über.morgen
Jahr 2 | Ausgabe 1 - Kostenlos
ÜBER MORGEN MORGEN WARGESTERN
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NEUE_AUSGABE
JETZT
IST
FOTO: MARTIN JUEN
GASTKOMMENTAR VON MARTIN BLUMENAU: DAS DESINTERESSE DER POLITIKER AN POLITIK
FOTO: DANIEL WEBER
WIE TOT IST DIE BILDUNGSBEWEGUNG? EIN RÜCKBLICK MIT ZUKUNFTSDIAGNOSE
FOTO: MARTIN JUEN
JOSEF HADER UND ANDRÉ HELLER IM INTERVIEW: ÜBER BILDUNG, POLITIK UND DIE ZIVILGESELLSCHAFT
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INHALT IMPRESSUM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 LIEBE LESERINNEN, LIEBE LESER. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 NEULICH IN DER BURG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 VIEL BEWEGUNG IM PROTEST. UNIBRENNT IN DEN FERIEN. . . . . . . . . . . . 4 AUS LIEBE ZUR MAUER. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 „ZÄNE ZEIGEN!“ DER PROTEST GEHT WEITER . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 DIE JAHRE DER IRRTÜMER. ES IST VORBEI. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 DAS ENDE DER BESETZUNG MACHT PLATZ FÜR NEUE INPUTS. . . . . . . . . 7 HOCHSCHULDIALOG GEHT IN DIE NÄCHSTE RUNDE. . . . . . . . . . . . . . . . . 7 ERKLÄRUNGSVERSUCH VOKÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 „DAS ENDE DER PARTEIEN IST SCHON DA, NUR DASS DIE DAS NOCH NICHT BEMERKT HABEN.“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .9 DIE SCHULE NEU DENKEN. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 „FOR CHRIST‘S SAKE!“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 HAHN VERTEILT NOTGROSCHEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Was kostet die Welt? Das ist eine Frage, die selbst wir nicht beantworten können. Aber dafür können wir eine andere beantworten und zwar, wie viel eine Zeitung kostet. Sie kostet Geduld, viele Stunden intensives Diskutieren, Schreiben, Flyern, Austeilen. Sie kostet Telefonieren, Anheuern, Raum suchen, Laptops ständig ein- und auspacken und den Kaffee mit den Freund_innen absagen. Sie kostet aber auch viel Vergnügen und Freude. Dies sind Dinge, die wir nicht bezahlen. Wir bekommen kein Geld für unsere Arbeit – das wollen wir auch gar nicht. Geld brauchen wir aber dennoch und zwar für den Druck der über.morgen. Damit sie auch über.morgen noch rauskommen kann und zwar in einer Auflage, die garantiert, dass auch ihr eines unserer begehrten Exemplare in die Hände bekommt. Mit dieser Spende bekommt ihr aber nicht nur die über.morgen sondern auch ein paar Tipps, die – wir sind ja nicht so – wir euch nicht vorenthalten werden. Einen dieser Tipps, stellen wir euch nun, kostenlos, gratis aber hoffentlich nicht umsonst vor: Nachdem ihr die druckfrische über.morgen gelesen habt, könnt ihr sie wunderbar als Putzmaterial verwenden. Ja, kein Spaß! Ein wenig Fensterputzmittel auf eure Sicht in die Welt, eine gute Seite der über.morgen und übers Glas wischen. Streifenfrei und durchschaubar. Für einen Blick auf die Welt, wie ihr ihn noch nie erlebt habt! Und dafür danken wir euch! Hier und jetzt, anonym aber herzlich. spenden.morgen@gmail.com
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„DIE ANGST VORM HANDELN IST DER SCHLIMMSTE ALLER FEHLER.“. . 11 VON DER SEHNSUCHT EINE KLEINE MAUS ZU SEIN . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 „SYSTEMKRITIK SCHADET NIE. DAS IST KLAR.“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 UNIBRENNT COMPILATION. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 DIE SENDUNG MIT DEM GRAUS. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 „ICH MUSS EINEN WEG FINDEN, IHN ZU VERLASSEN.“ . . . . . . . . . . . . . . 14 RÄTSEL, HUND DER WOCHE. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
Offenlegung gem. § 25 Mediengesetz Medieninhaber: Verein zur Förderung studentischer Eigeninitiativen. 1070 Wien. Hermanngasse 2a/332. Vereinsgegenstand: Der Verein, dessen Tätigkeit nicht auf Gewinn gerichtet ist, bezweckt die Aufklärung und Bildung der Öffentlichkeit und seiner Mitgleider im Speziellen, durch die Förderung und Unterstützung studentischer Eigeninitiativen. Organschaftliche Vertreter: Clara Gallistl und Dario Summer Der Verein zur Förderung studentischer Eigeninitiativen ist ein freier Zusammenschluss von Studenten und Studentinnen, welche sich zum Ziel gesetzt haben die Öffentlichkeit mit unabhängigen Informationen zu versorgen. Er ist frei von politischem Einfluss. Der Verein finanziert sich durch die Mitgliedsbeiträge, Förderungen und Spenden, diese werden ausschließlich für die Druckkosten verwendet. Grundlegende Ausrichtung über.morgen ist eine freie und unabhängige studentische Wochenzeitung mit dem Ziel unsere Anliegen und Themen der breiten Öffentlichkeit näher zu bringen und die öffentliche Diskussion zu fördern. Wir bieten keinen Raum für jedigliche Art von Diskriminierung und stehen für eine faire und kritische Auseinandersetzung mit den Themen. Impressum Medieninhaber & Herausgeber: Verein zur Förderung studentischer Eigeninitiativen. 1070 Wien. Hermanngasse 2a/332. Tel.: +43664 558 77 84, Homepage: http:// unsereuni.at/morgen; Redaktion: Verein zur Förderung studentischer Eigeninitiativen. 1070 Wien. Hermanngasse 2a/332; Redaktionelle Leitung: Nina Honzik, Anna Renner; Herstellerin: Druckerei Fiona, www.fiona.or.at; Herstellungs- und Erscheinungsort: Wien; Alle Rechte, auch die Übernahme von Beiträgen nach §44 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz: © Verein zur Förderung studentischer Eigeninitiativen. Dem Ehrenkodex der österreichischen Presse verpflichtet.
über.ich
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LIEBE LESERINNEN, LIEBE LESER ich bin das über.ich und heiße euch herzlich willkommen im über.morgen. Hier haben die Universitäten ein unbegrenztes Budget, Oscars werden nur mehr an Independent-Filme vergeben, der Ex-Wissenschaftsminister Gio Hahn und der ehemalige Rektor der Uni Wien Georg Winckler haben die Hilfsorganisation „Ein Herz für Studierende“ gegründet und es herrscht Weltfrieden.
auch am 21.1. 2010 eine über.morgen-Release-Benefizparty im Cafe Leopold geben, zu der wir euch alle ganz herzlich einladen. Was ist neu an der über.morgen? Wir konzentrieren uns nicht mehr nur auf die Hochschulpolitik, sondern schauen auch über den Tellerrand hinaus und berichten auch über kulturelle, kuriose und politische Themen.
Naja...bald, wir arbeiten daran - mit der neuen „über.morgen“,der ehemaligen „Morgen“. Unser Ziel ist es, einen Gegenpol zu großen Medien und studentischen Parteizeitungen zu bilden und die Bildungsbewegung weiterleben zu lassen. Wir sind gratis, aber nicht umsonst. Wir sind kritisch, aber auch dafür. Wir sind motiviert, aber pleite. Darum wird es
Erhalten bleiben uns natürlich weiterhin unser Lieblingsnacktmull Graus, der „Hund der Woche“ (wenn auch in leicht abgewandelter Form) und unser wunderbar progressiver, moderner Schreibstil. Kurz zusammengefasst: Es ist vieles neu und noch viel besser. Aber zurück zu mir. Als über.ich bin ich natürlich die Verkörperung der Perfektion, solltest du aber dennoch etwas kritisieren wollen, mir einfach so einmal schreiben wollen oder natürlich ein paar Worte des Lobes übrig haben, freue ich mich sehr über Post In diesem Sinne: Viel Spaß mit der neuen Ausgabe!.
DENKST DU KRITISCH? HAST DU WAS ZU SAGEN?
UEBER.MORGEN.ZEITUNG @GMAIL.COM
DANN BIST DU BEI UNS RICHTIG!
KOMM VORBEI UND MACH MIT!
GRAFIK: SUD
NEULICH IN DER BURG...
EINE KOOPERATION VON ÜBER.MORGEN UND DEM BURGTHEATER Am Dienstag, den 12. Jänner, trafen im Vestibül des Burgtheaters, sowohl Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann, Dramaturg Plinio Bachmann, Sighard Neckel (Institutsvorstand der Soziologie Wien), als auch Studierende und Interessierte zusammen. Das Ziel dieses ersten Arbeitsgespräches war, laut Hartmann, „gemeinsam die Welt zu retten“.
und als Forum für wirklich kritische Auseinandersetzung mit den Themen des Bildungsprotests.
Wo finden Burgtheater und Studierende inhaltliche Berührungspunkte? Ist der Umgang der Politik mit den Universitäten ein Vorbote für eine Infragestellung des Theaters? Wie bei den Universitäten ist auch beim Burgtheater das Kapitel Wirtschaftlichkeit ein wichtiger Diskussionspunkt.
Eine ehrliche Diskussion über Basisdemokratie? Eine theatralische Inszenierung auf der Straße? Unterstützung bei der Suche nach einem Raum für die Büroarbeit des Protests (nachdem die Unileitung immer neue Steine findet, die sie uns bei der Arbeit zur Verbesserung des Hochschulsystems in den Weg legen können - die meisten Steine heißen übrigens: „Brandschutzgründe“)? Wie könnte eine Kooperation des Burgtheaters mit den Studierenden aussehen? Einige Ideen wurden bereits gesponnen. Nun liegen die Fäden in den Köpfen und wachsen. Wer sein Scherflein beitragen will, der oder die soll sich melden: bibi.morgen@gmail.com
Der Ruf nach mehr Eigenverantwortung wurde laut. Das Burgtheater als medienwirksames Megaphon der studentischen Anliegen
Auf gehts! Welt retten! FOTO: DANIEL WEBER
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VIEL BEWEGUNG IM PROTEST
UNIBRENNT IN DEN FERIEN Das Audimax ist geräumt. Die letzte große Demonstration ist lange her. Das Interesse der Medien an der Unibrennt-Bewegung ist eingeschlafen. Macht der Protest noch immer Urlaub? Oder haben die Ferien die Bewegung beendet?
ERSTE GESPRÄCHE, WENIG ERGEBNISSE
lösen. Aus Kritik an diesen Rahmenbedingungen veranstalteten Aktivist_innen der Bewegung einen „Hochschulzirkus“ vor der Akademie der Wissenschaften. Das Ministerium reagierte mit der Einrichtung von fünf Arbeitsforen, in denen Perspektiven für den Hochschulsektor erarbeitet werden sollen.
Mitte November waren im ganzen Land Hörsäle besetzt. Die Plena im Audimax waren gut gefüllt und durch den großen öffentlichen Druck sah sich die Leitung der Universität Wien gezwungen, in Gespräche mit den Studierenden zu treten. In sogenannten Dialogforen diskutierten Studierende mit Vertreter_innen von Universität und Hochschülerschaft. Zum ersten Mal wurden solche Gespräche auch via Live-Stream im Internet übertragen.
Nach sechs Wochen Audimax-Besetzung stellte sich Rektor Winckler einem Gespräch mit dem Plenum. Unterstützt von Vertreter_innen von Senat und Universitätsrat beantwortete er zwei Stunden Fragen der Studierenden oder wich ihnen aus, wie von vielen Anwesenden kritisiert wurde. Schließlich forderte er die Besetzer_innen auf, den Hörsaal zu verlassen. Ein Großteil der Forderungen sei an die Politik gerichtet, die Universität nicht der richtige Ort für den Protest.
Auch das Wissenschaftsministerium begann sich zu bewegen und lud Vertreter_ innen von Politik, Interessensvertretungen, Universitäten und Hochschülerschaft zum „Hochschuldialog“. Die Besetzer_innen in ganz Österreich wurden aufgefordert, gemeinsam drei Vertreter_innen zu benennen.
Mit einem Augenzwinkern bot das Plenum daraufhin an, während der Weihnachtsferien der Nationalratsabgeordneten in den ungenutzten Plenarsaal des Parlaments zu übersiedeln. Die Presseaussendung erregte viel mediale Aufmerksamkeit, innerhalb weniger Stunden erteilte Parlamentspräsidentin Barbara Prammer dem Angebot eine Absage.
Seit der letzten Ausgabe hat sich nicht nur der Titel dieser Zeitung geändert. Auch die Unibrennt-Bewegung sieht heute anders aus, als noch vor einem Monat.
In vier Stunden sollten die rund 50 Teilnehmer_ innen die Probleme des Hochschulsektors FOTO: MARTIN JUEN
Im Dezember begann sich die Situation im
Audimax zu verändern. Die immer höhere Dreifachbelastung durch Studium, Protest und Job hinderte viele Aktive daran, Zeit in der Besetzung zu verbringen. Gleichzeitig fanden mit Wintereinbruch immer mehr Obdachlose ein neues Zuhause im Audimax, denn das Wiener Sozialhilfegesetz verwehrte ihnen den Zutritt zu anderen Schlafstellen. Die Besetzer_innen thematisierten daraufhin die Mängel im Wiener Sozialhilfegesetz. Auch wenn sie von vielen Seiten als „nicht zuständig“ kritisiert wurden, waren sie der Meinung, dass die Betroffenen unterstützt werden mussten. Gemeinsam mit Obdachlosenorganisationen wurde schließlich die Einrichtung einer Schlafstelle für wohnungslose Nicht-Wiener_innen durchgesetzt.
EIN ANGEBOT UND ZWEI RÄUMUNGEN Als Reaktion auf ein sogenanntes „Maßnahmenpaket“ des Rektorats, beschloss das Plenum am 14. Dezember, Bedingungen für die Freigabe des Audimax für universitäre Lehrveranstaltungen zu erarbeiten. Bevor diese ausdiskutiert werden konnten, überschlugen sich jedoch die Ereignisse. Am 16. Dezember besetzten Aktivist_innen Büros im Hauptgebäude der Universität Wien, die das Rektorat als Ersatz für die besetzten Hörsäle angeboten hatte. Sie
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Die Universitätsleitung hielt den Druck auf die Aktivist_innen weiterhin aufrecht. Am 5. Jänner veröffentlichte das Rektorat die Falschmeldung, dass der C1 nicht mehr besetzt sei. Auf Nachfrage von Aktivist_innen wurde der Presse AG ein Angebot für den Fall einer Freigabe des C1 für Lehrveranstaltungen übermittelt. Nach einer langen Diskussion im Plenum wurde schließlich beschlossen, den C1 für Lehrveranstaltungen zu öffnen. Die Öffnung war an die Bedingung geknüpft, den C1 vor und nach den Lehrveranstaltungen, das Foyer im Hörsaalzentrum und die Aula im Hof 1 permanent nutzen zu können. Trotz des kooperativen Verhaltens der Besetzer_innen, setzte das Rektorat weiterhin auf Eskalation. Der C1 wurde am nächsten Tag von Securities geräumt und anschließend versperrt. Die Schlüsselübergabe der Aula wurde an Bedingungen geknüpft, die der ursprünglichen Vereinbarung klar widersprachen. Derzeit dürfen im C1 nur Plena und Diskussionen abgehalten werden. FOTO: MARTIN JUEN
wurden umgehend polizeilich geräumt. Nach einem gut besuchten Auftritt des Kabarettisten Josef Hader im Audimax, riefen die Aktivist_innen daraufhin zu einem Spontanbesuch beim Rektorat auf. Etwa 200-300 Menschen folgten zu einer Kundgebung vor dem Rektorat, dem Festsaal und schließlich dem Parlament. Im Anschluss wurden die Ereignisse in einem hitzigen Plenum im Audimax diskutiert. Die Aktivist_innen der Bürobesetzung begründeten ihr Vorgehen als Protest gegen Verhandlungen mit dem Rektorat. Ihre Kritiker sahen in der Besetzung den Versuch den Plenumsbeschluss zur Freigabe des Audimax für Lehrveranstaltungen zu verhindern. Die geplante Diskussion über die Bedingungen für diese Freigabe wurde auf das nächste Plenum verschoben. Am Morgen des 21. Dezembers wurde das Audimax polizeilich geräumt. Das Rektorat begründete die Entscheidung mit angeblichen Sicherheitsmängeln. Die Besetzer_innen verlegten ihr Hauptquartier in den Hörsaal C1 am Universitätscampus und organisierten noch am selben Abend eine Spontandemonstration mit etwa 600 Teilnehmer_innen.
DIE BESETZUNG BEWEGT SICH Im C1 organisierte sich die Protestbewegung der Universität Wien neu. Das Engagement der Aktivist_innen konzentrierte sich vor allem auf die Arbeitsgruppen, die Besetzung trat in den Hintergrund. :: Chronologie :: 19.11. Erstes Dialogforum mit Unileitung 25.11. Hochschuldialog 26.11. Zweites Dialogforum mit Unileitung 04.12. Rektor Winckler kommt ins Audimax 08.12. Angebot „Umzug ins Parlament“ 10.12. Drittes Dialogforum mit Unileitung 14.12. Freigabe des Audimax für LVs 14-18.12. Arbeitsforen Hochschuldialog 16.12. Hof 5-Besetzung und Räumung Spontandemo zum Parlament 21.12. Audimax wird geräumt 21.12. Umzug in C1 und Demonstration 31.12. Bildende wird geräumt Silvesterfeier vor dem Audimax 05.01. Freigabe des C1 für LVs 06.01. Rektorat sperrt C1 ab 20-28.01. Arbeitsforen Hochschuldialog 11-12.03. Bologna-Gipfel in Wien und Budapest
DER PROTEST MACHT FERIEN? Seit der letzten Ausgabe der Morgen hat sich viel getan. Besetzer_innen in ganz Österreich haben Vereinbarungen mit ihren Universitäten getroffen. Manche Rektoren zeigten sich dabei kompromissbereiter als andere. Die lauten, medienwirksamen Protestaktionen sind in den Hintergrund getreten und haben der leisen, inhaltlichen Arbeit Platz gemacht. Die AG Mittwoch koordiniert die Teilnahme der Protestbewegung an den Arbeitsforen zum Hochschuldialog. In der nächsten Woche treffen sie sich zum zweiten Mal. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, einen transparenten und offenen Ablauf dieses Prozesses zu garantieren. Viele andere Aktivist_innen beschäftigen sich mit dem Bologna-Gipfel, der im März in Wien und Budapest stattfinden wird. Vorbereitungen für einen Gegengipfel und internationale Vernetzung laufen bereits auf Hochtouren. Der Protest macht keine Ferien und ist auch noch lange nicht vorbei. In den vergangen Monaten wurde eine breite Bildungsdebatte angestoßen. Jetzt arbeiten die Aktivist_innen daran, diese Debatte aktiv mitzugestalten und im März dem Bologna-Gipfel ihren Stempel aufzudrücken. [jaae]
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über.kurioses
AUS LIEBE ZUR MAUER Eine 54-jährige Schwedin liebt die Berliner Mauer – auf ihre eigene Weise. Sie ist sogar mit ihr verheiratet und trägt auch den Namen „ihres Gatten“. Die Frau mit dem eigenwilligen Namen Eija-Riitta Berliner-Mauer bezeichnet ihr Verhältnis zur Trennlinie zwischen Ost und West als sehr emotional. Sie hatte sogar Sex mit der Mauer. Bereits in den 60er Jahren hat sich Eija-Riitta unsterblich verliebt, 1979 wurde die Beziehung rechtskräftig – mit Trauungszeremonie und Einladungskarten. Der Mauerfall 1989 war für „die Ehefrau“ traumatisch. Bedeutet der 9. November 1989 für viele Menschen die Befreiung aus einer Diktatur, so war er für Eija-Riitta der „traurigste Tag ihres Lebens“. Sie fühlt sich seither als Witwe. Was für viele verrückt klingen mag, wird von Experten als Objektophilie bezeichnet. Sexualforscher Prof. Dr. Volkmar Sigusch vom Institut für Sexualwissenschaft der Goethe-Universität in Frankfurt/ Main setzt sich wissenschaftlich mit diesem Thema auseinander. Er bezeichnet Objektliebe nicht als Krankheit, sondern als „eine besondere Gefühlseinstellung zu toten Gegenständen“. Er bezeichnet Objektliebe als Übersteigerung dessen, was in unserer Kultur ohnehin schon fast normal ist, nämlich eine enge emotionale Bindung an tote Sachen, wie Autos oder Kleidungsstücke. Dennoch ist diese extreme Ausprägung selten. [red]
„ZÄNE ZEIGEN!“ DER PROTEST GEHT WEITER Dieses Foto ist der Beweis. In Wien gibt es wieder eine alltägliche Protestkultur. Die Bewegung, die an den Universitäten begonnen hat findet jetzt auf der Straße ihre künstlerische Fortsetzung. Street Art Schaffende zeigen, dass Wandverzierung in Großstätten nicht nur „verschandeln“. Mit vielen verschiedenen Ausdrucksformen vermitteln sie es eine Botschaft und lassem am trostlosen Grau des öffentlichen Raums bunte „Beton-Blumen“ sprießen. Gerade die Wiener Vertreter_innen dieser Kunstrichtung haben sich bereits in der internationalen Szene ihren Platz erobert. Wer mehr darüber erfahren will schaut auf www.betonblumen.org.
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FOTO: CHRISTOPH LIEBENTRITT
über.bildung
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DIE JAHRE DER IRRTÜMER ES IST VORBEI... K O M M E N T A R mit den „Nullerjahren“, den ersten zehn Jahren des neuen Jahrtausends. Den Anbruch des neuen Millenniums mit dem Jahr 2000 beginnen zu lassen, war zwar mathematisch nicht korrekt, aber dramaturgisch wirkungsvoll: Denn mit Erreichen des Jahres 2000 drohte das große Computerchaos auszubrechen. Sparsam programmierte Datenspeicherung hätte uns vom 31. Dezember 1999 direkt in das Jahr 1900 zurück katapultieren können.
Reaktionen blieben nicht aus. Präsident Bush erklärte 2002 dem Irak den Krieg. Die oft beschworenen Massenvernichtungswaffen, Hauptargument der USA für den Angriffskrieg, wurden nicht gefunden – weniger Irrtum als vielmehr bewusste Kriegspropaganda, unterstützt durch kritiklose Berichterstattung der NY-Times.
Die prognostizierten Schäden: Datenverluste, technische Gebrechen aller Art bis hin zu einer globalen Wirtschaftskrise. Ein Irrtum, wie sich herausstellte.
Seit Frühjahr 2009 zieht die Wirtschaftskrise ihre zerstörerische Spur durch die ökonomischen und sozialen Gefüge der Welt. Der Glaube an einen sich selbst regulierenden, aggressiven Kapitalismus, der mehr privat und weniger Staat fordert, wurde erschüttert. Ob dieser aufgedeckte Irrglaube nachhaltig zu einem Umdenken führt, wird sich zeigen.
Am 11. September 2001 dann das Ereignis, das die Welt erschütterte: Flugzeuge, die in und um New York vom Himmel fielen. Das Vertrauen in die Unverwundbarkeit von „Gods own Country“ wurde erschüttert. Die
Ebenso Irrtum war der Glaube, durch Gespräche mit den verantwortlichen Politikern die Probleme an den Hochschulen lösen zu können. Erst die medienwirksame Besetzung des Audimax konnte frischen Wind in die festgefahrene
Hochschulpolitik bringen. Dass die verantwortlichen Minister die Aufrufe zu einer Reform größtenteils ignoriert haben, ist Teil der in Österreich üblichen Taktik des Aussitzens – Armutszeugnis einer Politik, die keine Antworten auf anstehende Probleme hat. Daher wäre es ein Irrtum zu glauben, dass mit den Protesten bereits genug erreicht wurde. Zurücklehnen und abwarten wäre der falsche Weg.Wir müssen weiterhin unseren Unmut zum Ausdruck bringen, müssen weiterhin auf die Missstände hinweisen, müssen weiterhin auf Gespräche mit Rektoren und Politikern drängen und weiterhin auf unser Recht auf Bildung bestehen! In diesem Sinne, ein widerständiges Jahr 2010! [masc]
DAS ENDE DER BESETZUNG MACHT PLATZ FÜR NEUE INPUTS K O M M E N T A R Zugegeben, das Audimax hat Symbolcharakter – sei er positiv oder negativ behaftet – der Hörsaal weckt sowohl innerhalb der Bewegung, als auch außerhalb Erinnerungen an die Ereignisse der letzten Monate. Aber auch genau hier liegt der Knackpunkt. Legitim war es, die Besetzung als letzten möglichen Schritt und Druckmittel einzusetzen und damit auch einen großartigen öffentlichen Raum für Diskussionen und Veranstaltungen, der bis dato nicht vorhanden war, herzustellen. In den letzten Wochen entwickelte sich das Audimax aber immer mehr zu einem Druckmittel, das gegen die Bewegung verwen-
det wurde – sowohl von Medien und Politik, als auch dem Rektorat selbst. Ständige Diskussionen über die „Raumfrage“ verdrängten oft inhaltliche Debatten und drehten sich im Kreis. Viele Befürworter_ innen des Protests zogen sich deshalb in eine Beobachter_innen-Position zurück und nahmen nicht mehr aktiv teil. Man war bemüht, die Besetzung und die damit verbundene, nicht nur für die Student_innen wichtige, Infrastruktur aufrecht zu halten. Dieser Einsatz kostete den Beteiligten viel Kraft – Kraft, die an anderer Stelle fehlte. Über das Verhalten des Rektorats, vor allem was die Räumung des Audimax betrifft – unter anderem obdachlose Personen bei mi-
nus 15 Grad mit einem A4-Zettel abzuspeisen – braucht man keine Worte mehr verlieren. Nur soviel dazu: Wahre Kooperationsbereitschaft sieht wohl ein bisschen anders aus. Alle zuletzt aktiv Beteiligten sollten die Entwicklung der letzten Wochen aber auch als Chance auffassen, zu inhaltlich konstruktiver Arbeit zurückzukehren. Vor allem der Bolognagipfel im März wird zeigen, dass der Protest noch nicht verstummt ist. Denn spätestens zu Beginn des Sommersemesters wird der Kampf um die Seminarplätze und somit der Frust wieder bemerkbar sein, der uns alle kräftig motivieren sollte, weiter aufzuzeigen, wie Bildungspolitik wirklich aussehen sollte.
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HOCHSCHULDIALOG GEHT IN DIE NÄCHSTE RUNDE Die Bewegung setzt sich für eine offene und transparente Gestaltung des Hochschuldialogs ein. Durch Live-Übertragungen, eine Onlineplattform und offene Diskussionsveranstaltungen soll eine breite Beteiligung aller Interessierten ermöglicht werden. Ein dazu von den Aktivist_innen ausgearbeiteter Prozessvorschlag wurde von vielen Beteiligten positiv aufgenommen. Vor allem von ÖVP-Vertreter_innen regt sich jedoch Widerstand. So haben sie bei den meisten Arbeitsforen die Einrichtung eines Live-Streams bisher verhindert. Wir müssen nun als Bewegung genügend Druck aufbauen, um einen öffentlichen und transparenten Ablauf zu erzwingen. Deshalb suchen wir Menschen, die sich mit den Themengebieten auseinandersetzen. Als Reaktion auf die Bildungsproteste hat das BMWF die Arbeitsforen zum Hochschuldialog einberufen. In fünf Themengebieten (Gesellschaftlicher Auftrag des tertiären Sektors; Koordinierte Entwicklung des tertiären Sektors; Bologna & Studienstruktur (Curricula) & Lehre; Studienwahl und Hochschulzugang; Ressourcen und Finanzierung von Lehre und Forschung) werden unverbindliche Handlungsempfehlungen für die politischen Akteure erarbeitet. Alle Ressourcen und Termine der zuständigen, universitätsübergreifenden, AG Mittwoch werden im Wiki veröffentlicht. Auf der Onlineplattform „Deine Bildung“ können Interessierte laufend mitdiskutieren. Die AG Mittwoch ist unter ag.mittwoch@gmail.com erreichbar. [agm]
über.bildung
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ERKLÄRUNGSVERSUCH VOKÜ – EIN ESSAY ÜBER DAS WAS WAR, DAS WAS IST UND DAS WAS NOCH KOMMEN WIRD … die Geheimzutaten der Faszination VoKü.
FOTO: CHRISTOPH LIEBENTRITT
„Jede Revolution beginnt mit einem Auflauf!“ Einige kreative Köpfe haben diesen Aufruf als direkte Aufforderung begriffen. So entstand am 22. Oktober 2009 die Audimax VoKü, damals noch Volxküche genannt. Gekocht wurde von vielen Menschen, die das Ausmaß dieses Projektes bei weitem nicht erahnen konnten. Von „sieben Tagen höchstens“ bis „na hoffentlich wenigstens zwei Wochen“ reichten die Spekulationen über die Dauer des Bestehens. Durchhaltevermögen, Schweiß und Liebe – das waren
Der explosionsartige Ansturm auf und die sich herauskristallisierende Notwendigkeit der (vielleicht) beliebtesten AG veranlassten diese, ihr Territorium zu vergrößern und die provisorisch errichtete Kochstation am Gang in die Audimax Garderobe zu verlegen. Eine neue Ära hatte begonnen: Aus dem unkoordinierten Gewusel am Gang wurde ganz schnell eine strukturiertere VoKü. Dienstplan, Abwaschzeile und vor allem regelmäßige Zusammenkünfte waren die überragenden Merkmale dieser, nennen wir sie heute „Plena-Ära“. Müde, aber nicht ausgepowert, noch immer topmotiviert, mit einem Lächeln auf den Lippen wurde gewürzt, Pürierstäbe zum (Durch-) brennen gebracht und geheimnisvolle Gerichte immer und immer wieder aus den wahnsinnig großen Töpfen gezaubert. Durch die Etablierung als Stammgäste am Großgrünmarkt ergriffen wir VoKük_innen die einmalige Chance, die Bewegung auf unsere Art nach außen zu tragen. Für den Kaffee sorgte
Tag und Nacht der Hannez – seines Zeichens einziges konstantes und omnipräsentes Mitglied der Kaffee AG. Kaffee gabs übrigens auch im Café Winckler, einem spätrevolutionären Mobilisierungsversuch unserer VoKü. Der Beginn der letzten Ära lässt sich nicht eindeutig datieren, da die Grenzen zwischen Hier und Jetzt, Heute, Morgen und Gestern langsam verschwammen – kurz: wir verloren den Überblick über die Geschehnisse. Trotz so mancher trüben Stunde ist der VoKü aber das Salz nicht ausgegangen. Das Feuer in der VoKü brannte bis zuletzt und hat nun seinen Funken ins C1 übertragen. Uns verlässt die Freude nicht – bei regelmäßigen SonntagsVoKüs im Kultur- und Kunstverein Uoqbon, sowie bei Solidaritätsunterstützungen auf gesellschaftskritischen Veranstaltungen und Festivals (ua beim Frühling im WUK), verbreiten wir jetzt den Duft der Revolution. Denn da wo die Politik und Nahrungsmittel aufeinander treffen, verderben zu viele Köche nie den Brei. [rom] [sar]
KRISU
BOLOGNA BURNS
Die AGRU „Kritische Uni“ arbeitet derzeit an einem alternativen Lehrveranstaltungsverzeichnis, um eine Basis für eine kritische Universität zu schaffen. Wünsche und Themen für alternative Lehrveranstaltungen können hier eingebracht werden: http://freiebildung.ning.com/
Am 12./13. März finden die Feierlichkeiten zu „10 Jahre Bologna“ in Wien und Budapest statt. Da die Studierenden nichts zu feiern haben, laufen in der AG „Bologna burns!“ die Vorbereitungen auf Hochtouren: Verschiedene Aktionen und ein Gegengipfel sind geplant. Mehr Infos auf: http://bolognaburns.org
KU R Z MELDUNGEN UNSERE SACHEN
NEUER ARBEITSRAUM AM CAMPUS
Robert Menasse und BesetzerInnen holten am 13. Jänner die, nach der Audimaxräumung zurückgebliebene Sachen, aus der USI-Garage ab. Gegen die Vorlage eines Lichtbildausweises und Angabe der persönlichen Daten konnte Menasse die Gegenstände für die Studierenden mitnehmen. Trotz Aussagen des Rektorats der Universität Wien, dass alle Fundsachen aufgelistet wurden, konnten verschiedene Gegenstände nicht aufgefunden werden.
Nach der Freigabe des C1 für Lehrveranstaltungen und der Räumung des Foyers aus brandschutzrechtlichen Gründen haben nun Studierende die Aula, im Hof 1 am Campus, eingerichtet. Die AG Doku und Presse AG sind ab sofort hier zu finden. Außerdem kann der Raum für Arbeitsgruppentreffen genutzt werden.
über.politik
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„DAS ENDE DER PARTEIEN IST SCHON DA, NUR DASS DIE DAS NOCH NICHT BEMERKT HABEN!“ Der Künstler und Intellektuelle André Heller sieht in der Sozialdemokratie einen „lebenden Toten“, die Parteienlandschaft allgemein in einer Krise und rechnet den „Bewegungen von unten“ deshalb in Zukunft bessere Chancen zu. Den protestierenden Student_innen rät er, ihre Unterstützungs-Basis zu verbreitern und aktiver zu werden. Der 16. Dezember 2009 – ein Tag heller Aufregung für die #unsereuni-Bewegung. Während vor André Heller der Kabarettist Josef Hader das Audimax der Universität Wien besuchte, brodelte es im Hintergrund. Am selben Tag wurden die besetzen Räume des Hof 5 vom Rektorat der Uni Wien polizeilich geräumt und einige Student_innen wollten sich das nicht gefallen lassen. André Heller betrat bereits die Bühne, als einige Besetzer_innen einen offenen Brief verlasen, an dessen Ende zu einer Spontandemo vor dem Rektorat aufgerufen wurde. Ein sichtlich überraschter Heller meinte: „Na, dann geh ich mit euch zu dem hoch!“ Der Großteil der versammelten Studierenden begaben sich daraufhin vor die Türen Rektor Wincklers, um lautstark ihren Unmut kundzutun. Einige Student_innen zogen weiter vor das Parlament, die meisten aber kamen mit André Heller zurück ins Audimax, um über Bildung, soziale Bewegungen, Politik und Zivilgesellschaft zu reden. Nach absolviertem Auftritt hat ÜBER.MORGEN André Heller zu einem kurzen Interview gebeten. Recht überrascht zeigte sich der Künstler, dass diese Bewegung in Wien ihren Ausgang genommen hatte. Er zog einen Vergleich zur 68-Student_innen-Bewegung: „Es freut mich sehr, weil ich wirklich schwören kann, dass sehr wenige Aufstände in Wien ihren Ausgang genommen haben. Die 1968-Revolution hat hier eben nicht stattgefunden. Ich hab auf meine Kosten Plakate drucken lassen, wo ich die Student_innen aufgefordert habe aufzuwachen. Es war beschämend. Dieses Mal entsteht plötzlich etwas Vulkanisches in Wien, das Feuer speit in ganz Europa. Das ist ein Glück und eine Freude und deswegen schuldet Europa ihr es auch, hier nicht ohne Ergebnis zu kapitulieren. „Ich glaub‘ dass die Politik hier in österreichischer Generalmanier damit rechnet, dass diese Bewegung einschlafen wird, so dass sie sich nicht in diesen, von ihr sehr gefürchteten, Dialog hineinbegeben muss. Um da Druck auf die Politik zu machen braucht man die Medien“. Es gehe darum Druck auszuüben, auch über die Medien – es gelte die Redaktionen für sich zu gewinnen, denn die wären genauso wie die Studierenden an einem „geistigen Mindestniveau“ im Land interessiert. Und dieses Mindestniveau werde
eben unter anderem an den Universitäten geschaffen. Auf den Vergleich mit der Hainburg-Bewegung angesprochen sieht Heller Parallelen. Die aber habe es um einiges leichter gehabt, bei den Bürger_innen zu punkten: „Hainburg war natürlich für sehr viele Bevölkerungsschichten emotionalisierend. Das hier ist jetzt ein universitäres Thema. Die Natur jedoch ist etwas, das jeder Bäuerin, jeder Hausfrau, jedem Hofrat und jedem Kind irgendwie nahesteht. Die Schlägerungen in Hainburg zu verhindern, war sehr rasch ein ganz emotionales Thema. Insofern haben wir es leichter gehabt. Auch beim Lichtermeer war so eine breite Ablehnung gegen Haider vorhanden, dass sich Menschen aus den unterschiedlichsten Lagern in dieser Ablehnung gefunden haben. Das hier ist ein viel schwierigeres Thema, weil sich viele einfache Leute mit den Anliegen der Student_innen nicht identifizieren.“ Dennoch, André Heller sieht großes Potential in der #unsereuni-Bewegung. Aus den Bewegungen „von unten“ würden in Zukunft neue Strukturen entstehen. Die politische Situation, besonders die der Sozialdemokratie, bewertet Heller kritisch. „Ich glaub‘, dass die Sozialdemokratie auch in Österreich auf dem Weg ins Nirvana ist. Das Ende der Parteien ist schon da, nur, dass diese das noch nicht bemerkt haben. Das hier wäre doch ein traditionell sozialdemokratisches Thema – da müssten doch alle sozialdemokratischen
Politiker_innen hier sein! Wo ist die Kulturministerin? Es gibt niemanden mehr in der Partei, der vor denkt. Es gibt auch kein inneres Alarmsystem das sagt: ‚Da gehören wir hin, das ist doch unser Thema!‘ – Sie wissen gar nicht mehr was ihre Themen eigentlich sind. Das einzige Thema ist Machterhalt.“ Besonders traurig sei es, dass in dieser Situation seitens der Politik und des Ministeriums keine Ansprechpartner_innen gäbe. NochWissenschaftsminister Johannes Hahn sei ja bekanntlich bereits in Brüssel, das Wissenschaftsministerium liege quasi „brach“. „Was ihr tun müsst, ist euch wieder mit so vielen Student_innen wie möglich zu verbünden, die Zwistigkeiten, die Vorbehalte unter den unterschiedlichen Gruppierungen ausräumen. Sonst lähmt ihr euch gegenseitig. Wenn es auf der Wirtschaftsuni hunderte Leute gibt oder vielleicht tausende, die gern mittun wollen, aber sagen aus diesem und jenem Grund mach ich es nicht, dann redet mit denen und nehmt ihnen die Chance sich zu entsolidarisieren. Macht mit dieser starken Gruppierung immer wieder verrückte, phantasievolle, auffällige und laute Aktionen. Holt jetzt ruhig einmal die Prominenten herein, die was tun wollen. Gebt doch diese noble Zurückhaltung auf, sagt: ‚Freunde kommts, wir brauchen euer Geld, wir brauchen eure Ideen, wir brauchen euer Engagement und wir brauchen eure Wirkungsfähigkeit nach außen!‘ “. [anger] [wr] FOTO: MARTIN JUEN
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über.politik
DIE SCHULE NEU DENKEN Viele verstehen nicht, wieso die Student_ innen protestieren. Beginnen die Probleme nicht an der Schule? Schüler_innen, die aggressiv sind, Lehrer_innen, die sich überfordert fühlen. Und vor allem ist die Tatsache bemerkenswert, dass es im Bildungssystem und in der Wirtschaft diejenigen nach oben schaffen, deren Papis und Mamis bereits oben waren: Geringe Soziale Mobilität nennt man das. Man könnte die Geschichte auch anders erzählen: Wieso sind Schulen Orte, an denen sich fast niemand wohl fühlt? Dass die Schule allzu oft wenig Raum zur Selbstentfaltung und für unterhaltendes Lernen bietet – liegt darin nicht der Grund dafür, dass viele Menschen vor allem schlechte Erinnerungen an die Schule haben und daher gerne über Lehrer_innen schimpfen? Und überlegen Sie: Macht dieses Schimpfen den Beruf attraktiv für begabte, unternehmerische, kreative, kritische Menschen? Lehrer_in sein ist eine verdammt verantwortungsvolle Aufgabe. Gerade die Länder, in
„FOR CHRIST‘S SAKE!“
denen der Lehrberuf das höchste Ansehen hat, schneiden auch bei PISA am besten ab. Es geht nicht ohne gesamtgesellschaftliches Umdenken: Was soll ein junger Mensch können? Wieso verdienen Volksschullehrer_ innen weniger als Lehrer_innen im Gymnasium? Wie können Schulen ausschauen, an denen sich Menschen freiwillig und gerne aufhalten, um gemeinsam Zeit zu verbringen und gemeinsam zu wachsen? Menschen lernen nämlich dann am besten und verantwortungsvollsten, wenn sie sich wohl fühlen und frei von Angst sein können – wie wissenschaftliche Studien und persönliche Erfahrung gleichermaßen beweisen. Die Bagru Lehramt mobilsiert für eine bessere (Aus-)Bildung von Lehrer_innen. Infos bieten: http://tiny.cc/lehramt http://www.bildungsmanifest.at/ [bagru_la]
DAS NEUE BLASPHEMIE-GESETZ IN IRLAND
In Irland ist das bereits im letzten Jahr beschlossene Blasphemiegesetz in Kraft getreten. Nun sollen Gotteslästerungen mit 25.000 Euro Strafe geahndet werden können. Damit nicht genug, sind auch Hausdurchsuchungen bei „Verdächtigen“ ohne weiteres erlaubt. Aber halt – bevor man, ob dieser Intoleranz, den Kopf schüttelt, muss angemerkt werden, dass das nicht nur für den christlichen, sondern für alle gottesbezogenen Glaubensvorstellungen gilt. Die islamische Konferenz jubelt und möchte das irische Gesetz am liebsten international durchbringen. Nur Irlands Atheisten haben kein Recht mehr auf ihre freie Meinungsäußerung – denn die wäre sicher blasphemisch. Und somit wären wir, wie der Autor Richard Dawkins treffend bemerkt „wieder zurück im Mittelaltalter“. [arr]
FOTO: ONB
HAHN VERTEILT NOTGROSCHEN Sie werden als „Tropfen auf den heißen Stein“ oder „Peanuts“ bezeichnet: Die 34 Millionen Euro aus der „Notfall-Reserve“ des Wissenschaftsministeriums. Doch welche Universität bekommt wie viel und wofür wird das Geld ausgegeben? Bis 15. Jänner mussten die Hochschulen ihre Pläne für die Verwendung des Geldes einreichen. Die Vorgaben lauteten: Die Unis sollen die Mittel auf die nächsten drei Jahre aufteilen und für nichts verwenden, das Folgekosten verursacht. Nicht alle 21 Universitäten erhalten gleich viel Geld. Als Richtlinie für die Verteilung dient der Student_innenzuwachs an den einzelnen Unis. Der Großteil von etwa 9 Mio. Euro geht an die Universität Wien. Über die 2,5 Mio. Euro, welche die TU erhalten wird, urteilt Bianka Ullmann, Vorsitzende der Hochschüler_innenschaft an der
Technischen Universität Wien: „Das sind Peanuts“. Die veranschlagten Kosten betragen das Doppelte. Allein die notwendige Generalsanierung des Hauptgebäudes am Karlsplatz würde 80 Mio. Euro verschlingen. Das Geld sei nur eine „Notfallspritze“, beklagt Flora Eder vom ÖH-Vorsitzteam der Uni Wien. Mit dem Rektorat hat die ÖH Verbesserungen für die Studiengänge Publizistik und Internationale Entwicklung ausverhandelt. Gefordert werden darüber hinaus ein Ausbau der Deutsch-Sprachkurse, mehr Seminare in den Erweiterungscurricula und zusätzliche Mittel für die Frauenförderung. Ungefähr zwei Mio. Euro soll die Wirtschaftsuniversität Wien erhalten. „Ein sehr geringer Betrag“, wie Stefan Kilga, Vorsitzender der ÖH WU Wien, findet. Längerfristig wünscht sich Kilga höhere Mittel für die WU, er sei aber „nicht sehr hoffnungsvoll“.
Die Karl-Franzens-Universität in Graz werde ca. 2,8 Mio. Euro erhalten, berichtet Cengiz Kulac, Vorsitzender der ÖH Uni Graz. Die Vorschläge des Rektorats sind für Kulac nicht immer sinnvoll: „Bei einmaligen, teuren Projekten wie dem neuen ‚Publikationsserver‘ sind wir skeptisch“. „Einmalzahlungen helfen langfristig nichts“, kritisiert auch Susi Aichinger von der ÖH der Johannes-Kepler-Universität in Linz. Mit den zugesagten drei bis vier Mio. Euro will die Universität unter anderem die Hörsäle besser ausstatten. „Derzeit streiten sich 26 Studierende um eine Steckdose“, so Aichinger. Mit den bescheidenen Mitteln aus der „Notfall-Reserve“ lassen sich die strukturellen Probleme an den Universitäten nicht lösen – weder in Linz, noch im Rest Österreichs. [al] [nih]
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„DIE ANGST VORM HANDELN IST DER SCHLIMMSTE ALLER FEHLER.“ Es wären, hat mir einmal ein sehr frustrierter Insider erzählt, in allen Bereichen, auch in den Ministerien und den Unis selber, genügend gute Leute am Werk, die einen Reform-Plan ausarbeiten und umsetzen könnten. Es würden auch im politischen Prozess der Gesetzwerdung genügend politische Köpfe (und zwar quer durch die Parteien) existieren, die sich inhaltlich für lösungsorientiertes Handeln einsetzen.
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GASTKOMMENTAR VON M A R T I N B L U M E N A U Die aktuelle Bilanzierung von einem Jahr Regierungs-Arbeit hat es klargemacht: allen Wahlkampf-Slogans und Versprechen zum Trotz ist im Uni-Bereich in diesem Zeitraum nichts passiert (die Hahn-Soforthilfe, ohnehin nur eine Geste, einmal ausgenommen). Bevor jetzt hier verteidigendes Gejammer anhebt: in Deutschland hat man reagiert – und zwar auf die dortigen Proteste (die bekanntlich von Österreich ausgingen): einige Unsinnigkeiten der Anpassung an den Bologna-Prozess wurden novelliert. Kein großer Wurf, aber immerhin. Hierzulande: nichts. Der Grund für dieses politische Systemversagen liegt nicht, wie von populistischer Seite dann gern angebracht, in einer prinzipiellen Inkompetenz oder der Schwachheit der demokratischen Struktur, sondern in einer erstaunlichen Provinzialität, was die Wege zur Entscheidungsfindung betrifft. Das ist im studentischen Zusammenhang deshalb so bemerkenswert, weil man gerade von den Studentleins globales Denken in internationalen Zusammenhängen fordert und Bologna letztlich damit argumentiert. Wie man diese internationalen Standards (etwa die Anhebung der immer noch erbärmlichen Akademiker-Quote in diesem immer noch erstaunlich intellektuellenfeindlichen Land) erreicht, die Machbarkeit des Möglichen also, wird allerdings mit einer ganz anderen Einheit gemessen.
Es würden allerdings die allermeisten der guten und auch der halbwegs okayen Ideen und Reform-Pläne hauptsächlich an einem scheitern: der Angst wie etwas „ankommt“, und zwar in den Medien und bei den Umfragen, und wie die Instrumentalisierung durch den politischen Gegner (und als solcher wird fast nur noch der rechte Populismus gefürchtet) ausfällt. Reformen also, bei denen mehr als bloßes provinzielles, kleinkariertes Denken kommuniziert werden müsste, passieren auch deswegen nicht, weil die Entscheidungsträger eine ablehnende Reaktion der eigentlichen Entscheider (Boulevard und Populisten) fürchten, die ihre Arbeit dann beim Wahlvolk durch den Kakao ziehen würden. Diese Angst lähmt. Und führt in etwa zu dem, was „Maschek“ in „Bei Faymann“ so realitätsnahe darstellen. Und deshalb passiert nichts. Nicht weil alle zu blöd sind, sondern weil einige (gar nicht so wenige) zentrale Entscheidungsträger die Hosen so voll haben, dass sich nichts bewegt. Was wiederum genau das auslöst, was „falsches“ Handeln auch nach ziehen würde: die Verhöhnung; und zwar nicht nur die durch Boulevard/Populisten, sondern auch der jeweils Betroffenen. Die Angst vorm Fehlermachen ist der schlimmste aller Fehler. PS: „Zwischen Groß- und Kleinparteien gibt es einen gemeinsamen Nenner. Dieser besteht im völligen Desinteresse der Politiker an Politik. Ihr Interesse gilt nur mehr der eigenen Inszenierung und Existenzsicherung. Der Politiker von heute ist ein abgeschliffener Funktionär, ohne politischen Impetus, ohne Gestaltungsbedürfnis, ohne Kreativität und ohne persönliches Verantwortungsbewusstsein.“ Das sagt einer, der es wissen sollte, der ehemalige Justiz-Minister Dieter Böhmdorfer, Jörg Haiders Anwalt.
Martin Blumenau (geboren 1960) ist Journalist und Radiomoderator in Wien. Er arbeitete unter anderem für den Kurier und den ORFHörfunk. Im Herbst 1994 konzipierte er gemeinsam mit Angelika Lang und Mischa Zickler den neu gegründeten Jugendradiosender FM4. Seit der Umstellung von FM4 auf 24-StundenBetrieb im Jahre 2000 ist er offiziell als Leiter verantwortlich. Blumenau fungiert auch als Juror beim Protestsongcontest.
VON DER SEHNSUCHT EINE KLEINE MAUS ZU SEIN Die Welt ist so groß und viel. Wind und Stürme, Donnerwolken. Blitz gegen Blitze, Stein auf Stein, Schlag auf Schlag. Wohin man blickt Konsequenzen. Ich mangelhaft in einer Welt, die ALLES will. Alleine unter Einsamen. Ohnmächtig unter Mächtigen. Stumm unter Schreien zwischen Freude, Angst, Verzweiflung, Stolz und Neid. Bitterkeit, die Welt ist kalt. Ja, es ist Winter. Keine einzelne Blüte, die romantisch aus dem Eis erwächst, es bricht und Sommer (Freiheit) fühlen lässt. Doch: Öffnet das Aug‘ sich nach dem Absturz wieder, blickt es um sich. Und: Sieht. Menschen, die sich bewegen, und Welt, die geschieht. Vereinzelt zu kämpfen kommt nicht vom Fleck. Komm du! Mit hinaus in die Welt, die lebt und leben will. Komm! Lebe und watch your step. Kid, so much time left to learn. [cgal]
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„SYSTEMKRITIK SCHADET NIE.
DAS IST KLAR.“ Der Kabarettist Josef Hader besuchte am 15. Dezember den noch nicht geräumten Audimax. Dario Summer und Lisa Gießauf sprachen mit ihm über die Bildungsbewegung und das fehlende Handeln der österreichischen Politik.
GUNG AUCH IN RICHTUNG SYSTEMKRITIK GEHT. WAS SAGST DU DAZU? Hader: Ja, Systemkritik schadet nie. Das ist klar. Grundsätzlich fände ich es gut, wenn die ganze Bewegung in einem Ergebnis münden würde. Das heißt dann, wenn es irgendwie doch im nächsten Jahr dazu kommt, dass ein paar wesentliche Sachen geändert werden, dass miteinander geredet wird, dass Dinge geändert werden, dass grundsätzlich einfach mehr Geld ins Bildungssystem, auch mehr in die Unis, kommt. Ich finde die Reform, die momentan angefangen hat, nicht schlecht. Das, was rennt im Hinblick auf Gesamtschule, also eine Reform, die eigentlich in der Mittelschule angefangen hat, wenn die auch die Universitäten und die Volksschulen erfasst. Das heißt die ganze Bildung gehört reformiert. Und da wären mir konkrete Ergebnisse auch wichtig.
FOTOS: MARTIN JUEN
ÜBER.MORGEN: WIE WAR ES DAMALS, HÄTTEST DU DIR VORSTELLEN KÖNNEN BEI SO EINER BEWEGUNG MITZUMACHEN UND UM WAS WÄRE ES DIR DAMALS GEGANGEN? Hader: Wahrscheinlich würde ich auch Kabarett spielen. Damals waren da eher Friedensdemos gegen die Pershingraketen (Anm.: US-amerikanische Rakete mit nuklearem Sprengkopf) , da habe ich schon immer Kabarett gespielt. Gehen würde es mir heute darum, dass man einfach normal studieren kann. Ich habe damals normal studieren können. Es hat Lehrveranstaltungen gegeben, wo du gesagt hast, da musst du dich in der Früh anstellen, wenn du unbedingt hinein willst. Sonst war nichts. Sonst hat man ganz normal studieren können. Und ich habe nicht arbeiten müssen, weil ich ein Stipendium bekommen habe – weil ich ein Bauernkind war. Ganz viel Energie, ganz viel Lebensenergie geht dorthin, dass man überhaupt studieren kann und dass man in gewisse Lehrveranstaltungen hinein kommt. Dass diese Energie nicht ins Studium geht, sondern in so etwas, das finde ich falsch.
ÜBER.MORGEN: KONSTANTIN WECKER HAT GESAGT, ER FÄNDE ES SUPER, WENN DIE GANZE BEWE-
ÜBER.MORGEN: IN ÖSTERREICH HERRSCHT EIN TOTALES VERANTWORTUNGSVAKUUM. DER MINISTER SAGT, DER REKTOR MÜSSE VERHANDELN, DER REKTOR SAGT, DER MINISTER MÜSSE VERHANDELN UND DER BUNDESKANZLER SAGT, ALLE ANDEREN SOLLEN, NUR ER NICHT. WAS IST DEINE MEINUNG DAZU? Hader: Ja, ich denke mir, eigentlich müsste der verantwortliche Minister verhandeln. Das ist in dem Sinne der gewählte Repräsentant des Volkes. Und der ist jetzt verantwortlich für den Bereich, das heißt, der müsste was tun. Finde ich.
ÜBER.MORGEN: ABER DER TUT NICHTS. MÜSSTE DA NICHT EIGENTLICH DER BUNDESKANZLER EINGREIFEN? Hader: (lacht) Der Bundeskanzler müsste viel eingreifen in diesem Land. Das ist ein frommer Wunsch. Nein, er müsste den Minister raushauen und einen anderen nehmen, welcher irgendwie damit umgehen kann. Ich glaube, es ist kein Zufall, dass an allen Unis diese Besetzungen passieren. Und die, die am Anfang in den Zeitungen geschrieben haben, dass das ein paar Berufsdemonstrierer sind, die wahrscheinlich nicht einmal studieren, die merken jetzt, dass das eine Be-
wegung ist – und dass es eine organisierte Bewegung ist. Auch wenn nicht immer über 100 Leute im Hörsaal sind. Das ist auch logisch, dass sich die Leute abwechseln, dass manche viel Zeit investieren, manche weniger. Aber grundsätzlich, wenn etwas so lange dauert, dann drückt das eine gewisse breite Basis aus, welche nicht zufrieden ist mit der Art, wie man studiert.
ÜBER.MORGEN: UND, WENN DU JETZT EIN KABARETTSTÜCK ODER EIN THEATERSTÜCK SCHREIBEN WÜRDEST ÜBER DIE GESAMTE PROTESTBEWEGUNG, WELCHE JETZT STATTFINDET. (HADER LACHT) WIE WÜRDE ES GENANNT WERDEN, BEZIEHUNGSWEISE, WELCHE ROLLE WÜRDEST DU DARIN SPIELEN? Hader: Ich weiß nicht. Ich würde kein Theaterstück darüber schreiben, glaube ich. Das ist eine Angelegenheit in der Gesellschaft, da finde ich, dass man als Bürger vielmehr gefordert ist als als Künstler. Ich bin auch nicht da weil ich Künstler bin, sondern ich bin da, weil ich Bürger bin, weil ich finde, dass wenig Geld in die Bildung geht und weil ich einfach einen Beitrag dazu leisten will. Aber ich fühle mich jetzt nicht unbedingt als Künstler, so im ersten Moment angesprochen.
ÜBER.MORGEN: WELCHE ROLLE WÜRDE DIR BESSER GEFALLEN? WÄRST DU LIEBER WISSENSCHAFTSMINISTER ODER WÄRST DU JETZT EHER EU-KOMMISSAR? Hader: (lacht auf) Ich, ich wäre überhaupt kein Politiker. Ich habe einen totalen Respekt vor
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Politikern, die gut arbeiten. Das ist ein arger Job, ich könnte so etwas nicht. Ich wäre viel zu ungeduldig. Diese vielen Besprechungen und Diskussionen und es geht nichts weiter. Ich springe jetzt schon bei Drehbuchbesprechungen, wo sich nur zwei bis drei Leute auf ein Drehbuch einigen müssen, als einziger auf, mit hochrotem Schädel, und schrei herum, weil mir alles zu langsam geht. Also ich wäre ein ganz schlechter Politiker.
ÜBER.MORGEN: WAS GEFÄLLT DIR BESONDERS AN DER PROTESTBEWEGUNG BEZIEHUNGSWEISE WAS GEFÄLLT DIR NICHT? Hader: Mir gefällt gut, dass sie so gut organisiert ist. Dass die Leute in Ruhe sagen, worum es ihnen geht. Dass alle Statements, welche ich gesehen habe, sehr sachlich sind. Insgesamt der hohe Organisationsgrad, wo ich mir nicht sicher bin, ob wir das hinbekommen hätten. Wir waren eine Generati-
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on, wir haben sehr leicht studiert. Es war sehr einfach, zu allem hinzukommen. Jetzt gibt es eine Studentengeneration, der wird alles schwer gemacht. Da müssen sich die Leute schon hochgradig organisieren, damit sie überhaupt studieren können. Dafür können sie auch besser eine Besetzung organisieren. (lacht)
ne Art Freiraum – Ja, die Uni war eine Art Freiraum, damals.
ÜBER.MORGEN: UND GEGEN WAS WURDE DANN DAMALS DEMONSTRIERT? GAB ES IRGENDETWAS, GEGEN DAS MAN SICH GEWEHRT HAT?
Josef Hader ist ein österreichischer Kabarettist und Schauspieler. Nach seinem Zivildienst begann er ein Lehramtsstudium (Deutsch und Geschichte), das er nach dem Besuch mehrerer Schulklassen im Kabarettprogramm 1985 abbrach.1982 schrieb er sein erstes Kabarettprogramm „Fort Geschritten“. 1981 schrieb er mit Alfred Dorfer das erflogreiche, tragikomische Stück „Indien“, das zwei Jahre später unter der Regie von Paul Harather verfilmt wurde. Sein aktuelles Programm heißt „Hader muss weg“.
Hader: Es war die Zeit der Friedensbewegung. Wir haben gegen Raketen gekämpft und so. Damals. Erfolgreich, wie man sagen muss – nachträglich. (lacht) Die Uni vergleichsweise, sag ich einmal, war ein sehr bunter Raum, es hat sehr viele verschiedene Initiativen gegeben. Es war eigentlich ei-
ÜBER.MORGEN: DANKE FÜR DAS INTERVIEW. Hader: Gerne. Sehr gerne.
UNIBRENNT COMPILATION DIE MUSIK DER BEWEGUNG
COVER: ANJA KOUZNEPSOVA
Die Bewegung hört seit Ende Dezember ihren eigenen Soundtrack. Das Album deckt Genres wie Hip-Hop, World Music, Electro/Dance und Rock/Metal ab.
gung erhältlich. Wer nicht in Wien lebt, kann sich die CD über unisoundtrack@gmail. com bestellen. Die Einkünfte fließen direkt an die UniBewegung zurück.
Die Uni Brennt Compilation mit 26 Songs ist in den Plattenläden Rave Up und Bounce Records und bei Aktionen rund um die Protestbewe-
Das Medienecho ist groß: Neben Connected und Soundpark auf fm4 gibt es ein Videointerview mit der AG Uni Soundtrack auf unite-
daliens.tv. Auch der StudiKurier und gap berichteten. Reinhören auf www.myspace. com/unsereunisoundtrack und www.accompongrecords.com - die Limited Edition gibt’s noch! Kommt und holt euch die Musik. Kostenpunkt: 6 Euro [red]
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DIE SENDUNG MIT DEM GRAUS
WO DIE RECHTE REGIERT – KÄRNTNER LANDESPOLITIK
„ICH MUSS EINEN WEG FINDEN, IHN ZU VERLASSEN“. Rezension von „Antonius und Cleopatra“ am Wiener Burgtheater Ein Männerbund, seine Feinde und eine Frau. Männer mit Männern; Mann gegen Mann. Caesar Pompeius, der den Ton angibt (programmatisch spielt er die E-Gitarre und leiht den Liedern seine Stimme). Caesar setzt, spielt und gewinnt. Am Schluss steht er allein in seinem „Stars and Stripes-Outfit“. Marc Anton, der große Feldherr und ehemaliger Mitstreiter, tot. Lepidus, der dritte Triumvir, eingesperrt aus seidenem Grund. Cleopatra, die schöne Königin Ägyptens, hat dem Beherrscher der Welt ihre golden-glänzende Leiche überlassen und am Ende doch Antonius gewählt.
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In Kärnten gibt es eine Bank, die Hypo Alpe Adria. Bis vor kurzem war das die Landesbank. Das Land Kärnten hat für diese Bank Haftungen in der Höhe von 18 Mrd. Euro übernommen. Und das bei einem Budget von 2 Mrd. Euro. – Klingt fahrlässig, war es auch! Aber es war praktisch für die Landesregierung. Weil die hat von der Bank immer Geld bekommen, wenn sie welches gebraucht hat. Und gebraucht hat sie eine ganze Menge: Da wurde ein riesiges Fußball-Stadion gebaut, das heute niemand mehr braucht. Da wurde ein Freunderl zum Millionär gemacht – immerhin hat der dafür ganze zwei Monate gearbeitet. Da wurde, medienwirksam, von Haider und Dörfler Bargeld an Wähler verteilt, uvm. Und der ÖVP-Wirtschaftslandesrat Martinz sagt, dass er von all dem nichts gewusst habe. Und weiters sagt er: „Die Hypo-Probleme sind durch die Verstaatlichung erledigt“. Er, dessen Partei jahrelang „mehr privat, weniger Staat“ gefordert hat. – Klingt komisch, so läuft’s aber, im Lande Kärnten! Die Bank ist nun pleite. Dubiose Geschäfte, Geldverluste durch schwindlige Spekulationen und Vertuschungsaktionen sind seit Jahren am Laufen. Die Medien haben berichtet – gewusst haben will’s keiner. Deshalb musste die Bank mit viel Steuergeld verstaatlicht werden. Weil die Bank „systemrelevant“ wäre, hieß es. – Ein schönes Wort, das gerne verwendet wird, wenn es darum geht eine heruntergewirtschaftete Bank zu retten
FOTO: SUP, TAS
Weil aber der Landeshauptmann und Hobby-Holzfäller Dörfler und seine Freunde, die Scheuch-Brüder, über ein gehöriges Maß an Kärntner Bauernschläue verfügen, haben die schnell reagiert: Sie haben beschlossen, die Partei zu wechseln. Weg vom politischen Arm des Kärntner Faschings (BZÖ) und hin zur StracheFPÖ. Und um der Selbstund Wählertäuschung nachzukommen, resümiert der Bauernbub Scheuch: „Die HypoAlpe-Adria ist eine Erfolgsgeschichte.“ Lei, Lei!.
FOTO: BURGTHEATER
Die Inszenierung des Shakespeare-Stoffs im Wiener Burgtheater lässt keine weißen Flächen frei. In jeder Szene fährt ein neuer Wagen auf. Große Vehikel wurden da gebaut, um unserem Bild von Cleopatra würdig zu werden. Und damit das Alte schön verwunden mit dem Neuen ist: Antonius, als liebestoller, energetischer Mann in einem Whirlpool nackt um Cleopatra gewunden, eingeführt, erscheint zum Kampf als Gaddafi verkleidet. Caesar muss also den Gegenpart, Amerika, stellen. Er sieht auf seinem „King Kong-Wagen“ einem national-patriotischen Wrestler gleich, doch ein goldenes Lorbeerhaupt und kaisergleiche Grazie in seinem Tun. So spielt das Stück ein bisschen mit dem Stoff und macht es uns leicht, Gefühle zu entwickeln, die zur Hintergrundmusik passen. Caesar ist der Amerikaner und überall ist Tod. Die Männlichkeit der Antike stirbt an dem Objekt seiner größten Lust, der Frau aus fremden Landen, wo sie selbstbestimmt leben kann; oder an sich selbst. Den Gehorsamen wird großmütig Gnade gewährt. Der Rest muss sterben. Antonius und Cleopatra: Stolz und Liebe, Eros und der Tod. [cgal]
[masc]
über.reste
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RÄTSEL
HUND DER WOCHE
WAAGRECHT
DER SCHURLI IST STUBENREIN UND MAG ES BEHAGLICH. MANCHMAL BRAUCHT ER ABER SEINE RUHE UND LÄSST NIEMANDEN AN SEIN KÖRBCHEN RAN. DANN SPERRT ER ALLE AUS UND LEIDET UNTER EINEM SCHWANKENDEN GEMÜT. Achtung Satire!
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Parkschienen? Auf „die“ Seitentrassen wird bedeutungslos geschoben. Lässt sich nicht so genau eingrenzen, das Schwarzweißgebiet. Versalzen noch mal! Da hab ich mir schon wieder den Schuboden abgelakt. Die hohen Querpasses kommen leider oft seitlich zum Oberkörper daher. Ragt hinauf bis zur Europameisterschaft (in) Portugal. Hedwig und Pigwidgeon bringt man besser nicht in die griechische Hauptstadt. Gibts als Audi oder als Käse-Pizza, capisce? Unberaubt ist es immernoch ein heimliches Menschenrecht. Ich „beuge“ mich „nun“ den Exerzitien, prüfungsimmanent noch mal. Sportmotorische Flexibilität ist Vorraussetzung zum Turnen, geistige zum Rätseln.
SENKRECHT 1 2 3 4 5 6 11 13 15 17 18 21
Widersprüchliches allerdings! Jedoch ist dagegen auch. Ungehalten halten: „Da vorne tun‘s scho wieder bauen / ich merk‘s, weil sich die Autos -“? Wenigstens ein Körberlgeld, den Ausdruck der Nächstenliebe sehe ich „als Omen“. Vereinbart es ist mit dem Briten, is it not? Soviel Lehrstoff sollte noch zu bewältigen sein, dann ist die Aufgabe erledigt! Mulilauscher? „Sehr lose“ ein Lesezeichen! Rennbrückchen zum defilieren, Katzen gehen dort auf und ab ,aber halte den „Gaul fest“! „Eh“ fesch, der „Busch“. Ich Ertrag dich nicht mehr, Zahl ein 3senkrecht dann kann ich dich rett-en! Das römische Onterkleid harmoniert ausgezeichnet mit dem Grundton Unter der kleinsten Steppdecken kann der größte Depp stecken! „Nudge nudge wink wink“-Idle
FOTO: PETER FUCHS/APEX
체ber.morgen die kritisch-unabh채ngige Studierenden-Zeitung
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