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#4/2018

„ Die Story zählt.“ Mats Klingberg

New New Menswear? New New Consumer! Ingo Wilts. Digitalisierung hilft uns, den Kunden zu verstehen Maks Giordano. Nehmt die jungen Zielgruppen endlich ernst! Andreas Bernkopf. Der Herrenausstatter ist ein Anachronismus

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004 EDITORIAL

Männermode

(ganz ohne Autos und nackte Frauen) Liebe Leserinnen und Leser, wenn man vor ein paar Jahren ein Magazin für Männermode konzipierte, gab es ein simples Erfolgsrezept: Packe in dein Heft auch ein paar leicht bekleidete Damen, Autos, Fitnesstipps und ein paar möglichst plakative Thesen, wie die sexuelle Power beflügelt werden könnte. Schon damals hat sich wohl ein Gutteil der Männer gefragt, warum er eigentlich auch über Protein-Aufbaunahrung belehrt wird, wenn er sich doch eigentlich nur für Klamotten interessiert. Danke, Social Media, dass du alles auf den Kopf gestellt hast. Danke, Internet, dass du es möglich machst, dass man Mode auch ohne den testostorösen Kontext serviert bekommt. Mats Klingberg von Trunk Clothiers sagt im Longview mit Martina MüllnerSeybold (ab Seite 022): „Online ist ein großer Motor, in dem Sinne, dass Männer sich nun viel umfassender über Kleidung und Styles informieren können, die zu ihnen passen. Hat man früher irgendwo auf dem platten Land in den USA oder in Deutschland gewohnt, war diese Information nicht verfügbar – und jetzt findet man eben Gleichgesinnte.“ Gleichgesinnte, die als selbstbestimmte Konsumenten die Industrie vor sich hertreiben, wie keine Generation vor ihnen. Gleichgesinnte, deren Arbeitsleben sich so tief gewandelt hat, dass sich selbst Banker ohne Krawatte und im Easy Suit gefallen. Gleichgesinnte, die nicht mehr akzeptieren, dass ihre Outdoorjacke alles und ihre urbane Jacke nichts kann. Gleichgesinnte, die einfordern, dass sich ein Premiumprodukt nicht als Umweltsauerei erweist. Die Liste der Gründe, warum derzeit in der Männermode kein Stein auf dem anderen bleibt, ließe sich beliebig lange weiterführen – was wir im gesamten Heft tun! Nicoletta Schaper hat sich dazu mit Branchenprofis über die Zukunft des Anzugs ausgetauscht (Le Roi est mort, vive le Roi, ab Seite 038). Stephan Huber hat mit Vertretern von Bastionen der Männermode wie Ingo Wilts von Hugo Boss (Wir waren immer Customer-driven, ab Seite 042) oder Andreas Bernkopf von Hirmer (Der persönliche Kontakt ist eine unschlagbare USP, ab Seite 046) unterhalten. Isabel Faiss hat eine kleine Tour du monde unternommen: Von Korea bis Boston, von Los Angeles bis Hamburg – eine inspirierende Auswahl von Männerläden, für die viele Attribute gelten – bloß nicht das des klassischen Herrenausstatters (Herrenausstatter, What the hell?, ab Seite 082). Im Münchner Green Light Studio diskutierten verschiedene Männer, was sie zum Einkaufen motiviert. Creative Mind Oliver Rauh bringt es im Salongespräch (ab Seite 050) auf den Punkt: „Das Bild in der Herrenmode hat sich deutlich geändert.“ Wir freuen uns, wenn wir Sie in diese veränderte Welt begleiten dürfen. Coverfoto: Samuel Zeller

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Viel Vergnügen beim Lesen, Ihr style in progress Team


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006 INHALT

004 EDITORIAL

Männermode (ganz ohne Autos und nackte Frauen)

008 JETZT 072 FINDEN WIR GUT THE LONGVIEW 022 „Ein schöner Laden voll schöner Dinge reicht längst nicht mehr“ Trunk Clothier Inhaber Mats Klingberg im Interview.

SO LÄUFT’S NEW NEW MENSWEAR 030 New New Menswear Epische Veränderungen in der Herrenmode – ein Kommentar von Stephan Huber. 032 Was treibt die Männermode heute an? Profilierung, Nachhaltigkeit, Wertbeständigkeit – was Experten der Menswear wünschen. 022

038 Le Roi est mort, vive le Roi Wachkomapatient Anzug? 042 „Wir waren schon immer consumer-driven“ Chief Brand Officer bei der Hugo Boss AG – Ingo Wilts verändert Antlitz und Image des Schwergewichts aus Metzingen. 046 „Der persönliche Kontakt ist eine unschlagbare USP“ Hirmer Geschäftsführer Andreas Bernkopf denkt modernen Retail zu Ende. 050 „Es ist ein Impuls, kein Bedarf“ Das wollen Männer kaufen – ein Salongespräch. 056 „Die Konsumentenbedürfnisse brechen Branchenregeln auf“ Digitalstratege Maks Giordano über die Folgen der Digitalisierung. 060 Herrenausstatter, quo vadis? Eine glorreiche Zukunft liegt vor dem Handel mit Männerbekleidung. Jawohl! 064 Cool Comfort Technisch, funktional, intelligent – warum Convenience alles ist. 065 „Wir haben gerade erst begonnen“ Tradition im Outdoor heißt, mit Traditionen zu brechen: Woolrich-Mastermind Andrea Cané im Gespräch.

038

066 „Convenience ist ein Kaufargument“ Marco Lanowy von Alberto über intelligente Produkte, für die man 260 Kilometer Rad fährt. 067 „Mitunter waren wir zu früh“ G-Lab war Wegbereiter des Athleisure-Trends – als es den noch gar nicht gab, wohlgemerkt. 068 Nachhaltigkeit, wie wir sie meinen Warum der erste Schritt der wichtigste ist: Besser und weniger kaufen.

MODE 076 New New Menswear So sieht die Veränderung aus.

VOR ORT 082 Herrenausstatter, what the hell? Ihr Selbstverständnis ist die Menswear – Ikonen des Retails auf der ganzen Welt. 096 Noch Fragen? Umgebaut, ausgebaut, neu eröffnet: Das starke Lebenszeichen des gehobenen Modefachhandels.

104 EDITOR’S LETTER Machtwechsel 056

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104 IMPRESSUM



008

Jetzt

Drykorn x Distorted People Freundschaftliche Verbundenheit

Das deutsche Premiumlabel Drykorn und die Münchner Streetwearmarke Distorted People haben gemeinsam eine elfteilige Kollektion mit Hoodies, T-Shirts, einem Sakko und einer elegant geschnittenen Hose herausgebracht. Das Label Distorted People wurde von den Zwillingsbrüdern Huy und Dung Vu im Jahr 2008 gegründet und nach ihrer gleichnamigen Partyreihe benannt. Sie produzieren unangepasste Streetwear für nonkonforme Männer vom Beanie bis zum schlichten Wollmantel, eine Kinderkollektion sowie mehrere limitierte Editionen mit etablierten Mode- und Lifestylemarken. Den Hintergrund der Kooperation erklärt Marino Edelmann, CSO von Drykorn Modevertriebs GmbH & Co. KG: „Es besteht eine langjährige Freundschaft, wir respektieren den Erfolg des jeweils anderen sehr und glauben, dass beide Marken sich gegenseitig gut ergänzen können. Die Jungs von Distorted People lieben perfekt sitzende Anzüge, viele von uns bei Drykorn waren früher in der Street- und Skateboardszene unterwegs und wir lassen uns noch immer gerne davon inspirieren. Ich bin überzeugt, dass auch unsere Kunden sich mit dem jeweils anderen Label identifizieren können. Das Ergebnis der Zusammenarbeit ist hochwertige Streetwear mit zeitlosen Basics, an denen man lange Freude haben wird. Die Verbindung der beiden Markenkerne spiegelt den Zeitgeist wieder. Konfektion und Streetwear müssen fast zwangsläufig zusammen gezeigt werden. Es gibt keine Barrieren mehr, keine feststehenden Bereiche und Genres, die Grenzen verschwimmen. Alles ist erlaubt, wie man international bei Supreme, Off-White oder Louis Vuitton sieht.“ Seit Mitte Oktober ist die Capsule exklusiv bei Wormland und Zalando sowie in den eigenen Onlineshops erhältlich. www.drykorn.com, www.distortedpeople.com

Antonelli steht für stilistische Innovation von Frauen für Frauen.

Antonelli Firenze Erster Flagshipstore

Corso Venezia 12 – so lautet die Adresse des ersten Flagshipstores von Antonelli in Mailand. Das italienische Unternehmen wurde 2001 von den Schwestern Roberta und Enrica Antonelli gegründet. Der Laden hat 150 Quadratmeter Verkaufsfläche auf zwei Ebenen. Die drei großen Schaufenster gewähren einen umfassenden Blick in den Innenraum. Das Interieur basiert auf dem luxuriösen, zurückhaltenden Stilcode der Marke und wurde von dem Architekten Cristiano Baldinotti vom Studio Archibald umgesetzt. Verwendete Materialien sind unter anderem unbehandeltes Metall und naturbelassener grauer Quarzit. Der Holzfußboden aus dunkelgrauer Steineiche wurde im Fischgrätmuster verlegt und hat ein originelles, langes, schmales Format, wie das Gewebe eines Stoffs. „Wir möchten, dass sich die Kundinnen wie zu Hause fühlen und einen entspannenden Einkauf erleben“, so die Gründerinnen der Firma. „Wir haben uns für Mailand entschieden, denn wir halten die Stadt für eine bedeutende Referenz für das internationale Publikum, das auf hervorragende italienische Qualität Wert legt. Wir glauben sehr an diesen Wert. Deshalb haben wir unsere Lieferkette in Italien, vor allem in der Toskana. Die Investition in den ersten Laden in Mailand ist Teil einer umfassenderen Strategie, die die Eröffnung von fünf weiteren Flagshipstores in Europa und Italien vorsieht“, fügen die Schwestern hinzu. Das Unternehmen ist fest in Familienhand: Enrica Antonelli, Präsidentin und Kreativdirektorin, Roberta Antonelli, Vizepräsidentin und Verwaltungs- und Finanzchefin sowie Marco Berni in dritter Generation geschäftsführender Direktor, Vertriebsleiter und Direktor für strategische Entwicklung. Im Jahr 2017 lag der Umsatz von Antonelli bei 12,5 Millionen Euro mit einem Exportanteil von 65 Prozent. Rund 650 Multimarkenstores führen das Label in Italien, Deutschland, Skandinavien, Südkorea, Russland und Japan. www.antonellifirenze.com Die limitierte Kollektion von Drykorn und Distorted People ist komplett in Schwarz gehalten und wird mit strahlend blauen Elementen akzentuiert.

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Jetzt 009

Marc O’Polo Black Friday? Nein. Black Fashion Week!

Schwarz als Statement – ab 19. November lanciert Marc O’Polo online, in den eigenen Läden und bei Handelspartnern die Black Fashion Week Capsule Kollektion. Das Pricing liegt passend zum Zeitpunkt deutlich unter den vergleichbaren Preisen der Casual Hauptkollektionen. Marc O’Polo nennt es „die Premiumantwort auf den Black Friday“. Die Kollektion umfasst 16 Styles für Damen, zehn Styles für Herren, alle ganz in Schwarz gehalten. Heavy Knit, Woven Lightweight, Jersey und Sweat, Schuhe und Accessories. Eine ausdrucksstarke Fusion hochwertiger Materialien und anspruchsvollem, skandinavischem Design unter dem Motto: If it’s not black, put it back. Begleitet wird die Kollektion von einer eigenen Kampagne, fotografiert von Joachim Müller Ruchholtz. www.marc-o-polo.com

Mit der Black Fashion Week Capsule-Kollektion will Marc O’Polo eine Antwort auf die November-Rabattschlachten rund um den Black Friday geben.

Zeitgeist Kundennähe

Was die da vor meinem Laden können, kann ich schon lange. Ob das die Gedanken von Christiane Lindner waren, als sie sich entschloss, ihrem Laden Zeitgeist in Amberg ein kleines Facelift zu gönnen? Vor dem Shop fahren nämlich die Baumaschinen auf – und bleiben drei Jahre! Die Stadt Amberg muss Tiefbauarbeiten in Angriff nehmen. Was jedem anderen Händler die Schweißperlen auf die Stirn treiben würde, lässt Christiane Lindner kalt. „Wir haben zu 95 Prozent Stammkundschaft, sonst gäbe es einen Laden wie unseren hier sowieso nicht mehr“, bringt es die Unternehmerin auf den Punkt. Konsequent, dass der erste Event in neuem Rahmen auch nur einer ausgewählten Schar von Stammkundinnen zugänglich war. 30 handverlesene Kundinnen lud Lindner zum Fashion Talk mit dem Designerduo von Odeeh. Jörg Ehrlich und Otto Drögsler standen der Händlerin und ihren bekennenden Fans im Publikum Rede und Antwort. Sympathisch auf ganzer Linie – die Händlerin und „ihre Mädels“, die Designer, die Marke, der Event. www.zeitgeist-amberg.com, www.odeeh.com

Jörg Ehrlich, Christiane Lindner und Otto Drögsler beim Odeeh-Event bei Zeitgeist in Amberg.

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010

Jetzt Agenturen Vestitus Mailand im Fokus

Antonelli hat sich in kurzer Zeit als Abverkaufsgarant etabliert. C.P. Company, seit einer Saison bei Vestitus, entwickelt sich nach vorn.

Im September hat Antonelli den ersten Monobrandshop auf dem Mailänder Corso Venezia 12 in Mailand eröffnet. „Das ist ein wichtiger Schritt für die internationale Sichtbarkeit der Marke“, sagt Volker Haertel. „In Deutschland und Österreich hat sich Antonelli in sehr kurzer Zeit als Abverkaufsgarant etabliert. Wir haben uns hier eine begeisterte Kundin herangezogen, die angerufen werden will, wenn die neue Ware bei unseren Partnern im Handel eintrifft.“ Auch bei Herno gibt es einen Grund zum Feiern. Der Herno Monobrandshop ist im September auf die Via Montenapoleone 3 umgezogen, in Nachbarschaft der Stores Fedeli und Santoni, ebenfalls im Portfolio von Vestitus. Mit C.P. Company, seit einer Saison unter den Fittichen der Düsseldorfer Agentur, konnten bereits mehr als 20 Neukunden im deutschsprachigen Markt gewonnen werden. „Wir haben auch unseren Umsatz um mehr als 60 Prozent steigern können“, so Haertel. „Die positive Entwicklung unserer Marken lässt uns sehr wählerisch in der Auswahl neuer Kollektionen werden. So werden wir vorerst keine Newcomer zeigen, obwohl wir mit einigen durchaus interessanten Kollektionen im Gespräch sind.“ Marken: Antonelli, C.P. Company, Fedeli, Finamore, Herno, Jacob Cohën, L.B.M. 1911, Olivieri, Santoni, Tortona 21 Vestitus GmbH, Düsseldorf/Deutschland, service@vestitus.eu , www.vestitus.eu

Die Hinterhofagentur ,„Handel ist Wandel“

„Die Umbrüche in den Sortimenten gehen momentan noch schneller vonstatten als bisher“, sagt Dominik Meuer von der Hinterhofagentur in München. „Ich beobachte, dass vor allem Konzepte mit einer klaren Vision Erfolg haben. Auch unsere Marken stellen wir alle drei bis vier Saisons auf den Prüfstand und hinterfragen ihre Positionierung im Markt und ihre Performance.“ Nach dem heißen Sommer und der quasi fehlenden Übergangssaison lief der Verkauf für Frühjahr/Sommer etwas schleppend hinsichtlich der Jacken und Strickthemen. Zum Herbst/Winter sieht man Jacken jedoch wieder stark. Neuzugang wird das Label Adhoc aus Varese. Im Zentrum der Kollektion für Frauen und Männer steht der Bold Parka, den die Designer von Adhoc sehr kreativ und facettenreich durch alle denkbaren Farb-, Stoff- und Materialkombinationen durchdeklinieren. „Das Produkt hat mich sofort begeistert“, sagt Dominik Meuer. Neben dem Bold Parka bietet die Kollektion zahlreiche Sportswear- und Daunenjacken für Damen und Herren. Mit all ihren Marken blickt die Agentur erwartungsvoll auf die kommende Order: „Ich erwarte mir viel von der Herbst-/Winter-Saison“, sagt Dominik Meuer. Die Herrenkollektionen Bob und Manuel Ritz liefen sehr gut und auch der Neuzugang aus dem Frühjahr, die Sportswear von Lightning Bolt mit authentischer Surfer-Heritage, konnte sich neben den Sportswearkunden auch bei Modekunden etablieren. Marken Damen: Adhoc, Cape Horn, Des Petits Hauts, Kori, Lightning Bolt, Rose and Rose, The Jacksons, Wool & Co, Wyse London Marken Herren: Adhoc, Bob, Cape Horn, Koike, Lightning Bolt, Manuel Ritz, Portofiori, Prime Shoes & Hamlet, Taylor Tweed, Wool & Co Die Hinterhofagentur, München/Deutschland, info@diehinterhofagentur.de, www.diehinterhofagentur.de Mit treffsicheren Kollektionen ein überzeugendes Angebot schaffen – die Mission der Hinterhofagentur. Im Bild: Des Petits Hauts.

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012 Jetzt Agenturen

Die Hosenkollektion Dolores erweitert ihr Sortiment mit eleganten Silhouetten in neuen Jersey-Qualitäten.

Modeist Familienbande

Seit einem halben Jahr ist die Agentur Modeist von Marion Hoferer nicht nur in einem neuen Showroom in München anzutreffen, sondern auch unter neuer Leitung in München. Zeitgleich mit dem Umzug übernahm Timothy Hoferer die Leitung. Und er kann auf eine sehr erfolgreiche erste Auslieferung, beispielsweise der Fake-Fur-Kollektion von

Pride to be, zurückblicken. „Wir werden die Kollektion jetzt entsprechend weiter ausbauen und auch Strickthemen mit hineinbringen, unter anderem in Form von Fake-Fur-Jacken mit einem Futter aus hochwertigen Wollstoffen. Auch hier steht stilistisch das Karo im Mittelpunkt“, sagt Marion Hoferer. Auf neue Qualitäten setzt sie auch mit der Hosenkollektion Dolores aus Regensburg. Hier kommen Modelle in neuen Jersey-Stoffen hinzu. „Besonders spannend ist die Kombination aus eleganten Schnitten und sehr entspannten Jersey-Stoffen. Da mischen wir ganz radikal feminine Eleganz mit Lässigkeit.“ Der feminine Part in Form von Kleidern spielt auch in der Blusen- und Kleiderkollektion von Silk Sisters eine zentrale Rolle, denn „der Markt kann noch mehr Kleider vertragen“, sagt Marion Hoferer und kündigt damit einen Fokus für die kommende Saison an. Marken: Balr, Dolores, It Peace, Jakke, Pride to be, Sassi Cara, Silk Sisters, Sold Out, Super Legere Modeist GmbH, München und Düsseldorf/ Deutschland, info@b-kleidung.com, www.modeist.com

Adventure Fashion Agency Just in time

Mit der Übergrößenlinie ist Silver Jeans so erfolgreich, dass sie nun ausgebaut wird.

CP Fashion Mitten ins Blaue

Mit der kanadischen Premiumjeanskollektion Silver Jeans erzielt das Team rund um Reinhart Oberstein nach wie vor seine größten Umsätze. „Das ist das Kerngeschäft unserer Agentur“, sagt der Inhaber selbst. „Mit der neuen Linie Just for us by Silver Jeans kommt nun eine neue, sehr hochwertige Linie mit hinzu, die an die Erfolge der Marke 1921 anschließt. Ein spezielles Designteam aus Los Angeles arbeitet dafür mit top Denimqualitäten aus Japan und lässigen Details. Der Look folgt dem Trend zu cleaneren Optiken und deutlich weniger Distress-Looks. Trotzdem wird gerade bei Silver Jeans nicht auf die typische DNA mit kernigeren Denims und markanten Nähten verzichtet“, sagt Reinhart Oberstein. Auch mit ihrer Übergrößenlinie ist Silver Jeans so erfolgreich, dass sie nun ausgebaut wird und Größen zwischen 32 und 46 Inch anbietet. Neu im Team der Agentur ist Cansin Denis, der sich als Verkaufsleiter und absoluter Jeansprofi unter anderem auch um die seit letzter Saison neue Kollektion Jim X Judy aus Schweden kümmert. Mit modischen Styles und schnellen Lieferrhythmen richtet sich Jim X Judy 418 style in progress

Accessoires, Taschen und Jacken für Männer und Frauen – DESA 1972 bringt Farbe in das Thema Leder.

an den jüngeren Markt. Ergänzend zu ihrem Denimangebot hat die Agentur CP Fashion zudem eine eigene kleine Gürtelkollektion gelauncht, um ihr Angebot zu vervollständigen. Marken: Articles of Society, Greywire, Invita, Jim X Judy, Just for us by Silver Jeans, Robins Jeans, Silver Jeans, Ultra Tee CP Fashion, Bad Säckingen, Düsseldorf und München/Deutschland, info@cpfashion.de, www.cpfashion.de

„In einer Zeit, in der Leder nicht so angesagt ist, haben wir uns gegen alle Trends entschlossen, die Kollektion DESA 1972 aufzunehmen“, sagt Marc Kofler von der Adventure Fashion Agency. Für ihn war das Gesamtpaket überzeugend: das hochwertige Material, das italienische Design, ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und die Verarbeitung, alles stimmte. Mit einem runden Servicepaket für Kunden, das beispielsweise die Nachlieferfähigkeit innerhalb von drei Wochen beinhaltet und eine große Auswahl von 20 verschiedenen Farben für Velourleder in gewaschenen und ungewaschenen Qualitäten beinhaltet, startet Adventure zur kommenden Saison in Deutschland und Österreich. Ebenfalls neu ist seit der Frühjahr-/Sommer-Saison 2019 die T-Shirt- und Sweatshirtkollektion Cockaigne, die in der zweiten Saison weiter ausgebaut wird. Mit vier Kollektionen pro Jahr, einer Kalkulation von 3,0, unkomplizierten Nachliefermöglichkeiten und Verkaufspreislagen zwischen 89 und 149 für Sweats und 59 bis 79 für T-Shirts kommt man der immer größeren Nachfrage nach der schnellen Verfügbarkeit nach. Ein Trend, auf den Marc Kofler reagiert: „Im November startet unser Verkauf für unsere Just-in-time-Kollektionen wie Tonno & Panna, Trvl Drss, Mucho Gusto, DL 1961 und Cockaigne mit dem Liefertermin April.“ Marken: 120%, Berna, Cockaigne, DESA 1972, DL 1961, Duno, Iheart, Matchless, Mucho Gusto, Peuterey, Tonno & Panna, Trvl Drss, Via Masini 80, Zenggi Adventure Fashion Agency, Düsseldorf und München/Deutschland, info@adventure-gmbh.de, www.adventure-gmbh.de


15 JANUARY 2019

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014 Jetzt Agenturen

Room with a view T-Shirts und Espandrilles

Mit der Sommersaison ist man bei Room with a view sehr zufrieden. „Alle unsere Marken sind gut gelaufen. Eigentlich haben wir nicht vor, für die nächste Saison etwas zu verändern. Wir sind im Moment mit unserem Angebot sehr zufrieden. Überhaupt war es eine sehr gute Sommer-Vororder. Das Feed­ back der Kunden auf unser Portfolio war durchweg positiv und auch die Sortimentsbereinigung, die wir vorgenommen haben, kam gut bei den Kunden an. Das tut gut“, erklärt Inhaber Christian Obojes. Neu dazugekommen ist das T-Shirt- und Sweat­shirtLabel Black Score. Die Kollektion mit 60 bis 70 verschiedenen Prints für Herren und Damen beinhaltet Slim- und Loos-Fit-Varianten zu EK-Preisen ab 20 Euro. Die Shirts zum VK-Preis von 59 Euro sind kurzfristig lieferbar, da alles in kleinen Auflagen in London von Hand gemacht wird. Kreativer Kopf hinter dem Label ist Simeon Farrar, ein Künstler, der durch seine gleichnamige Kollektion bekannt wurde. Bei seinem neuen Projekt Black Score bleibt er seinem Stil treu und mixt ironisch und mit viel britischem Humor coole Messages mit kreativen Motiven. Der zweite Neuzugang ist Casa de Vera, ein neues Label aus Spanien, die mit handgemachten Espadrilles der besonderen Art für das Premiumsegment am Start stehen. Die filigranen Materialien für die leichten Damen-Espadrilles stammen aus Venezuela und werden dort sehr aufwändig von Hand

produziert. Die Verkaufspreise liegen zwischen 93 und 120 Euro, bei einer 2,5er-Kalkulation. Marken: Alto, Article of Society, Arkk Copenhagen, Better Rich, Black Score, Casa de Vera, D.A.T.E Sneakers, Devotion Twins, Ecoalf, Hanky Panky, Happy Socks, Holubar, Lauren Moshi, Moon Boot, Moose Knuckles, Pomandere, R13, RRD, Stand Stockholm, Steamery, Steven K, Swell, The White Brand, Veja, Warm Me, White Sand, Xacus Room with a view, Salzburg/Österreich, office@roomwithaview.at, www.roomwithaview.at

MNE Fashion Lizenz für Luxus

Seit November ist MNE Fashion Lizenzinhaber der Marke White T.

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Casa de Vera, ein Premiumlabel mit handgemachten Espandrilles, ist einer der Neuzugänge bei Room with a view.

Ab November wird die Agentur MNE Fashion Lizenzinhaber der Cashmereund Ledermarke White T. „Peter Boveleth wird der Firma weiterhin als Beirat verbunden bleiben und Anke Boveleth, die das Design und die Produktion verantwortet, bleibt ebenso im Team“, so Mark Etzold, der die Agentur gemeinsam mit seiner Frau Hanna Böhringer führt. Der Fokus im Vertrieb von White T liegt auf dem deutschsprachigen Raum. In Deutschland wird White T über das Salesteam von MNE verantwortet, während der Vertrieb in Österreich und der Schweiz dort ansässigen Agenturen anvertraut wird. Künftig sollen außer Dänemark und Norwegen noch weitere Märkte wie Italien und Frankreich erschlossen werden. Neu in der Agentur ist die Ready-to-Wear von TCN Barcelona für die urbane Frau. „Die einzigartigen Kleidungsstücke werden in Spanien in kontrollierter und nachhaltiger Produktion aus qualitativ hochwertigen Stoffen gefertigt“, beschreibt Mark Etzold. „Großer Vorteil ist das B2B-Portal für die Kunden, die jederzeit ohne Mindestaufnahme darauf zugreifen und nachbestellen können.“ Der durchschnittliche EK liegt bei 100 bis 120 Euro, bei einer Kalkulation von 2,7. Samantha Sung, ebenfalls bei MNE Fashion, steht für sehr weibliche Kleider, die für den Winter mit Cashmere-­Cardigans, Pullovern mit individuellen Drucken in kreativen Farben sowie Mänteln ergänzt werden. Marken: Arma, Maison Passage, Samantha Sung, TCN Barcelona, Trixi Schober, White T Agentur MNE e.K., Düsseldorf/Deutschland, info@mne-fashion.de, www.mne-fashion.de


Jetzt Agenturen 015

Aco Modeagentur Deutschland Marken und Service

Le Coeur Twinset heißt ein Neuzugang der Aco Modeagentur von Michael Schulz. „Wir wollen den Markt mit Twinset weiterhin stark aufbauen“, so Michael Schulz. „Die durchschnittliche Preislage von 55 Euro im EK wird den Bekanntheitsgrad der Marke weiter steigern und die typische Simona-Barbieri-Styleaussage aufnehmen, während sich die Hauptlinie Twinset mit durchschnittlichen EK-Preisen von 70 Euro mehr in Richtung Trend entwickelt.“ Weiterhin setzt Michael Schulz auf Marken und bietet dafür einigen Support. „Wir bleiben unserem Weg treu: Contemporary – Designer – Accessoires, und unterstützen unsere Kunden mit Rundumbetreuung.“ Zusätzlich präsentiert Aco Deutschland die Marke Parosh während der Orderrunde auch in Düsseldorf, die ebenso in Mailand und Paris gezeigt wird. Last but not least: „Einige Kollektionen wie beispielsweise Pinko, Elisabetta Franchi, Seventy und auch Plein Sud werden wir künftig auch in der österreichischen Distribution unterstützen“, fügt Schulz hinzu. „Dazu berät unser Partner The Farm den Einzelhandel in allen erforderlichen Strategieansätzen, um den neuen Erfordernissen im Einzelhandel gerecht zu werden.“ Marken: Alex Monroe, Ebony & Ivory, Elisabetta Franchi, Eywa Soul Malibu, Fusalp, Gianni Chiarini, John Richmond, Just Cavalli, Le Coeur Twinset, My Twin, Parosh, Pinko, Plein Sud Paris, Quantum Courage, Seventy, Twinset Milano, Ventcouvert, Versace Collection Aco Modeagentur, Düsseldorf/Deutschland, kontakt@acomode.de, www.acomode.de The Farm, Düsseldorf/Deutschland, grow@thefarmbyaco.de, www.thefarmbyaco.de Pinko gehört zu den starken Marken von Aco Deutschland.

Cuore Tricolore Handle with care

Drei Farben, drei Menschen, eine Herzensangelegenheit: Nach 27 Jahren Ein-MannAgentur entschied sich Uwe Deinert 2014, gemeinsam mit Patrick Vennewald die Agentur Cuore Tricolore zu gründen. Kurz darauf stieß Silke Willms zum Team. Der Name ist Programm: „Wir machen Dinge, die uns am Herzen liegen. Gleichzeitig haben wir alle eine große Affinität zu vielen Dingen, die mit drei Farben zu tun haben. Jeder trägt seine Flagge, auf unserer steht, dass wir Cuore Tricolore als Plattform verstehen und nicht als klassische Agentur. Auf unserer Plattform treffen sich ganz unterschiedliche Leute, die aber alle eines gemeinsam haben: die hundertprozentige Leidenschaft für gute Produkte und den Blick für das Gesamtbild“, sagt Uwe Deinert. Als speziellen Service definieren sie unter anderem, dass man seinem Kunden ein Produkt bis ins kleinste Detail erklären kann und ihm damit das perfekte Werkzeug an die Hand gibt, um dieses dann mit all seinem Mehrwert an den Konsumenten zu kommunizieren und zu verkaufen. „Meiner Meinung nach ist der Multibrandstore das neue Zentrum der sozialen Interaktion. Im Zeitalter der Digitalisierung brauchen wir alle solche Treffpunkte in der realen Welt, wo wir uns sozialisieren und kultivieren. Das ist nur über Multiprodukt- und Multibrandstores zu schaffen.“ Mit Kollektionen wie Vic Matié oder Chevignon, die neben ihrer Heritage eine Tiefe in ihren Produkten und deren Qualität mitliefern, setzt die Agentur auf Beständigkeit. Gleichzeitig kommen innovative Ideen wie die von Toasties hinzu, die aus Produktionsüberschüssen von Lammfell kunstvolle Accessoires fertigen. „Wir nehmen uns die Freiheit, unkonventionell zu sein, aber diese Freiheit erfordert auch einen gewissen Mut“, bringt es Uwe Deinert auf den Punkt. Marken: Alexander Hotto, Archives, Chevignon, Hidnander, Mc Lauren, Primabase, The Seller, Timex Archive, Toasties, Vic Matié Cuore Tricolore, Düsseldorf/ Deutschland, info@cuore-tricolore.com, www.cuore-tricolore.com

Silke Willms, Patrick Vennewald und Uwe Deinert – das Team von Cuore Tricolore.

If you can make it there … Il Bisonte freut sich, im Sortiment von Bergdorf Goodman zu sein.

D-tails Große Namen

Die Münchner Agentur D-tails hatte im Spätsommer gleich zwei große Kunden für spannende Projekte gewonnen. Zum einen gab es eine Kooperation mit Einwaller für ein Hilfsprojekt in Tibet. Mit der traditionsreichen Accessoiremarke Il Bisonte konnte das Team zudem die Einkäufer von Bergdorf Goodman überzeugen. „Mit dem Bison als Firmensymbol, der für Frieden, Kraft und Ruhe steht, setzt Il Bisonte seit der Gründung der Firma vor 45 Jahren durch Wanny Di Filippo auf Tradition und Qualität. Das wissen Kunden wie Bergdorf Goodman zu schätzen.“ Als Neuzugang begrüßt das Team von D-tails die Schuhkollektion Flower Mountain, die bereits weltweit in top Imagestores vertreten ist und ein schön klingendes Motto hat: Sie steht für die Schönheit der Natur, Respekt, das Streben nach Glück, Freiheit und Wohlgefühl. Die Kooperation mit der Marke Poliquant machte die Sneaker der Designer Keisuke Ota aus Japan und Yang Chao aus Peking schnell in der Szene bekannt. „Add entwickelt sich analog seinem Motto Design x Daily Use zu einem wichtigen Kompetitor im Outdoorbereich und kann dabei auf starke Key-Pieces und ein Lager zurückgreifen“, sagt Patrick Coppolecchia Reinartz. Marken: Add, Bruno Parise, Best Company, Flower Mountain, Il Bisonte D-tails, München/Deutschland, info@d-tails.de, www.d-tails.de

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016 Jetzt Agenturen

The Stylemanifest Agency Aufnahmestopp

Nachhaltig und fair gehandelt: LN Knits ist neu in der Room Nine Agency.

Room Nine Agency Gute Produkte im Fokus

Neu bei Room Nine ist das Label LN Knits. „Die Designerin Ellen nutzt ausschließlich die Wolle ihrer Baby-Alpakas aus Peru“, berichtet Agenturinhaber Torsten Müller. „Die Pullis und Strickjacken werden von peruanischen Hausfrauen gestrickt, die je ein Teil pro Tag schaffen. Auch deshalb sind die Stückzahlen pro Style begrenzt.“ Ebenfalls neu in der Agentur ist Bikkenbergs mit betont maskuliner Underwear und Swim­ wear, in Lizenz gefertigt und vertrieben von dem großen Wäsche- und Strumpfhersteller Perofil. Die Kollektion umfasst ein NOS-Programm, das durch saisonale Fashionkollektionen ergänzt wird. Nun soll mit kommerziellen VK-Preisen für die Underwear zwischen 39 und 79 Euro und für die Swimwear zwischen 99 und 129 Euro verstärkt der deutsche Markt ins Visier genommen werden. Lauren Moshi aus Los Angeles bringt sehr softe Sweats und T-Shirts heraus. „Die Geschwister Moshi entwerfen jeden Druck selbst und von Hand, das macht es so unverwechselbar“, sagt Torsten Müller. „Different oder Jades sind bereits Kunden, wir werden den Vertrieb weiter behutsam ausbauen.“ Und sonst? „Marken, die zu breit distribuiert sind und immer weiter Ware in den Markt pumpen, werden zusehends von normalen Einzelhändlern gemieden“, erklärt Torsten Müller. „Es wird also immer wichtiger, gute Produkte zu haben, dann sind Markennamen weniger wichtig.“ Labels: Bikkembergs, Bomboogie, Flip Flop, Harmont & Blaine, Lauren Moshi, LN Knits, Orlebar Brown, Refrigue, Tretorn Room Nine Fashion Agency, Düsseldorf/ Deutschland, torsten.mueller@roomnineagency.de, www.roomnineagency.de

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Bis Dezember 2018 hat sich die Berliner Agentur rund um Steve Herrmann und Aphrodite Popis selbst einen Aufnahmestopp für Anine Bing verhängt und gleichzeitig ihr Portfolio von zwölf auf fünf Marken reduziert. „Wir wollten diesen Schritt bewusst gehen, weil der Schlüssel für den gemeinsamen Erfolg die Fokussierung auf seine Kernkompetenzen ist, auch für den Handel. Wir wollen wenigen Marken viel Aufmerksamkeit widmen statt vielen wenig. Mehr Marken bedeuten nicht auch mehr Umsatz, ganz im Gegenteil“, sagt Steve Herrmann. Gleichzeitig konnten sie mit der Streetwearkollektion Ragdoll seit Januar 2018 den Umsatz verzehnfachen, bei einem Mark-up von 3,1 und einem Abverkauf von 80 Prozent vor Sale. „Das Fast-Fashion-Prinzip, das Ragdoll LA mit rund zehn neuen Teilen pro Monat umsetzt, ist vom Handel sehr gefragt. Dieses Sofort-Bestell-Prinzip ist bei Ragdoll LA deshalb möglich, weil die Marke in der Türkei produziert und somit von den US-Strafzöllen nicht betroffen ist.“ Marken: Anine Bing, Bacon, Hironaé Paris, Magali Pascal, Ragdoll LA The Stylemanifest Agency, Berlin/ Deutschland, office@tsma-fashion.com, www.tsma-fashion.com

Deutschlandumsatz verzehnfacht: Ragdoll LA stößt im Handel auf tolles Feedback.

Select Studio Buy now, sell now

Mit sechs Kollektionen im Jahr erfolgreich: Gestuz ist neu bei Select Studio.

Mit der Marke Gestuz geht die Agentur von Bernard Waage neue Wege, denn mit sechs Lieferterminen und drei Flash-Programmen setzt Gestuz auf ein Prinzip, in dem für Bernard Waage die richtigen Antworten auf Fragen stecken, die die gesamte Branche beschäftigen: „Die richtige Ware zum richtigen Zeitpunkt, true to market ist das Stichwort. Mit Lieferterminen im Januar, Februar und März für die Sommerkollektion, dem Liefertermin für High Summer im April, einem Flash-Programm für Mai und dann der Auslieferung im Juni, Juli, August und September für den Herbst mit einem weiteren Flash-Programm im Oktober/November wird quasi das ganze Jahr bespielt. Das bedeutet weniger Warendruck, eine termingerechte Warensteuerung und damit keine frühzeitige Entwertung der Ware durch Reduzierungen“, sagt Bernard Waage. Kunden wie das KaDeWe, Breuninger und die Schweizer PKZ Gruppe haben bereits geordert. Die terminnahe Orderphase birgt gleichzeitig auch dass Risiko, dass viele Budgets bereits verplant sind, doch Bernard Waage sieht viel Potenzial im Umdenken: „Ich wünsche mir, dass viel mehr Vertreter aus Industrie und Handel diesen Wandel unterstützen und vollziehen, um die Entwertung des Produktes in der Textilbranche zu stoppen.“ Marken: Aybi, By Malene Birger, Garment Project, Gestuz, Hudson, J. Lindeberg, Oscar Jacobson, Sand Select Studio, München und Düsseldorf/ Deutschland, info@select-studio.com, www.select-studio.com



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Jetzt Messen

Fashiontech Listen & Learn

Die von der Premium Group gegründete Konferenz Fashiontech verbindet die Fashion-, Tech- und Start-up-Industrien, indem sie Themen rund um die digitale Transformation, Innovationen und disruptive Technologien während der Berlin Fashion Week behandelt. Das Hauptthema der kommenden Edition lautet „How to transform your organisation“. Folgende Aspekte werden die Panels und Talks bestimmen: • Leadership & Culture • Innovation & Technology • Future of Work & Customer Journey Als Redner sind bisher bestätigt: • Gary Wassner, CEO von Hilldun • Ana Andjelic, Chief Brand Officer von Rebecca Minkoff • Christoph Bornschein, Mitgründer und CEO von Torben, Lucie und die Gelbe Gefahr • Alfredo Orobio, Gründer und CEO von Awaytomars • Sebastian Klauke, CDO der Otto Group • Christoph Magnussen, Gründer und CEO von Blackboat

Ana Andjelic, Chief Brand Officer von Rebecca Minkoff, ist eine der Vortragenden auf der Fashiontech.

Die Konferenz dient außerdem als Plattform für interdisziplinären Austausch zwischen den verschiedenen Industrien. Ausgewählte Aussteller und Dienstleister präsentieren ihre Produkte. In den Networking-Areas haben die Besucher die Möglichkeit, sich mit den Rednern, Brancheninsidern und Entrepreneuren zu vernetzen und neue Businesspartner zu finden. Fashiontech: 15. Januar 2019, www.fashiontech.berlin

Sie kreiert neue Brandwelten und entwickelt das Konzept der Premium weiter: Anita Tillmann.

Content-Hub: Internationale Experten halten auf der Fashiontech Vorträge über Digitalisierung und Innovation.

Premium Alles bleibt anders

Monate voll Bewegung liegen hinter der Premium. Im Sommer der Schritt über den großen Teich – eine Minderheitsbeteiligung an dem US-Messeveranstalter Liberty Fairs Group. Zu dieser gehören die Plattformen Liberty, Cabana und Capsule. Gemeinsam wollen beide Gesellschaften nun neue Formate in Europa und den USA entwickeln. Im Herbst dann die Bekanntgabe eines völlig neuen Messekonzepts, das die Aussteller der Premium Berlin auffordert, ins Storytelling zu investieren. Nicht die ganze Kollektion, sondern ein konkretes Produkt oder eine konkrete USP soll in den Mittelpunkt der Präsentation gerückt werden. Dazu werden die Hallen völlig neu strukturiert und kuratiert. Themenwelten sollen den internationalen Einkäufern schnellere Orientierung bieten. „Ab Januar präsentieren wir ein sich weiterentwickelndes Messekonzept, resultierend auf Basis europaweiter Studien im Modeeinzelhandel und Marktanalysen der Premium Group. Neue Brandwelten werden kreiert und auf Grundlage von Pricing, Image, Positionierung und Distributionsstrategie in den acht Hallen der Station Berlin neu zusammengestellt. Zudem präsentiert jede Brand einen Key-Look, ein Key-Item oder eine Story auf ihrem Stand. Ziel ist es, die Aufmerksamkeit der Einkäufer für sich zu gewinnen, zu inspirieren und den Dialog untereinander aktiv anzustoßen“, erklärt Anita Tillmann, Managing Partner Premium Group. 15. bis 17. Januar 2019, www.premiumexhibitions.com

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PANORAMA-BERLIN.COM

EXPEDITION 15—17 JANUARY 2019

FASHION | LIFESTYLE | ENTERTAINMENT | COMMUNITY


020 Jetzt Messen

Panorama Berlin & Selvedge Run Freundliche Übernahme

Nach zwei Saisons als Kooperationspartner hat die Panorama Berlin GmbH im September den Selvedge Run – Trade show for quality garments and crafted goods gekauft. „Selvedge Run steht für authentische Marken, charakterstarke Produkte und Handwerk. Wir sehen in der Fusion einen wichtigen Schritt, unsere Ausrichtung und Zukunftsvisionen zu stärken und internationale Branchenthemen weiter in den Fokus zu rücken. Mit Selvedge Run als integrierter Teil der Panorama Berlin erreichen wir neue Zielgruppen und schaffen verbindende Synergien“, erklärt Panorama Berlin CEO Jörg Wichmann. Selvedge Run wird ab der Winterveranstaltung zentral und prominent in der Halle am Eingang Süd positioniert. Ganz dem Leitbild der Veranstaltung entsprechend sollen hier Brands gezeigt werden, die sich durch Wertigkeit, nachhaltige Fertigungstechniken und authentische Geschichten auszeichnen. Zudem wird das Ausstellerporfolio um die Segmente Current, Sport und Active erweitert. So sollen die Besucher direkt im Eingangsbereich marktrelevante Looks, Inspirationen und Trendthemen finden können. „Nach sieben erfolgreichen Selvedge Run Shows ist es für uns an der Zeit, ein neues Level anzustreben“, erklärt Shane Brandenburg, Mitbegründer und Sales Manager des Selvedge Run. „Mit der Reichweite und organisatorischen Kraft von Panorama Berlin sehen wir eine gute Möglichkeit, das gesamte Potenzial unserer Marken zu entfalten und einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.“ Shane Brandenburg wird auch in Zukunft für die inhaltliche Ausrichtung der Fläche verantwortlich sein. Unter dem Motto Panorama Expedition wird bei der Veranstaltung im Januar ein komplett überarbeitetes Messekonzept präsentiert. Die Fokussierung zielt auf Marken mit Relevanz und klaren Botschaften. Spitzere Präsentationen, Trendkapseln und Limited Editions, sollen Fashion in einem spannenden Lifestylekontext inszenieren. „Wir verstehen uns in Zukunft noch mehr als Innovationstreiber und Trendschaufenster. Wir arbeiten lösungsorientiert und setzen spannende Themen. Noch stärker vorausdenken und neue Impulse setzen, ist unser Ziel“, erklärt Jörg Wichmann und ergänzt: „Klassische Messekonzepte verlieren an Zugkraft.

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Uns steht ein Publikum gegenüber, das Messen braucht, aber in dieser Form nicht mehr liebt. Die Herausforderungen der Zukunft werden die Branche eindeutig verändern und dafür sind neue Denkansätze und Konzepte notwendig.“ Das neue Kommunikationskonzept beinhaltet unter anderem ein eigenes Onlinemagazin, erweiterte Social-Media-Aktivitäten sowie regelmäßige B2B-Newsletter. Jörg Wichmann: „Wir haben uns die Konsumentenbrille aufgesetzt und beziehen aufkommende Trends, die gerade ans Licht treten, in die Gestaltung mit ein. Events und Entertainment haben in der Fashion Community einen völlig anderen Stellenwert als noch vor wenigen Jahren. Konsumenten wollen Emotionen, ein Erlebnis beim Einkauf.“ Diese Entwicklung will die Panorama Berlin mit Entertainment, Infotainment und CommunityMatchmaking in der Inszenierung berücksichtigen. Der Eingangsbereich wird mit umfangreichen Brand Activities sowie erweitertem Musik- und Gastronomieangebot neu gestaltet. Die Registrierung wird dadurch Teil des Events, damit die Besucher sofort mitten im Geschehen sind. Die neue Hallenaufteilung reicht von etablierten Fashionmarken mit hohem Bekanntheits­ grad, über Womens Wear zwischen Daywear, Athleisure & Glamour und Männermodetrends von formal und minimalistisch bis hin zu Outerwear und Sports. Eine Infotainmenthalle zeigt unter dem Titel Retail Solutions, welche Möglichkeiten sich bieten, den PoS zum PoX zu machen. „Die Halle liefert aufregende Aussteller, Speaker-Highlights und hochkarätige Veranstaltungen, die die Themen Digitalisierung, Trends, Content Marketing bedienen. Der Bereich bietet einfach implementierbare Lösungen für die Modernisierung und Digitalisierung des Modeeinzelhandels“, erläutert Wichmann. 15. bis 17. Januar 2019, www.panorama-berlin.com

Starke Synergien und Zukunftsvisionen: Panorama Berlin CEO Jörg Wichmann und Shane Brandenburg, Mitbegründer und Sales Manager des Selvedge Run arbeiten ab jetzt gemeinsam an neuen Konzepten für die Branche.


Jetzt Messen 021

Seek Zehn Jahre

Glenn Martens, Creative Director des Pariser Labels Y/Project zeigt auf dem Pitti Uomo.

Die Seek feiert im Januar ihren zehnten Geburtstag. Seit ihrem Debüt 2009 liegt der Schwerpunkt besonders auf Autonomie, Anti-Trend, Tradition und Ursprung. Geprägt von Subkulturen, Musik und Kunst geht es dem Seek-Team vor allem darum, Werte zu kreieren, zu pflegen und neu zu interpretieren. „Seek ist aus dem Gefühl entstanden, dass Brands nicht nur Wettbewerber, sondern Partner sind. Es gibt bei uns viele Brands, deren Köpfe sich persönlich nah sind und denen bewusst ist, dass man im Austausch auch wirtschaftlich voneinander profitieren kann. Die Seek Community zeichnet schon immer einen besonders freundschaftlichen Umgang miteinander aus – unser Anspruch ist, den unterschiedlichen Bedürfnissen unserer Partner gerecht zu werden. Dabei können wir Bühne oder Kokon sein“, sagt Maren Wiebus, Seek Director. 15. bis 17. Januar 2019, www.seekexhibitions.com

Pitti Immagine Uomo Individualität und Unabhängigkeit

Eine Messe mit besonderem Spirit: Die Seek präsentiert nicht nur ein clever kuratiertes Marktsegment, sondern versteht sich als Community.

Munich Fabric Start & Bluezone Visuelle Erlebnisse

Auch für 2019 wird bei der Munich Fabric Start der kontinuierliche Optimierungsprozess weitergeführt. Auf der kommenden Veranstaltung im Januar ist beispielsweise eine Weiterentwicklung des Bluezone Festivals geplant. Die Resource Area wird um innovative, nachhaltige Materialien und Textilien erweitert. Das Keyhouse wird die Fusion von Fashion, Technologie und Innovation gezeigt. „Die letzte Saison hat gezeigt, dass wir mit der View Premium Selection im Juli – durch frühen Termin mit einem deutlichen Besucherplus – und mit der darauf folgenden Munich Fabric Start

über zwei aufeinander abgestimmte Messeformate verfügen, die Antwort auf einen frühen Einstieg in die Saison bieten. Unser Anspruch ist es, Marktentwicklungen und eventuelle Verschiebungen zu bewerten, um der Industrie entsprechende Antworten und Lösungen bieten zu können“, erklärt Sebastian Klinder, Managing Director Munich Fabric Start und fügt hinzu: „Speziell im Denimbereich beobachten wir seit geraumer Zeit eine Verschiebung der Saisons und Lieferrhythmen. Nach dem vor zwei Jahren eingeführten Konzept ‚Denim Beyond Seasons‘ erleben wir nun einen wachsenden Bedarf für Garments. Diesen werden wir in der Bluezone mit Items von ausgewählten CMT Brands abbilden, um das Supply-Chain-Management visuell erlebbar zu machen.“ Bluezone: 29. bis 31. Januar 2019, www.munichfabricstart.com

Menswear Guest Designer auf der 95 Edition des Pitti Immagine Uomo in Florenz wird der Belgier Glenn Martens, Creative Director des Pariser Labels Y/ Project. Mit einem Special Event wird seine konzeptionelle Kollektion, die sich stets durch ihre einfallsreichen Details, den spielerischen Umgang von Proportionen und dem geistreichen Umgang historischer Anlehnungen auszeichnet, im Rahmenprogramm der Messe gezeigt. „Glenn Martens hat mit Y/Project eine neue ästhetische Ausdrucksform kreiert, die von ihren Widersprüchen angetrieben wird“, sagt Lapo Cianchi, Pitti Immagine Director of Communications und Special Events des Pitti Uomo. „Er ist ein Designer, der seinen Sinn für Humor sehr scharfsinnig zum Ausdruck bringt. Seine Vision von Fashion ist extrem persönlich und bietet Raum für die uneingeschränkte Freiheit, sich zu kleiden, wie man möchte: experimentell und mit Spaß an der Sache, ohne irgendwelche Barrieren aufzubauen.“ Letztes Jahr wurde Y/Project mit dem renommierten Andam Grand Prize Award ausgezeichnet. Die Marke beliefert 150 Kunden, darunter Browns, Dover Street Market, Barney’s, Selfridges, Boon The Shop, Lane Crawford, Jeffrey, Addition Adelaide, Net-A-Porter, Mytheresa.com, Matchesfashion.com, Ssense, Forward by Elyse Walker und Kuznetsky Most. 8. bis 11. Januar 2019, www.pittimmagine.com

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022 THE LONGVIEW

Mats Klingberg hat Trunk Clothiers eröffnet, weil er viele seiner Lieblingsmarken nicht in London finden konnte. Der konzeptionelle Ansatz des Männerladens hat inzwischen große Kreise gezogen.

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THE LONGVIEW 023

Mats Klingberg: „Ein schöner Laden voll schöner Dinge reicht längst nicht mehr.“

Man könnte ihn den klassischen Quereinsteiger nennen – trotzdem die Mode immer ein bestimmendes Element in Mats Klingbergs Biografie war. 2010 hat er die Karriere bei American Express an den Nagel gehängt und auf der Chiltern Street in London Trunk Clothiers eröffnet – was von Anfang an große Kreise zog. Dafür sorgt nicht nur das hervorragende, weltumspannende Netzwerk des gebürtigen Schweden, sondern auch der konzeptionelle Ansatz des Ladens. Eine heimelige Atmosphäre in den Stores, ein magazinartig inszenierter Onlineshop, In-Store-Präsenzen bei Lane Crawford in Asien und zuletzt ein Store in Zürich – Trunk Clothiers war von Anfang an global. Weil sein Inhaber genau das ist: Ein Weltreisender, der das eine oder andere Geheimnis seines Erfolges in seiner Ausbildung begründet sieht. Die umfasste nämlich nicht nur Mode am FIT in New York, sondern zuvor Hotelmanagement in der Schweiz. Seinen Kunden Gastgeber sein, ist, was Mats Klingberg vorschwebt. Seine Rezepte seien nicht allgemein gültig und er längst nicht allwissend, betont Mats Klingberg immer wieder. Dass er mit Trunk Clothiers trotzdem ein Exempel statuiert, kann auch der bescheidene Mr. Klingberg nicht abstreiten. Interview: Martina Müllner-Seybold. Fotos: Trunk Clothiers style in progress 418


024 THE LONGVIEW

D

ie Modebranche – und mehr noch die Männermode – erlebt einen tiefgreifenden Wandel. Stimmen Sie zu?

Unbedingt. Es ist ganz offensichtlich, dass die ganze Industrie in Bewegung ist, ein spannender Moment. Natürlich hat die Damenmode immer noch das größere Stück vom Kuchen, die Männer holen auf. Aber das Wachstum in der Männermode ist vor allem inhaltlicher Natur. Dafür gibt es verschiedene Gründe: Online ist ein großer Motor, in dem Sinne, dass Männer sich nun viel umfassender über Kleidung und Styles informieren können, die zu ihnen passen. Hat man früher irgendwo am platten Land in den USA oder in Deutschland gewohnt, war diese Information nicht verfügbar – und jetzt findet man eben Gleichgesinnte. Die neue Art des Contents erlaubt Männern heute, sich für Mode zu interessieren – früher war es ja einigermaßen schräg, sich als Mann für Mode zu begeistern.

Man hat sich über Sport oder Autos unterhalten, aber es war nicht akzeptiert, sich über Mode zu unterhalten. Nicht, dass es heute Mainstream wäre – aber immer mehr Männer finden es durchaus okay. Das kommt natürlich nicht alleine, sondern ist in ein generelles Interesse an Gesundheit, Fitness, Aussehen eingebettet. In Asien gibt es schon ganz verrückte Beautygrams für Männer, in denen Produkte wie Männerlippenstift promotet werden. In Europa ist man dafür sicher noch nicht bereit, aber in asiatischen Ländern ist das Realität.

Wobei ich glaube, dass es ja nicht darum geht, den Männern das weibliche Interesse an der Mode anzutrainieren. Männer interessieren ja ganz andere Dinge – die Qualität, die Geschichte.

Es ist die Story, die sie interessiert. Bei den Frauen ist es mehr das Gesamterlebnis, mit Freundinnen Zeit verbringen, dabei zum Shopping gehen. Es ist nicht unbedingt 418 style in progress

die Hauptintention, dass man die gekauften Dinge im Anschluss auch behält. Männer haben von Anfang an einen anderen Zugang. Sie recherchieren häufig schon vorher, sind vielleicht ein bisschen geeky, wenn ich diesen Ausdruck verwenden darf. Sie können sich richtig auf Details einschießen, so wie sie das auch bei Autos machen – da wissen sie auch jedes Detail über den Motor und die Leistung. Bei Bekleidung ist das ähnlich: Wo kommt der Stoff her, wie wurde etwas gemacht, wer steckt hinter dem Label. All das haben sie wirklich studiert. Sie behandeln diese Dinge wie kleine Schätze und achten darauf – das ist nämlich auch ein großer Teil des männlichen Wesens. Ich kenne eine Menge Männer, die ihre Schuhe passioniert pflegen, damit sie jahrelang halten. Oder Maßanzüge – das ist etwas, was man sich für die Ewigkeit kauft und nicht, um es einmal zu tragen und dann zur Altkleidersammlung zu geben. Was ja der erste Schritt zur Nachhaltigkeit ist.

Genau und in diesem Zusammenhang spreche ich auch gerne über Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit ist super und ich befürworte sie unumwunden – aber gerade in der Mode ist sie so schwer zu erreichen. Das beginnt schon damit, dass die meisten in der Mode antreten, um etwas zu verkaufen, was den Nachhaltigkeitsgedanken konterkariert. Was können wir also machen? Gute Qualität verkaufen, die mehrere Saisons hält, und aufhören, die Menschen dauernd zu drängen, Neues, Neues, Neues zu kaufen. Wir müssen uns darum kümmern, dass es salonfähig wird, recycelte Materialien zu verwenden. Da passiert gerade sehr viel, aufbereitetes Plastik aus den Weltmeeren und Ähnliches. Wir müssen alle daran arbeiten, nachhaltiger zu werden. Der erste und wichtigste Schritt ist, Fast Fashion und schlechte Qualität zu vermeiden. Denn, wenn etwas nur gemacht ist, um nach dem Tragen weggeworfen zu werden, ist es niemals nachhaltig – auch wenn es aus recyceltem Plastik ist.

Dem stimme ich natürlich zu. Aber auch hier gibt es intelligente Lösungsansätze. Diese Airbnb-Modelle für Anlassbekleidung zum Beispiel. Wenn man ein Outfit nur für einen Anlass braucht, kann man es ja auch leihen. Aber ich weiß nicht, wie er-

folgreich das sein kann. Schließlich wollen die Menschen auch besitzen und glauben, dass die Sachen einzig und allein für sie gemacht wurden. Immer mehr Einflüsse kommen aus dem Sport, aus der High-Tech-Fashion, aus der Casualwear. Im Anzug mit Krawatte kommt man sich schon fast wie ein Dinosaurier vor.

Veränderung in der Mode ist immer faszinierend, weil auch für alles und jeden Platz ist. Die Einflüsse der Straße dominieren, klar, allein der Sneaker, der uns jetzt ja schon auch wieder einige Zeit begleitet. Gleichzeitig sehe ich, dass es immer noch Raum für klassische Konfektion gibt. Also Smart-Casual oder, wie ich es nenne, lässige Eleganz. Das, worin ich tätig bin, bezeichne ich ja auch nicht als Modeindustrie – das ist die Bekleidungsindustrie. Wir machen uns Gedanken über schöne, hochqualitative Produkte und Designs. Natürlich auch mal über Sneaker und Sweatshirts, aber generell nichts, was allzu sehr der Mode unterworfen ist. Daher ist auch dieser Hardcore-Streetwear-Trend à la Balenciaga oder Vetements nichts für uns. Selbstverständlich brauchen wir Zitate daraus. Wir müssen die Klassik immer ein bisschen aufmischen und dürfen auch nicht übersehen, dass sich die Silhouette gerade wandelt, dass die Hosen oder die Mäntel wieder mehr Volumen bekommen. Als ich vor acht Jahren eröffnet habe, war gerade alles super-slim, jetzt ist es relaxter – das ist der natürliche Wandel in der Mode. Dafür bin ich offen, aber ich mache keine Extreme mit. Ich gehe lieber auf Nummer sicher, ohne dadurch langweilig zu sein. Warum ist der stationäre Laden – insbesondere für Männer – so wichtig. Online legt immer mehr zu, aber die Magie des physischen Erlebens fasziniert weiterhin.

Natürlich erobern die OnlinePure-Player Stück für Stück auch gewaltige Anteile vom stationären Kuchen, die Convenience siegt über vieles. Aber Menschen sind Menschen und wir brauchen und lieben den Austausch. Wenn man nur ein Hemd nachkaufen will,

„Ich gehe lieber auf Nummer sicher, ohne dadurch langweilig zu sein.“


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Auf Londons Chiltern Street ist die Keimzelle von Trunk Clothiers. 2010, lange bevor fast gegenüber das hippe Hotel Chiltern Firehouse die Gegend belebte, hat Mats Klingberg sich für diesen Standort entschieden.

von dem man schon weiß, dass es einem passt, braucht niemand einen Laden. Aber für alles, was Vertrauen braucht oder um Outfits zusammenzustellen, dafür ist der Laden die bessere Adresse. Online fehlt die Erlebniskomponente. Mit anderen Menschen zusammen zu sein, heißt ja auch, das Leben zu genießen und eine gute Zeit zu haben.

Was hohe Anforderungen an das Personal stellt: Wenn die Konsumenten so informiert sind und eine echte Begegnung auf Augenhöhe suchen …

Ja, alle sagen, dass es schwer sei, gutes Personal zu finden – und das stimmt auch, denn vielfach sind die Kunden besser informiert als die Leute im Geschäft. Sie haben ihr Wissen zu der einen Marke so vertieft, kennen die Geschichte, wissen über die Herstellung Bescheid und manchmal begleiten sie die Brand schon über Jahre. Dann zu verlangen, dass der Verkäufer noch mehr weiß, formuliert natürlich ein anspruchsvolles Profil. Weil die Berater das ja auch gerne machen müssen und Freude daran haben sollten. Es gibt – dankenswerterweise – diese Menschen noch. Aber wir Händler werden uns darauf einstellen müssen, dass wir unsere Angestellten besser bezahlen müssen. Sie sollen langfristig motiviert sein, in diesem Job bleiben zu wollen. Wir müssen sie für ihre Servicebereitschaft belohnen. Das ist nicht einfach. Ich schätze mich wirklich glücklich, ein solches Team zu haben. Ich habe ja selbst einen Servicehintergrund mit meiner Ausbildung in einer Schweizer Hotelschule. Während-

dessen habe ich auch in einem Hotel gearbeitet. Dieser Service­ aspekt ist vielleicht ein Schlüssel zu unserem Erfolg. Es reicht längst nicht mehr, einen schönen Laden mit schönen Dingen zu füllen. Die Menschen müssen sich willkommen fühlen, gut aufgehoben und umsorgt. Genau wie man sie auch in einem guten Hotel behandeln würde. Viele Händler sind so auf ihr Image fokussiert, aber das kann ganz schön einschüchternd wirken. Dieser ganze Marmor, das gleißende Licht – das wirkt doch abweisend, unnahbar. Läden müssen warm und einladend sein, nicht stressbehaftet. Das Ziel muss es sein, den Kunden eine schöne Auswahl an Kleidung mitzugeben, mit der sie später gut zurechtkommen; die sie einfach kombinieren können und in der sie gut aussehen. Damit sie sich danach um ihre Outfits keinen Kopf machen müssen, sondern sich auf ihr Leben und ihre Arbeit konzentrieren können. Brauchen Männer jetzt, wenn sich Dresscodes auflösen, die Beratung besonders? Ist das eigentlich nicht eine große Chance für den Handel?

Ja, denn es ist für einen ganz normalen Mann auch verwirrend. Es gibt so viele Regeln und dann ist es wieder so akzeptiert, dass man Regeln bricht. Je nachdem, was sie gerade lesen oder wo sie gerade einkaufen. Jeder sagt irgendwas anderes, jede Saison tauchen diese Listen auf, was gerade in und was out ist. Mit den starren Dresscodes war das in gewisser Weise einfacher. Was wir folglich tun müssen, ist

unseren Kunden eine gewisse Gelassenheit zu vermitteln. Weil das viele Männer wirklich beschäftigt und diese vielen verschiedenen Stimmen ja auch nicht zur Klarheit beitragen. Jeder gibt seinen Senf dazu. Da sind wir als Händler gefragt und ich hoffe sehr, dass es uns gelingt, diese Menschen wieder runterzuholen. Was im Übrigen ausschließlich von Angesicht zu Angesicht funktioniert.

Ich glaube, das ist heute fast die wichtigste Aufgabe des Händlers. Bedarf ist ja passé. Ein Händler muss Filter sein, die Massen an Information und Ware reduzieren. Ich verstehe gut, warum die Frequenz rückläufig ist. Diese Massen an Mode sind überwältigend. In der Stadt ist das Angebot an Ware erschlagend. Man kann alles immer und überall kaufen und das macht Einkaufen langweilig und gleichzeitig überfordert es.

Viele unserer Kunden wissen im Job ganz genau, was sie wollen. Es ist nicht so, dass sie es bei Kleidung nicht wüssten, aber es ist einfach nicht ihre Priorität. Haben sie es dann mal an, dann schätzen und genießen sie es auch. Aber der Weg dorthin ist ihnen oft lästig. Viele Kunden kommen fast ein bisschen grummelig oder genervt in den Laden; einfach weil Einkaufen nichts ist, worauf sie sich freuen. Umso magischer, wenn man es schafft, diese Kunden umzudrehen. Wenn man ihnen ein Sakko anzieht und plötzlich bemerkt, dass derselbe Mann jetzt aufrechter steht oder ein Strahlen in den Augen bekommt. Plötzlich werden sie viel selbstbewusster. Dann öffnet sich style in progress 418


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auch das Fenster und man kann zu erzählen beginnen. Darum müssen wir alles daran setzen, das Einkaufserlebnis für Männer angenehmer zu gestalten. Dafür sollten wir alles vermeiden, was kompliziert ist. Das heißt auch, dass wir die Auswahl reduzieren und fokussieren müssen.

tionen anschaut, die möglich sind, ist er natürlich verwirrt. Da muss Beratung bestärken und empfehlen, sonst funktioniert das nicht. Es geht darum, sich immer wieder auf den Kunden einzustellen, bis er hat, was er will.

Es gibt Kunden, die brauchen überhaupt keine Beratung. Die kommen rein, wissen was sie wollen und gehen wieder – überspitzt formuliert. Für die ist es einzig und allein das Produkt, das zählt. Aber es kommen auch so viele, die einfach nach genereller Beratung suchen, ohne irgendwie konkret zu werden. Als Händler muss man sich sehr gut einfühlen können und die Bedürfnisse seiner Kunden lesen. Manchmal auch pushen, wenn es nötig ist. Wir versuchen sehr, sehr flexibel zu sein. Das Wichtigste ist aber, dass wir Kunden helfen, sich ihrer Entscheidungen sicher zu sein. Man kann sich richtig verlieren – zum Beispiel bei den maßkonfektionierten Anzügen, die wir anbieten. Wenn sich jemand die vielen hundert Stoffop-

Nein, nicht wenn man modisch so definiert, wie ich das tue, also damit meint, was auf den Laufstegen zu sehen ist. Theoretisch heißt modisch natürlich, elegant und gut angezogen zu sein – aber für mich trifft es eher schönes und zeitloses Design. Es darf nicht zu gewollt aussehen. Ich glaube nicht, dass es bei Männern besonders attraktiv wirkt, wenn sie Stunden damit verbringen, ihre Outfits zusammenzustellen. Es muss am Ende aussehen, als wären Sie eben aufgestanden, hätten gefrühstückt und sich einfach was ausgesucht, ohne groß darüber nachzudenken.

Was ist wichtiger: das Produkt oder die Beratung?

„Alle müssen sich verändern, auch wir kleinen Händler.“

Um modische Aspekte geht es in dieser Beratung vermutlich am allerwenigsten.

Kaufen Ihre Onlinekunden eigentlich sehr anders ein als die im Geschäft?

Ja, das beginnt schon damit, dass wir online immer gut verkaufen, wenn Sale ist. Die Kunden sind sehr auf den Preis fixiert, vergleichen Preise und sind überhaupt nicht loyal. Stationär funktioniert Bindung: Unsere Kunden sind loyal, weil sie uns als Menschen kennen.

Sie haben Trunk Clothiers auf der heute sehr hippen Chiltern Street eröffnet, damals als Destination Store, denn 2010 war der Boom dieser Ecke ja noch nicht abzusehen.

Ich hatte Glück, André Balazs durch Freunde kennen zu lernen und so wusste ich schon damals, dass er etwas geplant hatte. Es dauerte dann noch bis 2014, bis er das Chiltern Firehouse eröffnete. Aber aus seinen anderen Projekten, dem The Mercer in New York, dem Chateau Marmont in L. A. und The Standard Hotels konnte man ja schon ableiten, dass er auch hier wieder etwas ganz Besonderes entwickeln würde. Marylebone ist ein vergleichsweise ruhiger Stadtteil in London, einigermaßen bezahlbar und es passte zu dem, was wir vorhatten. Wir wollten immer ein Destination Shop sein, in dem wir Zeit haben, uns um die Kunden auch wirklich zu kümmern. Natürlich auch aus Budgetgründen, aber auch aus konzeptioneller Überlegung. Wenn man auf einer Haupteinkaufsstraße ist, kommen auch viele Leute zur Türe rein, die einfach Zeit totschlagen wollen. Ich wollte immer, dass die Leute kommen, die wirklich einkaufen wollen. Um es auf Neudeutsch zu formulieren: Wir haben relativ niedrigen Traffic, aber hohe Conversion-Rates. Dieses Konzept hätte also auf der Oxford Street nicht funktioniert?

Für Lane Crawford in Hongkong hat Trunk Clothiers sein Konzept auf eine Fläche im Departmentstore übertragen.

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EDLER STRICK SEIT 1973

philpetter.com

#philpetterknitwear

Aus der Dornbirner Strickmanufaktur

MÜNCHEN | DÜSSELDORF | HAMBURG | WIEN | BARCELONA | NEW YORK | TOKYO | TORONTO | ZÜRICH #95 PITTI IMMAGINE UOMO Firenze 8-11 Jan 2019


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In Zürichs Seefeld Quartier ist Trunk Clothiers mit einer Dependance vertreten – direkt neben dem Monocle Store.

Vielleicht sogar noch viel erfolgreicher, aber dann wäre es nicht gewesen, was ich wollte. Ich wollte einen kleinen, versteckten Laden, einen Geheimtipp. Nun haben Sie gerade in Zürich eröffnet und schon vorher bei Lane Crawford …

Zürich ist London sehr ähnlich, Lane Crawford ist eine ganz andere Nummer. Der Präsident von Lane Crawford ist Brite und Kunde bei uns – weil wir einige gleiche Marken führen, war er immer an unserem Konzept interessiert. Irgendwann kam die Idee, dass wir unsere Selektion und unseren Anspruch für Flächen bei Lane Crawford adaptieren. Das ist schon alleine deshalb interessant, weil wir ein kleiner Laden sind und die ein riesiger Departementstore mit 150 Jahren Geschichte. Das war das Spannende dieser Zusammenarbeit: Bei Trunk kaufen wir ja so ein, dass es grundsätzlich zu meinem oder unserem Mind-Set und unserer Persönlichkeit passt – auch wenn ich jetzt nicht alles tragen würde, was wir führen – grundsätzlich ist das meine Welt. Für einen Departmentstore muss man auch Dinge einkaufen, die der eigenen Welt gar nicht entsprechen. Es gibt kein Gesicht, keine Person. Deshalb ist es so span-

„Als Händler hat man manchmal lächerlich wenig Zeit, ein Teil regulär zu verkaufen.“ 418 style in progress

nend, dass sich ein solcher Gigant dann an jemand wie uns wendet, weil er genau diese Personalisierung und das spitze Zuschneiden sucht.

Der Markt bietet die allerbeste Auswahl – und trotzdem beginnen Sie, das Eigenlabel-Business zu stärken. Was fehlt Ihnen?

Alle müssen sich verändern, auch wir kleinen Händler müssen offen sein, Neues auszuprobieren. Ich finde das wirklich mutig und innovativ, dass Lane Crawford mit jemandem wie uns arbeitet. Wir sind erst ein paar Jahre auf dem Markt und so viel kleiner. Aber genau darum geht es: Sich einfach was trauen. Manche Ideen werden sich als richtig erweisen, manche als falsch. Es ist doch auch nicht das Ende der Welt, wenn mal etwas nicht funktioniert. Ich mag diesen offenen Zugang in Asien: Die Möglichkeit, dass etwas nicht klappt, ist ganz natürlich Teil des Kreativprozesses, nicht etwas, wofür man sich schämen müsste. Und wenn es klappt, umso besser. Demnächst eröffnen wir den zweiten Trunk Clothiers Store bei Lane Crawford.

Wie soll die Erfolgsgeschichte von Trunk Clothiers weitergeschrieben werden?

Ein Zeichen, dass sich auch Departmentstores verändern müssen.

Wo finden Sie etwas Neues?

Natürlich geht man auf Messen, natürlich bekommen wir tausend Zuschriften und Angebote. Aber ganz oft entdecke ich an meinen Kunden Sachen, die ich schön finde. Und dann mache ich mich auf die Suche. Grundsätzlich versuche ich, die Partnerschaften mit den Marken sehr langfristig anzulegen, weil das auch dem Kaufverhalten von Männern entspricht. Wenn sie einmal eine Marke für sich entdeckt haben, wollen sie ihr auch die Treue halten.

Marge ist ein Argument, aber sicher nicht das vordergründige. Als Händler hat man manchmal lächerlich wenig Zeit, ein Teil regulär zu verkaufen. Sobald einer der großen Händler den Sale startet, muss ich mitziehen, ob ich will oder nicht. Besonders bei Teilen, die mit Fashion wenig zu tun haben, ist das ärgerlich, aber dem Kunden machen Sie heute nichts mehr vor. Der weiß genau, dass der Pulli aus der Vorsaison ist. Eigenmarke ist also ein Weg, sich davon frei zu machen, dunkelblaue Pullis in den Sale zu geben. Wichtig ist auch die Verfügbarkeit und Planbarkeit. Weil alle Firmen so saisonal getaktet sind, bekommt man selbst gewisse Basics während der Saison nicht wieder, es gibt sie einfach nicht nachzubestellen. Das verstehen die Kunden nicht.

Das Wichtigste ist, immer offen zu sein für die Möglichkeiten, die sich ergeben. Ob das jetzt neue Standorte sind, Kooperationen, die eigene Marke – was auch immer. Und vielleicht kehre ich ja auch zu meinen Wurzeln zurück … Trunk Hoteliers?

Wer weiß, ja. Noch habe ich den Platz nicht gefunden. Es müsste ein außergewöhnlicher Ort sein, ein Rückzugsort, friedlich und ruhig. Vielen Dank für das Gespräch.


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Marken ständig auszutauschen, ist nicht in seinem Sinne – und vor allem nicht im Sinne seiner Kunden. Die wollen, so der Unternehmer, einer Marke ebenso die Treue halten, wie einem Geschäft.

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030 SO LÄUFT’S NEW NEW MENSWEAR

NEW New Menswear Die Welt verändert sich. Die Art, wie wir uns kleiden und konsumieren, auch. Die Auswirkungen auf die Männermode sind episch.

Ein Kommentar von Stephan Huber

Die „New Menswear“ mit ihrem Höhepunkt in den späten 1990er-Jahren war eine kurze Ära mit nachhaltigem Impact. Geprägt von der ersten Dot-Com-Hysterie deutlich wahrnehmbaren tektonischen Verschiebungen in der Gesellschaft, etablierte sie ein neues Männerbild. Rückblickend wird die Zeit gerne auf „schwarze Anzüge mit Turnschuhen“ reduziert. Aber das wird dieser Initialzündung nicht gerecht. Vielmehr führt ein direkter roter Faden zu den aktuellen tiefgreifenden Veränderungen des Marktes, die alle gewohnten und gelernten Gesetzmäßigkeiten in Frage stellen. Die auslösenden Faktoren greifen dabei wie Zahnräder ineinander. Symbol der Macht Die Männermode war immer von der Arbeitswelt geprägt. Das war nicht nur Abbild gesellschaftlicher Realitäten, sondern entsprach auch dem gängigen männlichen Selbstverständnis. Männer leisten etwas und ernähren damit Frauen und Kinder. Und so sollten sie auch wahrgenommen werden. Der Anzug, Nukleus der neuzeitlichen Männermode, war immer auch Symbol der Macht. Egal, ob auf der großen Bühne der Politik oder der Wirtschaft oder auf der kleinen privaten Feier, wenn es nur darum gegangen ist, den Führungsanspruch innerhalb der Familie zu unterstreichen. Kein Wunder, dass gesellschaftliche und kulturelle Gegenentwürfe mit genau dieser Symbolik immer gezielt gespielt und gebrochen haben. Kein Wunder auch, dass die Neudefinition des Anzugs sozusagen das Herzstück der New Menswear war. Befreit von bedeutungsschwangerer Maskulinität und den meisten Formalismen wurde er die Uniform für den Run ins neue Jahrtausend. Sozusagen – man verzeihe mir diese Plattitüde – Rock’n’Roll, wie eben die gesamte New Economy, also doch wieder Arbeitswelt. Nachlässigkeit statt Lässigkeit Im Jahr 2018 ist die Transformation zu einer hybriden Freizeitgesellschaft weitgehend abgeschlossen. Dresscodes beschränken sich auf wenige letzte Reservate. Gesellschaftliche Konventionen haben sich aufge418 style in progress

löst. Dieses „anything goes“ klingt zwar nach der großen Freiheit, hat aber seine Tücken. Diese zeigen sich im Straßenbild. Statt vermeintlicher Lässigkeit regiert die Nachlässigkeit. Genau darin wiederum liegt die Fantasie für eine moderne männliche Stilistik, in der nicht zuletzt Anzug, vor allem der Split-Anzug, dann eine wesentlich größere Rolle spielen wird, als angesichts der geschilderten soziokulturellen Veränderungen logisch erscheint. Comfort is the Key Komfort ist der wichtigste Treiber der (Männer-)Mode. Das wird auch so bleiben. Darum ist Komfort – und dazu zähle ich auch Funktion – kein Trend, sondern für den Konsumenten nicht verhandelbar. So wie niemand auf die Idee kommt, sich zur Abwechslung mal wieder ein Auto ohne Klimaanlage zu kaufen, wird es auch bei Bekleidung keinen Backlash geben. Ein einmal erreichtes Level gibt man nicht mehr auf. Das ist eine völlig logische Entwicklung in einer (Konsum-) Welt, in der Usability, Con­ venience und damit eben Komfort in fast allen Produktkategorien zur entscheidenden USP geworden sind. Wenn man sich ansieht, was die stillen Stars des Fashionbusiness in der Stoff- und Materialentwicklung in den letzten Jahren bereits geliefert haben und hochrechnet, was da in unmittelbarer Zukunft noch alles zu erwarten sein wird, dann ergeben sich atemberaubende Perspektiven. Der asymmetrische Konsument Der alles entscheidende Faktor der Veränderung ist allerdings der Mensch. Konkreter: Ein völlig neuer Typus von Konsument, der durch die Digitalisierung in eine vorher so nicht existente Machtposition erhoben worden ist. Und der, obwohl das in Zeiten von Big Data fast wie ein Witz klingt, immer schwieriger auszurechnen ist, weil er sich sozusagen asymmetrisch durch die schöne neue Omnichannel-Welt bewegt, die ihm da zu Füßen liegt. Mehr dazu auf Seite 104 im Editor’s Letter.



WAS TREIBT DIE MÄNNERMODE HEUTE AN?

Ist es ein neues Mode­ bewusstsein einer neuen Generation? Digitalisierung und Fortschrittsglaube? Intel­ ligente Textilien und eingearbeitete technische Features versprechen smarte Lösungen für eine neue Menswear. Welche Trends und Strömungen sind für die Männermode wirklich relevant, wie könnte diese aussehen? Und inwieweit nimmt eigentlich das völlig veränderte Konsum­ verhalten Einfluss?

Text: Martina Müllner-Seybold, Kay Alexander Plonka, Nicoletta Schaper. Illustrationen: Claudia Meitert@Caroline Seidler 418 style in progress


SO LÄUFT’S 033 NEW NEW MENSWEAR

MODERNE NATÜRLICHKEIT

„Der Konsument steht mehr denn je im Mittelpunkt und nimmt Einfluss auf die Entwicklung der Menswear. Es geht um das Mindset der Konsumenten, um die Einstellung und den Lifestyle. Dabei wird umso deutlicher, dass sich die Menswear liberalisiert und konventionelle Dresscodes Relevanz verlieren und verschwinden. Gleichzeitig nimmt die Bedeutung von Smart Casual zu. Eine Entwicklung, die für Marc O’Polo ein gutes Wachstumsfeld darstellt. In der Sportswear können wir den Fortschritt von technischen Features beobachten. Was in diesem Bereich entsteht, ist enorm! In der Materialent­ wicklung steckt auch künftig die größte Innovation. Unabhängig von diesem Trend müssen wir uns stetig die zentrale Frage stellen, was der Konsument und unser Kunde bei Marc O’Polo und von unserer Marke erwartet. Der Wohlfühlaspekt ist elementar. Unsere Kunden wollen sich in Materialien mit Stretchanteil für die Beweglichkeit, in natürlichen Qualitäten, im Mix mit technischen Materialien oder im funktionalen Layering-Style, wie zum Beispiel Jackets mit herausnehmbarem Innenfutter, wohlfühlen. Außerdem gewinnt das Thema Nachhaltigkeit bei unseren Kunden zunehmend Be­ deutung. Das ist auch aufgrund der Kundennachfragen für uns sehr wichtig. Um zwei beispielhafte Initiativen zu benennen: Bei unseren Slow-Down-, No-Down-Produkten verzichten wir auf die Verwendung von Daune und in der Denimproduktion arbeiten wir mit unseren Lieferanten daran, den Wasser­ verbrauch zu reduzieren. Wir setzen bei einigen Produkten bereits Biobaumwolle ein und wollen den Einsatz weiter ausbauen. Die Marc O’Polo Menswear zeichnet sich durch moderne Natürlichkeit aus. Alles, was wir tun und zukünftig tun werden, geschieht im Sinne der Marc O’Polo DNA und unserer Werte.“ Susanne Schwenger, CPO Marc O’Polo

GLASKLARES PROFIL

„Die neue Generation junger Männer hat ein sehr viel ausgeprägteres Körperbewusstsein als noch vor einigen Jahren. Die neue Gene­ ration Mann ist eitler geworden. Natürlich sind diese Männer modeinteressiert. Bis dato ist diese Zielgruppe vernachläs­ sigt worden. Diese neue Generation spielt mit den Outfits und genießt die Mode. Es werden Männerpflegeprodukte verwendet und der Bart wird standesgemäß vom Barbier des Vertrauens gestutzt. Warum sollen nur die Frauen Spaß an der Mode und am gepflegten Äußeren haben? Jetzt sind auch mal die Männer dran. Sie haben einiges nachzuholen. Die Gebrauchsansprüche an Textilien sind stetig gestiegen. Der Funktionsbereich, ursprüng­ lich im Active-Sports-Bereich, hat längst Einzug in die Mode gefunden. Intelligente Lösungen im Stoff, aber auch die elektronisch steuerbaren Textilien werden bald Realität werden. Einige Einkäufer bemängeln heute die Vielfältigkeit der Mode. Es gibt keine Modedogmen mehr wie in den 1970er-, 1980er- oder 1990er-Jahren. Dadurch ist der Einkauf schwieriger geworden, individueller. Viele Endkonsumenten sind auch überfordert. Die Hersteller müssen ein glasklares Profil haben, ansonsten sind sie nicht glaub­ haft. Dieses muss über Instagram und Co. kommuniziert werden. Trotzdem glauben wir immer noch an die Macht des Produkts. Gute Brands bestehen auf Dauer am Markt nur mit immer wieder gut gemachten und innovativen Kollektionen. Nur aus guten Produkten können vielleicht irgendwann auch gute Marken werden.“ Dominik Meuer, Inhaber Die Hinterhofagentur

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RÜCKBESINNUNG

„Immer mehr Sportswearmarken gehen Richtung Fashion und immer mehr Fashionmarken gehen Richtung Sportswear. Das Ergebnis ist ein Hybrid, mit dem Resultat, dass keiner mehr so genau weiß, wofür welche Marke eigentlich steht. Genau da liegt das Problem: Wenn sich eine eher klassische Herrenkonfektionsmarke zu ge­ wollt ins Sportive dreht, verliert sie ihre Eigenständigkeit, nur um trendy und modern zu sein und ein Stück Erfolg der Sportswear mit zu erhaschen. Wir leben in einer Hybridgesellschaft, in der es alle möglichen Optionen gibt und in der alle versuchen, alles ein bisschen mit abzudecken, was die anderen ja auch machen. Aber so kommt man nicht weit. Die Menswear wird sich künftig wieder stärker segmentieren, weil es in der Mode immer Wellenbewegun­ gen gibt. Zwar lösen sich die Dresscodes weiterhin auf, aber nach einer gewissen Übersättigung des Marktes wird es eine Rückbesin­ nung auf Werte und Authentizität geben. Weil es umso wichtiger ist, für etwas zu stehen.“ Jörn Boysen, Marketing- und Fashion-Director

Götterfunke Communication, CEO Dornschild

EINFACHHEIT

„Die heutige Männermode wird zunehmend von dem Streben nach Perfektionismus und dem Wunsch nach Individualität bestimmt. Der persönliche Stil ist dabei wichtiger, als einer bestimmten Mode zu folgen. Die jungen Menschen der neuen Generation hat klare Vorstellungen von Stilen – eine Folge der Digitalisierung, die es ermöglicht hat, sich weltweit mit anderen Menschen aus anderen Kulturen zu verbinden. Das bringt auch neue Herausforderungen für die Menswear mit sich, die einfach und selbstverständlich tragbar sein muss. Aber nicht nur das. Das Kleidungsstück muss sich auch an unvorhersehbare Situationen anpassen können, sollte leicht sein und auch dank intelligenter Materialien auf Reisen im Gepäck nicht knittern. Ein Easy Outfit also, das für alle Gelegen­ heiten geeignet ist und den Mann den ganzen Tag über begleiten kann, sei es zu Hause, bei der Arbeit oder beim Cocktail mit Freunden am Abend, bequem, unkompliziert und mit perfekter Passform. Nicht mehr, aber auch nicht weniger muss die Menswear von heute erfüllen.“

Gennaro Dargenio, Gründer Circolo 1901

FOKUS NACHHALTIGKEIT

„Mit Blick auf die Zukunft der Mode und die unseres Planeten sollte jede Material­ innovation darauf basieren, Abfall zu vermeiden, recyceltes Material zu verwenden und umweltschonendere Prozesse anzuwenden, um den Schutz der Meere und der Umwelt voranzubringen. Das ist die zentrale Säule unserer Mission. Solche Prozesse werden künftig bei einer bewusst konsumierenden Zielgruppe zuneh­ mend in den Fokus rücken. Wir unterstützen deshalb zusätzlich mit Spenden in Höhe von einem Prozent unseres weltweiten Umsatzes die britische Ocean Family Foundation und werden uns auch künftig noch stärker für den Schutz der Weltmeere und für den Erhalt der Artenvielfalt einsetzen. Darüber hinaus kommunizieren wir in unseren Medienkampagnen Aufrufe zum Erhalt der Ozeane, organisieren Müllsammelaktionen und arbeiten mit renommierten Umweltaktivisten und Meeresschützern zusammen. Vor zwölf Monaten haben wir damit begonnen, unsere Lifestyle-Apparel-Kollektion zu überarbeiten, allen voran die volumenstarken Bestseller, gefolgt von speziellen Produkten, die das Bewusstsein für diese Thematik steigern sollen. Die T-Shirts und Sweatshirts un­ serer Capsule-Kollektion Free The Sea werden bereits ausschließlich aus Recover Blue gefertigt, einem Materialmix aus upcycleter Baumwolle und PET-Flaschen. In Zukunft werden unsere Produkte Schritt für Schritt aus immer mehr nachhaltigen Materialien hergestellt.“ Willem Wijnen, CCO von North Sails

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MÄNNERMODE HAT ZWEI SEITEN

„In der Mode sehen wir heute einerseits übertriebene Logos und ziemlich extre­ me Fashionstatements – aber andererseits wollen Männer einfach gut ausse­ hen, nicht extrem. Ich sehe auch, dass der Wechsel der saisonalen Produkte immer noch schneller geht. Seit dem Blogger- und Instagram-Zeitalter wirkt es zunehmend, als ob sich die Menschen fünf Minuten Zeit nehmen, um ein Produkt zu genießen. Und dann ist es schon ‚last season‘. Aufgrund dieser Schnelllebigkeit kann ein Produkt gar nicht mehr zur Ikone werden, es verliert seinen Wert immer schneller. Aber: Der Großteil der Männer inter­ essiert sich doch gar nicht für diesen Modezirkus. Sie suchen die emotio­ nale Befriedigung, die ein gut gemachtes Luxusprodukt geben kann, aber eigentlich wollen sie Dunkelblau tragen und darin gut aussehen. Und wenn ein Produkt passt, dann wollen sie das gleiche wieder, vielleicht noch in einer anderen Farbe. Unsere Produkte haben nicht deshalb Charakter, weil sie irgendwas in die Welt hinausbrüllen. Sie lassen Platz für die Persönlichkeit des Trägers und sind dazu da, seinen Geschmack und Stil zu unterstreichen. Die Männermode hat heute zwei Seiten: diese extreme mit den verrückten Dingen und die Seite, auf der ich mich wohl fühle. Die Seite, auf der Männer nach Beklei­ dung suchen, die nicht aus der Mode kommt – einfach, weil sie sich darin wohlfühlen und verdammt gut aussehen.“ Patrick Munsters, Gründer von Salle Privée

ANDROGYNITÄT

„Wir sind im Schnellzug unterwegs Richtung geschlechtsneu­ traler Kleidung. Bald werden wir in der Kleidung keine wirkli­ chen Unterschiede mehr haben. Die Tendenz sehen wir jetzt schon: Männer wie Frauen tragen im Alltag Hosen oder Jeans, das T-Shirt dazu und die Strickjacke, was sich lediglich durch die jeweilige Körperform unterscheidet. Die Teile funktionieren bei beiden Geschlechtern gleich gut, von Kleidern und Röcken einmal abgesehen. Wir sind schon mitten drin in der Andro­ gynität und Geschlechtslosigkeit.“ Jeroen van Rooijen, Journa-

list, Stilexperte und Inhaber Cabinet, Zürich

NACHHALTIGKEIT UND 1990ER-REVIVAL

„Wir beobachten in der Mode vermehrt sich wiederholende Trends. Der Paninaro-Style und Marken aus den 1990er-Jahren, die ein Revival er­ fahren, sind aktuell nur zwei Bespiele dafür. Diese Repetition wird sich in den kommenden Jahren weiter verstärken. Bei Napapijri ist zum Beispiel die Tribe-Kollektion vom Rhythmus urbaner Kultur und 1990er-Nostal­ gie inspiriert. Von den Bürgersteigen L. A.s bis zu den Straßen Londons zelebriert sie Unisex-Mode als Ausdruck von Inklusion und Stil. Außerdem ist definitiv Nachhaltigkeit ein zunehmend wichtiges Thema in der Mode. Seit 2017 verzichten wir gänzlich auf die Verarbeitung von Pelz. Stattdes­ sen verwenden wir Eco-Fur-Synthetikpelz aus Kanecaron-Fasern, dessen Herstellungsverfahren frei von Chemikalien ist. Darüber hinaus verwenden wir keine Daunen mehr und entwickelten stattdessen das bahnbrechende Thermo-Fibre-System, das herausragende thermoregulierende, isolierende und schnell trocknende Eigenschaften gewährleistet.“ Vicki Bohlbro, Vice President

Global Marketing E-Commerce bei Napapijri

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ABWECHSLUNG UND ABGRENZUNG

„Große Marken werden zunehmend unwichtiger und die Zeit der Marken­ sammler neigt sich dem Ende zu. Die großen Marken geben sich elitär in der Auswahl ihrer Handelspartner und sind auf Plattformen wie Farfetch dennoch beliebig erhältlich. Die Off-Whites und Vetements gehen so schnell, wie sie gekommen sind. Sicherheit, die von Marken vermittelt wird, funktioniert nur bis zu einem gewissen Grad. Die Authentizität des Menschen zählt letzt­ lich mehr. Die Endverbraucher sind offen und bereit für neue Dinge wie noch nie zuvor. Diese Bereitschaft erfordert vom Einkäufer mehr Offenheit und Spezialisierung. Das bedeutet auch, dass Trends vom Einkauf nicht im Oktober fürs gesamte Jahr geplant werden können. Hier zählt Emo­ tion, nicht nur Zahlen. Apropos Zahlen: Produktqualität von Herstellern, die vielleicht nicht so bekannt sind, dafür aber mehr Leistung bieten und obendrein nicht unmittelbar mit einem Klick dem bundesweiten Preisver­ gleich standhalten müssen, sollten mehr Beachtung erfahren. Die Silhouet­ ten verändern sich gerade. Bundfalte kommt und die Sakkos werden wieder komfortabler – der Übergang ist nicht radikal, sondern fließend. Es wird immer schwieriger, den Punkt genau zu treffen, an dem das geschieht. Eigentlich be­ darf es einer konträren Einkaufsstrategie, die durch Abwechslung und Abgrenzung zu den Mainstreamanbietern geprägt ist. Und wichtiger noch als jeder modische Trend wird in Zukunft die Seriosität in der Zusammenarbeit sowie der verantwortungsvol­ le Umgang miteinander sein.“ Norbert Klauser, Agentur Klauser

KOMFORT UND FUNKTIONALITÄT

„In den letzten Saisons kann man eindeutig eine größere Be­ deutung von Komfort und Funktionalität beobachten – bei allen Bekleidungsstücken. In der Konsequenz rückt also die Recherche nach Materialien und das Optimieren der Machart noch mehr in den Fokus, denn beides kann die Trageeigenschaften eines Teils in vielen Gesichtspunkten enorm verbessern. Gleichzeitig gilt es, allen Details und Zutaten größte Aufmerksamkeit angedeihen zu lassen, weil sie immer sichtbarer und damit selbstredend auch wich­ tiger werden.“ Paolo Xoccato, Inhaber Xacus

CASUAL FRIDAY? EVERYDAY!

„Bequemlichkeit geht über alles! Durch die Revolution der Stretchmaterialien haben auch Männer entdeckt, dass es nicht nur lässig, sondern vor allem bequem sein darf und muss. Alte konforme Zwänge und Regeln sind längst gesprengt, selbst bei klassischen Unternehmen wie Banken. Der Casual Friday ist längst Every­ day geworden. Dazu kommen Streetwear, Sportswear und Athleisure, die die Männermode so extrem wie auch der Wunsch nach Individualität beeinflussen. Um diesem Wunsch zu entsprechen, suchen auch unsere Handelskunden neue Optiken in allen Produktgruppen, aber in bereits bewährten Materialien, Formen und Produkten. Für die stationären Händler ist es heute schwieriger geworden, die perfekte Balance von Basics und Highlights, von großen Budget verschlingenden Marken und kleinen, individuellen Brands zu finden. Schuhe, Accessoires und große Marken finden wie auch der gesamte Bedarfshandel zu­ nehmend im Internet statt. Dazu kommt das Thema Preisaufbau: Zwar sind die Endverbraucher anspruchsvoller geworden, aber vor allem beim Thema Bedarf preissensibler. Was sich dagegen nicht geändert hat, ist die Wichtigkeit persön­ licher Beratung durch die stationären Händler, um die Werte zu transportieren, um neue Marken, das Besondere in den Materialien und in der Fertigung der Menswear zu kommunizieren. Wer dieses Einkaufserlebnis bieten kann, wird auch in Zukunft bestehen können.“ Timo Moormann, Geschäftsführer Agentur Moormann & Co.

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LE ROI EST MORT, VIVE LE ROI Ist der klassische Herrenanzug bereits Geschichte – oder besten­ falls geradewegs auf dem Weg dahin? Einst Ab- und Sinnbild der Männermode, wird er nachhaltig von Sports- und Streetwear verdrängt. Mit welcher Konsequenz? Text: Nicoletta Schaper. Fotos: Gesprächspartner. Illustration: Claudia Meitert@Caroline Seidler

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in Blick in die Herrenabteilungen der großen Häuser. P&C, Anson’s und Co zeigen Batterien von Anzügen, aneinandergereiht von Grau über Schwarz bis Dunkelblau, ganze Etagen voll mit Herrenkonfektion. Ist das noch zeitgemäß? „Der Anzug stirbt, zumindest der, wie wir ihn heute kennen“, sagt Christian Weber, Inhaber Weber + Weber Sartoria. „Die Baukastensysteme und Stammabteilungen, in denen es rein um Bedarfsdeckung geht, sind nicht mehr zeitgemäß. Oben die Sakkos, unten die Hosen – das verlangt dringend nach Erneuerung.“ Sind also die Tage des Anzugs gezählt? Im Straßenbild kündigt sich die Tendenz schon lange an, ebenso wie im Flieger am Werktagsmorgen. „Der Anzug hat überall enorm viel Terrain eingebüßt“, so Jeroen van Rooijen, Journalist, Inhaber des Stores Cabinet in Zürich und erklärter Stilexperte. „Selbst im Büro wird er nur noch von einer Minderheit getragen, weil er längst von der Chino oder der dunklen Jeans zum Sakko verdrängt wurde.“ Dass der Anzug heute nicht mehr zwangsläufig zum Businessalltag gehört und überdies nicht mehr im Zentrum der Männermode steht, bringt ordentlich Bewegung in eine ganze Industrie, was aber längst nicht alle so deutlich zu spüren bekommen. „Für mich ist der Anzug nicht absolut tot,

im Gegenteil, wir verzeichnen mit unserer Formalwear immerhin 30 Prozent Wachstum“, sagt Joop Geschäftsführer Thorsten Stiebing. „Aber wer in der Formalwear heute eine Rolle spielen will, muss seine Hausaufgaben machen, was in unserem Fall heißt, dass wir sehr am Detail arbeiten und mit eigenen Werken in Europa vollstufig organisiert sind.“ Unconstructed

Indes vollzieht sich ein massiver Umbruch. Was erstmals mit der New Menswear um die Jahrtausendwende sichtbar wurde, nämlich die Formalwear mit sportiven Elementen aufzubrechen, zeigt den Trend hin zur Sports- und Streetwear und damit hin zu Bequemlichkeit und Tragekomfort. Das ist ein unaufhaltsam fortschreitender Prozess, der sich vielleicht auch mal subtiler vollzieht, aber dennoch in der Konsequenz unumkehrbar ist. „Hat man einmal den Komfort eines Kleidungsstücks erfahren, möchte man ihn nicht mehr missen, das bewegt sich nicht mehr zurück“, weiß Michael Berngruber, CEO Digel. „Infolgedessen wird sich der Anzug wie auch die Formalwear neu erfinden müssen.“ „Da ändert sich unglaublich viel“, sagt auch Head of Design von Drykorn Fred Götz. „Früher ging man einmal im Jahr zum Herrenausstatter, um den Bedarf zu decken. Heute haben wir eine

neue Generation, die es gewöhnt ist, völlig anders einzukaufen, und für die es neue Ideen braucht, um die Formalwear für die heutigen Anforderungen weiterzuentwickeln.“ Viel Innovation kommt über die sich rasant weiterentwickelten Materialien, für ein neues Komfortverständnis. Stretch ist längst Standard auch für die Herrenkonfektion, darüber hinaus investiert die Markenseite viel Energie für noch mehr Funktion. Der Anzug, der bügelfrei, traveltauglich, wetterund wasserfest ist und überhaupt von früh bis spät alles mitmacht, bis hin zum voll funktionalen Anzug, mit dem Traiano CEO Filippo Colnaghi sogar den Montblanc bestiegen hat. Funktion, die sprichwörtlich auf die Spitze getrieben ist. Auch das Thema Unconstructed wird nicht mehr nur von Playern wie Boglioli, Circolo 1901 und Lardini besetzt. „Ein gutes Sakko hat heute nichts mehr mit der Rüstung von einst gemein, längst ist es nicht mehr mit so viel Polster und viel Plack versehen“, so Thorsten Stiebing. „Es passiert ungemein viel in der Innenausstattung und in den Fittings, immer mit dem Ziel, dass sich das Formelle so selbstverständlich tragen lässt wie ein Pullover.“ Es hat sich bei Anzug und Sakko also schon viel getan. – Das ist aber laut Jeroen van Rooijen überhaupt noch nicht im breiten Markt angekommen. „Ich

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Søren Kloch, Geschäfts­führer Søren, Hagen:

„Wenn man nur Baukasten zeigt, ist der Anzug tatsächlich tot. Es ist klar, dass Anzüge in großen Mengen nicht mehr funktionieren.“

war neulich als Berater bei einer Schweizer Bank, um zu zeigen, wie Formalwear heute aussehen kann. Das sorgte bei den Mitarbeitern für ein echtes Aha-Erlebnis“, so van Rooijen. „Während für uns in der Modebranche die neuen Entwicklungen schon gang und gäbe sind, ist die neue Formalwear für viele Konsumenten vor allem in den konservativen Branchen wie Finance noch völlig neu. Wenn es uns also scheint, diese Suppe sei schon ausgelöffelt, ist sie in Wirklichkeit noch nicht mal am Kochen.“ Michael Berngruber, CEO Digel:

„Damit der Anzug überleben kann, muss er selbstverständlich sein. Die heutigen Jungen denken nicht mehr in Schubladen, viel mehr möchten sie etwas mit Kleidung ausdrücken.“

Der Trend zur Einzelteiligkeit

Immer mehr geht es selbst in der Formalwear um Individualität, ein Kundenbedarf, dem Marken wie Digel mit deutlich mehr Vielfalt in der Kollektion begegnet. „Wir bieten Warenalternativen, zum Beispiel Jersey statt Wolle oder ein technisches Material für eine Sportswearanmutung“, beschreibt Berngruber. „Darüber hinaus gibt es vier Passformen und Hose, Sakko und Weste sind einzeln verfügbar.“ Bei Joop wird die Tendenz ebenso sichtbar. „Noch mehr als im Anzug wachsen wir bei Sakko plus Hose aus anderem Material, weil unsere Passformsystematik den Konsumenten die Möglichkeit zu switchen gibt“, so Stiebing. Bei Drykorn geht die Individualisierung noch einen Schritt weiter. „Seit zwei Jahren löst bei uns zunehmend der Split Suit den Anzug ab“, sagt Fred Götz. „So kann unser Kunde zwischen der schmalen und der weiteren Bundfaltenhose wählen oder auch Formelles mit Sportivem in neuen Fabrics aufbrechen, das kann die Cropped Pants mit Gummizug zum schmalen Sakko sein oder die Bundfaltenhose zum coolen Blouson. Da, wo dieser Bruch passiert, wird es spannend, denn der Drykorn-Kunde will nun mal nicht so aussehen wie der typische Anzugträger.“ Skandinavische Lässigkeit

Händler wie Søren in Hagen verkaufen erfolgreich Menswear, indem er eben diesen 418 style in progress


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Christian Weber, Inhaber Weber + Weber Sartoria:

„Erst sucht sich der Mann das Sakko aus, dann die passende Hose. Das wider­spricht dem, was wir heute unter Baukasten verstehen und setzt außerdem Knowhow in zwei völlig unterschiedlichen Sparten voraus.

Twist perfektioniert hat. Zum einen mit Sportswear unter anderem von MSGM, Stone Island und Dondup, zum anderen mit Formalwear, die sich zu 60 Prozent aus Kombinationen und zu 40 Prozent aus Anzügen zusammensetzt. „Dass bei uns beides deutlich wächst, liegt daran, dass wir als Skandinavier glaubhaft eine skandinavische Lässigkeit verkörpern, die in keinem Widerspruch zu perfekter Passform steht“, sagt Søren Kloch, geschäftsführender Geselsschafter der Søren Fashion GmbH. „Keiner unserer Kunden soll unser Geschäft mit einem Anzug, der nicht perfekt sitzt, verlassen, das ist unser Grundsatz“, so Kloch. „Denn die Passform bleibt selbst bei aller Auflösung der Dresscodes wichtig.“ Seit Juli stattet Søren Fashion als Kooperationspartner Borussia Dortmund mit dem formellen Outfit für beispielsweise Champions-League-Spiele durch Oscar Jacobson aus. „Ich glaube durchaus an die Zukunft des Anzugs, allerdings nur da, wo das Ausgefallene gezeigt und das Neue mit Emotion herübergebracht wird.“ Stil und Heritage

Immerhin, in bestimmten Bereichen erlebt der Anzug gerade ein nicht bahnbrechendes, aber wahrnehmbares Hoch, aller Demokratisierung zum Trotz. „Man merkt, dass die Jungen wieder richtig Bock auf Anzug haben, sei es zum Abi-Ball oder zur Hochzeit“, sagt Søren Kloch. „In unserem Bereich Ceremony haben wir ein überproportionales Wachstum im zweistelligen Bereich“, bestätigt Berngruber. „Ich kann mir gut vorstellen, dass auch junge Konsumenten wieder Lust auf den Anzug haben, eben weil sie ihn nie als Zwang oder Uniform kennen gelernt haben“, so Jeroen van Rooijen.

Ist der Anzug nach allen handwerklichen Regeln perfekt gemacht, steht er nach wie vor für Stil und Heritage, für Männlichkeit und Sexyness. So präsentieren ihn zumindest glaubwürdig 007-Darsteller Daniel Craig, Wolf of Wallstreet Leonardo DiCaprio wie auch Harvey Specter alias Gabriel Macht in Suits. So oder ähnlich wird der Anzug zum Liebhaberstück werden, immerhin stecken in ihm über 150 Jahre alte handwerkliche Schneiderkunst. So ist der maßgeschneiderte Anzug mit all seinen ausgefeilten Details – und übrigens auch die Krawatte – nach wie vor oder sogar wieder verstärkt ein Mittel zur Distinktion in den Chefetagen der eher konservativen Branchen: um sich von der Masse abzuheben. Für welche Jobs könnte der Anzug künftig eine Rolle spielen? In der Frage liegt die Crux, zumal sich ja die gesamte Arbeitswelt komplett verändert – und weil die jüngere Zielgruppe nicht mehr in den alten Schubladen wie noch die Generation davor denkt. „An einen gutes Sakko glaube ich weiterhin, aber in 15 Jahren wird keiner mehr im

Anzug am Schreibtisch sitzen“, so Christian Weber, „und selbst die letzten Trutzburgen des Anzugtragens – wie Banken – verändern sich.“ Wird der Anzug denn wenigstens Symbol der Macht bleiben? Für Weber ist das lediglich eine Frage der Sehgewohnheit. „Um Macht zu demonstrieren, braucht es heute keinen Anzug, wie es in der Politik Angela Merkel beweist. Steve Jobs hätte das neue iPhone nicht im Anzug präsentiert, genauso wenig wie ich mir Mark Zuckerberg im Anzug vorstelle. Künftig werden sich die Manager immer mehr der Philosphie ihrer Firma entsprechend kleiden müssen, anstatt dass sie sich im oder hinter dem Anzug verstecken.“ Als Massenprodukt und als Uniform mit allgemeiner Gültigkeit über alle Branchen hinweg hat der Anzug ausgedient; so einfach wird es nie mehr sein. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe, nicht nur für die Firmen, die verstehen müssen, für welche Kleidung ihre Firma künftig steht. Und eine nicht minder große Herausforderung für die Modeindustrie.

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Hugo Boss AG Chief Brand Officer Ingo Wilts hat an einem stimmigen Gesamtkonzept für die Marken Boss und Hugo gefeilt.

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„WIR WAREN SCHON IMMER CONSUMER-DRIVEN“ Ist der Anzug von gestern? Wird es morgen noch „Herren“-Mode geben? Und was impliziert das für Hugo Boss? Chief Brand Officer Ingo Wilts über die Bedeutung einer klaren DNA, Chancen der Digitalisierung und die anspruchsvollen jungen Männer von heute. Interview: Stephan Huber. Text: Nicoletta Schaper. Fotos: Hugo Boss AG

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asst der Anzug eigentlich noch in die Welt von morgen?

Unbedingt! Ich finde den Anzug nach wie vor super und trage ihn oft. Allerdings hat er sich verändert und auch, wie man ihn trägt. Diese Veränderung wird sich auch fortsetzen. Denn Kleidung muss immer zum Leben der Menschen passen, die sie tragen. Früher wurde der Anzug grundsätzlich mit Krawatte getragen, was heute nicht mehr zwangsläufig so ist. Heute wird er mehr und mehr zum T-Shirt oder Turtleneck und Runners kombiniert. Aber egal wie: Der Anzug ist noch da.

Aber bleibt er auch das ikonische Sinnbild für Männermode?

Wir merken natürlich, dass die Sportswear enorm zugelegt hat. Dennoch verkaufen wir in unserem eigenen Retail auch heute zu einem hohen Anteil Anzüge, die wir aber bewusst völlig anders kommunizieren. In unserer aktuellen Produktkampagne trägt Boxweltmeister Anthony Joshua einen Stretch-Tailoring-Anzug zum T-Shirt, und auch in unseren globalen Kampagnen zeigen wir ihn in Kombination zu sportiven Styles. Das spricht übrigens ebenso unsere jungen First Job Customers an, egal ob mit der Kollektion Hugo oder der Kollektion Boss, was beweist, dass wir auch die jüngere Zielgruppe erreichen. Wir sind sehr erfolgreich mit unserer Konfektion made in Germany, und darüber hinaus steigern unsere Ma-

de-to-Measure-Anzüge unseren Umsatz. Wir stehen für Tailoring. Anzüge sind unsere Heritage und das Fundament unseres Erfolgs, das wir bei der Entwicklung unserer Männermode immer mit einbeziehen. Ich möchte, dass unser Kunde bei Boss zuerst an den Anzug denkt. Auch in Zukunft.

Heute bringen Digitalisierung und Globalisierung radikale Veränderungen in der Arbeitswelt mit sich. Wie geht Boss mit der damit einhergehenden Veränderung der Zielgruppe um?

Unsere Zielgruppe ist heute breiter geworden, weil wir neben dem älteren Anzugträger auch den jüngeren haben. Unser Slimfit-Anzug von vor zehn Jahren ist übrigens heute unser Basic-Anzug, mit den gleichen Maßen wie früher! Zugleich müssen wir die Marke frisch, jung und modern halten, ohne dass sie ihre Glaubwürdigkeit verliert. Wir können bei Hugo aber noch mehr auf die Casualisierung und auf den Athleisure-Trend eingehen, weil es da auch besser passt als bei der Marke Boss.

In den letzten Jahren hat das Unternehmen Marken und Linien wieder stark unter dem Markenkern zusammengefasst. Was hat das für deine Arbeit als Chief Brand Officer bedeutet?

Wir konzentrieren uns seit zwei Jahren wieder auf unsere zwei Marken Boss und Hugo. Beide Kollektionen decken heute den gesamten Bereich ab, also Smart Casual, Casual

und Athleisure. Heute haben wir unter dem Namen Boss eine globale Kollektion mit den gleichen Farbthemen und der gleichen zugrunde liegenden Idee. Früher haben die Teams völlig unabhängig voneinander gearbeitet, heute ist es umso wichtiger, dass sie zusammenarbeiten, zumal alle drei Bereiche in einem Store angeboten werden. Selbst wenn wir sie nicht untereinander mixen, haben wir dennoch eine Style-Aussage im Store.

Lange galt Boss als sexy und testosterongeladen, die Marke hat polarisiert. Und es war klar, wofür sie stand. In weiterer Folge wurde Boss aber zunehmend langweilig. Ist das eine deiner Herausforderungen, die Marke wieder aufzuladen?

Ja. Wir wollen wieder klar unterstreichen, wofür Boss seit jeher steht: für maskuline, moderne, sophisticated Menswear. Dafür haben wir am Aufbau der Kollektion gefeilt, die sich grundsätzlich aus den Bausteinen Basic, Modern und Fashion zusammensetzt und immer auch einen gewissen Fashionanteil braucht. Wir haben außerdem am Design gearbeitet, an der Qualität, am Auftritt im Retail sowie auch an unserer Runway-Kollektion und den Kampagnen. Alles zusammen ergibt jetzt wieder ein stimmiges Gesamtkonzept, auf das wir sehr stolz sind. Insbesondere in der Männermode passiert viel Innovation in der Stoffent-

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„Ein Anzug aus Jersey, mit Stretch, Garment dyed – all das zahlt auf den Komfort ein.“ Ingo Wilts

wicklung. Komfort ist der Schlüssel­ trend. Was heute überhaupt an Funktion und Convenience möglich ist, lässt sich schon mit dem, was es vor fünf Jahren gab, nicht mehr vergleichen.

Es ist wahnsinnig toll, was alles möglich ist! Ein Anzug aus Jersey, mit Stretch, Garment dyed – all das zahlt auf den Komfort ein. Und es zahlt auch auf die junge Zielgruppe ein, die ganz klare Vorstellungen hat, welcher Look zu ihnen passt und warum. Du kannst heute so viel mit dem Anzug machen. Wo siehst du weiteres Entwicklungs­ potenzial?

Für beide Marken ist es jetzt erst einmal wichtig, Kontinuität aufzubauen, sowohl in der Markenwelt als auch über alle Consumer Touchpoints, wie Lookbooks, Kampagnen oder Social-Media-Aktivitäten. Der Kunde soll die Marke sofort erkennen, deshalb ist es so wichtig, dass der Auftritt auf allen Ebenen derselbe ist. Viel Potenzial sehen wir in dem Thema digitaler Showroom, wie wir ihn vor einem Jahr erstmalig mit Hugo in Berlin präsentiert haben. Gerade die jüngeren Einkäufer sind begeistert, denn im digitalen Showroom kann der Kunde sein Sortiment zusammenstellen und individuell gewichten, außerdem kann er sofort sehen, wie es in seinem Geschäft aussieht. Ein Pullover, in nur einer Farbe aufgemacht, lässt sich per Mouseclick in zehn Farben ansehen. Das alles hat den positiven Zusatzeffekt, dass die Musterkollektionen kleiner werden, bis sie irgendwann ganz überflüssig sind. Der nächste Schritt ist vielleicht noch spannender. Aus dem digitalen Showroom heraus haben wir jetzt für Hugo die erste komplett digital designte Capsule entwickelt. Damit haben wir die Leadtime von der ersten Idee bis zum fertigen Kleidungsstück auf der Fläche von 13 Monaten auf sechs verkürzt! Umso schneller können wir auf Trends reagieren und auch schneller verstehen, was am PoS funktioniert und was nicht. Bietet das möglicherweise die Chance, die paradoxen Rhythmen zu durchbrechen, die den Handel früh darauf festlegen, was die Konsumenten ein halbes Jahr später kaufen soll? Ist für dich mittelfristig ein Ende von Herbst-/Winter-Saison und Frühjahr-/Sommer-Saison absehbar?

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Das passiert bei uns bereits, zumal wir in unseren internationalen Märkten unterschiedliche Klimazonen haben. Nach wie vor gibt es bei uns zwei Haupt- und zwei kleinere Zwischenkollektionen, aber unser Retail kauft ganz anders ein, weil am PoS kontinuierlich ein neues Warenbild gezeigt werden muss. Die Kollektionen werden zwar insgesamt kleiner und sind fokussierter erarbeitet, dennoch bleibt die Herausforderung, eine gewisse Vielfalt zu bieten. Sehr lange war unser Business durch die Industrie und den Handel bestimmt. Die Digitalisierung hat dem Konsumenten eine zuvor nicht gekannte Macht gegeben. Was verändert das? Eigentlich doch alles, oder?

Letztlich waren wir schon immer Consumer-driven. Die Digitalisierung hilft uns allerdings, den Kunden genauer zu analysieren, weil die Technologie ein gezielteres Arbeiten ermöglicht. Wie viel kauft der Kunde bei uns stationär und wie viel online, kauft er über Mobile Device oder am PC? Außerdem hilft uns die Technologie dabei, immer frische Bilder für Social Media bereitzustellen. Social Media ist enorm wichtig für uns als Marke geworden, weil sich unsere breiter gewordene Zielgruppe immer neu inspirieren lassen möchte. Heute haben wir statt eines Shootings drei Shootings zeitgleich, um dieses Bildmaterial zu generieren, aber mit nur einer Bildsprache, mit einer DNA. Denn die Botschaft muss immer dieselbe sein, und immer von Hugo Boss oder von den Marken Boss und Hugo.

Die Marke Boss steht für maskuline, moderne, sophisticated Menswear.


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Der Begriff Herrenausstatter ist ein Anachronismus, den es zu überwinden gilt – findet Hirmer Geschäftsführer Andreas Bernkopf.

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„DER PERSÖNLICHE KONTAKT IST EIN UNSCHLAGBARER USP!“ Was heißt es, als Handelsdestination kompetent in der Menswear zu sein, und was bedeutet Omnichannel für die Hirmer Gruppe? Stephan Huber hat mit Hirmer Geschäftsführer Andreas Bernkopf nachgedacht, wie man die Menswear im Handel zeitgemäß für die Kunden von morgen in Szene setzen kann. Auf allen Kanälen. Interview: Stephan Huber. Text: Nicoletta Schaper. Fotos: Hirmer

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ie Frage mag an diesem Ort fast ein wenig despektierlich wirken. Aber passt der Anzug noch in die Welt von morgen?

Ja, obwohl sich viel geändert hat. Früher musste man vor allem im Büro einen bestimmten Look haben, um dazuzugehören. Heute gibt es die allgemein gültigen Dress­ codes nicht mehr. Manche Unternehmen fordern von ihren Mitarbeitern bereits ein, sich mehr casual zu kleiden. Seien wir ehrlich, die Krawatte wird aussterben.

Das Zwanghafte, das die Krawatte oft verkörpert, ist aktuell nicht mehr gefragt. Auch Businesskleidung muss lässig und vor allem bequem sein. Komfort ist ein wesentlicher Treiber der Entwicklung.

Geben wir im Thema Fashion Komfort und Nachhaltigkeit mehr Gewicht, dann hat auch der Anzug Potenzial. Viele junge Leute finden heute den Anzug cool, da spielt Individualisierung eine große Rolle. Insgesamt verlieren wir bei den klassischen Anzügen Anteile, weil es kein Muss mehr ist, Anzug zu tragen. Aber wenn wir das gesamte Segment betrachten – mit Baukasten, dem Thema Sakko und Maß –, stehen wir gut da. Es hat sich verlagert. Also wird Hirmer weiterhin Anlaufstelle bleiben, weil Sie bewusst auf Kompetenz setzen.

Absolut. Wir haben bei diesem Thema außerordentliche Kompetenz. Das hat aber auch den Nachteil, dass wir härter um unser Standing in Sachen Sportswear oder Casual kämpfen müssen. Die heutige Generation ist völlig anders geprägt, sie ist auch viel informierter, weil sie gewohnt ist, digitale Kanäle auch wirklich zu nutzen. Wir erleben heute das Phänomen der Influencer oder sehr erfolgreiche Social-Media-Phänomene wie Off-White und Supreme. Die Frage ist, wie lang das noch funktioniert. Oder vielleicht noch eher die Frage, was danach kommt.

Für die Gründer von Supreme hat es auf jeden Fall super funktioniert. Einen Ziegelstein zu labeln, der später auch noch bei Secondhand Pop-up-Sales mit Gewinn weiterverkauft wird … Hut ab. In meinen Augen war das ein soziales Experiment, die Gründer wollten nur sehen, wie weit sie gehen können.

Dennoch zeigen diese Marken, dass ihr Erfolg nach ganz anderen Kriterien funktioniert. Dass es völlig andere Peer Groups gibt. Mit neuem oder anderem Kommunikations- und Konsumverhalten. Ich beschäftige mich beispielsweise mit der Welt der E-Gamer. Das ist eine Riesencommunity, die ihre Kleidung weder bei P&C noch bei Hirmer kauft. Was bedeutet das für einen Herrenausstatter wie Hirmer? Wenn ich diesen

Begriff ganz bewusst an dieser Stelle bringen darf …

Wir sind uns einig, dass dieser Begriff ein Anachronismus ist. Es ist unsere Aufgabe, ihn zu überwinden, ohne dabei aber unsere Kernkompetenz in Frage zu stellen. Die jungen Konsumenten verstehen auch dank der Digitalisierung sehr schnell, wofür ein Unternehmen glaubwürdig steht und wofür nicht. Und die klare Positionierung von Hirmer als Spezialist für Männermode ist in einem komplexen und kompetitiven Markt ein unschätzbarer Vorteil. Die Kunst liegt künftig viel mehr darin, was ich weglasse, als darin, was ich hinzunehme. Was ich mache, muss ich ehrlich und mit Kompetenz machen. So vermittle ich auch Werte. Wir stehen für den Anzug, und der Anzugkunde wird immer zu uns kommen, weil wir darin kompetent sind. Wir haben übrigens zum Oktoberfest außerordentlich gute Trachtengeschäfte im hochwertigen Bereich gemacht, dabei war es sehr erfreulich, wie viele junge Kunden zu uns gekommen sind.

Ich finde es so spannend, dass die junge Generation das tut, was sogenannte Experten noch vor wenigen Jahren völlig falsch eingeschätzt haben. Die Generation ist wesentlich affiner zum stationären Handel, als alle – bei aller Bescheidenheit, außer mir – vorhergesagt haben.

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„Viele Männer sehen im Casual-Look ja nicht gut, sondern sogar nachlässig aus. Der richtige Anzug kleidet dagegen jeden Mann. Immer!“ Andreas Bernkopf Im stationären Geschäft geht es um Haptik, Emotion, Austausch. Man kann den Menschen nicht ersetzen. Das ist doch eine schöne Erkenntnis. Auch wenn der Onlinekauf durchaus Vorteile hat und wir auch gute Onlinegeschäfte machen. Genau das meine ich: Der Endverbraucher ist doch längst omnichannel unterwegs.

Als Händler machen wir uns schon viele Gedanken, wo der Kunde wann kauft. Nämlich dort, wo er dem Handel die jeweils geforderte Kompetenz zutraut. Möchte ich Sneaker kaufen, gehe ich vielleicht zu Sole­ box, sehe im Laden eine Verkäuferin, die auf mich authentisch wirkt. Weil ich ihr die Authentizität abnehme, kaufe ich bei ihr die Sneaker für 280 Euro. Man leistet sich den hochpreisigen Sneaker auch, weil die Kosten-Nutzen-Rechnung stimmt. Der wird dann ja viel getragen und ist praktisch mit jedem Look kompatibel.

Vollkommen richtig. Im Gegensatz dazu halten viele Männer den Anzug nicht nur für unbequem, sondern auch für nicht alltagstauglich. Beides sind Vorurteile. Viele Männer sehen im Casual-Look ja nicht gut, sondern sogar nachlässig aus. Der richtige Anzug kleidet dagegen jeden Mann. Immer! Und heute eben auch sehr entspannt, ohne jeden Anflug von Spießigkeit. Das müssen wir glaubwürdig vermitteln. Gibt es auch so etwas wie ein neues männliches Stil-Selbstbewusstsein? Statt sich den Look wie einst von den Frauen bestimmen zu lassen, hat die neue Generation das Thema für sich entdeckt und sich damit als Zielgruppe emanzipiert.

abteilung umso mehr Look präsentieren. Also zeigen, wie vielseitig und modern das Thema heute interpretiert werden kann. Um das zu inszenieren, brauchen wir auf der Fläche den entsprechenden Platz. An der Tiefe und Breite des Sortiments wollen wir dennoch nichts ändern. Vielleicht noch entscheidender ist aber, wie wir unseren Kunden begegnen.

Was ist wichtiger? Sortiment oder Service?

Selbstverständlich muss beides immer auf bestmöglichem Niveau sein. Aber der direkte menschliche Kontakt, die persönliche Zuwendung, das ist für uns eine unschlagbare USP. Dafür brauchen wir aber auch Themen, mit denen wir unsere Kunden abholen. Zum Beispiel die Nachhaltigkeit. Das wird aktuell ein ganz großes Thema. Nicht zuletzt durch den Dieselskandal, der viele hellhörig gemacht hat.

Vielleicht werden es auch die Männer sein, die das Thema Nachhaltigkeit in der Mode vorantreiben. Weil sie Spaß an der technischen und wissenschaftlichen Komponente haben.

Wir spüren jedenfalls eine völlig andere Sensibilität und ehrliches Interesse bei unseren Kunden. Adidas macht enorm gute Umsätze mit einem Schuh aus recyceltem Plastik. Das ist offenbar eine Story, die verfängt. Klar ist aber, dass der Look stimmen muss. Und wir müssen verstehen, dass Nachhaltigkeit viel mehr ist als Bio. Und es muss ein Business sein, damit es sich durchsetzt.

Umso wichtiger ist das Verständnis für die Sehnsucht nach Individualität. Wie kann ich mir meinen persönlichen, einzigartigen Lieblingsanzug kreieren? Welcher Stil passt zu mir und zu meinem Leben? Die Individualisierung ist ein Riesenmarkt, in dem auch Verkaufspreise von 699 und 799 Euro akzeptiert werden, anstatt etwas von der Stange zu kaufen.

Ich bin sicher, dass der Endverbraucher bereit ist. Aber damit der Handel Themen wie Nachhaltigkeit gut verkaufen kann, braucht er Markenpartner. Würde Boss eine entsprechende Kapsel mit vier oder sechs Handelspartnern starten, die diese Geschichte auch an ihre Kunden vermitteln können, bin ich überzeugt, dass sich das durchsetzen würde. Wir suchen Geschichten, die wir erzählen können. Umso mehr werden wir in unser Personal investieren, wir wollen keine Abstriche machen bei den Menschen, ganz im Gegenteil.

Früher haben wir die klassische Stamm­ abteilung gehabt. Heute bieten wir eine Kompetenzabteilung. Das ist nicht einfach nur eine Begriffsänderung. Während die Stammabteilung vor allem für eine sehr breite Auswahl stand, muss die Kompetenz­

Nein, weil wir eine exponierte Stellung haben. Aber wir haben das Problem, die von uns ausgebildeten Mitarbeiter zu halten. Dem Handel ist es bisher nicht gelungen, den Job des Verkäufers, der bei uns übrigens Modeberater heißt, attraktiver zu machen.

Das betrifft jetzt sozusagen das zentrale Nervensystem des Hauses Hirmer.

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Hat Hirmer das Problem, die passenden Auszubildenden zu finden?

Dabei geht es natürlich um die Verdienstmöglichkeiten, aber auch um die Perspektiven, die dieser Beruf langfristig bietet. Darin sehe ich eine große Herausforderung. Das ist eine existenzielle Frage. Denn der hochwertige Fachhandel benötigt ja Mitarbeiter, die diesem Niveau entsprechen.

Welcher Serviceberuf ist denn heute noch angesehen? Die meisten Dienstleistungsberufe werden im Schnitt schlecht bezahlt und haben unattraktive Arbeitszeiten. Das ist die Realität. Der Handel hat noch das zusätzliche Problem, dass mit Online völlig neue Herausforderungen auf ihn zugekommen sind. Mit immens hohen Investitionen, die aber letzten Endes nur für eine Umsatzverschiebung von einem zum anderen Kanal gesorgt haben. Unseren drei Leistungsmarken entsprechend haben wir drei Onlineshops, also Hirmer, Eckerle und Hirmer Große Größen. Und wir performen online sehr unterschiedlich. Mit www. hirmer-grosse-groessen.de machen wir sehr gute Geschäfte, weil wir uns hier auf eine Nische spezialisiert haben und der Kunde von überall her online bei uns kaufen kann. Wie stellt sich Hirmer beim Thema Omnichannel in Zukunft auf?

Wir wollen unseren Service deutlich ausbauen, um die heute aufgeklärte Zielgruppe hinzuzugewinnen. Die Jungen lassen sich nichts vormachen, sie wollen echte Leistung sehen. Zugleich werden wir stationär Freiräume auf der Fläche schaffen, um umso stärker Looks und damit modische Kompetenz zu präsentieren. Auch online werden wir gezielt ausbauen, was aber nicht heißt, dass wir dort jeden Artikel zeigen. Stattdessen geht es auch hier um Verzicht. Statt Marken zu sammeln, müssen wir spitz im Angebot sein. Und ganz wichtig für uns ist die Frage, wie wir den Point of Sale zusätzlich aufladen und damit neu definieren können. Wir müssen neue Touch Points kreieren und unsere Kunden auf unterschiedlichen thematischen Ebenen ansprechen. Dabei wird es auch darum gehen, die Digitalisierung auf die Fläche zu holen und so erlebbar zu machen. Wir denken über Pop-up-Flächen nach, wo der Kunde beispielsweise ein Auto konfigurieren oder Virtual Reality erleben kann. Es gibt sehr viele Möglichkeiten. Aber es muss immer zu unserem Markenkern passen.


DAS GLAS IST HALB VOLLER DENN JE! Warum Optimismus der neue Realismus sein sollte …

style in progress 1/2019 10. Januar 2019

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SALONGESPRÄCH

„ES IST EIN IMPULS, KEIN BEDARF“

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Mit style in progress Chef­redakteurin Martina Müllner-Seybold diskutierten v.l.n.r.: Ortwin Klipp, Philemon Hahlweg, Oliver Rauh, Moritz Fuchs und Herbert Volkmann.

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Liegt irgendwo zwischen dem Modemuffel und dem Fashion Victim die Wahrheit? Im Fall von männlichen Konsumen­ ten mitnichten. Im style in progress Salongespräch war schnell klar: Wer Männer als Kunden abholen will, braucht genau das, was sie auch in Produkten suchen: Inhalt, Werte und Augenhöhe. Text: Martina Müllner-Seybold. Fotos: Bela Raba

I

ch würde gerne mit dir starten Moritz. Als Initiator der New Heritage in München und Düsseldorf hast du ja viel mit männlichen Konsumenten zu tun. Wie viele Besucher hattet ihr bei der letzten Ausgabe?

Moritz Fuchs, Initiator New Heritage: Bei der letzten Ausgabe waren es 5.000 Besucher, über zwei Tage auf der Praterinsel in München.

Jetzt sagt man ja vielen Männern nach, sie würden sich nicht für Mode interessieren. Sie würden sich vor allem nicht für die Inhalte der Mode interessieren. Und dann kommen an einem Wochenende 5.000 Männer gelaufen und interessieren sich wahnsinnig. Warum?

Moritz Fuchs: Zuallererst muss man sagen, es kommen vor allem primär Männer, das ja. Es kommen aber auch Frauen, das ist uns sehr wichtig, weil wir keine reine Männerlaufschau betreiben wollen. Ich glaube, dass Männer genau wegen der Inhalte kommen. Weil die Produkte, die unsere Aussteller präsentieren, einfach mehr transportieren als nur diese klassische Modenummer. Da stecken Werte drinnen, da steckt Wertigkeit drinnen. Wo sie wissen, wenn sie sich in dieses Stück verlieben, dann ist das nichts, was sie so schnell wieder verlieren – außer sie verlieren es wirklich. Diese Wertigkeit und die Werte sind der Schlüssel. Ganz klar, es gibt die Bewegung, dass Männer vermehrt auf sich achten. Es ist in, männlich zu sein. Das spielt uns natürlich in die Karten. Oliver Rauh, Stylist, Fotograf und Creative Mind: Ich war auch auf der New Heritage und es ist einfach schön, diese Persönlichkeit hinter den Produkten zu erleben. Ein Asiate, der Tintendruck live macht. Das ist toll, so etwas hautnah zu erleben. Man kauft ein Unikat, ein Lieblingsstück. Das ist selbst für mich, der ich seit einer gefühlten Ewigkeit in dieser Branche bin und sie aus vielen Blickwinkeln kenne, ein Erlebnis.

Herbert, du bist Storemanager bei Stereo Muc. Was sind aus deiner Sicht die Anlässe, die einen Mann in den Laden bringen? „Huch, die Saison hat begonnen“ oder „Brrr, kalt, ich brauch was“?

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Herbert Volkmann, Storemanager bei Stereo Muc: Bei uns ist es tatsächlich größtenteils ein Impuls von vielerlei Seiten. Das kann der Saisonwechsel sein, klar, auch Männer merken, ich muss früher losgehen, damit ich mir die schönen Stücke der Saison raushole. Und definitiv das Wetter. Da sind Männer meiner Meinung nach noch einfacher beeinflussbar als Frauen. Es ist einen Tag kalt, sie kommen rein, flanieren durch den Laden und man sagt: Hey, ganz schön kühl draußen geworden, oder? Und da durch reift ziemlich schnell der Gedanke: „Ah ja, ich habe Lust auf einen neuen Pulli.“ Ich nenne es trotzdem eher Impulskauf und nicht Bedarfskauf. Der klassische Bedarfskäufer kommt bei uns – da kann ich jetzt nur für uns sprechen – fast gar nicht. Die Leute haben Lust auf etwas, etwas Neues, etwas, das nicht überall hängt.

Worauf haben die Kunden Lust?

Herbert Volkmann: Ganz viele Kunden gehen über die Haptik. Sie wollen, was sich jeder Laden wünscht: Die Ware spüren. Das kann online nicht bieten. Moritz Fuchs: Da darf ich mal kurz einhaken. Ich beobachte, dass die Kunden auch bewusst das Erlebnis suchen. Nicht nur ich geh da hin, nimm mir, was ich brauche, sondern ich will da dann auch wirklich bewusst sein und mich da dann auch eine halbe, dreiviertel, Stunde aufhalten. Herbert Volkmann: Ja, das stimmt. Es ist wirklich eine bewusste Entscheidung. Deswegen wehre ich mich auch so gegen diesen „Bedarf“. Denn, wenn wir uns alle ehrlich sind, brauchen tut von uns keiner was. Oliver Rauh: Aber das liegt natürlich auch an euch. Das ist ein ganz großes Manko im Handel. Persönliche Beratung. Mein Lieblingsgeschäft gibt’s nicht mehr. Früher habe ich jede Woche eine WhatsApp bekommen: Hier, das ist neu gekommen, da hab ich an dich gedacht. Der Nachfolger hat’s nicht gemacht, jetzt ist der Laden zu. Herbert Volkmann: Schön, dass du das sagst, denn das ist genau, was wir betreiben: Per E-Mail, per WhatsApp. Viele Freunde fragen mich, wieso hast du so viele Kunden in deinem WhatsApp-Verlauf und man muss doch privat und Geschäft trennen … Aber ich sage: Entweder du machst ein Business mit Herzblut oder eben nicht. Das ist jetzt eine sehr große Aussage, denn ich will nicht unterstellen, dass es andere mit weniger Herzblut machen. Ich finde, dass dieses Herzblut auf unternehmerischen Werten beruht. Ich komme aus einer Unternehmerfamilie, für mich war das immer selbstverständlich. Natürlich versuchen viele, diese Nähe nachzuahmen, man kann sich ja mittlerweile fast überall einen persönlichen Stylisten buchen … Oliver Rauh: … oder online sucht dein Stylist dir ein Outfit aus und dann schickst du die Hälfte wieder zurück. Moritz Fuchs: Ich komme eigentlich aus Nürnberg und da gibt’s einen Laden, den ich

sehr gerne mag. Da hab ich eben diese Erlebnisse gemacht. Und daher finde ich auch, ein Verkäufer sollte nicht Verkäufer heißen, sondern zumindest Berater. Besagter Berater in Nürnberg hat auch mal zu mir gesagt: „Hey Moritz, das passt dir nicht. Ich habe heute nichts für dich.“ Da sage ich: „Cool, ich komme wieder.“ Was lässt dich, Ortwin denn losziehen und Klamotten kaufen?

Ortwin Klipp, Fotokünstler: Bei mir ist es tatsächlich so, dass ich selten bewusst in die Stadt gehe, um mir irgendwas zu kaufen. Man ist oft in der Stadt, wenn man einen Termin hat oder man sich mit Leuten trifft. Und dann ist es tatsächlich einfach ein Impuls, man entdeckt irgendwas und findet es toll, probiert’s und kauft es. Ich bin nicht der typische Saisoneinkäufer, der bewusst sagt, ich brauch jetzt unbedingt was Neues, weil man tatsächlich so wahnsinnig viel hat. Ich bin letztes Jahr umgezogen, da wurde mir erst bewusst, wie viel ich habe. Man sammelt über die Jahre und benutzt dann doch nur seine 20 Lieblingsteile. Aber klar, ich bin jemand, der immer mal wieder gerne auf Entdeckungsreise ist und dann gerne aus einem Impuls heraus etwas Neues kauft. Und das findest du im stationären Handel? Also diesen Impuls, den befriedigst du im Laden oder auch online …?

Ortwin Klipp: Nein, ich habe ganz selten online eingekauft. Ich kaufe gerne auf Reisen. Wenn ich im Ausland bin, dann bin ich auch irgendwie in einer anderen Stimmung. Wie ist es bei dir, Philemon. Du studierst Mode in Antwerpen. Ich nehme an, du ziehst mit einer sehr klaren Vision los, wenn du einkaufst?

Philemon Hahlweg, Modedesignstudent in Antwerpen: Ich habe ziemlich genau im Kopf, was ich will. Also ungefähr: Ich will einen grob gestrickten Pullunder, Boxy Schnitt, eher kurz. Dann betreibe ich zunächst online Recherche und schaue, was die Läden haben – aber online kaufe ich selbst nie. Weil es so oft schief geht (alle lachen). Es sieht online toll aus, dann ist die Wirklichkeit ganz anders und dann habe ich nicht den Nerv, dass ich wieder zur Post renne und es zurückschicke, das halte ich nicht aus. Also schaue ich erst, was es gibt, aber dann geh ich in den Laden. Oliver Rauh: Aber suchst du dann gezielt danach? Weil bei mir ist es oft so, wenn ich etwas gezielt suche, ein blaues Jackett, dann wird es kein Blaues. (Gelächter) Daher ist Impulskauf für mich dann auch immer der erfolgreichere. Findest du, was du suchst, Philemon … oder hast du dann das Problem der Verfügbarkeit?

Philemon Hahlweg: Ich glaube, ich bin generell nicht irre versteift, sondern wenn ich mir irgendwas wünsche, dann stelle ich mir einen gewissen Shape vor. Das kann dann aber in verschiedenen Sachen kommen. Und wenn ich einen Oversized-­


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Pullover will, dann wird’s vielleicht ein Oversized-Hemd oder auch eine Hose. Der Impulskauf ist bei mir meistens ziemlich ungewollt. Wenn ich was sehe und es gefällt mir gut, dann überlege ich, ob ich das wirklich anprobieren soll. Denn dann kann’s ganz schön schief gehen. Und dann nimmt man’s doch und isst den Rest des Monats nur noch Salat. (Gelächter) Was macht ein Teil so gut, dass du dafür nur noch Salat isst?

Philemon Hahlweg: Mir ist es wichtig, dass das Research des Designers sichtbar ist und dass das Teil eine bestimmte Stimmung vermittelt – aber auch, dass die Qualität gut ist, weil ich meine Sachen auch sehr gerne sehr lange trage und ich es schrecklich finde, wenn ich Sachen dreimal wasche und dann nicht mehr anziehen kann. Oliver Rauh: Deswegen bin ich seit Jahren so ein Trachtenliebhaber, weil da ja wirklich Handwerk und ganz viel Altes drinstecken. Gerade habe ich mir eine Jacke gekauft, die ist 70 Jahre alt und halt immer noch geil. Gerade deswegen geil. Dieser Wunsch, den viele Konsumenten jetzt haben, nach etwas Wertbeständigem, der wird bei vielen Trachtenherstellern ganz automatisch erfüllt. Ich persönlich bin gerade schon wieder so weit, dass ich über Maßanfertigung nachdenke. Denn im Endeffekt ist das gar nicht so teuer. 300 Euro für eine nur für mich gemachte Hose, aus gutem Stoff, hier in München genäht – das ist vergleichbar mit vielem, was da draußen angeboten wird, ein

Moritz Fuchs, Initiator New Heritage: „Denkt man weiter, weiß man, dass an einem Schuh für 19,99 Euro etwas falsch sein muss.“

Schnäppchen. Drei Hosen, die nach dreimal Waschen kaputt sind, kosten ja auch Geld.

Das Paradox in der Kommunikation von Mode, insbesondere wenn es um Männer geht, ist ja diese obligatorische Nowness. Die Mode sagt: „Jetzt, jetzt, jetzt.“ Männer, die einkaufen sagen: „Für immer, für immer, für immer.“ Überspitzt formuliert, aber man leistet sich etwas, von dem man glaubt, lange Freude daran zu haben. Was die meisten Marken aber nie als Verkaufsargument bringen würden. Im Beratungsgespräch, da bin ich mir sicher, argumentiert ihr so und auf eurer Messe kommt das wahrscheinlich auch in jedem zweiten Satz vor.

Moritz Fuchs: Ja, bei uns gibt’s zum Beispiel keine Saisons. Oliver Rauh: Na, Gott sei Dank (alle lachen). Dazu noch die Influencer, die dieses Bild vorleben, man bräuchte jeden Tag einen neuen Look.

Oliver Rauh: Wobei es bei den Influencern meistens ja auch eine Uniform gibt. Das finde ich ganz lustig. Ich fand ja mich vor 30 Jahren verrückter mit falschrum getragenen Hosen als heute Influencer mit zerrissenen Jeans und weißem T-Shirt, was ja der Standard-Look ist. Moritz Fuchs: Das sind nur vermeintliche Individualisten. Oliver Rauh: Ja, das ist ganz lustig. Komplett konträr zu dem, was sie eigentlich vermitteln wollen. Ja, ja, absolut. Aber das geht der ganzen Branche so. Die ganze Modebranche glaubt sich individuell und braucht aber die Uniformität einer Masse – zumindest für die aktuellen Produktionsprozesse und -standards.

Oliver Rauh: Ich finde es ganz schwierig in den größeren Formaten und Kaufhäusern, egal wo man hinkommt. Eigentlich haben viele das gleiche Sortiment. Deswegen ist dann auch das Erlebnis überall das gleiche.

Du siehst ja viele Kollektionen auf Messen oder in Showrooms, bevor sie von einem Einkäufer ausgesucht wurden. Dann siehst du sie im Laden wieder. Wie viel geht auf diesem Weg verloren?

Oliver Rauh: Bei den spitzen Kollektionen gehen bestimmt 80 Prozent verloren. Aber man muss einfach sehen, der Mann draußen, der will seinen V-Pulli, der will ein Hemd, auch wenn der Look natürlich anders wird. Früher musste ein Geschäftsführer auch in der Mode, zum Beispiel Markus Höhn von Lodenfrey, Krawatte tragen. Heute siehst du ihn eigentlich nur noch lässig mit Hemd und Jackett. Vielleicht auch mal mit einer Chino. Das Bild hat sich deutlich geändert. Herbert Volkmann: Das ist ja das Tolle, dass man eigentlich für nichts mehr schief angeschaut wird. Selbst wenn du als Punk rumläufst. Es hat alles seine Daseinsberechtigung. Ob die Traditionalisten oder die

Herbert Volkmann, Storemanager Stereo Muc: „Die Leute haben Lust auf etwas, etwas Neues, etwas, das nicht überall hängt.“ Holzfäller, das kann alles parallel laufen. Und alles kommt wieder. Oliver Rauh: Ich habe ja schon alles mal erlebt. Das wird teilweise ziemlich langweilig. Wenn ich von der Modewoche zurückkomme, frage ich mich manchmal, ja, was war denn jetzt eigentlich neu? Neu sind eigentlich nur noch die Texturen. Also mir fehlt eigentlich einmal wieder so ein Jahrzehntetrend. Das macht es, glaube ich, auch so schwer im Handel, wenn alles wieder kommt. Ich habe auch Dinge, die habe ich vor 20 Jahren schon getragen, jetzt hole ich sie wieder raus Herbert Volkmann: Für diese Revivals und diese Jahrzehntetrends sind Männer ja auch sehr anfällig. Ob Champion-Pulli, Vans oder Converse, oder eben auch Kord diese Saison, da freuen sie sich drüber, wenn sie die wieder kaufen können. Aber eben die Schnitte sind dem Puls der Gegenwart angepasst. Also die Kombination aus etwas Bekanntem und etwas Neuem. Spielen Trends für euch eine Rolle?

Herbert Volkmann: Man sollte versuchen, sich außerhalb der Vorgaben des Trends zu bewegen. Vorher hat es jemand gesagt: Lieblingsstücke. Das ist für uns ein Ansatz. Viele unserer Stammkunden kommen, weil sie Lieblingsstücke finden wollen. Die bewegen sich überhaupt nicht nach einem Trendschema. Freilich kann man in der Beratung anmerken, dass Rollis jetzt ein Trend sind, aber darum kauft der Kunde nicht. Sondern weil sie das Rippmuster schön finden, das Material oder weil er so dünn und leicht style in progress 418


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mir meine Eltern einen Anzug gekauft. Den habe ich jetzt dieses Jahr wieder gefunden und den ganzen Sommer getragen – jetzt ist er kaputt. (Gelächter) Aber deswegen will ich die Qualität. Ich will es behalten können und nochmal auspacken. Aber ich brauche die Qualität nicht, weil ich meine, ach, das weiße Hemd trage ich jetzt bis nächstes Jahr. Das ist ja das besondere Talent der Mode, dass sie eigentlich nichts großartig verändert und dann trotzdem so vielen Leuten klar macht, dass sie’s brauchen, brauchen und brauchen …

Das ist was sehr Wahres, ja! Es verändert sich nicht besonders viel, aber trotzdem haben wir das Gefühl, etwas zu brauchen.

Ortwin Klipp: Ja, wir haben nun mal zwei Hände und zwei Füße, natürlich kann man da unglaublich viel variieren, aber letztendlich sind wir dann doch wieder limitiert in der Freiheit.

Oliver Rauh, Creative Mind: „Das Bild in der Männer­ mode hat sich deutlich geändert.“ ist und die Merino-Ware perfekt ist, um sie unter dem Sakko zu tragen. Vielleicht beeinflussen die Trends unterbewusst, weil man es eben öfters gesehen hat. Moritz Fuchs: Ich glaube, dass viele Männer, die ihren Stil gefunden haben, nicht so trendaffin wie Frauen sind. Wir finden zum Beispiel für Männerkollektionen und Produkte viel einfacher Aussteller, die in unsere Vorstellung passen. Weil – ich sag mal – Jeans eigentlich fast immer getragen werden. Weißes Hemd geht irgendwie auch immer. Das sind Klassiker und da kann ein Hersteller dann auch in die Qualität gehen. Weil bei den Frauen die Modezyklen so schnell drehen, wird oft nicht so stark auf die Qualität geachtet. Von Herstellerseite genauso wie von den Konsumentinnen – weil es die Langlebigkeit einfach nicht braucht, wenn ich ein Teil nur eine Saison tragen will. Oliver Rauh: Das hat natürlich auch mit unserer Jetzt-Zeit zu tun. Mit Instagram und so weiter. Am liebsten sollte man ja jeden Tag was Neues haben. Wenn der Influencer den Pulli mal zwei Wochen lang jeden Tag anders getragen zeigen würde, das wäre ja mal eine Challenge. Dann sind wir auch wieder bei der Wertigkeit. Aber bei der jungen Generation fehlt diese Wertigkeit oft. Da geht es um Selbstdarstellung, um jeden Tag was Neues. Das kann man sich aber nur leisten, wenn man billig kauft. Philemon Hahlweg: Ich muss sagen, mir ist Qualität wichtig, auch wenn ich genau weiß, ich trag’s nicht für immer. Dann kommt’s in den Schrank und vielleicht packe ich es in drei Jahren wieder aus. Vor zig Jahren haben 418 style in progress

Ja, und es gibt ja auch gewisse Gesetzmäßigkeiten, die sich von keinem Trend aushebeln lassen. Ein dunkelblaues Sakko kleidet einen Mann nun mal besser als ein senfgelbes …

Oliver Rauh: In unseren Breitengraden, ja. Ich sagte mal zu einem Verkäufer: „Stell dir vor, ich habe diesen Pulli in dieser Farbe zu einem Date an. Das geht garantiert schief!“ Da mussten wir beide lachen. Farbe ist auch Emotion. Da bin ich durch die harte Schule gegangen: Einer meiner ersten Jobs in der Branche war damals mit Edda Küffner zusammen ‚Colour me Beautiful‘ in Deutschland zu etablieren. Das war ein Riesentrend in den 1980ern aus Amerika, aber es prägt mich bis heute.

Ortwin, du bist schon aus Berufsgründen ein Ästhet. Wie wichtig sind dir Farben und wovon fühlst du dich inspiriert?

Ortwin Klipp: Von der Natur. Wasser ist ein Thema, das meine Fotografien prägt. Das reflektiere ich sicher auch in meiner Kleiderwahl. Was ich gerne wissen würde: Wie wichtig ist der Mode eigentlich das Thema Natur und deren Schutz? Für mich als Konsument ist das nämlich schon ein Thema. Ein riesiges Thema und ich danke dir, dass du es aufbringst. Um es kurz zu fassen: Es gibt viel ernsthafte Bemühungen, aber natürlich auch viel Greenwa­ shing. Die Modeindustrie ist gleich nach der Ölindustrie die schmutzigste der Welt und das wird sich auch erst ändern, wenn wir begreifen, dass man T-Shirts nicht nach dreimal Anziehen wegwirft.

Herbert Volkmann: Ich merke auch, dass unseren Kunden die Nachhaltigkeit immer wichtiger wird, wobei es ein Thema ist, wo ein kritischer Geist immer noch etwas finden kann. Da ist zum Beispiel der ganze Pulli organic und fair und alles und dann ist das Etikett aus Polyester. Wo beginnt man, wo hört man auf? Mein Ansatz ist, dass ich versuche, unsere Kunden für Produkte aus kleineren und Familienbetrieben zu sensibi-

lisieren. Sprich öknonomische Nachhaltigkeit. Wo ich weiß, die halten sich an gewisse Dinge. Ein Sneaker, der in Italien in einem Familienbetrieb gefertigt wurde, aus italienischem Leder, nicht irgendwo in Fernost, das finde ich persönlich besser, mit diesem Nachhaltigkeitsaspekt zu arbeiten, da sich die meisten Kunden so auch leichter in eine gewisse Form des Wirtschaftskreislaufs hineinversetzen können. Außerdem vermittelt man einen Sympathiewert, der auch emotionale Nachhaltigkeit auslöst – die meisten Kunden finden solche Unternehmen einfach sympathischer als globale Multis mit Millionenmarketingbudget. Moritz Fuchs: Regionalität ist auch bei uns auf der New Heritage ein Riesenthema. Die Leute freuen sich einfach, wenn sie Betriebe unterstützen können, die trotz der hohen Löhne hier produzieren. Wir machen auf der New Heritage auch Workshops und im Scherz habe ich mal gesagt, die sollten wir eigentlich verpflichtend machen. Wer mal eine Stunde lang händisch gearbeitet hat, um ein Portemonnaie zu personalisieren, der beginnt nachzudenken. Wenn ein so kleines Teil schon eine Stunde lang braucht, dann sind die 400 Euro von einem Schuh plötzlich nachvollziehbar. Und denkt man noch weiter, weiß man auch, dass an einem Schuh für 19,99 Euro was falsch sein muss. Ihr Männer seid die Hoffnung – eben weil ihr schon grundsätzlich reflektierter konsumiert … Hach, eine schöne Pauschalierung …

Philemon Hahlweg: Ich glaube, es muss auch wieder an Wert gewinnen, sich etwas

Philemon Hahlweg, Modedesignstudent: „Ich würde nie etwas kaufen, nur weil es günstiger ist.“


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leisten zu wollen. Wenn ich mich in ein Teil verliebe, dann nehme ich dafür auch in Kauf, dass ich bei anderen Dingen kürzer trete. Dann isst Du nur noch Salat …

Philemon Hahlweg: Ja, gerne. Wenn es ein Teil Wert ist. Wenn darin wirklich Wert steckt und nicht nur Branding. Ortwin Klipp: Aber das zu unterscheiden, ist doch sehr schwer oder? Man hört ja immer wieder, wie billig die Marken produzieren lassen und dann hier teuer verkaufen. Herbert Volkmann: Diese Skepsis kennen wir auch bei Kunden. Daher finde ich es wichtig, Marken zu führen, wo man Preis und Leistung in eine gesunde Relation bringen kann. Wo der Kunde fühlt, dass das Teil das wert ist – und nicht der Logoprint vorne drauf den Preis ausmacht.

Vor allem aber: Den wirklichen Preis, also den ohne Rotstift. Ich glaube viele Konsumenten haben tatsächlich den Eindruck, dass sie erst im Sale den gerechtfertigten Preis bezahlen.

Herbert Volkmann: Unsere Erfahrung ist: Der Sale-Kunde und der reguläre Kunde haben kaum Schnittmenge. Wir müssen uns im Sale auch richtig anstrengen, die Sachen zu verkaufen. Es ist nicht so, dass sie wegen des roten Preises alle schnell verkauft sind. Zum Glück haben wir sehr wenig Fehlkäufe, weil wir schon im Einkauf auf eine sehr ausgewogene und clevere Planung setzen und unsere Geschäftsführer viel auf unsere Meinung geben. Da bin ich sehr froh darüber. Oliver Rauh: Sale turnt ja auch nicht mehr an, mich zumindest nicht. Es ist ja dauernd

irgendwo Sale, dazu noch online. Nur mit dem roten Preis lockt man sicher niemanden mehr in den Laden. Philemon Hahlweg: Da hat man Glück, wenn man wie ich einen sehr ausgefallenen Geschmack hat. Was ich mir regulär nicht leisten konnte, landet oft im Sale, da freue ich mich natürlich. Aber ich würde mir nie etwas kaufen, was ich nicht brauche, nur weil es günstiger ist. Die Casualisierung dominiert die Männermode seit Jahren, alles Formelle geht zurück.

Ortwin Klipp: Man muss nur in diese Runde schauen. Alles eher leger, ich trage auch lieber eine bequeme Hose und Sneaker. Herbert Volkmann: Der Anzug geht stark zurück, ja – aber natürlich gibt es noch die Männer, die nicht in der Jogginghose ins Büro können. Aber auch die suchen heute etwas Besonderes. Philemon Hahlweg: In der High Fashion habe ich schon den Eindruck, dass das Onepiece wieder stärker zurückkommt; also beim Mann ein Anzug, einfach eine größere einheitliche Fläche statt dieser Einzelteiligkeit, die wir jetzt lange hatten. Aber gleichzeitig verschwindet der Anzug im normalen Leben. Herbert Volkmann: Ich trage zum Beispiel gerne Smoking bei Anlässen, im Theater oder auf Hochzeiten. Und dann auch richtig, mit selbst gebundener Fliege und allem. Aber da wird man manchmal schon ganz schön schräg angeschaut dafür. Im Theater ist man definitiv overdressed im Smoking.

Ortwin Klipp: „Als Konsument ist Nachhaltigkeit ein Thema.“

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„DIE KONSUMENTENBEDÜRFNISSE BRECHEN BRANCHENREGELN AUF“

Maks Giordano ist der Mann, dem man Fragen über die Digitalisierung stellen möchte. Fragen, auf die er Antworten hat, die fast schon bipolar jeden digitalen Schritt nach vor zu seiner analogen Gegenbewegung in Bezug setzt. Ein Gespräch über Chancen und Risiken, die Begehrlichkeit der Verknappung, die Zielgruppe der Millenials und ein neues Konsumselbstverständnis, in dem sich der Kunde selbst zum König gemacht hat. Interview: Stephan Huber. Text: Isabel Faiss. Foto: Karin Janig

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Maks Giordano ist ein Digitalstratege und Kreativer mit mehr als 20 Jahren Erfahrung. 2011 hat er die Beratungsagentur 2011 gegrĂźndet, mit der er fĂźr Kunden wie Daimler oder Red Bull die digitale Transformation gestaltet.

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as sind eigentlich die stärksten Auswirkungen der Digitalisierung auf die Menschen und ihr Konsumverhalten – und damit auch auf die Modebranche?

Obwohl wir im Jahr 2018 leben, haben die wenigsten Menschen meiner Meinung nach auf dem Schirm, dass in exponentiellen Entwicklungen heute eine ganz andere Dynamik herrscht. Obwohl es Dinge wie das iPhone seit 2007 oder den Appstore schon seit 2008 gibt, sind wir erst jetzt an dem Punkt angelangt, wo sich die Digitalisierung in unserem Leben mit all ihren zur Verfügung stehenden Komponenten und Faktoren voll entfalten kann – und das in exponentieller und nicht mehr linearer Dynamik. Grund hierfür ist, dass sich die digitalen Trends und Entwicklungen gegenseitig verstärken – Smartphones sind allgegenwärtig, dazu die entsprechenden Bandbreiten mit LTE-Geschwindigkeiten, Data Flat Rates, Social Media, Chips werden billiger, gleichzeitig kleiner und gleichzeitig aber auch leistungsfähiger, die unglaublich rasanten Fortschritte in Machine Learning und künstlicher Intelligenz, gesellschaftliche Megatrends wie Sharing Economy etc. plus der Generationenwandel hin zu den Digital Natives rund um die Millenials und Gen Z – jeder Einzelfaktor ergibt in Summe mehr und verstärkt sich gegenseitig exponentiell. Es macht angesichts dieser Entwicklung wirklich wenig Sinn, nach hinten zu blicken und daraus abzuleiten, wie sich die Zukunft gestalten wird. Wir müssen uns auf einen Wandel einstellen, der unter Umständen viel schneller und transformativer auf uns zukommt, als wir uns vorstellen können. Was macht das eigentlich mit unserer Gesellschaft?

Vor allem bei Millenials und Gen Z, die als Digital Natives die Zeit vor dem Internet gar nicht mehr kennen, merkt man schon eine enorme Ungeduld, gerade was die Verfügbarkeit von Produkten angeht. Die Verzahnung mit dem Smartphone, die irrwitzig geringen Aufmerksamkeitsspannen. Da gibt es zahllose Untersuchungen, was das für einen Impact auf ihr Verhalten und ihre Umwelt hat. Das Smartphone ist heute einem ausgelagerten Gehirn gleichzusetzen, in das man alles speichert. Der schnelle Griff zum Smartphone ersetzt immer öfter die Denkleistung. In unserem Kundenumfeld unterschätzen viele diesen krassen Generationswechsel. Oft leitet man vom eigenen Verhalten oder wie man selbst aufgewachsen ist ab, dass die Next Generation doch bestimmt auch noch einen Gesinnungswechsel an den Tag legt. Das wird im seltensten Fall passieren. Hat man jemand an Netflix und Amazon Prime Video verloren, gibt es keinen Weg zurück 418 style in progress & #FASHIONTECH

zu linearem TV und entsprechend auch kein Weg zurück zu linearer TV-Werbung. Wer mit Smartphone, iPad, 24/7 Internet Access und Social Media etc. aufwächst, wird zu einem anderen Konsumenten heranwachsen – einem verwöhnten, sehr informierten und sehr ungeduldigen Käufer, der jederzeit die Inspiration und den Vergleich sucht. Hecheln nicht generell die Politik und auch die Gesellschaft in der Gestaltung und Verwaltung der Digitalisierung eher nur hinterher?

Unser Bildungswesen und auch die Politik sind auf exponentielle Entwicklungen wie wir sie in der Digitalisierung erleben gar nicht eingestellt. Das zeigen alleine die Reaktionszeiten. Hier liegt für mich auch die größte Diskrepanz für die Gesellschaft, denn die jungen Generationen wachsen in einem völlig überholten Bildungssystem auf, das mit ihrer gelebten Realität in einer voll digitalisierten Welt nichts mehr zu tun hat. Ich habe das Gefühl, dass Schulen und Lehrer vollkommen überfordert damit sind, was bei der eigenen Medienaffinität beginnt und bei der Ausstattung der Institutionen endet. Wer lehrt den Kids denn den Umgang mit ihren Privacy-Einstellungen, mit Social Media und ihrem digitalen Ich? Ich bin ein absoluter Technikoptimist, aber das macht mir persönlich große Angst. Hier wälzt man ein wichtiges Thema auf die Eltern ab, die im seltensten Fall selbst Ahnung oder Zeit für die Medienbildung ihrer Kinder aufbringen. Und welche Auswirkungen hat das auf den Konsum?

Das Motto always on führt dazu, dass sich Kunden zwar im Retail informieren und inspirieren lassen können, der Kauf aber sofort per Smartphone online stattfinden kann. Verfügbarkeit, Preistransparenz, nicht endende Inspirationsquellen durch Influencer, Social Media etc. – es verändert uns als Käufer. Dadurch muss Retail extrem aufpassen und neue Konzepte wagen, um nicht zu einer reinen Schaufensterfläche oder Gratisberatung zu verkommen, während der Kauf woanders getätigt wird. Die Studie „The truth about the online retailer“ von KPMG aus 2017 zeigt, dass gerade die junge Generation eigentlich eine wesentlich höhere Affinität zum stationären Handel hat, als die meisten Experten annehmen – ein Widerspruch?

Das kommt immer auf das Produkt an. Von der Digitalisierung sind technische Geräte, Commodity-Produkte, Dinge, die sich ideal online bestellen lassen, wie Video-Games, Haushaltsprodukte etc., etc. sicherlich viel stärker betroffen als beispielsweise Mode, die man sinnlich erfahren möchte und wo auch das Shoppingerlebnis als Bedürfnis einen hohen Stellenwert hat. Wo es oft zum Impulskauf oder Beratungskauf kommt.

Wo Inspirationen zählen. Ich denke ein Mediamarkt, Saturn etc., die werden mehr Probleme bekommen als qualifizierter Mode-Retail. Vor allem angesichts Amazon Prime Delivery: Inzwischen bekomme ich ja die meisten Produkte gratis am nächsten Tag nach Hause geliefert bzw. in vielen Städten bereits am gleichen Tag bzw. manchmal auch bereits in einer Stunde. Ein typisches Verhalten, das man beobachten kann: In Retail Dinge wie beispielsweise einen neuen Fernseher oder eine Spielkonsole ausprobieren, anfassen, beraten lassen – Blick auf Amazon, Preisvergleich – und sich am nächsten Tag bequem nach Hause liefern lassen. Insofern sieht man natürlich die Millenials in den Mediamarkt gehen – nur kaufen sie auch wirklich dort? Anders bei Fashion, wo ich oft noch sofort was cool finde und mitnehmen möchte. Interessante Nebeneffekte sind aber beispielsweise bei Millenials – eine Beobachtung, die übrigens Martin Lindstrom in seinem Buch „Small Data“ super beschreibt –, dass Kids beim Kleiderkaufen heute kaum noch alleine in die Umkleidekabine gehen. Sie gehen mit ihren Freunden in die Umkleide, um gleich ein direktes Feedback zu haben, machen gleichzeitig noch ein Selfie und schicken es an ihre Community raus. Man nimmt seine physischen und virtuellen Freunde mit zum Shoppen und teilt so das Erlebnis. Sozusagen der Omnichannel-Konsum?

Das witzige ist, dass die wenigsten dieser Realität Tribut zollen und ihre Umkleidekabinen entsprechend ausstatten. Martin Lindstrom appelliert ganz klar an Händler, die junge Zielgruppen haben: Nehmt diesen Trend endlich ernst. Macht Selfie- und Instagram-Kabinen, sorgt für das richtige Licht und einen tollen Spiegel. Er hat das für eine Modekette umgesetzt und nachweislich Umsatzsteigerungen erreichen können. Das ist für mich ein sehr gutes Beispiel dafür, wie Digitalisierung im Retail Einzug hält und dort auf etablierte Systeme trifft, die nicht mitgehen.

In diesem Zusammenhang finde ich ja auch die Aussage junger Marken wie Nakd besonders spannend, dass es ihrer Zielgruppe weniger um reduzierte Preise als vielmehr um das richtige Produkt zum richtigen Zeitpunkt geht.

Die Digitalisierung hat ein paar Regeln verändert: Nummer eins, die Limitierung eines Produktes durch seine Verfügbarkeit ist heute einfach nicht mehr gegeben. Man hat unbegrenzt und immer Zugriff auf alles. Daraus folgt Nummer zwei: eine gewisse Orientierungslosigkeit. Wie findet man denn heute noch heraus, was man wirklich will oder braucht, woran orientiert man sich? Früher gab es die Stars oder Zeitschriften, es gab MTV oder den coolsten Typen


SO LÄUFT’S 059 NEW NEW MENSWEAR

„Den Wunsch nach Individualität können die großen Franchise-Systeme nicht befriedigen. Kids suchen online nach coolen Labels, durch die sie sich von der Masse abheben.“ Maks Giordano am Schulhof als Role Model. Das hat sich aufgelöst. Die Kuratierung hat damit einen noch höheren Stellenwert bekommen, nicht nur über hippe Influencer auf Youtube und Instagram. Fußballer, Schauspieler oder Musiker haben heute über Social Media eine oftmals viel höhere Reichweite als TV-Sender wie ProSieben und RTL mit ihren Formaten. Ist nicht gerade die fehlende Limitierung genau das, was bei der jungen Zielgruppe den großen Wunsch nach Orientierung bzw. Kuratierung wachsen lässt? Eigentlich eine riesige Chance für den Handel, oder?

Ja, klar. Und es gibt noch eine weitere: der Wunsch nach Individualität, den die großen Franchise-Systeme nicht befriedigen können. Die Kids in den Städten wollen nicht alle im selben Pullover rumlaufen. Sie suchen lieber online nach coolen Labels, durch die sie sich von der Masse abheben. Story in New York ist ein schönes Beispiel dafür, wie Retail heute aussehen muss, um diese Generation von Kunden anzusprechen. Da entdeckt man jeden Monat eine neue Welt. Oder Bonobos als neues Retail-Konzept, das nur noch als Ausstellungsraum mit Beratung dient, aber die Bestellung erfolgt online direkt aus dem Laden heraus. Die Limitierung kann auch auf zeitlicher Basis stattfinden und schafft damit beispielsweise in Form von temporären Pop-up-Stores. Darum geht es, wir brauchen bessere Ideen und Innovationen im Handel. Das heißt, der Kauf ist nur noch eine eventuelle Konsequenz aus dem Erlebnis, das ich insgesamt habe?

Da die Inspiration und die Information über Mode inzwischen fast nur noch digital abläuft und die Verzahnung von Onlineforen und Onlineshops immer enger wird, ist dieser Weg ganz natürlich der erste, der sich für den Kauf anbietet. Ich sehe hier einfach keinen Grund, warum sich das wieder ändern sollte. Gleichzeitig wird man aber auch immer die beratungsintensiven Produkte haben, die auf stationäre Konzepte angewiesen sind und nur dort funktionieren. Den gut sortierten Conceptstore und den Händler des Vertrauens wird es immer geben und er wird gerade durch die Digitalisierung noch mehr als etwas Besonderes wahrgenommen. Stilberatung funktioniert nur im echten Leben. Das Team von Breuninger hat uns gerade erst wieder bestätigt, dass sie auf der Fläche eine steigende Nachfrage nach Bera-

tung wahrnehmen. Das ist ein Nebeneffekt der Digitalisierung, dass die Kunden Orientierung suchen. Sie brauchen jemanden, der berät und Tipps gibt. Dieses Bedürfnis wird zunehmen.

Muss der Handel also versuchen, die digitale Welt zu sich auf die Fläche zu holen?

Definitiv, das wird kriegsentscheidend. Es fängt schon mit der Kundendatenerfassung an. Das ist der erste Schritt, diese dann auszuwerten und mit den Daten sinnvoll zu arbeiten. Die Königsdisziplin ist dann die Evaluation der Big Data, wo man sich gezielt Informationen über die eigene Effizienz herausziehen kann, beispielsweise über die Ausnutzung der Fläche, die Besucherströme, die Angebotsoptimierung. Es gibt superspannende Ideen, wie man Online und Offline zusammenführen kann. Eines der besten Beispiele ist für mich Nike: Sie haben kürzlich ein paar Conceptstores eröffnet, für die sie die gesammelten Informationen aus dem Onlineshop nutzen, um ihr Storedesign und ihr Sortiment den aktuellen und lokalen Bedürfnissen der Kunden anzupassen. Da gleicht dann kein Store mehr dem anderen, weil jeder passgenau auf seinen jeweiligen Standort und die gesammelten Daten der Nutzer abzielt, die in diesem Stadtteil leben. Wenn beispielsweise Yoga das Thema ist, wird die Yogawear im Vordergrund stehen. Nike nennt sie Community Stores, weil diese Shops Teil einer gewissen Nachbarschaft sind und sich dementsprechend auch dort einfügen. Inklusive Events die von Relevanz für die Nachbarschaft sind, spannenden Sprechern, angebotene Aktivitäten etc. Ganz toll ist auch besipielsweise das Adidas-Runbase-Konzept in Berlin und Zürich. Hier steht eindeutig NICHT das Adidas-Produkt im Vordergrund, sondern Adidas präsentiert sich als Enabler, als eine Marke, die mir etwas bestimmtes ermöglicht. Im Fall der Runbase ist es sprichwörtlich ein genialer Anlaufpunkt für Läufer, inklusive Umkleiden, Duschen, guter Gastronomie, Kursen etc. Die Marke Adidas kommt dabei supersymphatisch rüber – ohne den Eindruck zu vermitteln, dass hier der Verkauf im Vordergrund steht – die Marke als ein guter Freund und Begleiter, der mich und meine individuellen Bedürfnisse versteht. Das ist ein weiteres Problem der Franchise-Systeme, die ihr Konzept von Indien bis Kanada einfach über alle Regionen drüberbügeln. Dieser persönliche Touch, das für mich relevante,

individuelle Angebot, das ist der richtige Weg. Apple bietet beispielsweise in seinen Stores Services und Events an, die primär nichts mit dem Kauf eines Produktes zu tun haben, sich aber auf den sozialen Lifestyle der jeweiligen Community beziehen, von der der Store besucht wird. Das kann ein Fotografiekurs sein, ein Music Act, spannende Vorträge über Technologien usw. Wenn es dann noch mit Big-Data-Erkenntnissen verheiratet wird, das ist für mich momentan die Spitze des Eisbergs. So werden einzigartige, für mich als Konsument relevante Retail-Erlebnisse durch die Digitalisierung kreiert, ja gar erst ermöglicht. Ist das nicht etwas, das wirklich gut vernetzte lokale Stores immer schon geleistet haben? Lokalkolorit zu transportieren und die Menschen zusammenzubringen? Viele Ideen, die die Digitalisierung auf den Plan ruft, sind für mich eine Wiederentdeckung von dem, was wir schon einmal auf hohem Niveau hatten.

Das stimmt. Durch die Digitalisierung, das Überangebot, das always on, die grenzenlosen Möglichkeiten und Verfügbarkeiten steigen gleichzeitig auch die Ansprüche an Qualität, die man aus dem kleinen Fachgeschäft kennt: die individuelle Beratung, die Inspiration, die Tipps, die Wertschätzung des einzelnen Kunden. Das führt zu einer echten Renaissance.

Die Digitalisierung hat den Konsumenten zum ultimativen Entscheider gemacht. Er ist nicht mehr auf das Angebot, das ihm der Handel bietet, angewiesen, sondern kann jederzeit überall alles bekommen, was er möchte. Trotzdem haben wir in unserer Branche immer noch gewisse Rhythmen und Saisons. Ist das in Zeiten der rein konsumgetriebenen Wirtschaft nicht ein völliger Anachronismus?

Ja. Darin liegt ja der Erfolg der vertikalen Konzepte begründet, dass sie schneller reagieren und immer etwas Neues haben. Die bestehenden Regeln der Branche werden durch die Bedürfnisse der Konsumenten immer mehr aufgebrochen, definitiv. Manche Konzepte kreieren ihre Kollektionen schon jetzt AI-basiert auf Grundlage der Fakten, die sie aus Social-Media-Kanälen herausziehen. „Choosy“ ist so ein Beispiel, wo die Vorbilder für die Kollektionen aus Social-Media-Impact gewonnen werden. Das wird sicherlich zunehmen. Aber alles hat eine Kehrseite. Das Schnelllebige und die totale Verfügbarkeit von Produkten bringen die Begehrlichkeit für Selektivität, Beständigkeit und Qualität. Da schließt sich dann der Kreis mit dem stationären Handel und seinen Gesetzmäßigkeiten.

#FASHIONTECH & style in progress 418


FASHIONDISKURS

HERRENAUSSTATTER,

QUO VADIS?

Im Begriff Herrenausstatter drückt sich bereits das Dilemma aus. Längst wird der Titel dem Thema nicht mehr gerecht, hier geht es nicht mehr um Bedarf, sondern um Bedürfnis. Wäh­ rend die Stammabteilungen tendenziell abschmelzen, entsteht Platz für neue Konzepte, neue Partner und vor allem eine neue Zielgruppe, die nicht nur in­ formiert, sondern vor allem interessiert ist. Wie stattet sich der Mann also in Zukunft aus und vor allem wo? Text: Isabel Faiss, Martina Müllner-Seybold. Fotos: Gesprächspartner

418 style in progress


SO LÄUFT’S 061 NEW NEW MENSWEAR

Reto Caprez setzt mit Ap & Co in Zürich auf individu­ alisierte Produkte und die noch stärkere Kombination verschiedener Stilwelten zu einem relaxteren Look.

„Der Anzug wird nie aus dem Handel verschwinden“ „Ich glaube an die Welt der klassischen Menswear und damit auch an die des Herrenausstatters. Aber man muss heute dem Bedürfnis nach einem Anzug oder einem Sakko anders entsprechen. Deswegen verstehen wir uns als Nischenanbieter, als Trüffelschweine, die Marken und Produkte mit Tiefgang suchen, kleine Labels mit einer authentischen Story. Damit erreichen wir nicht den Kunden, der in der Stammabteilung einkauft, aber auch diese hat nach wie vor ihre Berechtigung. Nur, wenn ich durch die großen Handelsformate laufe, sehe ich einen viel zu großen Warendruck. Und was ich am meisten vermisse, ist eine kompetente Beratung. Dieses Modell ist heute einfach nicht mehr zeitgemäß, dafür ist der neue Kunde zu anspruchsvoll in Bezug auf das besondere Erlebnis im Produkt und im Service. Wir sehen die Casualisierung, die in der Menswear stattfindet, natürlich, allerdings ist sie nicht extrem und auch nicht besonders rasant. Wir reagieren darauf mit einer Richtung, die wir Relaxed Tailoring nennen, wobei klassische Formen und Schnitte mit einer gewissen Entspanntheit auftreten. Bei den Sakkos und Anzügen tragen wir dem Wunsch nach einem legereren Wohlfühlcharakter in der Konstruktion, dem Schnitt und im Material Rechnung. Das sind die Pole, die wir entsprechend justieren. Die Hälfte unseres Umsatzes machen wir inzwischen mit Made to Measure, wo wir sehr stark auf den jeweiligen Kunden eingehen können – das ist meiner Meinung nach auch das zentrale Thema für den modernen Kunden. Das wird sehr gut aufgenommen, dadurch gewinnen wir nicht nur neue Kunden, sondern binden sie auch an uns. Individualisierung im Produkt und im Service und kuratiertes Marketing sind für mich die Stichpunkte für die Zukunft.“

Andreas Beenen übernahm 2014 das Geschäft von seinen Eltern und kreierte daraus ein neues Konzept für den Menswear Store Beenen.

„Die Leute sind in soweit informiert, …“ „ … dass man sie nicht mehr von einer schmaler geschnittenen Hose oder einem slim-fit-Hemd überzeugen muss. In Frankfurt gibt es ein extrem großes und breites Angebot an Herrenausstattern, deswegen habe ich mein Sortiment so gestaltet, dass ich mich in der Nische positioniere. Wir setzen auf die richtige Mischung zwischen sportlichen, jungen Casual-Looks und klassischen Elementen. Der Anzug spielt eine immer kleinere Rolle, das muss man schon sagen. Selbst die Banker, die wir hier in Frankfurt haben, gehen heute lieber zur Maßanfertigung als in die Stammabteilung. Wenn Anzug, dann muss er absolut besonders sein. Das können kleine Geschäfte, die sich wie wir jünger, modischer und progressiver positionieren, besser als die ganz großen Platzhirsche bewältigen, wir sind flexibler. Wir legen beim Anzug deswegen auf einen ziemlich modischen, eher spitzen Grad Wert, mit eng geschnittenen jungen italienischen Designs. Das ist generell der Ansatz, mit dem wir punkten: unsere kuratierte Auswahl im Sortiment und die Beratung im Laden. Da bin ich sozusagen das Role-Model, denn viele Kunden sind in meinem Alter. Die jungen Kunden sind zwar viel informierter und selbstbewusster als früher, schätzen aber auch die persönliche Beratung. Und man muss niemanden mehr überzeugen. Bei uns kommt vom Denker bis zum Fußballprofi alles in den Laden, vom 30-Jährigen bis zum 80-Jährigen, dementsprechend setzen wir auf modische, aber auch zeitlose Produkte. Der Kunde sucht einfach ein Angebot mit Charakter, das ist meiner Meinung nach der Weg, wo es in der Menswear immer stärker hingeht.“ Andreas Beenen, Beenen, Frankfurt am Main

Reto Caprez, Alferano, Pesko & Co, Zürich

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062 SO LÄUFT’S NEW NEW MENSWEAR

Elisabeth Mühlberger von Penz in Linz sieht die Zu­ kunft des Herrenausstatters darin, dass er konsequent auf stetigen Wandel setzt.

Style&Select Inhaber Bernd Gräwe sieht die klas­ sischen Säulen der Menswear neu besetzt – mit smarten Casual Looks.

„Der Herrenausstatter von gestern ist heute ein Multilabelstore“

„Anzug und Krawatte sehen wir fast gar nicht mehr“

„Als Anbieter muss man unverwechselbar sein, das bedeutet auch mal den Abschied von einem langjährigen Lieferanten. Der Herrenausstatter entwickelt sich immer mehr zu einem individuellen Alltagslook und die Anzugabteilung wird dementsprechend kleiner. Vor vielen Jahren wurden täglich Anzüge getragen. Heute benötigen gewisse Berufssparten ein Anzugoutfit und es ist nach wie vor ein entsprechender Bedarf an Anzügen für festliche Anlässe vorhanden. Dementsprechend wird jede Saison unser Sortiment neu überdacht und mit neuen Brands erweitert. Ich bin seit 31 Jahren im Unternehmen Penz tätig und im Einkauf für diese Entwicklung auch in unserem Store verantwortlich. Der Kunde – der früher das klassische Sakko getragen hat – liebt heute das unkonstruierte, ungefütterte, bequeme Sakko. Diesen Trend bevorzugen alle unsere Kunden in allen Altersgruppen. Dieser Wandel zieht auch einen Abschied von langjährigen Lieferanten mit sich, wenn diese die neuesten Trends nicht umsetzen. Die Menschen sind heute viel sportlicher und lässiger gekleidet. Der Mann von heute ist bestens informiert, liebt es aber trotzdem, von einem kompetenten Verkäufer beraten und von Kopf bis Fuß eingekleidet zu werden. Wir betreiben derzeit keinen Onlinehandel, überdenken diesen Ansatz aber jedes Jahr aufs Neue. Neben den saisonalen Journalen für unsere Stammkunden bespielen wird sämtliche Social-Media-Kanäle – ebenfalls ein Wandel der Zeit.“

Kein moderner Mann geht heute noch zum Herrenausstatter, um dort seinen Bedarf zu decken. Das Prinzip der klassischen Stammabteilung funktioniert meiner Meinung nach nicht mehr, weil die Kunden häufig mit viel zu viel Ware und fest fixierten Flächen mit zu vielen Total-Look-Labels unter Verwendung zu schwacher Einzelprodukte konfrontiert werden – wobei der Fokus verloren geht. Für diese Art des Einkaufserlebnisses stellt der Kunde heute zu hohe Ansprüche an Mode und Marken. Die klassische Menswear im Sinne von Anzug und Krawatte sehen wir fast gar nicht mehr und bieten sie dementsprechend auch nicht mehr als Total Look an. Stattdessen bieten wir unseren Kunden eine durch alle Genres durchgreifende Casualisierung. Besonders in dem Bereich der Soft-Sakkos haben wir mit progressiveren Kollektionen wie Circolo 1901 und Harris Wharf London Umsatzzuwächse zu verzeichnen. Denn das ist der Look, um den es jetzt geht. Dazu kommen dann passende Chinos, vermehrt auch aus Jersey-Material oder aber modische Jeans wie von der Marke Dondup, sportliche Hemden der Marke DU4, Polos und T-Shirts von Alpha Studio oder Kiefermann. Aktuelle Sneaker verstärken den Casual-Einfluss und runden den Gesamtlook ab. Das Merchandising setzen wir über emotionale Pop-up-Konzepte für die Präsentation neuer Ware um. Das ist für mich die Richtung, in die sich ein progressiver Herrenausstatter heute bewegen muss.

Elisabeth Mühlberger, Penz Mode, Linz

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Bernd Gräwe, Style & Select Man, Bochum


SO LÄUFT’S 063 NEW NEW MENSWEAR

Als Buying Director des Onlinehändlers Mr. Porter sieht sich Fiona Firth einem anspruchsvollen neuen Kundentyp gegenüber.

Lars Braun hat mit zwei Geschäften in Hamburg und einem Onlinestore die Weichen für eine positive Zukunft gestellt.

„Anzugtragen hat eine gewisse Gravitas“

„Es ist an uns, den Wandel zu dosieren“

„Um ein progressiver Herrenausstatter zu sein, muss man mit den Veränderungen in der Branche Schritt halten und die Strategie entsprechend anpassen. Die Kunden von heute wollen neue Produkte und Marken, aber sie sind nicht unbedingt willens, sich auf dein Produkt einzulassen, wenn sie sich nicht selbst darin sehen. Mr Porter stellt Outfits zusammen und präsentiert Produkte auf vielseitige Art und Weise. Das entfernt das spekulative Element aus dem Onlinekauf und ermutigt Männer, anders an ihr Styling heranzugehen. Alles fußt auf diesem Beratungsgedanken. Natürlich sind auch qualitativ hochwertige Produkte und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis entscheidend. Männer sind heute mehr denn je mit Mode und ihrem persönlichen Stil im Einklang. Unsere Redaktions- und Social-Media-Teams arbeiten unermüdlich daran, fesselnde, witzige und fachkundige Inhalte zu kreieren, die unsere Kunden nicht nur informieren, sondern auch unterhalten und inspirieren. Das festigt Mr Porter als die Autorität und die Adresse für Stil. In der Garderobe eines Mannes werden maßgeschneiderte Anzüge und Sakkos immer einen Ehrenplatz einnehmen. Dies gilt umso mehr, als die Regeln für formelle Kleidung und Arbeitsdresscodes immer mehr verschwimmen. Mr-Porter-Kunden schätzen die Vielseitigkeit eines gut strukturierten Sakkos und sind selbstbewusst genug, solche Klassiker in verschiedene Looks einzubringen. Ich denke, dass das Tragen eines Anzugs mit einer gewissen Gravitas einhergeht und gleichzeitig bestärken gut gemachte Anzüge bei wichtigen Anlässen – besonders Männer, die sich in zeitlosen Designs am wohlsten fühlen. Unser tiefes Verständnis für den typischen Mr-Porter-Kunden erlaubt es uns, unseren Markenansatz zu optimieren. Als Global Player identifizieren wir Marken, von denen wir glauben, dass sie in lokalen Märkten Resonanz finden. Gleichzeitig würdigen wir aber auch traditionelle Marken, die unsere Kunden kennen und lieben.“ Fiona Firth, Mr Porter

„Die Zukunft des ‚Herrenausstatters‘ sehe ich positiv, sehr sogar. Klar, die Mode ist im Umbruch, aber es ist an uns, diesen Wandel zu moderieren und in der richtigen Dosis in unsere Sortimente zu bringen. Dass der Krawattenzwang weg ist, heißt ja im Umkehrschluss nicht, dass sie in der Joggpant in den Vorstandstermin gehen. Ich finde, die Casualisierung ist eine riesige Chance für den Handel: Das Sakko ist neu, dazu braucht es dann auch ein anderes Hemd und natürlich eine entspanntere Hose als die bisher bekannte – und zu allem braucht es Beratung, also uns im Handel. Ich bin überzeugt, dass die Menschen weiterhin Spaß daran haben werden, in ein Geschäft zu gehen – dass der stationäre Handel am Ende wäre, kann ich nicht beobachten. Online hat doch längst nicht allen Segen gebracht! Und so freue ich mich über den Wandel in der Männermode. Seit langem ist mal wieder Aufbruch zu spüren, es interessieren sich jüngere Männer für Mode – wobei ich damit nicht Mode im Sinne von Fashion meine. Der ganz normale Mensch sucht nicht diese Inszenierung, er will gut angezogen sein und sich gut fühlen. Das hat mit Balenciaga oder Vetements oder High Fashion nichts gemein. Aber ich meine doch, dass diese Muffigkeit, die Männer der Mode lange entgegengebracht haben, bei vielen vorbei ist. Es ist ein bisschen mehr Bewusstsein entstanden, nicht revolutionär, aber auch darüber freuen wir uns. Unsere Aufgabe ist es, diese Kunden noch besser abzuholen und das wünsche ich mir nicht nur im Geschäft, wo man das mit gut geschulten Mitarbeitern abbilden kann, sondern auch online. Wir müssen unsere Kunden noch individueller und bedarfsgerechter ansprechen, das sehe ich als unsere Hausaufgabe. Hausaufgaben hat aber auch die Industrie zu machen. In vielen Kollektionen sieht man, wie Hersteller mit dem Wandel kämpfen. Das beste Teil von Mitbewerber A und B zusammenzutragen, gibt aber noch keine eigene Handschrift. Langjährige und gute Lieferanten so straucheln zu sehen, bereitet Schmerzen.“ Lars Braun, Braun, Hamburg

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064 SO LÄUFT’S NEW NEW MENSWEAR

COOL COMFORT Wer hätte das gedacht, dass Komfort mal richtig cool werden würde? Mehr noch: Funktionale und intelligente Fasern und Technologien treiben die Modebranche in Sachen Innovation vor sich her. Text: Martina Müllner-Seybold. Illustration: Claudia Meitert@Caroline Seidler

Wo passiert Zukunft? Auf den Laufstegen? Auf der Straße? Oder dort, wo echte Innovati­ on ihren Ausgang nimmt? Die Zukunft entsteht in den La­ boratorien und Entwicklungs­ zentren der Stoffhersteller, Ausrüster und Produzenten – ganz oft von Performance und Sport getrieben. Wer besser oder schneller werden kann, weil seine Ausrüstung das plötzlich hergibt, wird al­ les daran setzen, Grenzen zu verschieben. Dieses Grenz­ gängertum fasziniert auch die Modeleute – und bringt neben nützlichen Add-ons auch Stilblüten erster Güte hervor. Denn: Nur, weil es theoretisch möglich ist, wird niemand im Anzug auf hohe Berge wandern oder durch den Regen spazieren. Im Ge­ genteil: Es gilt, die Urbanwear zurückzuerobern. Denn zum Beispiel bei Jacken haben Outdoorhersteller ganz or­ dentlich Terrain gewonnen. Dass man die Vielseitigkeit von Gore-Tex-Jacken auch ganz ohne den Look von Gore-Tex-Jacken herstellen kann, diese Botschaft gilt es jetzt auch auf die Straße zu bringen. 418 style in progress


SO LÄUFT’S 065 NEW NEW MENSWEAR

„Wir haben gerade erst begonnen“ Wandern in Woolrich? Aber gerne doch. Nach dem Merger mit Woolrich USA war klar, dass die Marke das dort seit jeher bekannte Outdoorangebot weltweit launchen würde. Mit dem Geschmack der Woolrich-Italien-Masterminds und dem technologischen Wissen des neuen Shareholders aus Japan ist das gelungen. Global Design Director Andrea Cané über das Abenteuer Outdoor. Text: Martina Müllner-Seybold. Fotos: Woolrich

Woolrich Outdoor Label ist eine stylische Global Design Director Andrea Cané will Antwort auf Funktionsbekleidung. seine Gipfelsiege modisch erringen.

Warum

war es für Woolrich so wichtig, eine eigene Outdoorkollektion zu starten?

Spätestens seit dem Merger mit Woolrich US Ende 2016 war das auf der Agenda, denn ich musste eine Lösung für die Outdoorkollektion finden, die in den Headquarters in Pennsylvania seit jeher entwickelt wurde. Global gesehen passte sie nicht in unsere Strategie der Markenpositionierung. Aber als Marke war es wichtig, das Outdoorbusiness nicht aufzugeben, denn in Nordamerika machen wir das seit 1830. Dort kennt man uns als die älteste amerikanische Outdoormarke. Die Lösung für dieses komplexe Problem war, eine glaubwürdige Outdoorkollektion zu schaffen, die dann auf der ganzen Welt ausgerollt werden würde. Dafür baten wir Goldwin, an Bord zu kommen. Goldwin genießt in der Outdoorindustrie große Glaubwürdigkeit, ich habe enormen Re­ spekt vor dem Unternehmen. Wir haben in der Vergangenheit schon mal mit Nanamica, einer der Marken der Goldwin-Gruppe, zusammengearbeitet. Das hat mich in meiner Entscheidung so sicher sein lassen, denn schon damals hatte ich Gelegenheit, die Menschen hinter diesem Unternehmen kennen zu lernen – und es sind großartige Leute. Goldwin ist heute einer unserer großen Shareholder und wir haben gerade erst begonnen, Goldwins gesamte Erfahrung in der Produktentwicklung in diese Linie zu stecken.

Was ist die Inspirationsquelle? Die Forschung und Entwicklung, die Goldwin betreibt, Technologie oder sind es modische Aspekte?

Unsere Idee hinter der Kollektion war es, eine „East Coast“ Outdoorlinie zu entwerfen. Die meisten großen Outdoorausrüster in den USA sitzen an der Westküste und sie entwickeln ihre Produkte für den Gipfelsieg, für Extreme. Sie setzen auf Knallfarben, damit diese in der Natur weithin sichtbar sind, der typische Sportlook bestimmt das Design. Sie orientieren sich an den Rocky Mountains mit ihren hohen Bergen, aber wir kommen aus dem Osten, aus Pennsylvania, wo die Landschaft nicht so extrem ist. Die Poconos, die Adirondacks und die umliegende Natur bilden einen anderen Rahmen. Unsere Bekleidung ist technisch, ja, aber stylisch, mit viel traditionelleren Farben, den typischen Farben der Ostküste. Wir sind überzeugt, dass das den Erwartungen der Millenials besser entspricht, die nach einem Outdoorprodukt suchen, aber auch sehr sensibel für Ästhetik und Design sind. In unseren Fabriken in den USA wurden in den 1970ern und 1980ern Produkte für Waldarbeiter, Jäger und Fischer hergestellt, wir haben Marken wie LL Bean oder Eddie Bauer und andere große Outdoorfirmen beliefert. Outdoor ist in unserer DNA. Dass wir jetzt die Gelegenheit haben, neue Outdoorprodukte mit Funktion zu machen, macht uns stolz auf diese Vergangenheit.

Wir müssen dieses Segment allerdings in den heutigen Kontext setzen. Mit der Kompetenz von Goldwin, also Woolrich Japan, und unserem Gespür für Premiumdesign, das auf der ganzen Welt Anklang findet, sehe ich eine wunderbare Chance für uns. Die Chance, in diesem Segment wieder relevant zu werden.

Warum verschwimmen die Grenzen zwischen Funktionsbekleidung und normaler Sportswear so stark?

Ob Alltag in der Stadt oder echtes Outdoorerlebnis, die Menschen suchen immer mehr nach funktionalen und pragmatischen Bekleidungsstücken. Die Outdoorbranche kann diese Performance garantieren, weil sie so viel Entwicklungsarbeit geleistet hat. Für Woolrich ist es ein Wendepunkt in unserer Geschichte, denn historisch hat unsere Marke ja selbst Outdoorprodukte meist aus Wolle gemacht. Ab sofort werden wir unser Angebot erweitern, indem wir moderne Performancetechnologien einsetzen. Das spricht eine neue Generation Outdoorliebhaber an. Die Keywords der Kollektion sind: Eco, Durabilty und Fun. Eco – wo vielseitige Kleidungsstücke Einfachheit und Minimalismus fördern. Durability – wo wir natürliche Rohstoffe mit führender Technologie kombinieren, um ein hybrides Design zu erzielen, das maximalen Nutzen und Langlebigkeit garantiert. Fun – wo wir die Brücke zwischen unserem Alltag und dem Outdoorerlebnis schlagen. style in progress 418


066 SO LÄUFT’S NEW NEW MENSWEAR

„Convenience ist ein Kaufargument“ Bauch oder Kopf? Wie kauft ein Mann eine Hose? „Mit den Fingerspitzen und dem Po“, sagt Marco Lanowy, geschäftsführender Gesellschafter von Alberto. Er ist überzeugt, dass intelligente Stoffe ein essenzielles Argument sind, Kunden an sich zu binden. Text: Martina Müllner-Seybold. Fotos: Alberto

Der Austausch mit dem Konsumenten ist für Marco Lanowy Inspiration pur.

T400,

Creamica, Coldblack, Coolmax, Energear, Nano, Multi­protect, 3xDry Cooler, Waterrepellent – dazu noch eigene Technologien und Innovationen in den Bereichen Bike, Hiking und Golf. Ist Alberto eine High-Tech-Company?

All diese Innovationen sind wichtig, weil sie für unseren Kunden ein angenehmes Trageerlebnis schaffen. Am Anfang unserer Arbeit steht immer die Frage: Wofür braucht man die Hose – und wenn die Antwort auf diese Frage bedeutet, dass wir intelligente Materialien verwenden, dann tun wir das. Lieben insbesondere Männer diese zusätzlichen Features?

Ich glaube Männer sind da nicht viel anders als Frauen: Eine Hose wird zur Lieblingshose, wenn sie bequem ist und sie im Alltag nicht stört. Wenn man dann beim Golf oder beim Fahrradfahren auch noch einen Nutzen spürt, ist das großartig, aber das beeinflusst die erste Kaufentscheidung wenig, weil man es ja erst erleben muss. Für wiederkehrende Kunden, und davon haben wir wirklich viele, ist das natürlich der Faktor schlechthin. Wir haben viel positives Feedback, suchen bewusst den direkten Kontakt zu Kunden. Ob in unserem Conceptstore in Mönchengladbach oder zum Beispiel auf der Berliner Fahrradschau mit unserer Bike Jeans. Die Geschichten, die wir da hören, sind immer 418 style in progress

wieder beeindruckend. Und die Kunden suchen auch unsere Nähe. Neulich kam eine Frau 130 Kilometer mit dem Rad gefahren, weil sie gehört hatte, dass wir gute Bike Jeans anbieten. Sie kaufte die Jeans dann im Conceptstore, zog sie gleich an und radelte 130 Kilometer zurück. Dann kam eine Postkarte, auf der stand: Die Hose ist der Hammer.

Eignen sich die technischen und intelligenten Features besser, um sie weiterzuerzählen?

Ja, gerade auf den Endverbrauchermessen erleben wir oft, dass ein Kunde den anderen überzeugt. Das ist unsere wichtigste Werbung überhaupt, die Weiterempfehlung. Genau wie das Tragekompliment. Wenn die Frau vom Nachbarn fragt: „Hast du abgenommen?“, weil du dich für einen neuen Hosenschnitt entschieden hast … Ich glaube, dass das wichtiger als vieles ist, was man gerade im Marketing für die allerletzte Weisheit hält. Natürlich sind wir auf Social Media präsent, natürlich nützen wir diese Kanäle. Aber warum soll denn ein Mann bei Instagram für das Bild einer Hose ein Herzchen geben? Wir sind keine Social-Media-Stars und es wäre falsch, alles dafür zu geben, welche zu werden. Lieber geben wir alles dafür, im echten Leben die Hose zu sein, die man wieder kauft. Wirkt Veränderung in solchen Langzeitbeziehungen störend?

In Innovationen wie Albertos Bike Jeans steckt Technologie, Funktion und Entwicklungsarbeit.

Wir wollen Mode und Trends Rechnung tragen, aktuell erleben wir ja in der Männermode eine enorme Stil-Disruption. Die Businesshose muss jetzt zum Sneaker passen und weil der Anzug verschwindet, sind die Hosen eine tragende Säule des Outfits geworden und sehr viel sichtbarer. Trotzdem: Convenience ist heute State of the Art und wenn nun nach einer Welle der Baumwollhosen wieder Wollhosen kommen, dann müssen wir genauso dafür sorgen, dass die der Funktionalität einer Alberto Hose entspricht. Was im Hintergrund unglaublich viel Arbeit ist, denn die wenigsten wissen, dass die Hose das am meisten beanspruchte Kleidungsstück ist. Nur Schuhe werden noch stärker rangenommen. Daher steckt auch so unglaublich viel Entwicklungsarbeit in einer Hose. Kann man diese Arbeit für den End­ konsumenten transparent machen, interessiert er sich dafür?

Ja, das tut er. Wir schulen ja sehr intensiv, auch mit Sprachsteuerungstools wie Alexa und wir wissen, dass Wissen über die Entwicklung und Fertigung auf die Abverkaufszahlen einzahlt. Trotzdem sage ich immer: Eine Hose kauft man mit den Fingerspitzen und dem Po, ich nenne das Hosenmotorik. Im Gespräch können wir und unsere Handelspartner viel beitragen, aber Voraussetzung ist ein Produkt, das überzeugt. Beim Anfassen, beim Anprobieren und jeden Tag beim Tragen.


SO LÄUFT’S 067 NEW NEW MENSWEAR

„Mitunter waren wir zu früh“ Schon zum Start vor neun Jahren hat G-Lab auf intelligente Textilien in Kombination mit urbanem Design gesetzt. Was heute unter der Athleisure-Flagge ganz selbstverständlich ist, nämlich Mode und Funktion zu verbinden, war für G-Lab erst mal ein Ackerboden, der bestellt werden musste. Doch nicht nur der Markt ist jetzt reif dafür: Wie G-Lab zu einer besseren Version seiner selbst wurde, erzählt Gründer Björn Gericke im Interview. Text: Martina Müllner-Seybold. Fotos: G-Lab

Am Image gedreht: G-Lab mit neuer Handschrift.

2008,

als ihr gestartet seid, war es ganz schön verrückt, was ihr gemacht habt: Eine urbane Jackenkollektion, die mit ganz viel Funktion und Features überzeugt, aber diese stilistisch nie in den Vordergrund stellt.

Ja, und mitunter waren wir damals zu früh. Mein Hintergrund hat es förmlich herausgefordert, die Erkenntnisse aus dem Sport oder dem Motorradbereich auch in eine urbane, moderne Jackenkollektion zu übersetzen. Wir sind aber erst Mal in einer falschen Schublade gelandet, die Funktionalität hat den Fashionhandel überfordert, der brauchte die gar nicht. Eine Jacke musste gut aussehen und fertig. In den letzten vier bis fünf Jahren hat sich das stark gewandelt, nicht nur der Trend, sondern auch die Erwartungshaltung des Konsumenten. Die Leute haben Lust auf Dinge, die im Alltag funktionieren. Das darf trotzdem nicht in einem Hangtag-Weihnachtsbaum enden. Das Storytelling von moderner Funktion braucht andere Ansätze.

Die da sind?

Wir haben unsere Marke vor zwei Jahren optisch komplett neu aufgestellt. Neues Logo, neues Erscheinungsbild, viel modischer als früher. Damit konnten wir jetzt auch Kunden überzeugen, die früher nicht für uns offen waren. Das zeigt uns sehr deutlich, dass diese USPs – und selbstverständlich ist G-Lab weiterhin eine funktionale Jacke –, von denen wir dachten, sie wären wahnsinnig wichtig, eigentlich in der Kommunikation zurückgenommen werden mussten. Erst der Fokus auf unsere modische Kompetenz hat den Wandel gebracht. Sprecht ihr heute nicht mehr über Funktion?

Doch, aber unser Ansatz ist konzeptionell ein anderer. Ich glaube auch, dass wir einer der wenigen Hersteller sind, die wirklich konsequent sind. Funktion heißt nämlich nicht, dass ich zur Show zwei Nähte tape, um den futuristischen Look zu bekommen, Funktion heißt, dass ich alle Nähte tape und man es im besten Fall gar nicht sieht. Wir gehen heute anders an die Sache

G-Lab 3.0 nennt Björn Gericke den Reifeprozess seiner Marke. Heute präsentiert sich G-Lab deutlich spitzer und radikaler – und das kommt an.

heran: Wir haben eine Idee, die aus der Fashion kommt, und veredeln diese mit Funktion. Das heißt, dass wir ganz viel experimentieren, viel mutiger und radikaler sourcen. Wir finden einen tollen Wollstoff und setzen danach alles daran, ihn zu laminieren. Manchmal klappt das, ganz oft läuft die Mühe auch ins Leere, es ist ein permanenter Trial-and-Error-Prozess. Aber das ist es absolut wert!

Was inspiriert euch bei der Kollektionserstellung von G-Lab?

Ich bin gerne in Japan, weil es da viele Labels mit ganz konzeptionellen Ansätzen gibt, diese tiefe Auseinandersetzung mit der Materie ist spannend und inspirierend. Aber für unseren Markt gilt es, einfach mit offenen Augen durch die Straßen zu gehen, darüber nachzudenken, für welche Anlässe man seine Bekleidung wirklich braucht. Und dann heißt es: Nie zufrieden sein, immer noch einen anderen oder besseren Weg suchen, nie stillstehen. Aber: Egal, wie tief man während der Recherche in Details abtaucht, Funktion darf nie Selbstzweck werden. style in progress 418


068 SO LÄUFT’S NEW NEW MENSWEAR

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SO LÄUFT’S 069 NEW NEW MENSWEAR

NACHHALTIGKEIT, WIE WIR SIE MEINEN Klischees über Männer und ihr Einkaufs­ verhalten sind so langweilig wie falsch. Das Klischee allerdings, dass Männer für die Ewigkeit kaufen, gibt Anlass zur Hoffnung. Dass Männer eher für Nachhaltigkeit zu gewinnen sind, das wäre ja mal was. Text: Martina Müllner-Seybold. Fotos: Gesprächspartner. Illustration: Claudia Meitert@Caroline Seidler

G

erade noch das schauerliche Video über die Plastikvermüllung der Weltmeere auf Facebook geteilt – natürlich mit der nötigen moralischen Entrüstung. Und dann ab in die Stadt zum Bummel. Der coole Hoodie bei der Fast-Fashion-Kette? Mitgenommen! Vielleicht tröstet die Papiertüte darüber hinweg, dass der Kauf aus ökologischen Gesichtspunkten jetzt nicht ganz so toll war. Oder der anschließende Einkauf im Biomarkt. Oder dieses gute Gefühl, wenn man das teil nach zwei Mal tragen höchst gewissenhaft zur Kleiderspende trägt. Zum Glück läuft gerade keine Doku im Fernsehen, wie dreckig das Business mit Altkleidern ist … Nachhaltigkeit und Mode, das ist ein Gegensatzpaar, wie es im Buche steht. Wie ein System, das darauf baut, dass sich Menschen spätestens alle sechs Monate neu einkleiden, nachhaltig werden soll? Da rätseln selbst die hellsten Köpfe, soll der korrekte Konsum ja keinen Ver-

zicht bedeuten – und bitte mit unvermindertem Tempo weitergehen. Schließlich will ja jedes Unternehmen seine halbjährlichen Zuwachsraten heimfahren – was mit echter Nachhaltigkeit ganz schön schwer wird. Die Krux an der Nachhaltigkeit in der Mode ist nämlich: Ist das Ding mal produziert, sind die Sünden schon begangen. Die (Bio-)Baumwolle hat Böden ausgelaugt, die Insektizide haben Trinkwasser verseucht, die Produktion hat Ressourcen ausgebeutet und Abfälle bedingt, der Transport hat Emissionen verursacht … Ganz egal, wie grün einzelne Schritte dieses Prozesses einmal werden: Von ihrem Status als schmutzigste Industrie nach der Ölindustrie wird sich die Bekleidungsbranche so schnell nicht verabschieden. Beispiel Mann

Ein gordischer Knoten? Mitnichten. Denn während die Industrie um sich selbst kreist, um das Dilemma zu lösen, hat eine

Konsumentengruppe – Achtung Klischee – schon längst die Antwort gefunden. Hoffnungsträger Mann! Dass Männer en masse geneigte Kunden der „Immer-schneller-immer-mehr-immer-Verrückter“-Seite unserer Branche wären, ist ebenso wenig naheliegend wie, dass Männer en gros dem „Outfit of the Day“-Narzissmus erliegen. Qualität, Langlebigkeit und Trendunabhängigkeit sind für Männer beim Modekauf schlagende Argumente. Kein Wunder, dass sich die ersten No-Season-Konzepte auch in aller Deutlichkeit an Männer wenden. „Buy less, buy better“, sagen die Sneaker-Puristen von Vor Shoes. „Weg mit den Saisons“, sagt Patrick Munsters von Salle Privée. Garderobe statt Trends lautet das Motto von DoppiaA. Eine Liste, die sich jede Saison um neue Namen fortschreiben lässt – no season ist dabei, eine echte Bewegung zu werden. „Es wäre Bullshit, zu behaupten, dass Männer für Nachhaltigkeit

offener sind als Mädels. Da sehe ich wirklich keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern“, sagt Hakan Temür von der Agen­tur Brandpool, der für Marken wie Nudie Jeans, Alpha Industries oder Christopher Reaburn die Aufbauarbeit geleistet hat. „Was ich bestätigen kann, auch aus unserer Erfahrung in unserem Laden The Listener, ist, dass Männer empfänglicher für Storytelling sind. Wenn in der Story einer Brand Nachhaltigkeitsaspekte vorkommen, ist das gut, aber wenn der Style nicht passt, ist auch das kein Kaufargument. Nachhaltigkeit und Stil müssen eine gelungene Symbiose sein, es muss genuin und ehrlich sein.“ Auch Qwstion-Gründer Hannes Schoenegger will Männern keinen Startvorteil beim Thema Nachhaltigkeit einräumen. „Oft ist der entscheidende Wendepunkt, nachhaltiger zu konsumieren, die eigene Situation. Viele bei Qwstion haben Familie, da wird es oft selbstverständlich, dass man seinen Konsum style in progress 418


070 SO LÄUFT’S NEW NEW MENSWEAR

„Wenn man einen Mann als Kunden begeistert, ist er unglaublich loyal.“ Michaela Gielgen, Green & Fair Concept-Store Ludwig3

hinterfragt.“ Michaela Gielgen vom nachhaltigen Conceptstore Ludwig3 schätzt die generelle Loyalität männlicher Kunden hoch: „Wenn man einen Mann als Kunden begeistert, ist er unglaublich loyal. Bei uns stand zur Diskussion, den Laden in Regensburgs Innenstadt zu schließen, weil unser Vermieter kontinuierlich die Miete erhöht und nicht diskussionsbereit war, als ich nicht mehr mitwollte. Da habe ich all meinen Kunden einen Brief geschrieben und ihnen einmal ganz offen die Situation des Einzelhandels geschildert. Dass wir uns mit stetig steigenden Kosten konfrontiert sehen und zu kämpfen haben, während an unseren Fenstern ständig die Amazon- und Zalando-Pakete vorbeigetragen werden. Glücklicherweise habe ich dann in letzter Sekunde eine neue Location gefunden, sodass der Fortbestand gesichert ist. Da ist manchen Männern ganz schön ein Stein vom Herzen 418 style in progress

gefallen. Die kamen in den Laden und haben gesagt: Ich hätte gar nicht gewusst, wo ich sonst einkaufen gehen sollte. Natürlich hat das bei einigen ursächlich damit zu tun, dass wir nur nachhaltige Labels führen. Aber für viele ist es schlicht der Referenzpunkt. Männer wollen sich keinen neuen Laden suchen, wenn sie mit einem zufrieden sind und alles finden. Da sind Frauen ganz anders. Die können auch treue und zufriedene Kundinnen sein, gar keine Frage, aber sie sind trotzdem ein bisschen wie Schmetterlinge, sag ich immer. Sie fliegen von einer Blüte zur nächsten.“ Länger tragen

„Bekleidung soll lange halten – nicht dafür gemacht sein, schnell wieder entsorgt zu werden“, ist auch Cristina Paulon von Parajumpers überzeugt. „Das ist der allerwichtigste Schritt zur Nachhaltigkeit. Wenn ich etwas in der Mode

„Nachhaltigkeit und Stil müssen eine gelungene Symbiose sein.“ Hakan Temür, Brandpool

verändern könnte, dann wäre das zuallererst die kurze Lebensdauer von Produkten – nicht nur in der Billigmode, in der Mode im Allgemeinen. Schnell gekauft und schnell wieder weg, das scheint oft das Motto zu sein. Wir stellen Zeitlosigkeit, Langlebigkeit, Kohärenz und Substanz über alles. Nicht eine laute, schreiende Botschaft soll unsere Sachen wiedererkennbar machen, sondern eine relativ zurückgenommene, jede Saison wiederholte, starke und wertvolle Markenbotschaft.“ Das Lieblingsteil für viele Jahre, ein Argument, das zwar im direkten Gespräch auf fruchtbaren Boden fällt, in der klassischen Modekommunikation aber praktisch nicht vorkommt. Man(n) muss schon Special-Interest-Titel lesen, um Oden auf die Langlebigkeit zu finden. In der Werbung ebenfalls Fehlanzeige – dabei würden es Branchen wie Autos oder Uhren so wunderbar vorexerzieren,

wie man einen Mann nach Produkten mit Wert lechzen lässt. Ein hausgemachtes Problem: Wer in der Mode die eine Saison bewirbt, hat schon den Druck der nächsten im Nacken. Hakan Temür: „Diese verrückte Überproduktion muss endlich aufhören. Das ist das Grundübel unserer Branche. Wir produzieren schon, wenn die Orders noch nicht einmal geschrieben sind, geschweige denn, wenn die ersten Abverkäufe zeigen, wie die Nachfrage wirklich ist. Das muss sich ändern – und das kann man ändern. Ich berate alle meine Marken ganz intensiv zum Thema Customer Centricity bei der Produktion. Mit Herstellern in der Türkei können wir innerhalb weniger Wochen produzieren, was wirklich geordert oder nachbestellt wurde. Das ist der Weg der Zukunft. Wer auf Verdacht produziert, tut allen etwas Schlechtes: der Umwelt, dem Handel, der Marke.“


SO LÄUFT’S 071 NEW NEW MENSWEAR

„Die Generation der heute 20- bis 30-Jährigen ist viel kritischer.“ Hannes Schoenegger, Qwstion

Die eine Nuance mehr

Auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit gibt es nicht nur den einen oder den anderen Weg. Das zeigt das Beispiel der Uhren- und Sonnenbrillenmarke Kerbholz, die sich trotz des kommerziellen Preispunkts und breiten Vertriebs selbst in die Nachhaltigkeitspflicht nimmt. 2018 haben die Gründer erstmals zehn Prozent ihres Gewinnes für The Ocean Cleanup gespendet. Moritz Blees: „Wir hatten immer einen nachhaltigen Ansatz, aber es war mal hier, mal da etwas. Daher haben wir uns jetzt dazu entschlossen, Designing to Sustain e.V. zu schaffen und dafür zehn Prozent unseres Jahresgewinnes aufzuwenden. Wir entscheiden jedes Jahr aufs Neue, wofür das Geld eingesetzt wird. Im ersten Jahr haben wir uns für The Ocean Cleanup entschieden. Jetzt liegt es an uns, diese Entscheidung so zu kommunizieren, dass sie auf unseren Markenwert

einzahlt. Aber klar ist auch: Die Nachhaltigkeit ist niemals ein primärer Kaufgrund. Wir haben das intensiv untersuchen lassen. Qualität, Design und Preis, das sind die drei wichtigsten Argumente. Erst dann kommt alles andere. Wenn sich ein Produkt nicht verkauft, dann auch nicht mit einer grünen Masche.“ Die Gründer von Qwstion haben ihre neueste Erfindung, eine nachhaltige Faser namens Bananatex, von Anfang an als Open-Source-Projekt angelegt – um die ökologische und faire Alternative zu den bekannten Materialien für Rucksäcke und Taschen von vorneherein auch anderen Herstellern zugänglich zu machen. Drei Jahre haben die Teams von Qwstion geforscht und getestet, seit Oktober sind sowohl die Faser als auch die ersten Produkte aus Bananatex auf dem Markt. „Das Projekt ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie jeder in seinem Bereich das Beste gibt, den

„Wir stellen Zeitlosigkeit, Langlebigkeit, Kohärenz und Substanz über alles.“ Cristina Paulon, Parajumpers

Prozess positiv zu beeinflussen. Die Faser wächst auf den Philippinen, wo wir sie aus einer sehr kleinteiligen Struktur an Lieferanten, Familien, Kleinbauern beziehen. Alle Beteiligten sind wichtige und motivierte Partner – vom Bauern zum Garnhersteller in Taiwan, der mit uns viel experimentiert und investiert hat, um Bananatex überhaupt möglich zu machen. Es hat uns beeindruckt, dass in den drei Jahren Entwicklungsarbeit die Bereitschaft, etwas Besseres zu schaffen, so groß war. Das war sehr inspirierend. Als Marke haben wir uns während dieses Prozesses enorm weiterentwickelt und freuen uns nun, diese spannende Geschichte erzählen zu können; speziell die jüngere Zielgruppe schätzt diese Art der Transparenz in der Kommunikation sehr.“ Generell hegt Hannes Schoenegger große Hoffnungen, dass die neue Konsumentengeneration die Industrie dafür abstraft, dass sie sich

immer mehr von den Bedürfnissen und gesundem Menschenverstand entfernt. „Winterware im Juli in den Läden und im Oktober schon reduziert, das ist doch überhaupt nicht zu verstehen. Aber ich sehe viele Akzente in die Richtung eines bewussteren Konsums. Zum Beispiel die wachsende Bedeutung der Green-Fashion-Instagramer oder die populäre Idee, die Garderobe auf 40 Lieblingsteile zu beschränken. Das macht Hoffnung. Die Generation der heute 20- bis 30-Jährigen ist viel kritischer, fragt intensiv nach, wie und unter welchen Umständen die Produkte gemacht wurden, die sie schlussendlich kaufen.“ Männer und Frauen wohlgemerkt.

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FINDEN WIR GUT

Neuanfang

REGENT. Na, klingelts? Ein ganz großer der deutschen Konfektion, ja einer der letzten seiner Art, mit Manufaktur in Weißenburg in Bayern. Seit Ende 2016 hat Regent neue Eigentümer und damit neue Hoffnung. Der Bauunternehmer Andreas Meier und Philippe Brenninkmeijer, Spross der C&A-Dynastie, haben es sich zur Aufgabe gemacht; „das deutsche Kulturgut“ Regent zu sanieren. Dazu ist Philippe Brenninkmeijer in die bayerische Provinz gezogen; um so viel Zeit wie möglich mit dem 30-köpfigen Team zu verbringen. Statt dem Sie wird jetzt geduzt, man sei ein Start-up mit Geschichte. Weil „ein Mann im Sakko immer noch gut aussieht“ und Individualisierung das Gebot der Stunde sei, glaubt Philippe Brenninkmeijer, dass es gelingen kann, aus der reichen Geschichte ein Asset für die Zukunft zu machen. Der Sanierungskurs hat zwei glaubwürdige Ansätze: eine günstigere, vor allem auf Sakkos fokussierte Linie, die im VK ungefähr bei 600 Euro rangiert sowie ein Made-to-Measure-Konzept allererster Güte. Dass beides am Ende nicht in dynastische Erfolgen gipfeln wird, ist allen Beteiligten klar. „Die Zahl der Händler, die so exklusive und aufwändige Produkte wie jene von Regent überhaupt führen können, ist ganz natürlich begrenzt“, so der unkonventionelle Hoffnungsträger von Weißenburg. Regent, Weißenburg/Deutschland, T 0049.9141.870145, info@regent-tailor.com, www.regent.de 418 style in progress

Freundschaft

DOPPIAA. That’s what friends are for: Alain Fracassi und Albert Carreras (ja, der Startenor Carreras ist sein Vater) kennen sich seit Kindertagen. Der gebürtige Italiener Fracassi, seit jeher familiär in der Mode verstrickt, der gebürtige Spanier Carreras ein international vernetzter Jurist und Manager. Aus der gegenseitigen Wertschätzung ist eine Kollektion entstanden: DoppiaA, also das doppelte A, steht für die beiden Gründer und ihre Vorstellung eines gelungenen Männerlooks. Der ist komplett von Einstecktuch bis Hose, stets elegant, einen Hauch exzentrisch und kümmert sich einen Teufel um aktuelle Trends. „Wir denken an Männer verschiedener Generationen, von unseren jüngeren Brüdern bis zu unseren Vätern – und wie sie sich für verschiedene Anlässe gut anziehen“, sagt Albert Carreras. Nun, das muss man sich mal trauen – eine spitze Komplettkollektion, komplett in Italien gefertigt, die aber im VK preislich im Premiumbereich liegt. „Wir können das nur, weil mein Partner Alain in Italien ein hervorragendes Netzwerk aus kleinen Manufakturen hat, die auch kleine Stückzahlen fertigen und echte Besonderheiten herstellen können“, attestiert Albert Carreras. Die Papas sind mit Feuereifer für das Projekt ihrer (großen) Kinder im Einsatz – bei Events wie am Pitti Uomo oder bei 10 Corso Como schmetterte José Carreras zwar keine Opernarien, aber allein seine Anwesenheit verhalf DoppiaA zu gebührender Aufmerksamkeit. Moos & Co AG, T 0041.44.9120059, office@moos-co.ch, www.doppiaa.it

Neue Nepolitanità

STILE LATINO. Als Schneider in Neapel muss man was? Schweigen können. Nicht über seine Kunden, sondern über seine Geheimnisse. Wie bestimmte Partien im Anzug gemacht werden – für Stile Latino Gründer Vincenzo Attolini geht es vor allem um Nacken, Schulter und Ärmelloch – ist ein Geheimnis und bleibt auch eines. Kein Geheimnis ist, dass der Schneider in dritter Generation seine Anzüge und Sakkos mal ordentlich entrümpelte. „Ohne all die Einlagen kann man einfach einen Look, der sexy ist, realisieren.“ Nun ist Sexiness vielleicht nicht das Erste, was einem zu einem Anzug einfällt, aber doch, es stimmt! Dass Stile Latino Stücke auch sonst noch viel für das An- und Aussehen ihrer Träger tun, ist bei so viel Manufakturarbeit selbstverständlich: Nur 32 Teile können pro Tag gefertigt werden und das bei 30, vornehmlich jungen Schneidern. Schließlich ist es Vincenzo Attolini eine Herzensangelegenheit, sein Handwerk und sein Verständnis eines guten Anzugs in die Zukunft zu tragen – und ohne die Jungen geht das schon mal gar nicht. Konsequent nur, dass auch bei Stile Latino schon die Jungen am Werk sind: Cesare Mattia und Emiliano, die beiden Söhne des Gründers, unterstützen ihren Vater bei seiner Mission. Stile Latino, Casalnuovo di Napoli/Italien, T 0039.081.5221617, info@stilelatino.com, www.stilelatino.com


FINDEN WIR GUT 073

Eine Jacke, viele Möglichkeiten Lebe lieber ungewöhnlich

ANOTHER BRAND. Gute Laune und Lebensfreude versprüht die Kollektion von Another Brand. Das Münchner Label ist auf schlagfertige Print-Shirts spezialisiert und komplettiert den lässigen Look mit flauschigen Sweatshirts, angesagten Pullovern, komfortablen Sweatpants und Accessoires. Jedes Kleidungsstück überzeugt mit besonderem Twist und Statement: von „Be Nice“ bis „Add me as a friend“. Starke Farben akzentuieren die Frühjahr-/Sommer-Kollektion 2019 und sorgen für spannende Kombinationen. Rosa im Kontrast zu Rot oder Hellblau auf du und du mit Grün. Es kommen nur natürliche Materialien zum Einsatz. Neben 100 Prozent Baumwolle setzt Another Brand auf 100 Prozent Cashmere. Der EK liegt zwischen 21 und 28,50 Euro für Shirts und zwischen 90 und 103 Euro für Cashmere. Kalkuliert wird mit 2,8. Another Brand lässt in kleinen Familienbetrieben in Portugal und der Mongolei produzieren. Damit trägt das deutsche Label zur Nachhaltigkeit bei. Mit ihrer Herbst-/ Winter-Kollektion 2018 konnten die Gründe­ rinnen bereits hochwertige Conceptstores und Premiumfläche gewinnen. Another Brand, München/Deutschland, T 0049.174.1755995, johanna@anotherbrand.de, www.anotherbrand.de

ADHOC. „Everybody doesn’t need more garments, but garments with more options“, lautet die Philosophie der italienischen Jacken- und Mantelkollektion Adhoc. Sinnbild dafür ist der Bold Parka, das Key-Item der Kollektion. Ihn gibt es für Männer und Frauen in einer unendlichen Palette verschiedener Farb- , Stoff- und Materialkombinationen. „Das hat mich im Vorbeigehen einfach in den Bann gezogen, denn sie hatten auf dem letzten Pitti in Florenz eine ganze Wand mit dem Bold Parka in verschiedensten Varianten und Optiken gestaltet“, beschreibt Dominik Meuer seinen ersten Eindruck von der Kollektion von Designer Nicola und Andrea Baldoni. Zur Saison Herbst/Winter 2019 startet die Münchner Hinterhofagentur mit der Zusammenarbeit. Rund 40 Teile pro Kollektion bietet Adhoc, die Verkaufspreise rangieren zwischen 299 und 699 Euro und die Kalkulation liegt bei 2,8. Als besonderes Special plant das Team von Adhoc kleine Capsule-Programme, die in Zusammenarbeit mit Gastdesignern und lokalen Produktspezialisten, beispielsweis in Form von speziellen Drucktechniken, stattfinden sollen. Dominik Meuer sieht in Adhoc das richtige Produkt, um dem Handel ein extrem abwechslungsreiches und kreatives neues Produkt mit ausgefallenen Details und Gestaltungsmöglichkeiten als neue Alternative zu bieten. Die Hinterhofagentur, München/Deutschland, T 0049.89.38887747, d.meuer@diehinterhofagentur.de, www.adhocformovingpeople.com

Respekt für Tradition

FLOWER MOUNTAIN. Wer heute Sneaker macht, setzt sich selbst in Konkurrenz zu internationalen Megakonzernen, die ihre Schuhe massenhaft und immer häufiger in vollautomatisierten Produktionsverfahren herstellen, die keine Menschen mehr erfordert. Der Japaner Keisuke Ota und der Chinese Yang Chao haben sich davon nicht abschrecken lassen und sich eine Nische gesucht, die den Markteintritt von Flower Mountain zu einem Erfolg werden ließ: ihre Leidenschaft für die Handwerkskunst, alte Traditionen und gutes Design. In ihren Sneakern drücken sie außerdem ihre Leidenschaft für Trekking, Musik und von der Natur inspirierten Designs aus. Florale, handgestochene Muster und Stickereien sind ein Erkennungsmerkmal der Kollektion. Nur ein Jahr nach der Gründung der Marke gingen sie den nächsten Schritt und expandierten durch Zusammenarbeit mit einem italienischen Partner. Patrick Coppolecchia Reinartz von der Agentur D-tails, der in New York auf die Marke aufmerksam wurde, vertritt diese ab der kommenden Saison in Deutschland und Österreich. Es gibt zwei Kollektionen pro Jahr, die EK-Preise liegen zwischen 58 und 68 Euro und kalkuliert wird mit 2,7 bis 2,8. Außerdem bietet Flower Mountain seinen Kunden die Möglichkeit, über ein Lager in Italien nachzubestellen. D-tails, München/Deutschland, T 0049.89.20207771, info@d-tails.de, www.flower-mountain.co.jp style in progress 418


074

FINDEN WIR GUT

Post-ExitSzenario

SALLE PRIVÉE. Patrick Munsters war als einer der drei Eigentümer und Global Creative Director von Scotch & Soda eine hohe Schlagzahl gewöhnt: Mit einem rastlosen Kollektionsrhythmus schaffte das Unternehmen einen kometenhaften Aufstieg. 2011 der Verkauf an Kellwood Stables. Mit seinem 2016 gestarteten Projekt Salle Privée schafft Munsters jetzt die Antithese: Ein luxuriöses Männerlabel, das keine Saisons kennt und sich dem normalen Fashionsystem komplett entzieht. Über einen aufwändig renovierten, eigenen Showroom in Mailand exklusiv zu beziehen, von Anfang an ein Klasse- statt Masseprojekt, das pro Land nur wenige Händler beliefern kann und will. Die Produkte sind moderne Versionen einer klassischen Männergarderobe – vom blauen Sakko über die perfekte Chino bis zu schönen Mänteln. Wenn es nach Patrick Munsters geht, sollen die eine ganze Ewigkeit halten: „Konsumenten ziehen oft Quantität der Qualität vor, aber ich glaube das Gegenteil macht Sinn: luxuriöse, zeitlose Bekleidung.“ Mit der Atemlosigkeit der Mode will er in seinem Spätwerk nichts mehr zu tun haben. Die kompromisslose Qualität und Fertigung in Italien haben ihren Preis: 90 Euro für T-Shirts markieren den preislichen Einstieg, Cashmere-Pullis für rund 500 Euro, an der Spitze Lammvelourbomber für 2.150 Euro. Salle Privée, Amsterdam/Niederlande, T 0031.85.0160532, hello@salleprivee.com, www.salleprivee.com 418 style in progress

Von Frankreich über Peru in die Welt

PIOLA. SNEAKER. Der genaue Preis des Kautschuks entscheidet sich bei jedem Kauf aufs neue und liegt tendenziell das Sechseinhalbfache über dem üblichen Marktpreis. Woher diese Leidenschaft für das Naturprodukt kommt? Antoine Burnier arbeitete selbst als Streetworker für zwei Jahre in Peru, wo er die Kautschukproduktion und deren Bedingungen vor Ort kennen lernte. Für seine Sneakerkollektion Piola arbeitet er mit 33 ausgewählten Kautschukproduzenten zusammen, von denen er weiß, dass sie nachhaltig arbeiten. Produziert werden die Sohlen anschließend in Portugal. Über ein Code-System kann sich jeder Käufer eines Schuhpaares mit einer (durch den Kaufpreis bereits bezahlten) Spende an der Mission von Piola beteiligen, die Spenden gehen direkt nach Peru. „Mich hat diese unglaubliche Story ebenso beeindruckt wie das Produkt selbst, das sehr clean und sehr wertig ist“, beschreibt Matthias Schwarte, der die Schuhe ab Herbst/Winter 2019 in Deutschland und Österreich vertreibt. Im Verkauf rangieren die Modelle zwischen 195 und 249 Euro bei einer Kalkulation von 2,5. Als Zentrum der Kollektion fungiert ein Klassikerion, der in unzähligen Farb- und Materialvariationen durchgespielt wird. Neben den zwei Kollektionen pro Jahr besteht zudem die Möglichkeit der Nachorder über ein B2B-Tool. Die Agentur Schwarte wird Piola in ihren Showrooms in München und Düsseldorf präsentieren. Agentur Schwarte, München/Deutschland, T 0049.89.3580576, office@agentur-schwarte.de, www.piola.fr

Kreative Allianz

SPEAKING GARMENTS. Mode und Kunst stehen seit jeher in regem Austausch. Einen Schritt weiter geht Lina Miccio mit Speaking Garments. Das 2017 gegründete junge Label intensiviert die kreative Allianz. Für die zweite Edition an ihren „sprechenden Kleidungsstücken“ holte sich die Gründerin Maler Jan-Ole Schiemann an Bord. Schiemanns Arbeiten changieren zwischen ab­strakten und figurativen Elementen, zwischen comic­ haften Zeichnungen und konstruierten Flächen, Grauwerten und Farbflächen. In enger Zusammenarbeit fand ein konzeptioneller Transfer statt, der die Weiterführung des Künstlergedankens garantierte. Aus dem kreativen Input entstand eine vierteilige Unisex-Linie. Das Key-Piece ist eine Jacke aus Baumwollstoff mit Print, der die individuellen Techniken des Künstlers aufgreift. Hoodie, Sweater und T-Shirt präzisieren die gestalterischen Feinheiten von Schiemann weiter. Die zweite Edition von Speaking Garments wird in einer Auflage von 100 Stück produziert und in Deutschland in Handarbeit gefertigt. Zu jedem Teil gehört ein nummeriertes und vom Künstler signiertes Zertifikat. Speaking Garments, Köln/Deutschland, T 0049.221.2773604, im@speakinggarments.com, www.speakinggarments.com


FINDEN WIR GUT 075

Jeder ist anders Fair Loungewear

YOU LOOK PERFECT. Komplimente? Sind alterslos und hört jeder gerne. Auf textiler Ebene greift die nachhaltige Loungewear von You Look Perfect diesen Charme-Faktor auf. Das junge Label setzt für seine Kollektion auf Natürlichkeit. Das spiegelt sich bereits in den Kampagnen wider. Für die verzichtet You Look Perfect auf professionelle Models und engagiert Frauen mit gängigen Maßen. Dass dabei immer Mutter und Tochter miteinander auftreten, steht für die alterslose Linie der hochwertigen Loungewear. Zur Fair Fashion zählt auch der Einsatz von Naturfasern wie Baumwolle, Cashmere, Seide und Modal. Die Produktion findet ausschließlich in Europa statt. Die auf Schadstoffe geprüften Garne werden in Italien unter hohen Auflagen gefärbt und produziert. Um Plastikmüll zu verhindern, wird die Ware des Onlineshops in ungebleichtem, recyceltem Altpapier verschickt. Preise rangieren von 27 bis 75 Euro im EK. Die Kalkulation beträgt 2,8. Geliefert wird aktuell nach Deutschland und Österreich bei Inhouse-Vertrieb und Mindestabnahmemenge von zehn Stück. You Look Perfect bietet zwei Kollektionen pro Jahr. You Look Perfect, 4864 Attersee/Österreich, T 0043.660.1464437, info@youlookperfect.at, www.youlookperfect.at

TOASTIES PARIS. Auf einer seiner Entdeckungstouren durch Frankreich war Uwe Deinert von Cuore Tricolore 2016 auf die knallbunten Fellaccessoires von Toasties Paris aufmerksam geworden. Ihn überzeugte nicht nur das Produkt, sondern vor allem seine Geschichte: Der gebürtigen Australierin Maria Lye missfiel während ihrer Arbeit in namhaften Designhäusern in Paris immer wieder, dass Fellabschnitte bei der Produktion von Luxusartikeln achtlos weggeworfen wurden. So kam ihr die Idee, aus den hochwertigen Fellen von Merinoschafen farbenfrohe Accessoires zu machen. Es begann mit Fellschuhsohlen auf Korkbasis – die übernimmt sogar den Fußabdruck ihres Trägers – und führte zu einer Kollektion, die heute vom Fäustling bis hin zu Aviator-Mütze und Shopper so ziemlich alles umfasst, was mit Fell besetzt besser aussieht und wärmer ist. Die Einkaufspreise beginnen bei 14 Euro und reichen bis 180 Euro, kalkuliert wird mit 2,5 bis 2,7. „Ich habe fast ein Jahr gebraucht, um Maria zu überreden, den Vertrieb auszubauen“, sagt Uwe Deinert, der die Frauen-, Männer und Kinderkollektion von Toasties Paris in Deutschland und Österreich vertreibt und bis heute die einzige Agentur der Marke ist. Kunden wie Nicole Mohrmann in München, Couverture & The Garbstore in London oder Frauenschuh in Kitzbühel sind bereits an Bord. Bei Bedarf können Kunden auf das Lager zugreifen, „doch aufgrund der Tatsache, dass jedes Stück ein Unikat ist, gebührt dieses Privileg nur Kunden, die früh genug geordert haben“, sagt Uwe Deinert.

Cuore Tricolore, Düsseldorf/Deutschland, T 0049.211.97176434, ​info@cuore-tricolore.com, www.toasties-Paris.com

Hemdenbaukasten

GIANGI NAPOLI. Der italienische Hemdenspezialist Giangi hat einen Baukasten zur Gestaltung individueller Hemdenkollektionen für Männer und Frauen entwickelt. Die Transformation der Tradition hin zu modernen Anforderungen des Marktes steht hinter dieser Idee. Der Service ist vielseitig: Sowohl beim einfachen Basic als auch beim maßgeschneiderten Hemd sind zahlreiche Kombinationsmöglichkeiten zur Gestaltung der eigenen Kollektion möglich. Die EK-Preise reichen dabei von 42 bis 75 Euro bei einer 2,8er-Kalkulation. Sowohl alle Zutaten und Stoffe, die einzelnen Verarbeitungsschritte als auch Passform sowie die Art von Kragen, Manschetten und Knopfleisten stehen in unterschiedlichen Preiskategorien zur Auswahl. Die Hemden werden nach neapolitanischer Familientradition in Italien aufwändig von Hand hergestellt. Neben Evergreens wie klassischen weißen Blusen, hellblauen Businesshemden oder sportlichen Button-­ down-Karoshirts gibt es bei Giangi auch luxuriöse Denim- und Chambray-Modelle, die neben den formalen Bereichen ein breites Spektrum hochwertiger Casual-Varianten beinhalten. Abgerundet wird das zeitgemäße Angebot durch eine Reihe von komfortablen Jersey-Hemden. Agentur Klauser, München/Deutschland, T 0049.89.2311990, info@kirstenklauser.de, www.gianginapoli.it

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076 MODE

NEW NEW MENSWEAR Was ist es? Ein neuer Trend oder gar ein neues Lebensgefühl? Auf jeden Fall: ein Spiegelbild gewaltiger, disruptiver Veränderungen. Grenzen verschieben, Regeln brechen – und das alles irgendwo zwischen Normcore und Hardcore. Die New New Menswear ist per se divers. Text: Martina Müllner-Seybold. Fotos: Hersteller

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MODE 077

Extravaganza

Das Besondere, Einzigartige, Unverwechselbare. Einzelteiligkeit als Konsumprinzip, Limitierung als Stimulus.

Boss

Xacus

Drykorn

Axel Arigato

Manuel Ritz

Lightning Bolt

Floris van Bommel

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078 MODE

Future Now

Homo technicus, verliebt in das Morgen, vernarrt in die Zukunft. Im Eiltempo unterwegs, wandlungsfähig und intelligent die Kleidung.

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G-Lab

ADD

The.Nim

Lacoste

Closed

Joop

Better Rich

Dornschild


MODE 079

Sutterheim

Enfin LevĂŠ

Peuterey

Stone Island

Blauer USA

DoppiaA

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080 MODE

Efortless Elegance

Der Anzug ist tot, lang lebe der Anzug. Konfektion als neue Form der Distinktion. Eine Sprache für Wissende – denn die neue Tragbarkeit hat mit Gestern nichts gemein.

04651/

Glücklich

American Vintage

Marc O’Polo

Circolo 1901

Luis Trenker

Joop Jeans

Fil Noir

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MODE 081

Lardini

Weber + Weber

Phil Petter

Alberto

Edward Copper

Barb’One

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HERRENAUSSTATTER, WHAT THE HELL? Ihr Selbstverständnis ist die Menswear. Sie alle haben ihre Nische im Markt gefunden. Mit einem Fokus auf ausgesuchte Sports­wear, entspannte Looks, den entsprechenden Twist mit klassischen Elementen und progressiven Sortimenten – diese internationalen Image­ stores treiben die neue Menswear voran. Text: Isabel Faiss. Fotos: Stores

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VOR ORT 083

7 Kasper Hostrup ist das per­ fekte Role Model seiner eigenen Zielgruppe: Er trägt einen Mantel von Mackintosh, ein Polo von Salle Privée, eine Hose von Our Legacy und die Schuhe sind von Common Projects.

1 Drauf steht, was drin ist: Goods steht für die Qualität besonderer Produkte. Kasper Hostrup setzt dabei auf einen Markenmix, der extrem viel Auswahl bietet, auch online.

GOODS, KOPENHAGEN EIN GUT AUS DER REALEN WELT www.goodscph.com

Marken: Andersen-Andersen, Arc’teryx Veilance, Aspesi, Boglioli, Bresciani, Common Projects, Diemme, Drake’s, Goods, Harris Wharf London, Mackintosh, Monocle, New Balance, Our Legacy, Porter, Sunspel, The White Briefs, Unimatic, Zanone u. a. Kasper Hostrup: „Wir haben eine wachsende Zahl von Stammkunden, deren Wunsch ganz einfach darin besteht, ein außergewöhnliches und persönliches Shoppingerlebnis zu haben, mit allem, was dazugehört. Und ich rede nicht davon, ihnen einen Kaffee anzubieten. Diese Kunden erwarten echte und ehrliche Gespräche zu den Produkten, der Qualität, dem Design und der Modewelt, aber auch zu Themen aus dem realen Leben und allem, was sie und uns bewegt, inspiriert und beschäftigt. Sie erwarten eine extrem gut durchdachte Auswahl der besten Qualitäten und Accessoires und das alles in einer gemütlichen Atmosphäre – die Qualität zählt mehr als die Quantität. Es ist dieses Erlebnis, nach dem wir im Goods streben, und wir geben unser Bestes, um diesem Anspruch jeden Tag gerecht zu werden.“ style in progress 418


084 VOR ORT

BEAUBIEN, PARIS EINE HOMMAGE MIT FAUX BASICS www.beaubienstore.com

Marken: Arpenteur, Astorflex, Battenwear, Buddy, Cableami, Coltesse, De Bonne Facture, Ebbets Field Flannels, Howlin’, Il Bussetto, Jungmaven, Kaweco, Laperruque, Libertine-Libertine, Norse Projects, OrSlow, Our Legacy, Schnayderman’s, Stan Ray, Sunspel, Timex, Universal Works u. a. Julien Bouzereau: „Es dreht sich alles um die richtige Balance zwischen Komfort, Qualität, Coolness und Vielseitigkeit. Der männliche Kunde sucht nach Qualitätsprodukten, die bequem, einfach zu kombinieren sind und dieses gewisse Extra haben, im Material oder einem Detail, etwas, das sie noch nicht im Schrank haben. Es geht um Basics, die viel mehr als das sind. Auf Französisch nenne ich es ‚Faux‘ Basics. Das kann ein simples Sweatshirt sein, aber in einem ganz luxuriösen Stoff oder in einem einzigartigen Grün. Männer werden immer neugieriger in Bezug auf Mode. Manche sind totale Experten, andere suchen einfach nach dem einen besonderen Teil, das lange bleibt. Generell habe ich den Eindruck, dass Männer sehr viel Wert darauf legen, wie und was sie dabei kaufen.“

3 Inmitten des Pariser Viertels Le Marais hat sich Julien Bouzereau mit seinem kleinen und familiären Store Beaubien, der nach einer U-Bahn Station der Metro von Montreal benannt ist, seinen Platz in der Liga der besten Menswear­ stores der Stadt gesichert.

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VOR ORT 085

BSTN, HAMBURG UND MÜNCHEN FEED FAM, FUCK FAME www.bstn.com

Marken: A Kind Of Guise, Adidas, Beastin, Butter Goods, Carrots, Chinatown Market, Columbia, Daily Paper, Dedicated, Harmony, Hi-Tech, Jason Markk, Jordan, Just Don, Native Union, New Balance, Nike, Norse Projects, Patta, Raised by Wolves, Sergio Tacchini, Stance, Stone Island, The North Face, What the Shape, WoodWood, Y3 u. a.

5 Feed Fam, Fuck Fame ist der Claim, den sich das Team von BSTN nicht nur auf die eigenen Fahnen geschrieben hat, sondern auch in XXL-Lettern ins Design des Hamburger Stores einfließen ließ. Nach dem Store in München ist dies bereits die zweite Locati­ on, die das Team bezog.

1 Frisch gestrichen. Der Münch­ ner BSTN-Store wurde gerade umgebaut. Die BSTN-Community lebt von den regelmäßigen Release Events und Veranstaltungen, die hier stattfinden.

Chris Boszczyk: „Ich denke, die Kunden erwarten in erster Linie Authentizität – die Storemitarbeiter sollten Part of the Culture sein. Uns persönlich ist ein bedingungslos höflicher und respektvoller Umgang mit Kunden enorm wichtig. Das ist im gehobenen Streetwearbereich leider nicht immer gegeben – Arroganz gegenüber unseren Kunden ist bei uns ein absolutes No-Go. Auch wenn wir in erster Linie ein Onlinehändler sind, finde ich den Austausch mit den Kunden nach wie vor enorm wichtig. Gerade in unserem sehr spitzen Segment zählen oft die kleinen Details – und die bekommt man nur im Face-to-face-Umgang mit.“

1 Chris Boszczyk, Roberto Aufiero und Dusan Cvetkovic (v.l.n.r) führen gemeinsam BSTN mit den beiden Stores in München und Hamburg.

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086 VOR ORT

3 Im Number3-Store teilen die Inhaber Dimitris Papadopoulos und Yiannis Kondilis ihre Leiden­ schaft für individuelle Trends in der Menswear. Ihrem Partner der ersten Stunde bleiben sie eng verbunden: Beide tragen Comme des Garçons auf dem Bild.

NUMBER3, ATHEN CLEANER STIL-OLYMP www.number3store.com

Marken: Comme des Garçons, Ganryu, Gosha Rubchinskiy, Junya Watanabe Man, Raf Simons, Rick Owens, Serapis u. a. Dimitris Papadopoulos und Yiannis Kondilis: „Der bedeu­ tendste Wandel in der Menswear ist die Tatsache, dass sich der klassische Stil und der Anzug immer mehr in Richtung Street­ wear und Tragekomfort ent­ wickeln, alles wird legerer.“ 418 style in progress

15 Puristisch und clean ist die Ästhetik von Number3 in Athen. Der Store entstand aus einer Zusammenarbeit der beiden Inhaber mit der Marke Comme des Garçons und entwickelte sich zu einem Multibrandkonzept.


VOR ORT 087

BOO, BARCELONA SUPPORT YOUR LOCAL HERO www.boobcn.com

Marken: Après Ski, Bleu de Paname, Bonne Maison, Fox Haus, Hemen Biarritz, La Paz, Le Mont Saint Michel, Maison Labiche, Merz B. Schwanen, Musgo Real, Norse Projects, Portuguese Flannel, Royalties Paris, Saint James, Steve Mono, Sunad, TCN Àlex González: „Meiner Meinung nach sind Männer als Kunden viel loyaler als Frauen, aber wahrscheinlich liegt das auch daran, dass Frauen ein so viel größeres Angebot offensteht. Wie auch immer, wir haben jedenfalls sehr viele sehr loyale Kunden. Unser Angebot ist sehr speziell und wenn es jemandem gefällt, weiß er, dass er bei uns immer Dinge aus diesem Stilkosmsos findet. Wir arbeiten auch gerne sehr lange mit Marken zusammen, damit unsere Kunden die Marken Saison für Saison wiederfinden und deren Evolution miterleben können – Männer mögen so was.“ 1 Boo-Inhaber Àlex González setzt ausschließlich auf europäische Mar­ ken und mischt diese mit lokalen spanischen Designern.

5 3 Boo gilt in Barcelona als Geheimtipp für lokale Brands und ausgefallene Designs.

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088 VOR ORT

Die Eigenmarke Perks and Mini haben sie bei namhaften Kollegen auf der ganzen Welt in den besten Imagestores platzieren kรถnnen, ihre eigenen beiden Stores in Melbourne und Sydney haben die beiden Macher von Perks and Mini zu anspruchsvollen Multibrandstores ausgebaut.

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VOR ORT 089

PERKS AND MINI, SYDNEY UND MELBOURNE GANZ EGAL, OB ES WAHR IST ODER NICHT www.perksandmini.com

Marken: Aries, Bernhard Wilhelm, C.E. Cav Empt, Eckhaus Latta, Gosha Rubchinskiy, Napa by Martine Rose, Neighborhood, Pelvis, Perks and Mini, Phire Wire, Poms, Suicoke, Undercover, Wtaps u. a. Misha Hollenbach und Shauna Toohey: „Wir glauben an eine perfekte Welt, an Aufregung, Freiheit, Spaß, Dummheiten, seltsame Geschmäcker und noch seltsamere Visionen. Wir interessieren uns für Dinge, die mysteriös sind, die man nicht erklären kann. Wenn man glaubt, dass eine gigantische Schlange unseren Kosmos erbrochen hat, dann klingt das für uns ganz cool, egal, ob es wahr ist oder nicht. Uns interessieren Mythen und Legenden, Geheimgesellschaften, Farben, abstrakte Gedanken, Nonsens, Dummheit, Kostüme und ernsthafte Traurigkeit.“

1 Misha Hollenbach und Shauna Toohey verstehen Perks and Mini als kreatives Konglomerat, das sämtliche Kunstgenres vereint. Ihre beiden Stores zählen zu den Topadressen in Australien.

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090 VOR ORT

GRANDPA, STOCKHOLM, GÖTEBORG UND MALMÖ ENTWAFFNEND EHRLICH

www.grandpastore.com Marken: Adidas, Aiayu, Amanda Christensen, ATP Atelier, Back, Bellerose, Brixtol Textiles, Brixton, Filt, Frama, Fredrik Etoall, Ganni, Gaucho, Grandpa, Grenson, H.SkjalmP, Kowtow, Le Specs, Levi’s, Low Key Goods, Mason Pearson, Minimarket, Moebe, Penco, Qwestion, Red Wing Shoes, Sandqvist, Sibin Linnebjerg u. a. Jonas Pelz: „Generell denke ich, dass unseren Kunden – egal ob Mann oder Frau – zwei Aspekte an ihrer Kleidung oder ihrer Einrichtung wichtig sind: Mode bzw. Trends und Qualität bzw. Umwelt. Unsere Kunden sind belesen und sehr kritisch, sie schätzen unsere Art der Kommunikation und die Art und Weise, wie wir Dinge präsentieren und verkaufen. Wir bieten einen gut durchdachten Mix, den wir auf dezente und geniale Weise präsentieren. Unsere Kunden schätzen den persönlichen Service und die entspannte Atmosphäre in den Läden.“

Die Grandpa-Stores gehören zu den bekanntesten Menswearläden der Welt. 2003, lange vor dem Skandinavien-Hype in der Mens­ wear gründeten die drei Stockhol­ mer Jonas Pelz (im Bild), Martin Sundberg und Anders Johansson den ersten Laden in der schwedi­ schen Hauptstadt. Heute sind es insgesamt sechs – den Onlinestore allerdings mitgezählt, denn ein Großteil des Verkaufs läuft über den Versand.

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VOR ORT 091

PLATFORM PLACE, HANNAM, SEOUL AUTHENTIC MEETS KOREA www.platform.co.kr

Marken: Andersen-Andersen, Bailey of Hollywood, Bleu de Paname, Butterfly Twists, Clae, Country of Origin, Cuisse de Grenouille, House Doctor, La Panoplie, Veja, No Name, Norse Projects, Penco, Saint James, Sunspel, The Herschel Supply & Co., Redecker, YMC u. a. Jeongwon Shin: „Mit Platform Place haben wir ganz authentisch Mode, einen gewissen Lifestyle und Marken koreanischen Kunden vorgestellt, die sich für zeitlose Marken mit einer gewissen Heritage begeistern.“

7 Storemanager Jeongwon Shin betreibt Platform Place in Hannam, einem der angesagtesten Viertel von Seoul. Er setzt dabei auf einen Mix aus legeren High-Street-Looks, Sneaker und Accessoires. 5 Unter dem Namen Platform Place präsentiert das Unternehmen Platform Korea seine Multilabelkon­ zepte mit überwiegend internatio­ nalen Marken – viele davon führen die insgesamt fünf Stores in Seoul exklusiv in Südkorea.

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092 VOR ORT

THE ARMOURY, HONGKONG SUIT UP, CLASSIC! www.thearmoury.com

Marken: Abbeyhorn, Alden, Ascot Chang, Bowhill & Elliot, Bresciani, Carmina, Coherence, Drake’s, Ettinger, Frank Clegg, Hestra, Il Micio, Jean Rousseau, Kid Dandy Productions, Liverano & Liverano, Marc Newson, Patinova, Penko, Porter, Practical Wear, Private White, Rota, Rumisu, Saint Crispin’, Tabio, The Armoury, The Real McCoy’s, Tie Your Tie u. a.

3 Alan See und Mark Cho (rechts) haben sich mit ihrem Store im Zentrum Hongkongs in einer Nische platziert. Beide tragen Anzüge von Liverano. 5 Was wie Bedarf wirkt, ist in The Armoury eigentlich Bedürfnis. Die beiden Inhaber setzen auf einen für Hongkong ungewöhnlichen Mar­ kenmix und profitieren dabei vom stetig wachsenden Interesse ihrer Kunden an internationalem Design.

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Alan See und Mark Cho: „Wir denken, dass die männlichen Konsumenten heute viel sensibilisierter für Themen wie Qualität und zeitlos und gut geschnittene Designs sind. Wir sind ein internationaler Store für klassische Menswear, der es sich zum Ziel gesetzt hat, all diese Bedürfnisse mit unterschiedlichen Levels von Maßanzügen und Designern zu bedienen.“


VOR ORT 093

1 Auf das Wesentliche konzentriert. Im PHM Saints Peres gibt es keine Ablenkung von dem, was hier im Mittelpunkt stehen soll: internati­ onale High Fashion für den Mann, kuratiert von Pierre Henri Mattout.

PHM SAINTS PERES, PARIS S’(T)IL VOUS PLÂIT www.phmsaintsperes.com

Marken: Arc’teryx X Veilance, Comme des Garçons, June Watanabe Man, Norse Project, Our Legacy, Pierre Hardy, Spalwart u. a. Pierre Henri Mattout: „Ich habe PHM Saints Peres vor vier Jahren mit dem Ziel gegründet, Sportswearkollektionen und japanische Avantgardedesigner miteinander zu kombinieren. Mit allen Marken, die ich führe, verbindet mich echte Leidenschaft. Ich arbeite seit vielen Jahren mit ihnen. Jede von ihnen komplettiert die anderen und so entsteht die richtige Balance.“

7 2014 eröffnete Pierre Henri Mattout seinen Store PHM Saints Peres inmitten des Pariser Viertels Saint-Germain-des-Prés. Er ist zum Hotspot für High Fashion und ausgefallene Sneakerkollektionen geworden.

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094 VOR ORT

17 Von außen erkennt man nicht, dass es sich um einen der angesag­ testen Menswearstores in den USA handelt. Die Bodega in Boston ver­ steckt sich hinter der Fassade eines Old-School-Krämerladens.

3 Aufgeräumt, aber nicht steril ist das Ambiente in der Bodega. Online und offline zählt das Sortiment rund 100 Labels.

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VOR ORT 095

BODEGA, BOSTON UND LOS ANGELES AUF DEN ERSTEN BLICK: KRÄMERLADEN www.bdgastore.com

Marken: Arconym, Adidas Y3, Air Jordan, Alpha Industries, Bedwin & The Heartbreakers, Better, Bodega, Bow3ry, By Parra, Carhartt W.I.P., Champion, Comme des Garçons Play, Common Projects, Deluxe, Engineered Garments, Flagstuff, Fred Perry, Freemans Sporting Club, Jason Merkk, Kapital, Karhu, LC23, Local Supply, Maison Kitsuné, Napa by Martine Rose, New Balance, Nike, Norse Projects, Our Legacy, Penfield, PAM, Raised by Wolves, Saucony, Stone Island, Tretorn, Wacko Maria u. a. Oliver Mak: „Unser Stammkunde ist Teil einer kreativen Community – das sind Künstler, Macher, Träumer, Designliebhaber und Selbstdarsteller. Sie verstehen Streetwear, sind selbstbewusst, bereist und vom unabhängigen Geist der Street Culture geprägt. Für uns geht es darum, für sie einen Raum zu erschaffen, um sich mit uns und anderen zu treffen – das Produkt ist zweitrangig für das Erlebnis bei uns, was wirklich zählt, ist die Kunst und das Auf­ einandertreffen.“

1 Im lichtdurchfluteten Loft präsentiert sich Bodega in Los Angeles. Auch hier ist das Team seinem Stil treu geblieben: Konser­ vendosen und Klopapierrollen gibt’s im Corner Shop. 7 Gemeinsam mit Jay Gordon und Dan Natola gründete Oliver Mak den Bodega Store in Boston. Später kam ein weiterer in Los Angeles hinzu.

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NOCH FRAGEN Alles muss sich verändern. Eine Botschaft, die im stationären Handel angekommen ist. Die Signale sind überdeutlich: Man hat nicht nur verstanden, dass es neue Kon­ zepte braucht. Man hat sie auch gleich in die Tat umgesetzt. Einfach nur ein neuer Laden? Dass das zu wenig ist, wissen alle, die umgebaut und neu eröffnet haben. Konzepte mit Herz und Hirn, Stores, die Antworten auf die Frage nach der Zukunft des Einkaufens geben. Text: Martina Müllner-Seybold, Kay Alexander Plonka, Nicoletta Schaper. Fotos: Unternehmen

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VOR ORT 097

Beeindruckend: Auf 1.000 Quadrat­ meter Verkaufsfläche wird minima­ listisch inszeniert.

Andreas Murkudis No 81/Berlin

RELAUNCH

Andreas Murkudis steht für Klasse statt Masse.

„Nach sieben Jahren war es Zeit für einen Relaunch der Druckwerkstätten des ehemaligen Tagesspiegelgebäudes. Das Geschäft leer zu sehen, ist immer noch ein großes Privileg für mich. Um diese Wirkung beizubehalten, haben wir von Gonzalez Haase AAS einiges überarbeiten lassen, wie beispielsweise das Redesign der Lichtanlage und des Hängesystems. Gleichzeitig präsentieren wir neue Brands im Sortiment. Es hat eine komplette Revision stattgefunden. Der Raum fesselt mich immer noch, obwohl ich ihn seit 2011 jeden Tag für fast zehn Stunden sehe. Den gleichen Effekt wünsche ich meinen Kunden!“ Andreas Murkudis, Inhaber.

Andreas Murkudis. Potsdamer Straße 81, Berlin/Deutschland, www.andreasmurkudis.com Wiedereröffnung: 25. August 2018 Verkaufsfläche: 1.000 qm Neue Marken: A Plan Application, A-ColdWall*, Abhati Suisse, Ann Demeulemeester, Calvin Klein Jeans Est. 1978, Harris Wharf, Iris von Arnim, Julia Jentzsch, Less Skincare, Marge Sherwood, Nanamica, Sage de Cret, Seya, Spencer Vladimir, Templa, The Loom style in progress 418


098 VOR ORT

Der neue Donna Store präsentiert sich offen und intim zugleich.

Donna/Hannover

NAH AM KUNDEN

Mirela Stanoiu hat ihr Ladenkon­ zept Donna zeitgemäß erneuert.

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„Schon lange hatte ich den Wunsch, meine Ladenkonzepte Donna, Emma und Shoehouse zu vereinen, mit Premium bis High End auf einer Fläche. Mit dem neuen Donna Store ist er Wirklichkeit geworden, indem wir die benachbarten Geschäfte Shoehouse und Emma miteinander verbunden und die Wand mehrfach geöffnet haben. So ist ein Store mit einer tollen Atmosphäre entstanden, offen und intim zugleich! Ich fühle mich sehr wohl hier, zumal es kein Laden mehr im klassischen Sinne ist. Es hängen nicht mehr 25, sondern nur noch zehn Teile auf der Stange, sodass die Kundin die Mode regelrecht entdecken kann, anstatt sich selbst durch die Ware zu kämpfen. Diese Arbeit nehmen ihr unsere Mitarbeiterinnen ab, indem sie umso gezielter Teile vorschlagen, die sie aus dem natürlich voller gewordenen Lager holen. Was für sie herausfordernder geworden ist, macht es für die Kundin umso interessanter. Einfach die Stangen vollstopfen war gestern, das ist ebenso vorbei wie die Frage: ‚Kann ich Ihnen helfen?‘ Wir waren immer schon sehr nah am Kunden, aber ich möchte unsere Möglichkeiten hier noch viel mehr nutzen, sei es via Social Media, sei es mit unserem Lieferservice. Unsere Kundin soll spüren, dass wir uns um sie kümmern, das ist entscheidender als je zuvor.“ Mirela Stanoiu, Inhaberin Donna

Donna. Georgstraße 36, Hannover/ Deutschland, www.donna.de Eröffnung: 25. August 2018 Verkaufsfläche: 480 qm Marken: 24 Manzoni, Allude, Antonia Zander, Citizens of Humanity, Gucci, Joseph, No 21, Moncler, Msgm, Nove, Odeeh, Roqa, Schumacher, Stephan Boya, Valentino u. a.


VOR ORT 099

Einwaller Icon Men & Women/Innsbruck

Theresa Minatti-Einwaller setzt auf lebenswerte Räume.

WIEDERVEREINIGT

„Wir haben im Frühjahr entschieden, mit einem neuen Konzept die Stores für Jungs und Mädels wieder zu vereinen und dabei kompakter und gezielter die Wünsche der Kunden zu erfüllen. Dazu haben wir bereits zum dritten Mal mit dem auf Denkmalschutz spezialisierten Architekten Rainer Köberl zusammengearbeitet. Er ist u. a. für den Mies van der Rohe Preis nominiert gewesen. Sein Bestreben ist es, lebenswerte Räume zu schaffen. Beim neuen Konzept war es uns wichtig, eine entspannte Atmosphäre ohne Barrieren zu schaffen. Wir haben im Eingangsbereich eine ‚unsichtbare‘ Schiebetür einbauen lassen und dadurch den Raum deutlich vergrößert. Im vorderen Teil des Ladens haben wir eine Bar mit einem silbernen Tresen und goldenen Lounge-Möbeln eingerichtet, die unsere Kunden und Freunde zum verweilen einlädt. Anfang September haben wir zudem die Neueröffnung des Herrengeschäft ‚Einwaller Joseph – The Corner for men‘ gefeiert“, erklärt Theresa Minatti-Einwaller.

Einwaller Icon Men & Women Herzog-Friedrich-Straße 37, Innsbruck/Österreich, www.einwaller.com Eröffnung: 20. Juli 2018 Verkaufsfläche: 200 qm Marken: Canada Goose, Dondup, Dsquared, Filling Pieces, Givenchy, Giorgio Brato, Gucci, Kenzo, MCM, Moncler, Phillip Plein, Saint Laurent, Stone Island

Auf der Höhe der Zeit: Der neue Einwaller Store macht Produkte zu Ikonen.

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100 VOR ORT

Helmut Eder/Kitzbühel

Helmut Eder bleibt mit seinen drei Geschäften am Puls der Zeit.

FRISCHER WIND „Bei der Neugestaltung unseres Damenstores ist keine Steckdose an ihrem Platz geblieben. Wir wollten das Geschäft luftiger und edler gestalten, das ist unserer Hausarchitektin Monika Gogl von Gogl Architekten super gelungen! Zu dem hellgrauen Steinboden schafft Edelkastanienholz einen warmen Kontrast. Dazu setzt die neue Beleuchtung mit eigens gestalteten Lampen die Ware in Szene und bringt das schöne Gewölbe aus dem 16. Jahrhundert noch mehr zur Geltung. Die neue Chefin des Damenladens ist unsere Tochter Katharina Eder, die sich mit ihrem Modestudium in London auf diese Aufgabe vorbereitet hat und auch frischen Wind in das Sortiment bringt. Designermarken wie Céline, Saint Laurent und Valentino bleiben wichtige Größen, zu denen wir Aufsteigerlabels wie aktuell Khrisjoy, Ulla Johnson und Off-White kombinieren. Das bringt Spannung und begeistert auch unsere jungen Kunden, zumal in unseren drei Geschäften ganze Familien einkaufen. Wir wollen am Puls der Zeit sein, aber weiterhin gibt es Helmut Eder Mode nur im Geschäft und nicht online. Diesem Prinzip bleiben wir ebenso treu wie der Tatsache, dass wir nicht reduzieren. Wir möchten den Wert der Mode erhalten, genau das schätzen die Kunden bei uns.“ Helmut Eder, Inhaber Helmut Eder

Helmut Eder. Bichlstraße 5, Kitzbühel/ Österreich, www.helmuteder.com Eröffnung: 4. Juli 2018 Verkaufsfläche: 130 qm Marken: Acne, Alanui, Céline, Chloé, Gianvito Rossi, Givenchy, Isabel Marant, Joseph, No 21, Odeeh, Off-White, Rick Owens, Saint Laurent, Theory, The Row, Toteme, Ulla Johnson, Valentino, Victoria Victoria Beckham u. a.

Der renovierte Damenstore von Helmut Eder präsentiert sich luftig und edel, für ein spannungsreich zusammengestelltes Sortiment.

Ins elterliche Unternehmen eingestiegen: Katharina Eder.

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VOR ORT 101

Stulz Frauenzimmer spricht die Sinne mit Mode, Pflegeprodukten und Feinkost an.

Stulz Frauenzimmer/Waldshut-Tiengen

MODE MIT GENUSS

„Wir haben uns geradezu verliebt in den Raum mit dem genialen Basement, das sich für unsere Kundenevents bestens eignet! Am gleichen Standort gab es bereits einen lang eingeführten Damenladen mit der Kernmarke Marc Aurel, den wir übernommen haben und den wir unter dem Namen Frauenzimmer mit dem fortführen, was wir am besten können: Mode mit Genuss verbinden, mit Herzblut die schönen Dinge des Lebens einfangen und so die Kunden begeistern. Marc Aurel ist modisch und im besten Sinne des Wortes kommerziell, mit der richtigen Ware zum richtigen Zeitpunkt und mit einem super Preis-Leistungs-Verhältnis. Dazu ergänzen wir, was passt: Feinkost von Nicolas Vahe, Duftkerzen von Solo twenty five, Pflege von Meraki und weitere Mode. Unsere neue holländische Mitarbeiterin Petra Wamelink passt perfekt ins Team und wird das Gesicht von Frauenzimmer sein, so wie meine Frau Anette und ich es für unsere beiden Läden sind. Frauenzimmer ist die perfekte Ergänzung unserer Conceptstores Stulz-Mode: Genuss: Leben. Denn für uns war immer klar: Wenn wir einen dritten Store eröffnen, dann nur einen Conceptstore, wie es zu uns passt.“ Thomas Wartner, Inhaber Stulz-Mode: Genuss: Leben.

Frauenzimmer. Wallstraße 9, Waldshut-Tiengen/Deutschland www.stulz-mode.de Eröffnung: 31. August 2018 Verkaufsfläche: 50 qm Marken: Better Rich, Garment Project, Marc Aurel, Meraki, Nadine H, Nicolas Vahe, ROV, Solo twenty five, Spruchketten by Lieblichkeiten, Steamery, Too hot to hide, Viani u. a.

Anette und Thomas Wagner möchten auch mit ihrem dritten Geschäft die Kunden begeistern.

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102 VOR ORT

Progressiver, spitzer: Mit myclassico.com The Store wollen die Heldmanns eins draufsetzen.

Myclassico.com The Store/Hamburg

NEUE DIMENSION

Drei Ebenen, die sowohl das modische Angebot als auch die Beratungskompetenz von myclassico.com in den Fokus stellen sollen.

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„Der Wunsch nach einem selbstbewussten Auftritt in der Innenstadt von Hamburg war immer präsent. Jetzt haben wir die Location dafür gefunden. Der neue, 500 Quadratmeter große Store ist ein bedeutender Schritt für uns, von dem wir uns auch viel Strahlkraft für das gesamte Unternehmen erwarten. Nicht umsonst wird jetzt erstmals die Domain des Onlineshops im Namen geführt. Wir wollen die Fläche nutzen, um die erstklassige Servicequalität von Classico in den Fokus zu stellen, unsere Kunden zu binden und neu zu faszinieren. Auch im Sortiment haben wir uns der neuen Größe angepasst. Unserer eher sportlichen modischen Aussage bleiben wir weiterhin treu, aber wir sind deutlich spitzer geworden, haben neue Marken aufgenommen, den Accessoireanteil mit Marken wie Coach oder Aigner ausgebaut. Der Concept-Ansatz umfasst zum Beispiel auch, dass man die Möbel von Gubi kaufen kann.“ Lennart Heldmann, myclassico.com The Store

Dem Concept-Ansatz wird Rechnung getragen.

myclassico.com The Store. Große Bleichen 32, Hamburg/Deutschland, www.myclassico.com Neueröffnung: 20. September 2018 Verkaufsfläche: 500 qm Marken: Add, Bacon, Brigitte Herskind, By Malina, Cashmere Couture, Coach, Coccinelle, Ghoud Venice, Holubar, Kitted, Les Antillaises, Maison Héroine, Meraki, Mou, Nuoc, Nuuna, Pomme d’Or, Sly010, Stine Goya, Veja, Voile Blance u. a.


VOR ORT 103

Zumnorde/Münster

TRADITION MEETS DIGITALISIERUNG „Seit 1911 ist der Prinzipalmarkt 34 prestigereiche Adresse des Stammhauses Zumnorde, die sich nach acht Monaten Umbau unter der Leitung des Architekturbüros Roters + Hölscher in neuem Glanz präsentiert. Profunde Beratung im Geschäft ist unsere Stärke, die wir mit unserem Leitmotto Tradition meets Digitalisierung ergänzen. Mit interaktiven Touchscreens, Displays im Schaufenster und digitalen Gadgets können wir Herstellervideos, Warenverfügbarkeiten oder aktuelle Blogger- und Influencer-Relations zugänglich machen und integrieren, denn für Smartphone geprägte Kunden ist die Kombination von Offline und Online unbedingt notwendig. Deshalb möchten wir unsere Kunden im stationären Handel auch digital ansprechen, was neben einem international gültigen Auftritt und allerbester Beratung nach alter Schule zu den Erfolgskriterien der Zukunft zählt. Wir sind Schuhhändler mit Seele, seit fünf Generationen! Mit heute 27 Geschäften und erfolgreichem Onlinebusiness bleiben wir immer Familienunternehmen in eigenen Immobilien und mit größtmöglicher Unabhängigkeit.“

Thomas Zumnorde ist Gesicht der fünften Generation und einer der drei Geschäfts­ führer des Schuhhauses Zumnorde.

Zumnorde. Prinzipalmarkt 34, Münster/Deutschland, www.zumnorde.de Eröffnung: 1.September 2018 Verkaufsfläche: 1.350 Quadratmeter Marken: Alden, Crockett & Jones, Hogan, Konstantin Starke New York, No 21, Prada, Santoni, Tod’s u. a.

Tradition trifft Digitalisierung: Interaktive Touchscreens und sprechende Schaufenster unterstützen den Servicegedanken von Zumnorde.

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104 EDITOR’S LETTER /// IMPRESSUM

Machtwechsel „Wir müssen die Sorgen und Nöte der Bürger ernst nehmen!“, sagen Politiker gerne, wenn sie Volksnähe betonen oder zumindest suggerieren wollen. In der Wirtschaft bzw. im Handel gibt es dazu ein Äquivalent: „Der Kunde ist König!“ Ob das nun nur ein Kalenderspruch oder ernst gemeintes Selbstverständnis gewesen ist, zutreffend war es in der Mode über Jahrzehnte bestenfalls bedingt. Denn der König ist immer der, der die Regeln macht. Wenn man, wie ich beispielsweise, in den 1980er-Jahren in einer Kleinstadt bzw. dem Weltdorf Salzburg aufgewachsen ist, dann war man eben weitgehend auf die Auswahl beschränkt, die der lokale Handel angeboten hat. Das war, sagen wir es mal vorsichtig, überschaubar. In Großstädten oder gar Metropolen war sie zwar für Small Town Boys paradiesisch, das änderte aber nichts am Grundprinzip: Der (lokale) Handel beherrschte das Angebot und damit den Markt und somit letztlich auch den Kunden. Der wurde zwar (hoffentlich) immer fürstlich behandelt, war aber sozusagen König ohne Reich. Bis das Internet alles und eben auch die Machtverhältnisse in der Konsumgesellschaft radikal veränderte. Denn die Digitalisierung erhob den Kunden nun wirklich in den Rang eines Herrschers. Das (lokale) Angebot hat ihn nicht mehr zu kümmern, denn tatsächlich ist der Markt heute unlimitiert. Nicht theoretisch, sondern praktisch. Man kann bei Alibaba ein Produkt für 50 Cent bestellen und bekommt es frei Haus geliefert. Das ist selbstverständlich völlig verrückt, hat mit gesunder Marktwirtschaft nichts zu tun und verlangt dringend nach einer Reparatur durch den Gesetzgeber, aber das ist hier nicht mein Thema. Der Konsument ist vom Objekt zum Subjekt geworden. War es früher nur vorteilhaft, ihn zu kennen und zu verstehen, so ist das heute entscheidend im existenziellen Sinn. Das erscheint schwierig, angesichts der Heterogenität der Zielgruppen, die sich nicht mehr nach den klassischen demografischen Kriterien wie Alter, Einkommen oder Wohnort einteilen lassen. Dennoch gibt es Gesetzmäßigkeiten: 1. Omnichannel ist nicht Zukunft, sondern Gegenwart. König Kunde hat da längst Realitäten geschaffen. Er präferiert alternierend den Kanal, der nicht einfach besser zu seinem Leben, sondern jeweils besser zu seinen ganz aktuellen Wants & Needs passt. Das wird weitreichende Folgen haben. Denn Konsumenten denken beispielsweise nicht in den etablierten saisonalen Rhythmen unsererer Branche. Sie finden sie sogar grotesk, wenn diese Rhythmen völlig an ihrem Leben vorbeizielen. 2. Das unlimitierte Angebot der digital globalisierten Konsumwelt ist für immer mehr Konsumenten, insbesondere auch für jene, 418 style in progress

die sich völlig selbstverständlich in dieser Welt bewegen, eher Bug als Feature. Sie suchen nach Orientierung, nach Beratung, also nach einer kompetenten Limitierung, individuell auf sie zugeschnitten. 3. Das Thema Nachhaltigkeit wird eine völlig neue Dimension erreichen. Es wird das Konsumverhalten wesentlich stärker beeinflussen, als wir uns das heute vielleicht vorstellen können. Nicht nur aus bewusst ethischen Beweggründen, sondern vor allem auch, weil die Erfüllung eines emotionalen Bedarfs immer auch mit der Sehnsucht nach einer richtig guten Geschichte verbunden ist. Einer, die man auch gerne weitererzählt. Wer also verstanden und akzeptiert hat, dass heute tatsächlich die Konsumenten im Driver Seat sitzen, wird gleichzeitig eine wunderbare Entdeckung machen. Das bietet vor allem mal großartige Chancen, diese Konsumenten, also die Menschen auch wirklich anzusprechen, zu erreichen und für sich zu gewinnen. Ihr Stephan Huber stephan.huber@ucm-verlag.at

Eigentümer/Verleger/ Redaktion/Anzeigen UCM-Verlag B2B Media GmbH & Co KG Salzweg 17, 5081 Salzburg-Anif Österreich T 0043.6246.89 79 99 F 0043.6246.89 79 89 office@ucm-verlag.at www.ucm-verlag.at Geschäftsführung Stephan Huber Nicolaus Zott

Chefredaktion Stephan Huber stephan.huber@ucm-verlag.at Martina Müllner-Seybold martina.muellner@ucm-verlag.at Art Direktion/Grafik/Produktion Elisabeth Prock-Huber elisabeth@ucm-verlag.at Autoren dieser Ausgabe Isabel Faiss Ina Köhler Kay Alexander Plonka Nicoletta Schaper Veronika Zangl Illustratorin Claudia Meitert Bildbearbeitung Johannes Hemetsberger Anzeigenleitung Stephan Huber stephan.huber@ucm-verlag.at Verlagsassistenz/Vertrieb Sigrid Staber sigrid.staber@ucm-verlag.at Christina Hörbiger christina.hoerbiger@ucm-verlag.at Lektorat Johannes Seymann Druck sandlerprint&packaging 3671 Marbach, Österreich Druckkoordination Manfred Reitenbach

Nächste Ausgabe 10. Januar 2019


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