrin Heinersdorff und ihr Mann waren 1992 von Berlin nach Hartha umgesiedelt, um das Mützenwerk zu gründen. Schon ihre Schwiegermutter hatte in einer Berliner Mützen-

fabrik gearbeitet. Im Jahr 1998 erfolgte der Zusammenschluss mit der Friedrich W. Schneider GmbH & Co. KG dem bis dato größten Kunden. Aus der kleinen Firma entwickelte sich im Laufe der Jahre eine hochspezialisierte Manufaktur mit heute 25 Mitarbeitern, in der auch schon die dritte Generation der Familie arbeitet. „Mützenmacher ist kein Ausbildungsberuf mehr. Näherinnen und Zuschneiderinnen kommen aus der Textilindustrie und werden bei uns auf Mützen spezialisiert. Mit viel Liebe zum Detail, handwerklichem Geschick und großer Sorgfalt stellen wir aus hochwertigen Stoffen und Ledern von bester Qualität Mützen mit exzellenter Passform her“, erklärt Heinersdorff. Spezialisiert und Flexibel

Mützen mit einem VK-Preis von unter 89 Euro werden nicht in Hartha produziert, weil es nicht kostendeckend umzusetzen ist. Dafür ist man hier besonders flexibel und kann auch Nachbestellungen, Einzelanfertigungen, Sondergrößen, Kleinserien wie die Premiumlinie mit aufwändigen Details zum 150-jährigen Jubiläum oder Special Editions wie für Gasoline Alley in München, Burg & Schild in Berlin oder die Kooperation mit Red Wing Shoes schnell realisieren. Nun gut, schnell ist relativ. Das Mützenmachen per Hand erfordert Muße: Nachdem Stoffe und Futter zugeschnitten und vernäht sind, werden die Schirme angesetzt und die Nähte mit Hilfe einer alten Bügelmaschine aus den 1930er-Jahren geglättet. Ein Arbeitsschritt, der längst nicht mehr selbstverständlich ist. Ebenso wie das anschließende, besonders zeit-, arbeits- und kostenintensive Blocken der Mützen. Dabei werden die Mützen mittels heißem Dampf

und einer fünfteiligen Holzform von Hand in ihre exakte Größe und Passform gebracht – in Asien sind solche Arbeitsschritte vollautomatisiert, dafür aber längst nicht so präzise. „Ein wesentliches Merkmal für eine gut sitzende Mütze von ausgezeichneter Qualität“, sagt Anne-Kathrin Heinersdorff. Mit Stolz. www.stetson-europe.com

Stetson-Geschäftsführer Klaus Kirschner ist stolz auf die Produkte aus der deutschen Fertigung wie die Mützen zum 150 Jahre Jubiläum der Marke.

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076 SO LÄUFT’S NEU DENKEN

Quantum Courage. Nur Mut 2013 hat Maximilian Koehler sein Modelabel lanciert, das bei 95 Tophändlern in Europa verkauft wird. Erst 25 Jahre jung, lebt er seinen Traum, jettet zwischen Saint-Tropez, Paris und München hin und her. Im Gespräch mit style in progress erklärt er, wie er seine Marke mit positiver Energie auflädt und mit jeder Menge Mut eine Lücke füllt. Text: Kay Alexander Plonka. Fotos: Andreas Ortner

Ganz oben angekommen: Für sein Label Quantum Courage wollte Maximilian Koehler nur die besten Händler ansprechen – es hat funktioniert.

Welches Konzept und welche Philosophie steckt hinter Quantum Courage?

dafür, dass wir eine langfristige Zusammenarbeit umsetzen können.

Das Leben ist zu kurz, um es zu verschwenden. Quantum Courage steht für eine Unmenge Mut und Mut wird immer belohnt. Jedes unserer Produkte ist personalisiert und gewährleistet den Aspekt der Nachhaltigkeit.

95 Top-Stores in zehn europäischen Ländern, wie haben Sie das in so kurzer Zeit geschafft?

Was machen Sie anders als andere Labels?

Quantum Courage arbeitet grundsätzlich nur mit den exklusivsten Händlern in Europa zusammen. Wir verzichten bewusst auf Messeauftritte. Unser Anspruch ist es nicht, dass jede Boutique unsere Kollektion einkaufen kann. Wir selektieren die besten Häuser, kontaktieren die Einkäufer persönlich und besuchen sie vor Ort. Dieser Weg ist zwar zeit- und kostenintensiver, schafft aber die Voraussetzung 415 style in progress

Wer hart arbeitet und eine klare Strategie vor Augen hat, kann seine Ziele auch realisieren. Wir überzeugen durch unsere Geschäftsidee: Sehr hochwertige Qualität, modebewusste Schnitte, ausdrucksstarke Motive und limitierte Auflagen. Ein Produkt mit Alleinstellungsmerkmal. Wenn man Ihr Label googelt, fällt auf, dass Sie nicht mit Onlinestores zusammenarbeiten. Warum?

Wir haben uns in den letzten zwei Jahren in erster Linie darum gekümmert, unsere Marke in den besten Stores in Europa zu platzieren und den Bekanntheitsgrad

zu steigern. Gesundes Wachstum und exklusiver Gebietsschutz für unsere Vertriebspartner sind aus unserer Sicht wichtig. Sie produzieren in Europa, das Design kommt aus Frankreich, die Marke aus Deutschland. Wie wichtig sind diese Faktoren für Ihre Händler und Kunden?

Um den hohen Standard zu garantieren und unseren eigenen Ansprüchen hinsichtlich der Einhaltung von Arbeitsschutzrichtlinien, Menschenrechten und umweltfreundlicher Produktion gerecht zu werden, sind diese Faktoren unverzichtbar. Wie vermeidet man es, nicht binnen weniger Saisons verheizt zu werden?

Man muss seinem Konzept treu bleiben und permanent sehr gute Qualität liefern. Wenn unsere Kunden zufrieden sind, dann ist

das Bestätigung für unsere Arbeit und Motivation für weitere Kollektionen. Nachlassende Qualität oder ein Überangebot an Ware enttäuschen den Kunden. Celebritys, Facebook, Instagram, was ist heute unverzichtbar, um den Erfolg einer Marke voranzutreiben?

Social Media ist ein wichtiger Bestandteil. Wenn, wie bei uns, noch Stars wie Uma Thurman, Lena Gerke oder Mats Hummels die Produkte tragen, hat das eine sehr positive Auswirkung auf die Wahrnehmung der Marke. Genauso wichtig ist es, mit starken Partnern zu arbeiten. www.quantumcourage.com


SO LÄUFT’S 077 NEU DENKEN

New Balance. God save the Sneaker Im Nordwesten Englands produziert der US-amerikanische Sportartikelhersteller New Balance seit den frühen 1980er-Jahren Laufschuhe. Heute werden in dem Werk in Flimby vorwiegend Premiumsneakers für die Lifestylekollektion hergestellt. Text: Kay Alexander Plonka. Fotos: New Balance

Made in Flimby, das ist ein Code, der unter Sneakersammlern auf der ganzen Welt verstanden wird. Während früher nur ein dezentes „Made in UK“ auf der Innenseite der Zunge die Schuhe die britische Herstellung verriet, geht New Balance mit seiner EU-Produktion heute in die Offensive. Ob der Union Jack oder ein eingesticktes „Made in England“, man ist stolz auf das 6.000 Quadratmeter große Werk im rauen Nordwesten Englands. Denn England steht für Qualität, die vom Mitbewerb abhebt. Die Schuhe aus Flimby gelten als extrem langlebig und äußerst bequem. Das gute Gewissen, Produktionsbedingungen nach europäischer Norm gibt es im Kaufpreis mit dazu. Dass dieser höher ist als bei Modellen von New Balance made in China, kommuniziert das Unternehmen offen.

Das Real Ale Pack ist die aktuelle Premiumedition made in UK von New Balance und basiert thematisch auf der britischen Bier- und Pubkultur.

Heritage

Alle Schuhe der Lifestylekollektion basieren auf Modellen, die früher einmal in Flimby als Runningschuhe hergestellt wurden. Heute kommen jedoch hochwertige Glatt- und Veloursleder, mal in Kombination mit klassischem Mesh oder Nyloneinsätzen, aber auch in Verbindung mit hochwertigem Harris Tweed zum Einsatz. Die Entscheidung, ob ein Schuh in Asien oder in England gefertigt wird, basiert auf dem Wert der Materialien und der Zeitintensität bei der Produktion, erklärt Chris Hodgson, Senior Footwear Developer bei New Balance und seit über 30 Jahren im Unternehmen. „Je höher der Wert der Zutaten ist, desto sinnvoller ist es, die Schuhe hier im Werk zu fertigen. In Asien werden Performance

Mit Leidenschaft bei der Sache: Sneakers werden in Flimby in aufwändiger Handarbeit gefertigt.

Runningschuhe hergestellt. Die sind wesentlich arbeitsintensiver zu fertigen. Auch Lifestylesneakers mit einem hohen Anteil synthetischer Materialien lassen sich in Asien einfacher herstellen. Wir konzentrieren uns hier zunehmend auf die High-EndClassics aus hochwertigem Leder, das wir bevorzugt in Europa einkaufen, aber auch aus den USA oder Asien importieren“, erklärt er. Die in Asien produzierten Schuhe kosten zwischen 70 und 130 Euro, die in UK produzier-

ten Modelle liegen zwischen 130 und 180 Euro, während die in den USA gefertigten Sneakers hierzulande rund 160 bis 190 Euro kosten – Tendenz steigend. Der feine Unterschied

Das englische Werk ist die einzige Produktionsstätte von New Balance in Europa. Das Arbeiten hier wirkt fast idyllisch. Der Blick aus dem Fenster: Schafund Kuhweiden, zwei Windräder und dahinter das offene Meer. Bei gutem Wetter sieht man die

schottische Küste oder die Ilse of Man. „Unsere 270 Mitarbeiter arbeiten von Montag bis Donnerstag insgesamt 39 Stunden in der Woche. Im Jahr produzieren wir etwas über 420.000 Paar Schuhe, im nächsten Jahr streben wir 450.000 Stück an“, erklärt Andy Okolowicz. Seit 19 Jahren ist er als Factory Manager bei New Balance. In den USA betreibt New Balance fünf weitere Werke, in denen Klassiker, aber auch moderne Laufschuhe hergestellt werden. Dort werden jährlich rund vier Millionen Paar Turnschuhe gefertigt. Eine Produktion dieser Größenordnung in Hochlohnländern unterscheidet New Balance ganz wesentlich von seinen Mitbewerbern. Vor allem: Die Produktion in Europa und den USA ist profitabel. Rund 4.000 Mitarbeiter sind weltweit für das Familienunternehmen tätig und haben rund 3,5 Milliarden Euro Umsatz im vergangenen Jahr erwirtschaftet – Tendenz steigend. www.newbalance.com

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078 FiNDEN WIR GUT 01.

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Weber+Weber Raw Sophistication

Let’s Go Basic Keep it simple

Black Mountain Clothing Company Kein Platz für Kompromisse

„Das ist eine vollkommen straighte Kollektion aus Österreich mit einer richtig kernigen, maskulinen Aussage, die überwiegend österreichische Stoffe verwendet und ausschließlich in Pisa produziert. Von allem das Beste“, beschreibt Patrick Coppolecchia-Reinartz von der Münchner Agentur D-tails seine Begeisterung für die Marke Weber+Weber, die er zur Herbst-/ Winter-Saison 2015 bereits übernahm. Die Designer Manuel und Christian Weber zeigen einen völlig unkomplizierten Twist zwischen österreichischer Heritage übersetzt in eine coole, reduzierte, urbane Menswearkollektion. Bestseller sind unter anderem die besprühten Hemden, die gefütterten Parkas und lässigen Gilets sowie eine Hose aus Hanfstoff in Lederhosenoptik, die es in bis zu vier Farben gibt. Ihr EK-Preis liegt entsprechend dem hochwertigen Material und der Verarbeitung bei 120 Euro, Sakkos bei 180 Euro und Polos zwischen 40 und 50 Euro. D-tails vertritt die Kollektion in Deutschland, Österreich und der Schweiz und konnte bereits Kunden wie Lodenfrey in München, Sagmeister in Bregenz und Einwaller in Innsbruck gewinnen. D-tails, München/Deutschland, T 0049.89.20207771, info@d-tails.de, www.weberweber.it

Klassische Gym-Wear auf ihre Essenz reduziert – in dieser simplen Gleichung findet sich all die Raffinesse der Kollektion von Let’s Go Basic. Kleine Details prägen den Wiedererkennungswert der jungen Sportswearbrand. Drin ist, was drauf steht: lässige, sportive Basics aus Jersey- und Strickteilen von italienischen und japanischen Produzenten. Die Männer- und Frauenkollektion wurde 2014 gegründet und stellt inzwischen eine Kollektion für Frühjahr/ Sommer und eine für Herbst/Winter vor, in der vor allem die verwendeten Materialien und Qualitäten wärmender sind. Neben der urban-sportiven Basic-Linie gibt es auch eine Conceptual Linie, die modische Trends aufgreift. Unterstützt von der Münchner Agentur Komet und Helden konnte die Marke im deutschsprachigen Markt Kunden wie Lieblingsteil, Ehlers, Simonsen by Simonsen und Strolz in Österreich als Kunden gewinnen. Highlights im Abverkauf waren in der vergangenen Sommersaison vor allem Jogginghosen in kurz und lang, Sweatshirts und T-Shirts. Die VK-Preise liegen dabei zwischen 50 und 64 Euro für Sweater und 50 bis 60 Euro für Hosen. Die Kalkulation ist 2,8. Komet und Helden, München/ Deutschland, T 0049.89.9705280, office@kometundhelden.de, www.letsgobasic.com

Während einer Geschäftsreise nach Sydney gründeten Matt Francis und Don Ernens ihr Label Black Mountain Clothing Company. Beide arbeiteten bereits für amerikanische, europäische und australische Lifestylemarken und verfügen über reichlich Erfahrung im Aufbau von Marken. Bei einem Abendessen und ein paar Bier entwickelten sie ihren Businessplan und die moderne Outerwearkollektion mit Produkten für Männer. „Wir machen keine Kompromisse. Ultimative Qualität und herausragende Performance sind unsere Maxime. Dazu klassische Modelle in cleanem, zeitgemäßem Design und herausragende Materialien, damit wollen wir die besten Kunden im Markt überzeugen“, erklärt Don Ernens. Alle Jacken sind mit Lasertechnik zugeschnitten und haben verschweißte Nähte. Die Materialien kommen aus den besten italienischen und japanischen Webereien und werden in Portugal hergestellt. Die VK-Preise für die Jacken liegen zwischen 350 und 700 Euro. Die erste Sommerkolletkion besteht aus sieben Modellen in zwei bis drei Farben, darunter eine Hunting Jacket, eine Bomberjacke und eine Deck Jacket. Dazu einige T-Shirts, Hosen und Shorts. Agentur Treibstoff, München/Deutschland, T 0049.172.6210330, info@agenturtreibstoff.com, www.blackmountainclothingcompany.com

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Human Scales Die zweite Haut

Gabba Dedicated to Denim

Hancock Let it rain

Die beiden Schweden Mikko Kärmäräinen und Peter Ferber haben 2007 die Männermarke Human Scales gegründet. „In Sachen Herstellung und Material setzen wir auf Transparenz. Für uns ist es sehr wichtig, dass unsere Kunden wissen, wie unsere Produkte gefertigt werden und deshalb findet man einige Videos zum Herstellungsprozess auf unserer Homepage“, erklärt Ferber. Human Scales steht für einen legeren maskulinen Look für Männer ab 25 Jahren. Die Kollektion beinhaltet rund 220 Teile. Die VK-Preise liegen für Hemden zwischen 100 und 165 Euro, Blazer, Jacken und Mäntel liegen bei 220 bis 550 Euro, Hosen bei 110 bis 220 Euro und Jerseys bei 55 bis 155 Euro bei einer 2,8er-Kalkulation. Die Lederjacken und Lederschuhe werden mit einer 2,5er-Kalkulation angeboten. Human Scales ist bereits bei über 80 Händlern in Schweden, Norwegen, Finnland, Dänemark, England, Irland und Spanien vertreten. Wichtige Key-Accounts sind bisher Peggs and Son, Stuk in Göteborg und My o my in Helsinki. In Deutschland, Österreich und der Schweiz wird Human Scales von der Berliner Agentur Anotherproject vertrieben. Anotherproject GmbH, Berlin/Deutschland, T 0049.178.5983400, niels.garbe@anotherproject.de, www.humanscales.se

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Roughe Looks, kernige Jungs, tougher Denim. Die dänische Linie Gabba punktet mit einer typisch skandinavischen Urbankollektion – und das schon seit 1983 unter der Leitung von Designer Ole Madsen. In Deutschland ist sie in der vierten Saison wieder auf dem Markt und beliefert hier rund 100 Kunden. Gabba entwickelt zwei Komplettkollektionen im Jahr: Der Schwerpunkt liegt auf Denim und Non-Denim-Pants mit aufwändigen Waschungen, im Sortiment finden sich auch Grob- und Feinstrick, Lederjacken, Hemden, Sweater, Shirts und Gürtel. In der Sommersaison 2016 stand Tokios Trendviertel Shibuya Pate für inspirierende Looks: asymmetrische Shirts und Cardigans, an Vintage-Arbeiterkleidung angelehnte Hemden und kernige Denims oder Twill-Pants. Gabba startet mit Shirts für rund 20 Euro – die Lederjacke kostet rund 140 Euro im EK, bei Denim beginnen die EK-Preise ab 43 Euro bis hin zu hochwertigen Finishes für 71 Euro. Bislang ist Gabba bei Kunden wie Daniels in Köln, Zeitzeichen in Würzburg, Crämer & Co. in Nürnberg, Geschwisterliebe in Stuttgart und District One/Steffl in Wien vertreten. The Noon Agency Oliver Braun, Vallendar/Deutschland, T 0049.173.6116699, noon.concept@gmail.com, www.gabba-denim.com

Es gibt kein schlechtes Wetter, nur die falsche Kleidung – dieses Motto gilt auch für regenfeste Regenjacken à la Mackintosh. Thomas Hancock ist der eigentliche Erfinder des wasserfesten Allrounders aus Schottland. Daniel Dunko, ehemals Director von Mackintosh Ltd., launchte 2012 zusammen mit seinem Brand Manager Gary Bott die eigene Marke und taufte sie Hancock. Schnell etablierte sich das eingespielte Duo auf dem internationalen Markt, ging eine Partnerschaft mit United Arrows und zahlreiche weitere Kreativkooperationen ein. Heute produziert Hancock in Schottland eine ca. 50-teilige hochwertige Jackenkollektion für Männer und Frauen unter der Leitung von Designer Colin Oliphant. Weitere Produkte wie Gepäck und Accessoires sind in Planung. Hancock startet bei rund 235 Euro im Einkauf bei einer Kalkulation von 2,8 bis 3,0. Der aufwändige Herstellungsprozess ist in jeder Jacke dokumentiert. Das schöne, schlichte Design mit vielen Details hat bereits viele Tophändler überzeugt: So liegt Hancock bereits bei Andreas Murkudis in Berlin, Diehl & Diehl in Frankfurt, Eder in Kitzbühel, L’Eclaireur in Paris, Bloomingdales und Barneys in New York oder Tenue de Nîmes in Amsterdam. Rosenthal Trading GmbH, Düsseldorf/ Deutschland, T 0049.211.4303000, 
 office@rosenthaltrading.de, www.hancockva.com

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The Suitcase Einmal um die Welt

Philomena Zanetti Nachhaltig und urban

Lolli Queen Soft and the City

Julia Leifert hat ihr Label Philomena Zanetti nach ihrer Ururgroßmutter aus Südtirol benannt und vor drei Saisons in Berlin gegründet. Bereits im letzten Sommer stellte sie auf der Premium aus. Das besondere an Philomena Zanetti ist, dass schon die ersten beiden Kollektionen bei zahlreichen Blogs und Onlinemagazinen wie LesMads, Journelles, Stylemag oder der Berliner Morgenpost große Beachtung fanden. Das liegt daran, dass Julia Leifert seit vielen Jahren selbst vegan lebt und umweltverträglich und fair produziert und dabei weitestgehend auf den Einsatz von Leder und anderen tierischen Materialien verzichtet. Ihre Kollektion beinhaltet zwar erst zehn Teile, darunter ein Kleid und ein Rock aus Cupro oder wahlweise aus GOTS-zertifizierter Biobaumwolle, dazu eine Hose, eine Bluse und ein Pullover – allesamt sind auf den modischen Punkt designt und gleichzeitig tragbar. Bei einer 2,5er-Kalkulation reichen die VK-Preise von 200 Euro für einen Bluse bis 1.100 Euro für einen Lodenmantel, der in Österreich hergestellt wird. Die aktuelle Herbst-/ Winter-Kollektion ist ab Lager verfügbar. Julia Leifert, Berlin/Deutschland, T 0049.176.60001764, info@philomenazanetti.com, www.philomenazanetti.com

„Wir trafen uns tatsächlich zufällig auf der Straße“, erzählt Katrin Conrads die Geburtsstunde ihrer Zusammenarbeit mit der Brasilianerin Rosangela da Silva. Sie trug damals aus gesundheitlichen Gründen zu einem eleganten Kleid von Patrizia Pepe ein Paar Flip-Flops, was so gut ankam, dass aus dieser Momentaufnahme die Marke Lolli Queen entstand. Zehentrenner gibt es wie Sand am Meer, daher mussten sie sich von Anfang an abgrenzen, und das gelang mit diesem Rezept: ein extrem bequemes, weiches Fußbett aus 100 Prozent Naturkautschuck ohne giftige Zusatzstoffe, einem Zehensteg aus PVC, der sich durch die Körperwärme erweicht, von Hand gefertigt in Brasilien und ein unverwechselbares Design mit jeder Menge Bling-Bling und modischen Extras. „Man läuft wie auf Wolken“, schwärmt Agenturinhaberin Marion Hoferer, die die Marke ab Sommer 2016 zu EK-Preisen von 21 bis 25 Euro verkauft und von der Kollektion begeistert ist. In Häusern wie Oberpollinger, Alterhaus oder dem KaDeWe ist Lolli Queens bereits gelistet. Modeist, München/Deutschland, T 0049.89.15985591, info@b-kleidung.com, www.lolliqueen.de

Die Designerin Agnes Kemeny ist viel gereist und hat u. a. für Versace, Etro, Dondup oder Nigel Cabourn gearbeitet. Jetzt hat sie ihr Leben geändert und ist in Italien von der Stadt aufs Land gezogen und hat eine rund 15-teilige Kollektion entworfen, die in einen Koffer passt – The Suitcase. Weniger besitzen, dafür mit guten Dingen leben und mehr Reisen, ist ihr Motto. Sie setzt besondere Stoffe ein, schafft langlebige Teile, die man nach dem Herbst auch im Frühjahr wieder tragen kann. Ein Leben nach den Trends ist ihr Bekenntnis zur robusten Garderobe. Die Blusen, Kleider und Hemdjacken in ihrer Kollektion sind aus gröberen italienischen Männerstoffen, leicht zu Waschen, gut zu bügeln, widerstandsfähig im Alltag in der Stadt oder auf dem Land und kosten im VK 300 bis 700 Euro. Bei der Produktion in Italien legt Sie wert darauf, die Mitarbeiter in den Webereien und die Näherinnen in ihre Arbeit mit einzubeziehen. Zu den Kunden der ersten Stunde gehören VMC in Zürich, Faoro in St. Moritz, Walburgis in Lausanne, John Tweed in Zürich und Jeanslive in Winterthur. Agnes Kemeny, Fossombrone/Italien, T 0039.1.833.9257, info@thesuitcaseclothing.com, www.thesuitcaseclothing.com

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Gvyn Zwischen High Street und High End

Bruno Parise Italia Eng verwoben

My Cosy Couture Auf den Punkt gebracht

Diese Lücke mit einer hochwertigen, aber bezahlbaren Taschen- und Accessoirekollektion zu schließen, war das Ziel von Ulrike Seeber. 2014 launchte sie ihr Label Gvyn auf der Londoner Fashion Week und überzeugte auf Anhieb Image-Stores wie Harvey Nichols, Shoppyramid in Cambridge, Lala in Berlin und Ludwig Beck. Gvyn ist namentlich die Muse des Labels: ein fiktives Mädchen in den Zwanzigern, die feminin, cool und unangepasst ist – das stilistische Vorbild der Kollektion. Das Leder kommt ausschließlich aus Italien und wird dort so wenig wie möglich bearbeitet, um seine natürliche Struktur und den Glanz der Oberfläche zu erhalten. Hergestellt wird in einer High-End-Produktion in der Nähe von Krakau. Mit Verkaufspreisen zwischen 299 und 499 Euro positionieren sich die cleanen, puristischen Designs als Einstiegspreislagen im gehobenen Segment. Die Kollektion überzeugte auch Marion Hoferer von der Agentur Modeist in München, die sie zur Herbst-/Winter-Saison 2015 aufnahm: „Gvyn ist ein tolles, konzentriertes Programm aus London mit zehn Modellen in sechs Farben“, so die Agenturinhaberin. Die Kollektion kann über ihre Showrooms in München und Düsseldorf geordert werden. Modeist GmbH, München/Deutschland, T 0049.89.15985591, info@b-kleidung.com, www.gvyn.com

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Bruno Parise ist ein italienischer Unternehmer, wie ihn seine eigene Geschichte nicht schöner hätte hervorbringen können. Er selbst stammt aus dem Italien, in dem traditionelles Handwerk – in diesem Fall das Kunsthandwerk des Strohflechtens – noch eine zentrale Rolle spielte und sie prägte sein späteres kreatives Schaffen. Die Markenzeichen italienischer Handfertigkeit, das Streben nach Exzellenz und der hohe Widererkennungswert der Flechtkunst sind Merkmale, die Bruno Parise tief in seine hochwertige Accessoirekollektion eingewoben hat, die er 2010 launchte. Buchstäblich, denn die Taschen werden alle aus exklusivem, weichem Leder nahe Venedig gewebt – auf venezianischen Webstühlen aus dem 18. Jahrhundert, die nur wenige Menschen noch bedienen können. 2011 stieg seine Tochter Alessandra Parise als Kommunikationsexpertin in das Unternehmen ein und übernahm das Marketing für die schnell wachsende Firma. In der Sommersaison 2015 stellte die Marke erstmals auch eine kleine Schuhkollektion vor und für den Sommer 2016 ist erstmals auch eine Accessoirekollektion für Herren geplant, die jedem einzelnen Modell den Namen eines Schauspielers gibt, wie beispielsweise Dustin Hoffman, Richard Gere oder Leonardo di Caprio. Inzwischen ist Bruno Parise Italia in der Schweiz, Russland und Japan im Topsegment vertreten und wird in Deutschland von Patrick Coppolecchia-Reinartz mit der Agentur D-tails in München vertreten. Die Taschen kosten im Verkauf zwischen 600 und 900 Euro. D-tails, München/Deutschland, T 0049.89.20207771, info@d-tails.de, www.brunopariseitalia.com

Die richtige Ware zum richtigen Zeitpunkt anbieten zu können, ist ein großes Anliegen von Agenturinhaberin Marion Hoferer und ihrer Agentur Modeist aus München. Mit der Marke My Cosy Couture kann sie auf ein umfangreiches Lagerprogramm zurückgreifen, das den Kunden ermöglicht, jederzeit nachzubestellen. Ab der kommenden Saison vertritt sie die Marke. Die Designs der bunten, farbenfrohen Wollschals und Ponchos stammen aus Hamburg, produziert wird in Griechenland. Charismatische Paisley-Muster und aktuelle Farbtrends sind die Handschrift der Designerin Lisa Weinhold. Sie platziert sie mit sehr viel Fingerspitzengefühl auf großen, quadratischen Tüchern aus einem Merino-Cashmere-Polyamid-Mix und Ponchos mit Fransen (EK-Preis von 58 Euro, empfohlener VK-Preis 159 Euro), Ponchocapes und Pullover (48 Euro im EK) und extralangen Schals und Ponchos (58 Euro im EK). „Bei My Cosy Couture ist das Tolle für den Einzelhandel, dass alles vom Lager kommt. Das heißt, jeder kann klein naschen und viel nachbestellen! Und dass der Lieferant fast das ganze Risiko trägt – das ist eine wirklich tolle Partnerschaft“, sagt Marion Hoferer. Neue Trends können monatlich umgesetzt werden und ab Januar 2016 wird es auch T-Shirts mit speziellen Drucken geben. Modeist, München/Deutschland, T 0049.89.15985591, info@b-kleidung.com, www.mycosycouture.de

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was der sommer den herbst lehrt. 082 MODE

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Während der Schauen in Paris, New York, London und Mailand haben sich die starken Trendthemen der Frühjahr-/Sommer-Saison 2016 manifestiert – und auch ihre Spuren in den Pre-Collections und auf den Moodboards für Herbst/Winter 2016/17 hinterlassen. Welche Trends aus dem Sommer haben sich durchgesetzt und so viel Potenzial und Bestand, dass sie in der kommenden Saison weitergeführt werden? Diese Frage ergab erstaunlich konkrete Antworten und klar umrissene Trends.

MODE 083

Calvin Klein Jeans - Bernard Chandran - Z Zegna - Missoni - Marni - Weber+Weber - Gabriela Cadena - Gianluca Capannolo

Text: Isabel Faiss. Moderedaktion: Verena Roidl. Fotos: Hersteller Shooting: Fotograf: Markus Burke. Styling: Verena Roidl. Haare/Make-up: Renata Traupe/Phoenix Agentur, www.phoenix-agentur.de, Models: Theresa Schreck und Robin Zederbauer/Tune-Models.com style in progress 415


084 MODE

Burberry

clean

Minimum

Reduzierte, minimalistische Silhouetten in kastigen bis geometrischen Schnitten. Der puristische Stil hat in den Fr체hjahr-/SommerKollektionen 2016 einen formellen, unkonstruierten Look gezeigt, der sich auch in der Herbst-/Winter-Saison 2016/17 fortsetzt. Klare, fast schon architektonische Cuts, dazu starke Unis und aufw채ndige Materialien. Jacke: Baracuta Hemd: Drykorn Anzughose: Lardini Sneakers: Superga Tatras

Ermenegildo Zegna

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MODE 085

chic

Marc O’Polo Pure

Stilistisch ist es eine Melange aus Streetund High-Fashion, das verbindende Element ist die Reduktion auf das Wesentliche. Man sieht kaum Details, keine Muster, keine Dekoration. Der CleanChic-Trend wird etwas weniger formell, sondern sportiver und legerer Ăźbersetzt. Materialkombinationen tauchen in Form von Ton-in-Ton-Designs auf.

Mantel: Closed Bluse: 0039 Italy Hose: Custommade

Sportmax

Milestone

Liu Jo

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modern tailoring 086 MODE

Elemente aus der klassischen Konfektion werden in neuen Materialien übersetzt. Dabei stehen weiche, fließende Qualitäten im Vordergrund. Die Anzüge verzichten trotz akkurater Passform auch mal auf Schulterpolster und sitzen dadurch etwas lässiger. Es kommen neue Jersey-Stoffe zum Einsatz, die auch mit eingewirkten Mustern, Checks und Streifen aufwarten. Boucle und Mouline-Garne, teils vorgewaschen, teils gepresst, sind ein starkes Herbst-/Winter-Thema.

Brunello Cucinelli

Anzug: Lardini Hemd: Lacoste Live

CG Club Of Gents

Andreas Schimon, Product Manager CG-Club of Gents „Wenige Einlagen, weiche, leichte vorgewaschene Stoffe sind unabdingbar. Bei den Hosen werden leichte TaperedFormen gut angenommen, auch hier werden die Stoffe immer aufwändiger. Entweder werden sie bedruckt oder in den verschiedensten Strukturen gewebt.“ 415 style in progress

Luis Trenker

Closed


MODE 087

unendliche weiten

Sonja Blömker, Geschäftsführerin Comma „Wir glauben an die Culotte. Was aus dem Sommer bleibt: fließende, lang gezogene Silhouetten. Außerdem werden weiterhin asymmetrische Saumspiele zu sehen sein sowie die Midi-Länge, die in der Herbst-/Winter-Saison 2016/17 noch stärker kommen wird. Stark war in der Frühjahr-/ Sommer-Kollektion 2016 auch das edel umgesetzte Boho-Thema, das weiterhin im Fokus stehen wird. Und Overalls sind nicht mehr wegzudenken!“

Ledermantel: Meindl Pullover: Gestuz Palazzohose: Dimitri

Neue Volumen, ausgestellte Überlängen und jede Menge weiter, fließender Stoff: Von Marlenehosen bis Culotte sind alle Silhouetten denkbar, gemeinsamer Nenner sind die extrem weit geschnittenen Passformen. Feine Wollqualitäten, Leinen und Baumwolle lösen die wehenden Seidenstoffe aus der Sommersaison ab.

Max Mara

Comma

Zac Posen Bernard Chandran

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088 MODE

Baja East

Hunter

Drykorn

Minimum

Blouson: Boulezar Top: Pence Latzhose: Des Petits Hauts Sneakers: Nobrand

blouson-blues Der Kult aus den 1980er-Jahren kommt in neuem Glanz zurück: der College Blouson. Teilweise stilecht übersetzt in neuen Materialien wie weichem Veloursleder oder glänzendem Nylon, teils als modisches Zitat in Form von verkürzten, voluminösen Jacken und Blousonschnitten. Als High-Waist-Jacke mit breitem Stretchbund und ausgeschnittener Kragenform tritt er vor allem in der Casual Wear auf.

Boulezar Designteam „Der College Blouson ist zurecht ein Klassiker in jedem Schrank geworden. Wir lieben seine unkomplizierte Silhouette und die Kombination aus Eleganz und Komfort. Ob dünne Seide oder starker Loden, der College Blouson wirkt spontan und ungezwungen zu jeder Gelegenheit.“ 415 style in progress


noncolours Ton in Ton oder besser Non-Colour zu Non-Colour kombiniert, setzt sich in den Casual-Menswear-Kollektionen weiter als Farbthema durch. Dabei stehen im Herbst/Winter 2016/17 Erdtöne, gedeckte Farbpaletten mit Grau-, Grün- und Beigetönen an erster Stelle. Der Look ist sportlich und extrem hochwertig in den Materialien umgesetzt, mit strukturierten Oberflächen, teils gewaschenen Qualitäten und innovativen Materialien wie gewachstem Cord, geflammter Baumwolle oder edlen BaumwollLeinen-Mischungen.

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Rengenmantel: Lacoste Olives Hemd: Stone Island T-Shirt: Drykorn Chino: Alberto Sneakers: Superga

Brunello Cucinelli

Belstaff

Alpha Studio

Hunter

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090 MODE

boho style Die 1970er-Jahre werden unisono als bedeutendste Inspirationsquelle für die Frühjahr-/Sommer-Saison 2016 in der DOB, aber auch für die darauf folgende Herbst-/Winter-Saison genannt. Grobstrickponchos mit Fransen und Aztekenmustern, Fellstiefel, Häkelspitze, bunte StrickCapes – jede Menge Anlehnungen an den Hippie-Look, die urban und sportiv übersetzt werden.

Bloom

Agnona

Bloom Designteam „Der breite 1970-JahreTrend wird sich im Strickbereich in Form von Fransen, Ponchos oder Crochet-Strukturen ausdrücken und einen Hauch von Bohemian Hippies versprühen. Es wird verstärkt um innovativen Garnmix, moderne Strickstrukturen, große Maschen, subtile Garnveredelungen sowie superweiche Luxusgarne gehen. Wir sehen auch eine Tendenz zu großgezogenen, tonalen Jacquardmustern.“ Thomas Wylde

Poncho: Closed Lederjacke mit Fransen: Marlino Shorts: Superjeans of Sweden Hut: Yaya Ledergürtel: Esprit

Polo Ralph Lauren

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MODE 091

lang ist länger Die Rocklängen haben sich bereits zwischen Knie und Knöchel eingependelt und auch die High-Waist-Varianten haben sich in der Sommersaison durchgesetzt. Weite, fließende und hauchzarte Stoffe haben den Sommer dominiert. Übersetzt in den Winter bedeutet das vor allem, dass die Längen bleiben. Hinzu kommt nun jede Menge Volumen durch massivere Stoffe, asymmetrische Saumlängen, Maxilängen mit Schleppe, extrem ausgestellte Petticoat-Schnitte in steifen, schweren Qualitäten oder auch gestärkte, weit ausgestellte Denimröcke. Der Rock wird so wieder zum zentralen Stilmittel der DOB.

Tommy Hilfiger „My collections are really about confident dressing. We’ll continue to embrace the fluid silhouettes and feminine details that modernize classic American style for today. Bold color and playful patterns are a part of our design heritage and will continue to be a part of our upcoming collections.”

Stirnband: Warm-Me Oberteil: Custommade

Tommy Hilfiger

Rock: Ottod’Ame Clutch: Lacoste

J. Mendel

Marc Cain

Marni

Zac Posen „Lightness defines the collection. I wanted to inject a fair bit of fluidity into the formula without relinquishing the essentially feminine point of view of my designs.“ style in progress 415


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The Style Council. Trunk Clothiers/ London Neuer Schwede: Trunk Clothiers von Mats Klingberg setzt einen neuen Standard – selbst in einer Metropole wie London. Ein Store für moderne Gentlemen, die hohe Qualität zu schätzen wissen. Text: Kay Alexander Plonka. Fotos: Tom Griffiths, Trunk Clothiers

Es ist nicht nur der Laden Trunk Clothiers, es ist die ganze Ecke im Stadtteil Marylebone, die Trunk Clothiers zu einem so lohnenden Ziel macht. Zwischen den U-Bahnstationen Baker und Bond Street, in der kleinen Chiltern Street, ist die britische Metropole noch entdeckenswert: Liebevoll gestaltete Läden und Cafés, ein Buchladen, dort eine Galerie, einige Brautmodenge-

schäfte, ein Zeitungsladen sowie ein Prism und ein Sunspel Store, die Nachbarschaft von Trunk Clothiers hat noch ihr ganz eigenes Gesicht. Suppen, Sandwiches, Currys und japanisches Frühstück serviert das Monocle Café direkt nebenan. Ein Haus weiter gibt es in Cadenheads Whisky Shop and Tasting Room die edelsten Tropfen aus dem britischen Königreich, bei Verkos-

tungen auch mal ein Gläschen direkt vom Fass. Bei Crispins finden Damen Designerschuhe zum Businessoutfit, für den Event am Abend oder Fashion Sneakers auch in großen Größen. Und direkt gegenüber von Trunk Clothiers schließlich in einem wundervoll restaurierten viktorianischen gotische Bau das Hotel und Restaurant Chiltern Firehouse von André Balazs,

Die Einrichtung des Stores ist eine Mischung aus skandinavischer Leichtigkeit und britischem Understatement.

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der auch die Hotels Mercer und Standard in New York, Miami und Los Angeles betreibt. Keine Frage also: Marylebone hat Charme. Gespür für die schönen Dinge

Mit nordischer Leichtigkeit – Besitzer Mats Klingberg ist Schwede – ist Trunk Clothier eingerichtet. Skandinavische Möbel der 1950er- und


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1960er-Jahre unterstreichen diesen Charakter und tragen auch mal ein Preisschild – auch sie gehören zum Stilmix, den man hier kaufen kann. Darüber hinaus Handverlesenes aus Japan, Italien, den USA, Schweden und Großbritannien. Außerhalb der Öffnungszeiten selbstverständlich im Onlinestore. Inhaber Mats Klingberg studierte Fashion Merchandising Management am Fashion Institute of Technology in New York, machte seinen Master of Science in Business and Economics in Schweden und arbeite, für einige der besten Kleidermacher der Welt sowie als Hotelmanager in der Schweiz. Er liebt es, zu reisen und neue Leute kennen zu lernen. Auch seine Inspirationen sammelt er unterwegs. „Ich habe mich schon immer für Architektur, Landschaften und Kleidung

interessiert. Ich bevorzuge Dinge von zeitloser Schönheit, deshalb ist mein Stil eher klassisch als modisch“, so Klingberg.

Trunk Clothiers Ltd 8 Chiltern Street, W1U 7PU London/UK www.trunkclothiers.com Eröffnung: 9. September 2010 Inhaber: Mats Klingberg Store Manager: Tim Yates Verkaufsfläche: 50 qm Marken Männer: u. a. Aspesi, Barbour, Barena, Beams+, Bigi, Boglioli, Camoshita, Caruso, Drake’s, Gitman Vintage, Glanshirt, Incotex, Mackintosh, Monocle Voyage, Trunk Clothiers Marken Accessories: u. a. Aesop, Alden, Bag’n’Noun, Begg & Co, Common Projects, Delfonics, Eleanor Pritchard, Ichizawa Hanpu, Kaweco, Le Labo, Porter, Rimowa, Skultuna, Valextra

Seine kundige Selektion wissen Kunden zu schätzen – sie jubeln im Internet über die so besondere Zusammenstellung der Brands, die Auswahl der einzelnen Teile und deren Präsentation. Nicht selten wird Trunk Clothiers von seinen weitgereisten Kunden als der beste Menswear-Store überhaupt betitelt. Warum? Weil man spürt, dass hinter jedem einzelnen Produkt wirklich Geschichte und Gedanken stehen, weil man Mats Klingbergs Händchen für Stil traut. Auch die ehrlichen und unaufdringlichen Mitarbeiter und der persönliche und professionelle Service werden besonders lobend erwähnt. Nur einige Meter vom Hauptgeschäft entfernt, betreibt Mats Klingberg den Trunk Labs Store. Hier gibt es eine exquisite Auswahl ausgefallener Acces-

soires vom Einstecktuch bis hin zum klassischen Schreibgerät, dazu edles Reisegepäck, Taschen, Schuhe, Gürtel, Pflegeprodukte, Sonnenbrillen, Haushaltsgegenstände und Kleinmöbel. „Mit dem Trunk Labs Store wollen wir es Männern einfach machen, ihrer Garderobe, ihrem Zuhause oder ihrem Büro das Gewisse Extra zu verleihen. Den Begriff Accessoires interpretieren wir dabei sehr weitläufig. Hier findet man das Geschenk für den anspruchsvollen Mann, der eigentlich schon alles hat“, erklärt Mats Klingberg.

Gespür für das Gute: Mats Klingberg bevorzugt zeitlos schöne Dinge.

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Ganz oder gar nicht. Walser Leder & Mode/Hohenems Seit knapp 100 Jahren handelt das Unternehmen Walser mit Leder, doch vor drei Jahren wählte Stefanie Walser einen radikal neuen Weg. Heute präsentiert sich der Store mit einem modischen Textilsortiment, das von der ursprünglichen Kernkompetenz Leder lediglich ergänzt wird. Text: Nicoletta Schaper. Fotos: Walser Leder & Mode

Bis auf den Boden ist nichts geblieben. Alles Alte ist einem rundweg neuen Interieurkonzept gewichen. Nun präsentieren sich die Räume hell und luftig, mit Tapete und Sitzmöbeln, hinterleuchteten Wänden und einer Bar für den Espresso. „Wir wollten ein Signal setzen, dass alles anders ist, halbherzig hätte das nicht funktioniert“, sagt Stefanie Walser, die das Geschäft heute führt. Der neu gestaltete Raum bildet die Kulisse für das ebenso neue Sortiment. Marken wie Closed, Steffen Schraut und Marc O’Polo als preislicher Einstieg gehören dazu, ergänzt von vielen Produktspezialisten, zum Beispiel Mabrun für Jacken, Caliban für Blusen und Allude, Hemisphere und Repeat für Cashmere. „Dabei wächst unser Anteil an italienischen Brands, wir lieben die Produkte made in Italy, die sich durch besondere Qualität und Design auszeichnen“, sagt Stefanie Walser. Zu den 70 Prozent Textilanteil kommt als Abrundung die eigene Ledermarke hinzu, ebenso wie die Marken Milestone, Arma und Werner Christ. 415 style in progress

Umzug auf die grüne Wiese

Das Unternehmen blickt auf eine lange Historie zurück. 1919 von Stefanie Walsers Urgroßeltern gegründet, wurde zunächst mit rohen Häuten und Fellen gehandelt und im eigenen Geschäft Pelze und Lederbekleidung verkauft. Das Geschäft florierte, ging von der Großmutter schließlich auf Stefanie Walsers Mutter Inge über. 1990 zog es an seinen heutigen Standort in Hohenems, wo auch die Walser Unternehmensgruppe beheimatet ist, die textile Autoinnenausstattung, Kinderreise-, Sicherheitsund Sportartikel produziert und von Stefanie Walsers Vater Hans-Karl geleitet wird. 2011 schließlich stieg Stefanie Walser ins elterliche Unternehmen ein, nach ihrem Studium in Nagold und beruflichen Erfahrungen in Zürich als Einkaufsassistentin im Modehaus Gassmann. Weg in die Zukunft

Die Lage auf der grünen Wiese hat dem Erfolg von Walser keinen Abbruch getan. Denn die Stammkunden kommen auch nicht nur aus dem Bundesland Vorarlberg, sondern ebenso aus

der Schweiz, Liechtenstein und dem süddeutschen Raum. „Jetzt genießen die Kunden umso mehr die gemütliche Atmosphäre im Walser Leder & Mode Radetzkystraße 114, 6845 Hohenems/Österreich www.lederwalser.at Eröffnung: 1919, Neueröffnung: März 2012 Inhaber: Hans-Karl Walser Geschäftsführerin: Stefanie Walser Anzahl der Mitarbeiter: 7 Verkaufsfläche: 460 qm Marken Frauen: u. a. Allude, Arma, Blonde No.8, Caliban, Cinzia Rocca, Closed, FFC, Grace, Hemisphere, Iheart, Mabrun, Marc O’Polo, Margittes, Milestone, Nadine H, Nice Connection, Nvsco, NYDJ, Oakwood, Peserico, Piu Piu, Pure, Raffaello Rossi, Repeat, Robert Friedman, Rosemunde, Seductive, Serini, Steffen Schraut, Werner Christ, Zaubermasche Marken Männer: u. a. Artigiano, Gimo’s, Jan Mayen, Marc O’Polo, Milestone, Oakwood, Phil Petter Marken Accessoires: Codello, Hemisphere, Hipanema, Liebeskind Berlin, Lua, Mala Alisha, Marjana von Berlepsch, Michael Michael Kors, Pretty Ballerinas, Roeckl, Thymian

neuen Store“, so Stefanie Walser. „Oft heißt es ja, man solle sich auf seine Kernkompetenz besinnen und die eigene Stärke betonen“, sagt Stefanie Walser. Aber für sie und ihre Mutter Inge, die sie im Geschäft unterstützt, war das nicht der Weg in die Zukunft. „Der moderne Kunde kauft einfach anders“, sagt Stefanie Walser. „Er sucht ja nicht nur die Lederjacke oder den Lammfellmantel, sondern probiert gern das komplette Outfit bis hin zur Handtasche. Das können wir ihm jetzt bieten.“


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Bei Walser soll sich der Kunde wohlfühlen, dafür sorgt ein Rundumsortiment für Männer und Frauen und eine behagliche Wohnzimmeratmosphäre.

Stefanie Walser führt den Store mit Unterstützung ihrer Mutter Inge Walser (rechts).

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Der Conceptstore-Gedanke zu Ende gedacht. An der Konzeption der Einrichtung wirkte der Inhaber maĂ&#x;geblich selbst mit.

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Unvergleichlich sein. Casa Moda The Concept Store/Salzburg Es ist Casa Modas Nummer vier in Österreich – und doch eine Premiere: In der Mozartstadt Salzburg hat der Modeunternehmer Wilfrid Wetzl seinen ersten Laden mit Conceptstore-Charakter eröffnet. Nur für Männer. Text: Martina Müllner. Fotos: Casa Moda

Mode ist längst nicht seine einzige Profession: Der Unternehmer Wilfrid Wetzl ist auch als Anwalt und mit Immobilien erfolgreich. Passion ist, was ihn in die Mode geführt hat. Als Kunde des ersten Stores von Casa Moda in Steyr greift er zu, als Gertrud Schmidtmayer 2008 ihren Laden verkauft. Seither ist Expansion angesagt. Erst Linz, dann St. Pölten – und jetzt eben Salzburg. „Auch wenn mir natürlich bewusst ist, dass die Aussichten im Herrensegment derzeit nicht nur rosig sind und die Umsätze zurückgehen.“ Doch bekanntlich gibt es nicht nur die modische Großwetterlage, sondern auch Firmenkonjunkturen. Und diese ist bei Casa Moda eine deutlich positive. An Salzburg nähert sich der Unternehmer trotzdem demütig: „Es ist ein Experiment.“ Im doppelten Sinne. Die Stadt und das Sortiment, das sich auf 350 Quadratmetern ausschließlich auf Männer fokussiert. „Der Platz hätte nicht gereicht, beide Geschlechter kompetent abzubilden und ich bin bekanntermaßen kein Freund von halben Sachen.“ Aufs Ganze geht Wetzl mit einem in Salzburg einzigartigen Conceptstore-Gedanken. „Kopfhörer von B&O, ein Handy von Porsche Design, ausgefallene Düfte, die wir teilweise österreichweit exklusiv führen, Sonnenbrillen, Schreibgeräte,

schöne Cashmere-Decken – eben alles, was Männer interessiert und einlädt, im Laden zu verweilen.“ Regional abgestimmt

„Wir sind dafür bekannt, regional große Unterschiede in den Sortimenten, im Preis­ aufbau und bei den Marken zu haben, wir kaufen für jeden unserer vier Standorte bewusst ein.“ In Salzburg, wo betuchte Kunden urlauben, wartet das Sortiment mit einigen First Lines auf. Lanvin, Dolce & Gabbana, Ermenegildo Zegna, Valentino, aber auch Drykorn als Einstiegspreislage. „Anzüge von knapp 400 Euro bis über 2.000 Euro, diese Breite wollen Casa Moda The Concept Store

wir abbilden.“ Im spannenden Mix mit Non-Fashion, „für mich ein starkes Statement gegen den Einheitsbrei aus Ketten und Monomarkenstores, der in aller Welt grassiert; eine Entwicklung, die ich persönlich sehr bedauere.“ Mit sieben Angestellten will Wetzl dem ewig gleichen ein starkes Überraschungsmoment entgegensetzen. Jetzt heißt es, die Salzburger zu überzeugen, denn „von Touristen alleine kann man auch in Salzburg nicht leben“. Events, lokales Networking und Kooperationen sollen helfen. Zum Beispiel mit Diva, dem führenden Damengeschäft am Platz. Für Herbst/Winter wurde gemeinsam ein Katalog produziert, der an die Kunden beider Läden versandt wird. Wer Wetzl kennt, weiß: Teamplay gehört bei allem Expansionswillen zu seinem Geschäftsmodell.

Nummer vier: Nach Steyr, Linz und St. Pölten eröffnete Wilfrid Wetzl jetzt auch in Salzburg eine Casa-Moda-Filiale.

Münzgasse 2, 5020 Salzburg/Österreich www.casamoda.at Eröffnung: Juli 2015 Inhaber: Wilfrid Wetzl Angestellte: 7 Verkaufsfläche: 350 qm Marken Herren: Belstaff, Cruciani, Diesel, Dolce & Gabbana, Drykorn, Ermenegildo Zegna, Etro, Lanvin, Phil Petter, Prps, Salvatore Ferragamo, Valentino, Z Zegna Marken Accessoires: B&O, Fornasetti, Guaxs, Heeley, Histories des Parfums, Jovoy, Lambert, Mykita, Porsche Design, Tatetossian

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Ein Konzept geht in die Tiefe: Viel Licht und Raum zeichnen Septième Etage aus, ein Wohlfühlort für Designer und Kunden.

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Mode, diplomatisch. Septième Etage/Genf Wenn man als Diplomatentochter auf die Welt kommt, hat man das Wandern zwischen Welten und das Vereinbaren dieser praktisch mit der Muttermilch gratis. Katharina Sand hat es verstanden, diese Mitgift in bare Münze umzuwandeln, ohne in die Finanzwelt zu gehen, wie es bei Kindern ihres Schlags zu 99 Prozent der Fall ist. Text: Dörte Welti. Fotos: Nicolas Schopfer, Septième Etage

Es war ein Abitreffen in Genf, das den letzten Ausschlag zur Gründung einer Boutique gab. Gerade hatte Katharina Sand, die in der internationalen Modeszene als freischaffende Journalistin und Korrespondentin arbeitet(e), Isabel und Ruben Toledo interviewt und sich gefragt, wieso man diese wunderbare Mode nicht in Genf bekommt, und sich gewünscht, die Gedankenwelt der Designer den Menschen näher bringen zu können. Sie wollte vermitteln, was es bedeutet, so ein Kleid zu tragen, warum die Designer so Septième Etage 10, Rue du Perron, 1204 Genf/Schweiz www.septieme.com Eröffnung: Juli 2000 Inhaberin: Katharina Sand Anzahl der Mitarbeiter: 2 Verkaufsfläche: 170 qm Marken Frauen: Alice + Olivia, Costello Tagliapietra, Delfina Balda, Elizabeth and James, Francesca Rosafio, Greta Constantin, Isabel Toledo, Jessica Choay, Lover, Maria Cornejo, Nili Lotan, Rodebjer, Veronica Beard, Whit Marken Accessoires: Alice + Olivia, Eppla Lemonada, Gemmina Mia, Totally Unnecessary, Wonderwool Marken Lifestyle: Isabel Toledo for Mizensir Candles, div. Magazine

und nicht anders geschneidert haben. Auf der Abiparty sah sie sich von ehemaligen Mitschülern umringt, „die alle ihr kreatives Potenzial nicht genutzt haben. Die meisten sind der Einfachheit halber in die Finanzwelt eingestiegen.“ In kürzester Zeit schrieb Sand einen Businessplan und fand Geld, suchte und mietete ein tolles Ladenlokal in Genf, ging an ihre alte Schule und verkündete, dass ab sofort die anspruchsvollen Töchter nicht mehr nach New York, London oder Paris zum Shoppen reisen müssen, sondern all die angesagten Marken sehr wohl in Genf und zwar bei ihr bekommen. Ein kluger Schachzug, und en passant hatte sie auch die sehr gut betuchten Kundinnen aus Saudi Arabien im Sack, die den Sommer in Genf verbringen. Das Spinnen von Beziehungsnetzwerken

Der Austausch mit der Schule dauert bis heute an. Sand vergibt Praktika. Sie sitzt in der Jury, wenn in der Schweiz Modepreise vergeben werden, veranstaltet Events, Kunst- und Fotoausstellungen im Laden, und alle halten ihr die Treue. Kundinnen zwischen 14 und 70 kaufen in der Septième Etage (die heißt übrigens so, weil Katharina Sands letzte Wohnung in New York in

der siebten Etage lag, ohne Lift). Mit Isabel Toledo fing sie an, bis heute verbindet sie eine innige Freundschaft mit dem Designerpaar, man hat sogar gemeinsam eine Kerze (Isabel Toledo mit Alberto Morillas von Mizensir, gibt es im Laden) designt. Schon immer sind diverse Kultmarken aus New York im Programm von Septième Etage und die Boutique kann 15 Jahre Beständigkeit feiern. Zwischenzeitlich gab es mal ganz euphorisch eine Dependance genau gegenüber und der Mitarbeiterstab stieg auf zehn Leute, aber das entpuppte sich nach sieben Jahren als zu viel des Guten. Jetzt ist es wieder ein lichter geräumiger Laden, auf zwei Ebenen, dafür im zweiten Keller ein eigenes Fotostudio für den ganz passabel laufenden Onlineshop, auch das gehört dazu. Und Katharina die Große (sie hat Gardemaß, ist 1,85 Meter groß) steht wenigstens dreimal pro Woche selbst im Laden. „Ich will die Arbeit der Designer den Menschen persönlich näher bringen“, erklärt sie, die immer noch als begehrte Freelance-Journalistin arbeitet und sich freut, dass Kunden aus der ganzen Welt einfliegen, um bei ihr einzukaufen. Der Laden wurde schon von der amerikanischen Elle und Harper’s Bazaar Arabia gerühmt. „Wenn du ein Isa-

Mehr als nur Mode: Katharina Sand vermittelt auch Qualitäts­ bewusstsein.

bel-Toledo-Kleid trägst, fühlst du dich anders. Es ist wie alle meine Designermarken etwas Besonderes.“ Und dann muss Katharina die Eilige weg zum nächsten Termin und dann nach London. Sie will studieren, ihren Ph. D. in Fashion Curating machen. Weil Mode präsentieren – egal wie – das Schönste auf der Welt ist. In Katharina Sands Welt. style in progress 415


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Mal zwei. Bungalow/Stuttgart Lange ersehnt, endlich passte alles: Bungalow gibt den Damen in Stuttgart einen eigenen Raum – an der gleichen Adresse, aber doch ganz separat – und greift damit vor. Text: Martina Müllner. Fotos: Bungalow

Nächstes Jahr dann das große Fest. Zehn Jahre Bungalow. Das Geschenk dazu hat sich Uwe Maier schon im Sommer 2015 gemacht. Der Damenladen, endlich auf einer eigenen Fläche, trotzdem die gleiche Adresse. „Wir hätten mit den Damen nur noch auf Kosten der Herren wachsen können, das wäre nun endgültig nicht mehr Sinn der Sache gewesen.“ Doch von vorne. 2012 startet Uwe Meier mit Bungalow Bel Etage in die Damenwelt, ein Laden in der ersten Etage über einem stadtbekannten Club. „Vielleicht zu selbstbewusst, außerdem für mich schwierig im Handling, weil doch weit weg.“ Also wurden die Damen 2013 kurzerhand integriert, was dazu führte, dass der Herrenladen „knallvoll“ war. Seinem Vermieter, einem Haushaltswarengeschäft, hatte Uwe Maier schon immer gesagt: Was ihr auch an Fläche freimacht, ich nehme es. Als deren Warenannahme auf die grüne Wiese ausgegliedert wurde, war endlich

Raum. Den es zu interpretieren galt, denn die Hinterhofsituation bleibt; das raue Industrielle und die zart weibliche Ware auf einen Nenner zu bringen, für Dongus Architekten, die Beleuchtungsprofis Pslab und Uwe Maier mittlerweile eine Fingerübung. „Man kennt sich, im Dialog aus ihren und meinen Ideen entsteht schnell etwas Gutes.“ Die üppig begrünte Fassade zum Beispiel, das zentrale Lichtobjekt aus Messing, die wohlplatzierten Modern Antiques im ganzen Laden. Die Nische Multibrand

Stuttgart mag Uwe Maiers Bungalow, für seine Internationalität mit First Lines wie Tom Ford, Saint Laurent oder Céline, im Mix mit Spannendem von Kitsuné oder Common Projects. Inszeniert im Backyard, was das Edle gleich ein bisschen cooler wirken lässt, erdet, Schwellenangst nimmt. Nicht von ungefähr kommen die Vergleiche mit Läden in New York, nicht von ungefähr kommt die Treue

zum Laden. „Wir stellen fest, dass unsere Kunden diese Nische Multibrand einfach supergerne mögen, dass sie in einem Departmentstore oder Monomarkenstore etwas vermissen, was sie bei uns finden.“ Kompetente Ansprache zum Beispiel, eine charaktervolle Selektion Bungalow Stiftstraße 1a, 70173 Stuttgart/ Deutschland www.bungalow-stuttgart.de, www.bungalow-gallery.com Eröffnung: August 2015 Inhaber: Uwe Maier (geschäftsführender Gesellschafter), Lars Presche, Hans Peter Reichert (beide Gesellschafter) Mitarbeiter: 4 Vollzeit, 10 Teilzeit Verkaufsfläche: 200 qm Marken Frauen: Acne Studios, Bottega Veneta, Céline, Chloé, Common Projects, Frame Denim, Kitsuné, Lanvin, Marni, Moncler, Saint Laurent, Stella McCartney, Thomas Maier Marken Accessoires: Dick Moby, Saskia Diez, Sumikaneko, Tsatsas, Vanessa Baroni, Und Gretel

des Angebots der Marken etwa, ein Interieur mit Handschrift eben. Und, dem neuen Laden sei Dank, auch: Großzügigkeit. „Wir haben unser Sortiment nicht arg vergrößert, wir zeigen im Prinzip die gleiche Menge Ware nur viel schöner inszeniert. Und wir erlauben es uns, nicht jeden Quadratmeter mit dem superspitzen Bleistift zu rechnen, so dass man auch mal zwei Meter laufen kann, ohne gleich wieder gegen eine Stange zu laufen.“ Nur ein, zwei Designerbrands hat der Laden bislang mehr. Darüber hinaus ist Uwe Maier „auf der Suche nach kleinen Nischenprodukten, wie wir sie bei den Herren schon haben – da braucht man dann einfach Luft in der Präsentation, muss sie schön und separat hängen können.“ Geht ja jetzt.

Vor (fast) zehn Jahren eröffnete Uwe Maier Bungalow, der berechtigt zu den Topadressen Deutschlands gezählt wird.

Im Gleichklang mit Dongus Architekten und dem Lichtspezialisten Pslab richtet sich Uwe Maier ein.

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Messing, moderne Klassiker, das Produkt im Fokus: F端r seinen Stil ist Bungalow bekannt.

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Ärmel hoch und los. Die Stiefväter/ Luzern Von wegen Generation Y! Es gibt sie noch, die hungrigen, die jungen Entrepreneurs, die wissen, dass Erfolg ganz viel mit harter Arbeit zu tun hat. Dominik Schmid und Enea von Fellenberg riskieren alles und haben sich mit Kochlöffel und Haaren der Verwirklichung ihres Traums verschrieben. Text: Dörte Welti. Fotos: Anja Wurm

Am Anfang war die Vision eines eigenen Gastronomiebetriebes. Der gelernte Coiffeur mit Wirtepatent Dominik Schmid und der ausgebildete Koch Enea von Fellenberg kennen sich aus der Luzerner Ausgehszene. Es gibt zwar Lokale in der Stadt am Vierwaldstädter See, aber eines, das rockt, das fehlt irgendwie. Allein das Geld ist noch knapp. Die zwei bekommen eine Location angeboten, aber sie ist für „eine Beiz“ zu klein. Schmid und von Fellenberg nehmen den Laden trotzdem, mit der Idee, hier genug Geld zu verdienen, dass dann doch irgendwann das Restaurant möglich wird. In einer Bierlaune wird der Name Die Stiefväter kreiert, mit dem sinnigen Untertitel Dein Vormund für Stil. Zwei Friseurplätze zum Haareschneiden kommen rein und Mode, ein paar Accessoires. Schmid, dessen Wurzeln in Thailand liegen, hat zu Hause

Kontakte zu Textilproduzenten, man kennt sich, nachhaltiger geht es nicht. Eine feine kleine Selektion Marken wird in den Laden gehängt und los geht’s. Die Jungs arbeiten hart, Schmid macht rund 100 Haarschnitte pro Woche, der Preis von 39 Franken für Damen und 29 Franken für Herren zieht. Kein Chi-Chi, einfach Schnitt und gut. Die Jungunternehmer wohnen in einer winzigen Wohnung ohne Heizung und Warmwasser, teilen sich die Miete von 240 Franken, halten die Fixkosten niedrig und machen Eigenmarketing, indem sie eine weitere gemeinsame Leidenschaft, die Musik (Schmid spielte mal in der Band GeilerAsDu mit), mit von Fellenbergs Fähigkeiten, Events zu organisieren, paaren. Das spricht sich rum, die Marke Die Stiefväter steht bald nicht mehr nur für einen außergewöhnlichen Laden, sondern auch

Die Stiefväter Hirschengraben 11, 6003 Luzern/Schweiz www.diestiefvaeter.com Eröffnung: November 2012 Inhaber: Dominik Schmid, Enea von Fellenberg Anzahl der Mitarbeiter: 1 Marken: Cheap Monday, Desires, Eviltwin, Metallic Tattoos, Minkpink, Nude Audio, Timi Jewelry, Vagabond, Ynoru

für coole Plattentaufen, satte Partys und jede Menge Spaß, auch Lesungen, damit die Kultur nicht zu kurz kommt. Die junge urbane Kundschaft goutiert es. Von Fellenberg absolviert in der gegenüber liegenden Berufsschule seine Berufsmatura (ähnlich dem deutschen Fachabitur). Und weil man in Luzern auch miteinander spricht, und von Fellenbergs Vermieter – man kann sich inzwischen getrennte Zuhause

leisten – von dem Traum der Jungs weiß und gerade ein Lokal an der Hand hat, eine ehemalige Punk-Rock-Bar, kommt eins zum anderen: Seit 14. März ist die Metzgerhalle offen, eine Lokalität mit 90 Sitzplätzen, einer Bühne natürlich für jede Menge Mucke und einem Garten. Die beiden haben selbst renoviert, die Möbel gebaut, geschuftet und strahlen, als sie davon erzählen. Nebenbei hat von Fellenberg noch en passant eine eigene Taschenmarke kreiert, Ynoru, die jetzt im Shop hängt, der natürlich bestehen bleibt, denn vorerst ist die Metzgerhalle nur ab 16 Uhr unter der Woche geöffnet, Samstag durchgehend, sonntags für Brunch, da kann man sehr gut vorher jeweils noch Haare schneiden und Abitur machen.

Schlanke Einstellung: Kleiner Shop, niedrige Kosten, Qualität, die sich rumspricht, das Erfolgsrezept von Die Stiefväter – Enea von Fellenberg (l.) und Dominik Schmid –, um Geld für größere Projekte zu sparen.

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Eine Schatzkammer. The Box/Hamburg Im ehemaligen Theater in der Basilika hat The Box alles zusammengebracht, was das Designherz begehrt. Im denkmalgeschützten Fabrikgebäude bilden drei Shops, zwei Galerien und ein Café einen der interessantesten Concept-Stores der Stadt. Text: Quynh Tran. Fotos: The Box

Wie in einer Wunderkammer – so fühlt man sich zuweilen im Concept-Store The Box im charmanten Hamburger Stadtteil Ottensen. In der ehemaligen Reismaschinenfabrik aus dem Jahr 1868 hat einer der spannendsten Neuzugänge der Hamburger Retailszene seine Heimat gefunden. Nach Schließung des Theaters in der Basilika, das die Fabrik 22 Jahre lang bespielt hat, wollte Inhaber Christian Peters eigentlich wieder eine Kultureinrichtung in dem denkmalgeschützten Gebäude sehen. Kürzungen im Kulturhaushalt ließen dieses Vorhaben unrealistisch werden – und so hat er kurzerhand mit Mitstreiterin Monika Brunes ein neues, tragfähiges Konzept entwickelt. Eine Bühne wird zur Bühne

Eine aufwändige Restaurierung, die die alte industrielle Substanz erhalten und wieder in

den Blickpunkt gebracht hat, war nötig. Entstanden ist ein Rundumkonzept mit drei Shops, zwei Galerien und einem Café, das Design, Kunst, Kultur und Kulinarisches mühelos vereint. Im Hauptschiff der offenen Fabrikhalle, wo einst die Bühne des Theaters war, befindet sich nun zwischen Backsteinwänden und Eisenträgern der Heritage-­ Shop mit Designklassikern der Moderne. Bridge Chairs aus den 1930er-Jahren und Hans The Box Borselhof, Borselstraße 16F, 22765 Hamburg/Deutschland Inhaber: Monika Brune und Christian Peters Verkaufsfläche: 800 qm Marken Lifestyle: Baxter, Catellani & Smith (Vintage), Christian Laigre, Eileen Grey (Vintage), George Smith, Hans Wegner (Vintage), Philippe Starck, Santa & Cole (Vintage)

Wegner Teddy Bear Chairs aus den 1950er-Jahren stehen im Raum, als wär es ein Wohnzimmer, von den gläsernen Decken hängen Kronleuchter von Santa & Cole und Catellani & Smith, als gehörten sie immer schon hierher. Ein besonderer Bonus sind Unikate, die für Hotels entworfen wurden, so etwa Philippe Starcks Bett für das Royalton Hotel in New York oder das George Smith Sofa für das Soho House Berlin. Passend dazu kann man im Books in the Box, das vom Buch- und Mediengestalter Rainer Groothius betrieben wird, direkt nach den passenden Design- und Architekturbildbänden oder nach Buchraritäten stöbern. Im dritten Shop, One Kitchen, gibt es Küchenutensilien, die das Sortiment abrunden. Auf den Galerien unter dem gläsernen Dach befindet sich Christian Peters The Box Gallery

und die Lazy Dog Gallery, zwei über die Hansestadt hinaus bekannte Galerien Kopf und Magen füllen

Selbstverständlich, dass ein Café nicht fehlen darf, bretonische Crepes-Spezialitäten und Kaffee versüßen den Aufenthalt. Und damit auch die Kultur, die ja eigentlich hier Raum finden sollte, nicht zu kurz kommt, finden regelmäßig Konzerte, Lesungen und Vernissagen statt. Aus dem ehemaligen Theater in der Basilika ist wieder ein belebter Ort mit einmaliger Atmosphäre geworden. Ein Concept-Store, der ein individuelles, charmantes Erlebnis geschaffen hat.

Monika Brune und Christian Peters von The Box in Hamburg. Der Heritage-Store in der denkmalgeschützen Fabrikhalle.

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Glänzendes Extra: der VIP-Kokon in der Männerabteilung.

Eine Home- und Accessoire­ abteilung, ein bisschen CoffeTable-Literatur: wie aus dem Concept-Store-Bilderbuch.

Gewagte Architektur: Eine Eisgrotte als Inspiration verspricht den größten Luxus in einer Stadt in den Tropen.

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Einen Schritt voraus. Runway/ Ho-Chi-Minh-Stadt Mit einem anspruchsvollen Raumkonzept und exklusiven Markenportfolio hat Hoai Anh Tran Thi mit Runway den ersten PremiumMultibrand-Store Vietnams geschaffen. Er kann locker mit der Konkurrenz in Paris oder London mithalten – eine Pionierleistung in dem Schwellenland. Text: Quynh Tran. Fotos: Runway

Bei Walser soll sich der Kunde wohlfühlen, dafür sorgt ein Rundumsortiment für Männer und Frauen und eine behagliche Wohnzimmeratmosphäre.

Wenn es draußen heiß ist, ist Kühle der größte Luxus – und den hat die Boutique Runway in jedem Sinne verwirklicht. Mitten im Zentrum, im Vincom Center auf Ho-Chi-Minh-Stadts Einkaufsmeile Dong Khoi hat der erste vietnamesische Department-Store auf internationalem Niveau ein Refugium vor der tropischen Hitze und dem Lärm der pulsierenden südostasiatischen Metropole geschaffen. Im Wechselspiel der Kontraste

Der 1.500 Quadratmeter große Raum wurde nach einem digitalen Entwurf einer Eisgrotte vom italienischen Studio CLS Architetti konzipiert und wirkt wie ein gebrochenes Labyrinth aus weißen Stahllamellen, das Metapher für den Zyklus von Geburt, Leben und Wiedergeburt sein soll. Die Kühle der Eisgrotte wird von futuristischen Skulpturen, wärmeren Leder- und Samt­ elemente sowie vietnamesischen Holz- und Steinmöbeln kon­ trastiert. Mitten im Store sticht ein silberglänzender Kokon aus 12.899 Stahlschuppen hervor, hinter dem sich der VIP-Raum mit fast 9.000 handgefertigten weißen Gipsrosen versteckt. Das Wechselspiel zwischen Moderne und Tradition, zwischen

Technologie und Handwerk und zwischen Zurückhaltung und Überfluss ist allgegenwärtig. Hinter jeder Biegung wartet kompetentes Personal, das die perfekte Balance zwischen Zurückhaltung und Aufmerksamkeit zu beherrschen scheint. Immer ein Gespür für Veränderungen

Statt Prunkmarken wie Gucci und Prada, wie man sie in aufstrebenden Schwellenländern erwarten würde, findet sich eine Auswahl exquisiter europäischer Namen, die als Synonyme für guten Geschmack und luxuriöses Understatement gelten: Balenciaga, Céline, Givenchy, Jil Sander, Lanvin und Saint Laurent. Neben diesen etablierten Marken werden mit Acne Studios, Akris, Alexander Wang, Erdem, Hussein Chalayan, Maison Martin Margiela, Theyskens’ Theory oder The Row auch Labels geführt, die in Vietnam weniger bekannt oder zumindest wenig populär sind. Mit der Markenmischung und dem anspruchsvollen Design, das West und Ost zusammenbringt, zeigt Runway, wie sich Europäisches geschmeidig und erfolgreich in einen asiatischen Kontext einfügt. Die Boutique ist damit der Entwicklung des

Marktes in dem Schwellenland einen deutlichen Schritt voraus. Den Vergleich mit europäischen Concept-Stores wie Colette braucht Gründerin und Geschäftsführerin Hoai Anh Tran Thi nicht zu fürchten. Seit der Eröffnung ihres ersten Geschäfts für Sergio Rossi im Runway Ho Chi Minh City Vincom Center, 70–72 Le Thanh Ton, District 1, Ho-Chi-MinhStadt/Vietnam CEO: Hoai Anh Tran Thi Verkaufsfläche: 1.500 qm Marken Frauen: 3.1. Phillip Lim, Acne Studios, Akris, Alexander McQueen, Alexander Wang, Antonio Marras, Balenciaga, Cedric Charlier, Céline, Chloé, Closed, Emilio Pucci, Erdem, Givenchy, Helmut Lang, Hussein Chalayan, I’m Isola Marras, J.W. Andersen, Jil Sander, Maison Martin Margiela, Marc Jacobs, Marni, Paco Rabanne, Prabal Gurung, Proenza Schouler, Roland Mouret, Saint Laurent Paris, Stella McCartney, The Row, Vanessa Bruno, Viktor & Rolf, Vionnet Marken Männer: Brioni, Givenchy, Jil Sander, Kiton, Lanvin, Loewe, Maison Martin Margiela, Marc Jacobs, Sergio Rossi, Sonia Rykiel, Vanessa Bruno, Viktor & Rolf Marken Accessoires: Alexander McQueen, Givenchy, Lanvin, Maison Martin Margiela, Monica Castiglioni, Rosa Maria

Hanoier Metropole Hotel 2006 hat die junge Unternehmerin ihr Modeimperium kontinuierlich ausgebaut. Ihre Firma Global Link Co. Ltd. setzt erfolgreich Monobrand-Konzepte für Luxusmarken wie Alexander McQueen, Balenciaga, Céline, Givenchy oder Loewe um. Ausgezeichnete Beziehungen zu europäischen Modehäusern bilden die Basis für das mutige Konzept des Multibrand-Stores. Der konsumhungrige Wachstumsmarkt weiß es zu danken: Seit der Eröffnung im Jahr 2010 sind mittlerweile vier erfolgreiche Ableger in Hanoi und Ho-ChiMinh-Stadt hinzugekommen. Dieses Jahr sollen auch die Monobrand-Stores in Ho-ChiMinh-Stadts Rex Hotel, zu denen unter anderem Balenciaga, Loewe und Chloe gehören, zu einem weiteren Multibrand-Store ausgebaut werden, der auch eine Eigenmarke führen wird. Kein Wunder, dass Hoai Anh Tran Thi als eine der einflussreichsten Köpfe der Mode in Südostasien gilt und 2014 in The Business of Fashion 500 gelistet wurde.

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Perfekt wäre nicht perfekt. Room Nine/Bonn Cool-minimalistisches Ladenstyling wird man bei Room Nine vergeblich suchen. Gut so, denn das Konzept des Geschäftsführertrios funktioniert nicht nach Schema F, sondern folgt eigenen Gesetzen. Text: Nicoletta Schaper. Fotos: Peter Schaffrath

Allessandra Cuschié und Torsten Müller sind die Inhaber von Room Nine, gemeinsam mit Antonia Molina.

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Auf den ersten Blick wirkt Room Nine wie ein Mädchenzimmer, in hellen, pastelligen Farben gehalten, ein bisschen voll gestellt und einfach gemütlich. „Genau das mögen unsere Kundinnen“, sagt Torsten Müller, der Room Nine gemeinsam mit seiner Frau Allessandra Cuschié und Antonia Molina gegründet hat. Lässige und schräge Looks

Torsten Müller vertreibt Mode seit 23 Jahren, heute mit seiner Düsseldorfer Agentur, die ebenfalls Room Nine heißt und unter anderem Marken wie CP Company und Deyk im Portfolio hat. Eigentlich hatte Torsten Müller ein Chemiestudium begonnen, doch nach einem Ferienjob bei Esprit beschloss er, dort anzufangen und entdeckte sein Vertriebstalent. Später, als Sales Manager bei Burberry, lernte er Allessandra Cuschié kennen, die ebenfalls als Agentin für die Marke arbeitete. 2006 eröffneten sie ihren ersten Laden in Bonn mit der Adresse Stern-

torbrücke 9, gemeinsam mit Allessandras Sandkastenfreundin Antonia Molina. In erster Linie verkaufen die beiden Frauen bei Room Nine lässige, auch gern mal ein bisschen schräge Looks und gar nicht so sehr Marken. Da gibt es Kleider von Bash, femininen Strick von Jeff, Mokassins und Fransenboots von Minnetonka, dazu Jeans von Herrlicher, eine Marke, die von Anfang an im Sortiment ist. Mit der Zeit kamen weitere Läden namens Room Nine hinzu, immer im selben Umkreis. „Anfangs war die Lage gar nicht so toll, mit Spielhalle und Kneipe“, beschreibt Müller. „Aber mittlerweile hat die Straße sehr gewonnen, mit Leysieffer, einer Bäckerei, Restaurant und einem Kindergeschäft, das ist eine Mischung, die für Belebung sorgt.“ Heute gibt es drei Läden, ergänzt von einem Outlet um die Ecke, wo auch die selbstgemalten Tapeten von Cuschié verkauft werden. Allen gemeinsam ist ein ähnliches Konzept von Mode mit

Schuhen, dazu Schmuck, Deko und Keramik. Dass die Ware oft unter den Läden ausgetauscht und alle zehn Tage umdekoriert wird, schafft immer neue Bilder Room Nine Sterntorbrücke 9, 53111 Bonn/ Deutschland www.roomnine.de Eröffnung: April 2006 Inhaber : Allessandra Cuschié, Antonia Molina, Torsten Müller Mitarbeiter: 3 Vollzeit, 18 Teilzeitangestellte für alle Room Nine Geschäfte Verkaufsfläche: 120 qm Marken Frauen: u. a. American Vintage, Bash, Custommade, Deyk, Essentiel, French Connection, Herrlicher, Jeff, Leon & Harper, Levi’s, Maison Scotch, Pyrenex, Second Female, Sessùn, Set, Shot, Zoe Karssen Marken Schuhe: u. a. Beck Söndergaard, Billi Bi, Birkenstock, Doc Martens, Janet & Janet, Jeffrey Campbell, Minnetonka, Moo, Seven Bootlane, Toms, Ugg Marken Schmuck: u. a. Catherine Weitzman, David Aubrey, Ginette NY, Leaf, Satya, Van Rycke

in den Geschäften. Offensichtlich inspiriert das nicht nur die Stammkundinnen, die oft zu Room Nine kommen. „Unsere Fenster sind immer recht bunt und voll, was wir dort zeigen, verkaufen wir innerhalb weniger Tage“, so Torsten Müller. Handmade

Auch dass die Shops nicht professionell renoviert wurden und immer ein bisschen handmade wirken, ist Teil des Konzepts. „Room Nine mit der Hausnummer 5 sollte unser Vorzeigeobjekt werden, minimalistisch und perfekt gestaltet, mit indirektem Licht und weiß verputzten Wänden“, erzählt Müller. „Doch dieses Geschäft funktionierte am allerwenigsten. Dann haben wir Holz an die Wände gezimmert und deutlich mehr Ware hineingehängt. Seitdem läuft er. Nicht perfekt sein, das ist wohl unser Erfolgsgeheimnis.“

Mädchenzimmer Room Nine: Hier werden Looks verkauft und gar nicht so sehr Marken.

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108 EDITOR’S LETTER /// IMPRESSUM

Neues Denken

Der Gottseibeiuns des Modefachhandels auf dem style-in-progress-Cover. Das könnte bei manchen Irritationen ausgelöst haben. Meine Annäherung an Zalando war inhaltlich ja auch lange mehr als schwierig, zu laut, zu proll, zu Samwer. Außerdem bin ich ja immer skeptisch, wenn ein Unternehmen mit so einer World-Domination-Attitüde daherkommt. Diese Skepsis darf aber nicht den Blick verstellen. Den Blick auf einen immer mächtigeren Marktteilnehmer, der – zumindest in den deutschsprachigen Märkten – wie kein anderer als Marke für den fundamentalen Umbruch der Handelslandschaft und des Konsumverhaltens steht. Den Blick auf ein Unternehmen, das offensichtlich einen ganz anderen Plan verfolgt, als einfach „nur“ ein großer oder sogar sehr großer Onlinehändler zu sein. Ein Unternehmen, das vor allem ständig bereit ist, neu zu denken. Zalando taugt weder als Universalausrede, noch ist Zalando die Schlange, vor der Fachhändler wie Kaninchen erstarren müssen. Zalando ist, wie alle anderen Onlinehändler auch, einfach ein Mitbewerber. Und vielleicht ist Zalando für den stationären Handel sogar eine Chance. Nicht nur, weil die beispiellose Werbeoffensive die Awareness für Mode insgesamt gesteigert hat. Nicht nur, weil die immer stärker hochkochenden Diskussionen über die Zukunft der Städte und Ortskerne bei vielen Menschen zunehmend immerhin eine spürbare Nachdenklichkeit auslösen oder die 24/7-Digitalisierung eine bewusste oder auch unbewusste Gegenreaktion auslöst, sondern vor allem, weil Zalando (als pars pro toto) den stationären Handel zwingt, die Aktualität und Berechtigung der eigenen Positionierung zu hinterfragen. Wenn alte Wege nur noch schwer begehbar sind, dann muss man nach neuen Wegen suchen. Neue Wege oder „Neues Denken“ bedeutet aber nicht zwingend, alles neu oder anders zu machen. Oft geht es um eine Rückbesinnung. Die Landwirtschaft war über Jahrzehnte von einer Unkultur der bedingungslosen Maximierung geprägt. Technologie und Wissenschaft ermöglichten ungebremste Produktionssteigerungen. Bis zu einem gewissen Grad war das auch richtig, sinnvoll und notwendig. Es galt, eine schnell wachsende Gesellschaft leistbar zu versorgen. In einer Generation, die Hunger noch am eigenen Leib verspüren musste, ein zutiefst logisches Bedürfnis 415 style in progress

und eine gesellschaftliche Notwendigkeit, die bald zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Aber der Mensch neigt nun einmal dazu, alles auf die Spitze zu treiben und die Schraube zu überdrehen. Wurden die Warner vor einer grenzenlosen Industrialisierung der Landwirtschaft anfangs noch als zukunftsfeindliche Spinner belächelt, wuchs mit der Zeit die Erkenntnis, dass dieser Weg ganz pragmatisch und ohne konsumkritische Romantik in die Irre führt, weil er die Grundlagen zerstört, weil die Kollateralschäden zu hoch sind und weil Entwertung und qualitative Verschlechterung in so einem System schlicht immanent sind. Das neue Denken, mit der immer mehr Menschen dieser Fehlentwicklung entgegentreten, ist letztlich eine Rückbesinnung. Wenn Bauern zur Fruchtwechselwirtschaft zurückkehren, dann ist das nicht nostalgisch oder rückwärtsgewandt, sondern zukunftsorientiert, weil die Qualität der Böden, die sie bearbeiten, ihr Zukunftskapital ist. Und wenn Konsumenten lieber mehr Geld für wirklich schmackhafte Tomaten oder qualitativ hochwertiges Fleisch mit nachvollziehbarer, regionaler Herkunft ausgeben, dann ist das teilweise natürlich auch zeitgeistig, aber letztlich auch Folge eines veränderten Anspruchs. Niemand würde ernsthaft verlangen, dass in der Landwirtschaft oder der Lebensmittelproduktion auf den Einsatz moderner Technologie verzichtet wird. Es geht immer darum, eine Balance zu finden. Diese Balance ist in der Modebranche in vieler Hinsicht abhanden gekommen. Der (ungebremste) Flächenwahnsinn und die Flutung der Märkte mit Ware ist das Äquivalent zu den ausgelaugten Böden der landwirtschaftlichen Monokulturen mit vergleichbaren Auswirkungen: Entwertung, Qualitätsverlust, Preisverfall. Das ist, wie mein hier beschriebenes Beispiels beweist, kein Naturgesetz und kein unausweichliches Schicksal. Aber es ändert sich auch nicht von selbst, sondern verlangt nach aktiver Gestaltung. Die Bereitschaft NEU zu denken, ist die Grundvoraussetzung. Ihr Stephan Huber stephan.huber@ucm-verlag.at

Eigentümer/Verleger/ Redaktion/Anzeigen UCM-Verlag B2B Media GmbH & Co KG Salzweg 17, 5081 Salzburg-Anif Österreich T 0043.6246.89 79 99 F 0043.6246.89 79 89 office@ucm-verlag.at www.ucm-verlag.at Geschäftsführung Stephan Huber Nicolaus Zott

Chefredaktion Stephan Huber stephan.huber@ucm-verlag.at Martina Müllner martina.muellner@ucm-verlag.at Art Direktion/Grafik/Produktion Elisabeth Prock-Huber elisabeth@ucm-verlag.at Autoren dieser Ausgabe Isabel Faiss Petrina Engelke Ina Köhler Kay Alexander Plonka Verena Roidl Nicoletta Schaper Quynh Tran Dörte Welti Fotografen Markus Burke Bernhard Musil Peter Schaffrath Illustratorin Claudia Meitert Bildbearbeitung Anouk Schönemann anouk.schoenemann@ucm-verlag.at Anzeigenleitung Stephan Huber stephan.huber@ucm-verlag.at Verlagsassistenz/Vertrieb Sigrid Staber sigrid.staber@ucm-verlag.at Christina Hörbiger christina.hoerbiger@ucm-verlag.at Lektorat Johannes Seymann Übersetzung Manfred Thurner Druck sandlerprint&packaging 3671 Marbach, Österreich Druckkoordination Manfred Reitenbach

Nächste Ausgabe 12. Januar 2016


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