02/2012 - Das Original: Seite 501

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端ber.morgen Dein Begleitheft zur Krise

www.uebermorgen.at | Jahr 4, Ausgabe 2 | Freitag 2.3.2012 | Kostenlos

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Isoliert und gl端cklich Reportage S. 12 Gefilmt und geklagt Diskussion S. 10-11 Ungewollt und vertagt Bericht S. 6-7 Ausgebrannt und fertig Reportage S. 8-9


über.ich

2 über.fordert

Gesetze zu verkaufen Jakob Arnim-Ellissen

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s ist kaum zu glauben: Seit 2009 dürfen MinisterInnen, Landeshauptleute, Landesräte und BürgermeisterInnen in Österreich bestochen werden. Dank einer Gesetzesänderung durch die rotschwarze Koalition ist es legal einem/einer dieser AmtsträgerInnen der Republik Geld für eine Amtshandlung anzubieten, solange diese nicht rechtswidrig ist, behaupten zumindest die beiden Strafrechtler Helmut Fuchs und Gerhard Dannecker, sowie der Steuerberater Roman Leitner bei der Präsentation ihres gerade erschienenen „Handbuch Korruption“. Nun war diese Enthüllung kaum nötig, um Korruption in Österreich zum Medienthema zu machen. Ein Untersuchungsausschuss des Parlaments beschäftigt sich derzeit mit einer ganzen Reihe von Korruptionsvorwürfen gegenüber prominenten PolitikerInnen und Unternehmen. Trotzdem blieben Reaktionen auf die Vorwürfe der drei Experten, die von den Tageszeitungen Der Standard und Kurier publik gemacht wurden, weitgehend aus. Es gab keine wütenden Leitartikel, FacebookKampagnen empörter BürgerInnen oder hämische Kommentare der Opposition. Ein Zeichen, dass die Vorwürfe gar nicht stimmen? Mitnichten. Zwei Tage nach der Veröffentlichung der Vorwürfe erklärte SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim dem Standard, dass die Legalisierung von Bestechung „nicht beabsichtigt“ gewesen sei und die entsprechende Bestimmung nun überarbeitet werden soll. Laut dem Standard hatte Jarolim allerdings höchstpersönlich (gemeinsam mit ÖVP-Justizsprecher Heribert Donnerbauer) jene Änderungen vorgenommen, durch die SpitzenpolitikerInnen, im Gegensatz zu BeamtInnen, plötzlich völlig legal bestochen werden dürfen (das Bestechungsverbot für BeamtInnen ist in deren Dienstrecht extra geregelt). Haben die beiden Regierungsparteien also tatsächlich unabsichtlich die Bestechung von PolitikerInnen legalisiert? Dafür spricht, dass diese Gesetzeslücke drei Jahre lang weitgehend unbemerkt geblieben ist und weder Opposition, noch Medien Alarm auslösten. Dagegen spricht die Hoffnung, dass die Verantwortlichen in dieser Republik nicht dermaßen unfähig sein können. Ein Detail am Rande: Die damalige Justizministerin Claudia Bandion-Ortner ist heute für die Internationale Anti-Korruptionsakademie in Laxenburg tätig. Kaum zu glauben. ♦ www.facebook.com/ueber.morgen

Wir feiern Namenstag! Ü

ber.morgen ist zwei Jahre alt. Unsere Zeitschrift erscheint schon im vierten Jahr. Klingt kompliziert, ist es auch.

Und das kommt so: Am 28. Oktober 2009 wurde das erste Zeitungs-Exemplar im besetzten Audimax der Uni Wien verteilt. Der Name: Morgen – U-Bahnzeitung der Protestbewegung. Nach acht Ausgaben mussten wir das Blatt umbenennen. Eine niederösterreichische Kulturzeitschrift hatte diesen Namen für sich reklamiert. Und so erschien am 20. Januar 2010 die erste über. Ausgabe der Morgen als über.morgen. Eine Erfolgsstory: Du hältst gerade die 24. über.morgen-Reinkarnation in deinen Händen. Und so kommt es, dass

wir am 28. Oktober Geburtstag und am 20. Januar Namenstag feiern. Besser zwei Feste feiern als eines, finden wir. „Hä? 20. Januar?“, wirst du dir denken, „Der war ja schon vor.gestern...“ – korrekt. Der Januar ist wirklich schon ein Weilchen her. Aber ein Grund zum Nachfeiern ist das trotzdem allemal, denken wir. – Wer wir eigentlich sind? Gute Frage. Als Namenstag-Special stellen sich auf dieser Seite vier Redaktionsmitglieder der über.morgen vor. Ein Novum. Nur für euch. [mahu]

Markus Schauta

Clara Gallistl

Studierte alte und weniger alte Geschichte in Graz. In den späten 90er- und frühen 00er-Jahren auf zahlreichen archäologischen Ausgrabungen: Kärnten, Nildelta, Nordalbanien, Anatolien und immer wieder Steiermark. Reisen ums Mittelmeer auf der Suche nach Forellen, antiken Ruinen, islamischen Heiligen und einer Inkarnation der Katzengöttin Bastet. Letztere fand er 2008 in einem Tierheim bei Wien. Nach kurzem Ausflug in die Kultur- und Sozialanthropologie, schreibt er sich heute als Journalist durchs Leben.

Die leidenschaftliche Beobachterin der Pop-, Sub- und Alltagskultur spaziert seit Jahren am liebsten durch Wien, wartend, dass Alter und Weisheit zu ihr kommen. Am Burgtheater hielt sie dramaturgieassistenzmäßig den Herren und Damen der hohen Schauspielkunst die Hand. Auch sonst ist sie als Zeugin für alles zu haben, was sich auf einer Bühne oder auf einer Mattscheibe spielt. An der Uni Wien existiert ihre Germanistik-Diplomarbeit als nahes Ziel. Mit zwei gesunden Händen steht sie im Leben und: Es geht ihr gut.

Bianca Mayer Faktum: Ich liebe schreiben. Schon seit immer. Angefangen bei kindlich-süßlichen Gedichten, die man in Schönschrift ins A5-Heftchen kritzelte, bis zum Tagebuch, das gut abgeschlossen im Keller verrottet. Dass ich „sowas“ später beruflich machen wollte, freute Vater weniger. „Studier etwas Ordentliches. Die Branche geht zu Grunde!“, versicherte er mir vor zwei Jahren. Ich ignorierte seinen Rat, beschloss meinen Weg zu gehen. Was man gern macht, macht man gut. Er hat seine Meinung geändert.

Jakob Arnim-Ellissen Uni brennt hat mich hineingezogen und nun komme ich nicht mehr raus. Als Redakteur, Layouter, Grafiker, ITler und nun auch noch Kolumnist. Musste und muss alles immer irgendwie sein, auch wenn ich mich lieber auf das Schreiben konzentrieren würde. Am liebsten schreibe ich über Politik. Heute ist aber sowieso alles politisch. Ich natürlich auch, bis in mein Studium. Trotzdem: Über mich selbst schreibe ich gar nicht gerne. Wäre ich doch bloß zu dieser Redaktionssitzung gegangen.


über.ich

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Teile und herrsche Editorial

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amit ist weniger - Divide et impera - die lateinische Redewendung gemeint, welche besagt, man solle eine Partei in Gruppen aufspalten, damit sie leichter zu beherrschen und damit leichter zu besiegen sei. Römische Außenpolitik vergangener Tage langweilt doch eher. Nein, der Titel bezieht sich auf ein Prinzip im Problemlösenden Denken. Die Strategie, die eigenen Kräfte aufzuteilen, um das Ziel aus mehreren Richtungen anzugehen. Beziehungsweise ein großes Ziel in kleinere Einheiten zu zerteilen und diese nacheinander abzuarbeiten. Lösungen von Teilproblemen werden anschließend zur Lösung des Gesamtproblems verwendet.

Es wird noch philosophischer Jetzt stellt man sich zwei Dinge vor. Erstens, jemand hat eine Lösung zu einem Teilproblem, will es aber nicht mit anderen teilen, weil es ja sein „Ding“ ist. Zweitens, für manche Teilprobleme ist schon die längste Zeit eine Lösung erforscht worden, aber ist nicht kommuniziert, geteilt worden – weil verboten - und verschwindet somit in der Schublade der Geschichte.

Knowledge not shared is knowledge lost Das ist genau der Punkt bei dem das Anti-Counterfeiting Trade Agreement, kurz ACTA, absolut keinen Sinn macht. Das Handelsabkommen soll internationale Standards im Kampf gegen Produktpiraterie und Urheberrechtsverletzungen etablieren und hat dabei eine sehr enge Definition von Urheberrecht. Eine Information, eine Idee von anderen die man gut findet und damit mit anderen bespricht oder teilt, kann einen – geht das Gesetz durch – zu einem Kriminellen machen. Wissen und das Weitergeben von Wissen zu kriminalisieren wäre ein großer Rückschritt unserer Zeit, denn das Internet ist die größte geistige Spielwiese und das meistvernetzte Kommunikationstool in dem noch viel Potential steckt.

Wir teilen auch gerne Das Resümee von acht Ausgaben Morgen und 23 Ausgaben über.morgen: Mit dieser Ausgabe durchbrechen wir nach mehr als zwei Jahren Zeitschrift die 500-Seiten-Schallmauer. (Woohuu!) Unsere Gedanken teilen wir noch immer gerne.

Ein Grund zum Feiern. Ebenso wie unser zweiter Namenstag (siehe Artikel auf S. 2). Viel hat sich getan seit unserer Erstausgabe im Oktober 2009. Rund um die Studierenden ist es ruhig geworden. In den verschulten Bologna-Studienplänen und den diversen Studieneingangs- und Orientierungsphasen mit ihren Knock-out-Prüfungen bleibt nicht viel Zeit für gesellschaftliches Engagement. Dennoch formiert sich langsam sachter Widerstand. Im universitären Bildungssystem hat sich seit 2009 nichts geändert. Es liegt nach wie vor im Argen. Sollten sich die Universitäten im Wintersemester 2012 der politischen Unfähigkeit halber tatsächlich dazu entscheiden, auf eigene Faust Studienbeiträge zu kassieren, so ist eine Welle der Empörung gewiss. Da wird dann auch die neue Kamera im Audimax der Uni Wien nichts helfen. Karin Stanger, Matthias Hütter

über.inhalt über.ich

S. 2-3

über.blick

S. 4-5

über.thema: ACTA

S. 6-7

über.fordert: Gesetze zu verkaufen Wir feiern Namenstag! | Editorial

Kapitän in der Krise | Bestechen (noch) legal | Uwaga geräumt Fluggastdatenübermittlung | Gefilmt und verklagt | Strache rechnet Beginnt’s in Linz? Teilen unerwünscht | Gegner und Gegnerinnen am Wort

über.leben Gewinnspiel Anlässlich unserer diversen Feierlichkeiten gibt´s eine Premiere: Wir haben ein Gewinnspiel! Wir verlosen das “Handbuch gegen Vorurteile. Von Auschwitzlüge bis Zuwanderungstsunami.” Nina Horaczek und Sebastian Wiese untersuchen mehr als 50 gängige Vorurteile und Geschichtsverharmlosungen auf ihren Wahrheitsgehalt und liefern dabei einige Überraschungen.

Was ihr dafür machen sollt Schickt uns das absurdeste Vorurteil von dem ihr je gehört habt. Das kritische Publikum wird via Facebook abstimmen. Das Vorurteil mit den meisten Likes gewinnt. Vorurteile können auf unserer Facebook-Seite gepostet, oder per E-Mail (gewinnspiel@uebermorgen.at, Betreff „Vorurteil-Gewinnspiel“) zugesandt werden. Einsendeschluss ist der 13. März 2012.

LayouterInnen gesucht LayouterInnen gesucht! Falls du mit InDesign umgehen kannst und dich in einem kleinen, feinen Team mit Typo, Grafik und Fotos austoben willst, schreibe eine E-Mail an: axt@uebermorgen.at.

S. 8-9 und 12-13

Die Leiden der jungen Studierenden Auf der Sonnenseite des Lebens Sorry, women only

über.reden: PolizistInnen in der Öffentlichkeit S. 10-11 Wolfgang Weber (Herausgeber) Werner Reisinger (Journalist) Hermann Greylinger (Polizist) Stefan Halla (Dissertant)

über.krise

World Map of Social Struggles

S. 14

über.kultur

S. 15-16

über.meinung

S. 17-18

Sheriff und Busenlilli | Die Gebildete: néccessaire | Hinter den Kulissen der Revolution | Kritisch weiblich: Der, Ausländer Rechte Rechnereien | Korru... what? Spielen wir Risiko? | Graus 2.0: Alles nur geklaut

über.reste

S. 19

Die nackten Tatsachen | Hund der Woche | Sudereck | Impressum

www.uebermorgen.at


über.blick

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über.kurz Kapitän in der Krise

Neben Finanz- und Wirtschaftskrise, beschäftigen dieser Tage auch zwei Vorfälle, die aus vermeintlichem Übermut geschehen sind. Jänner 2012 ist das Kreuzfahrtschiff Costa Concordia havariert. Bis jetzt gibt es 21 Todesopfer, sieben Personen gelten als vermisst. Dem Kapitän drohen 2697 Jahre Strafe, unter anderem wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung und Schiffbruch. Februar 2012 ist der niederländische Prinz Johan Friso im freien Skiraum von einer Lawine verschüttet worden. Derzeit kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob er wieder zu Bewusstsein gelangen wird. [mö] Kommentar S. 18

Grafik: Patrick Detz

"Aids ist eine Erkrankung, die unsere Gesellschaft mit ihren Werten und ihrer Politik grundlegend auf die Probe stellt."

Bestechen (noch legal)

Uwaga in Zürich geräumt Am 8. Februar wurde in Zürich das seit 19. Oktober 2011 besetzte „Uwaga“ (poln.: „Achtung“) geräumt. Rund 30 BesetzerInnen lebten im 6.000 Quadratmeter großen, ungenutzten Gewerbeareal, das auch Ateliers, Proberäume für Bands und Tanzgruppen, Siebdruck-, Auto- und Velowerkstätten, Fotolabor, Kino, Skatepark und Sporträume beinhaltete. Im Vorfeld der Räumung wurde zur Verteidigung des Hauses mobilisiert, da das Areal noch mindestens ein Jahr ungenutzt bleiben wird. Rund 30 Personen versuchten vor dem Gebäude Barrikaden zu errichten, als die Polizei eintraf und die Menge unverzüglich mit Gummischrot auflöste. [red]

www.facebook.com/ueber.morgen

Rita Süssmuth

Fluggastdatenübermittlung E-Mail Aktion gegen das umstrittene Abkommen

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ie Europäische Union verhandelt wieder mit den Vereinigten Staaten über die Weitergabe von Fluggastdaten. Diese sogenannten Passenger Name Records (PNR) werden von Fluggesellschaften während eines Buchungsvorgangs erhoben und sollen nun 15 Jahre lang gespeichert werden. PNR-Daten umfassen Kontaktinformationen und Angaben über den Reisenden. Dazu zählen unter anderem Adresse, Telefonnummer, Geburtstag, Kreditkartendaten und Passinformationen, aber auch personenbezogene Informationen über den Passagier, wie z.B. besondere Reisevorlieben und Beziehungen zu anderen Mitreisenden. Die Daten werden für Profiling-

Foto: flickr, wipeoutpdr

Bis spätestens Sommer 2012 wollen SPÖ und ÖVP das bestehende Korruptionsstrafrecht für PolitikerInnen und Parteienfinanzierung reformieren, kündigte SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim an. Seit einer im Jahr 2009 beschlossenen Strafrechtsnovelle ist in Österreich die Bestechung von Regierungsmitgliedern und Bürgermeistern weitgehend legal. Auch das so genannte „Anfüttern“ – AmtsträgerInnen mit gewissen Zuwendungen positiv stimmen – ist legal, solange keine konkrete Aussicht auf Geschäfte gewährt wird. [red] Kommentar S. 18

Zwecke genutzt, um bislang unbekannte Verdächtige aufzuspüren. Diese Überwachungsmaßnahme findet ohne konkretes Verdachtsmoment statt und benötigt keine

richterliche Genehmigung. Daher stellt dieses Abkommen einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Privatsphäre aller Reisenden dar! Am 13. Dezember 2011 wurde das EU-USA-PNR Abkommen vom europäischen Rat angenommen. Nun steht nur noch die Zustimmung des Europäischen Parlaments aus. Voraussichtlich werden die Abgeordneten während der Plenartagung im März über das Abkommen abstimmen. Die Initiative NoPNR startet aus diesem Grund einen Aufruf, allen Mitgliedern des EU-Parlaments E-Mails zu senden, um die Bedenken gegen das Abkommen zu äußern. Einen Textvorschlag, sowie die Adressen der Abgeordneten findet ihr auf www.nopnr.org. [ebu]


über.blick

aut Aids Hilfe kommt es in Österreich täglich zu ein bis zwei diagnostizierten Neuinfektionen mit HIV. Bisher liegt die geschätzte Zahl zwischen 12.000 und 15.000 HIVinfizierten Menschen. Zwei Drittel davon sind Männer, ein Drittel Frauen. Bis 2011 wurden rund 3.600 AIDS-Erkrankungen diagnostiziert.

Der Behandlungserfolg der letzten Jahre hat dazu geführt, dass das Risikobewusstsein gesunken ist. Daraus resultiert, dass viele HIVInfektionen zu spät diagnostiziert werden. HIV-Test und Beratung werden kostenlos und anonym bei der Aids Hilfe (www.aids.at) angeboten. [mö]

Was hier nicht liegt, steht woanders.

Gefilmt und verklagt

Strache kalkuliert

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ine georgische Familie sollte mit ihrem schwerbehinderten Kind abgeschoben werden. Die Beamten der Fremdenpolizei wurden vom Verein Purple Sheep gefilmt. Dieser gab die Aufnahmen weiter an den ORF, welcher diese ausstrahlte. In der Folge klagten zwei Beamte den Verein, weil sie sich dadurch in ihren Rechten verletzt sahen. Die Klagsumme liegt bei 23.000 Euro, was bei Erfolg der Klage das Ende für den Verein bedeuten würde. Die Familie bekam aufgrund der Behinderung der Tochter eine Niederlassungsbewilligung. Der Verein hingegen vermutet in der Klage einen Präzedenzfall, so dass Polizeibeamte in Zukunft bei solchen Einsätzen nicht mehr gefilmt werden dürfen. [red] Kommentare ab S. 8

Foto: flickr, michaelthurm

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C Strache hat sich auf Facebook durch besonders originelle Beiträge zur Asyldebatte hervorgetan: Glaubt man den Grafiken, auf denen der Lohn eines fiktiven Facharbeiters den Einkünften einer asylwerbenden Familie aus Sozialleistungen gegenübergestellt wird, lebt letztere wie die Made im Speck im Schoße des Wohlfahrtsstaates Österreich. Recherchen von SOS Mitmensch jedoch haben ergeben, dass die Zahlen nicht nur frei aus der Luft gegriffen sind, sondern die Grafik sogar von der rechtsextremen „Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik“ entlehnt wurde. [vic] Weitere Infos unter: www.sosmitmensch.at. Kommentar S. 17

Beginnt’s in Linz?

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rühling2012 heißt eine neue Plattform in der Stahlstadt. Frühling – bei diesem Wort hört man die Vöglein zwitschern: Arabischer Frühling, Prager Frühling - das Wort steht für einen neuen Anfang. Kommt nun der Linzer Frühling? „Wir sehen viele Lebensbereiche, wo die Dinge oft bis ins kleinste Detail im Argen liegen und wollen uns nicht länger damit abfinden, wie es zur Zeit läuft“, erzählt Gerda Haunschmid. Initiiert von Stefan Schartlmüller kam im Winter 2011 ein bunter Knäuel engagierter Menschen zusammen. Der Entschluss: „Wir brauchen nichts neu erfinden! Engagement, Wissen, Ressourcen - das alles ist in Hülle und Fülle vorhanden – wir sollten nur unsere Kräfte bündeln.“

Ein Prozess mit regelmäßigen, zweiwöchigen Vernetzungstreffen wurde angestoßen und die Menschen kamen zahlreich. Bald entschloss man sich etwas Großes auf die Beine zu stellen. Als Höhepunkt der derzeitigen Bemühungen und Treffen planen die Linzer eine große, mehrtägige Veranstaltung, bei der es Vorträge, Diskussionen, Workshops, Aktionen sowie ein breit gefächertes Rahmenprogramm geben soll. Themen: Nachbarschaftshilfen, Tauschkreise, Kunst- und Kulturinitiativen, politische und wirtschaftliche, soziale und gemeinschaftliche Alternativmodelle. Die Räumlichkeiten hat man auch schon gefunden - in der alte Tabakfabrik. Denn das gesamte Gelände des denkmalgeschützten, ehemaligen Industriebetriebes an der Unteren Donaulände wurde wieder akti-

viert. Damit stehen ganze 80.000 Quadratmeter Raum zur Verfügung. Das Team der Tabakfabrik möchte eine lebendige Community aus KünstlerInnen und Kreativen, aus Kreativwirtschafts-UnternehmerInnen und Innovationstreibende, aus Bildungs- und Gesellschaftspolitik-Organisationen aufbauen und begleiten. Ein brodelndes Labor der Ideen soll entstehen und Lust darauf machen, die Tabakfabrik zu einem Ort des Fortschritts und der Vielfalt zu transformieren. Eine riesige Chance für die Stadt Linz. Vor allem soziale und kulturelle Veranstaltungen sollen den Vortritt bekommen. Wenn man daran denkt, dass großes soziale Bewegungen auch immer Raum brauchen und das Aneignen oder Halten dieser oft viel Kraft kostet, wie in der #unibrenntBewegung, darf man gespannt sein

Foto: frühling2012: tschörda

Neue Initiative in der Stahlstadt

wie sich die Tabakfabrik entwickelt. Auch kosten große Veranstaltungsräume normalerweise viel Geld. "Nicht so in der Tabakfabrik. Für unsere Initiative frühling2012 ist das die perfekte Symbiose”, freut sich Stefan Schartlmüller. [angr] Infos zu frühling2012: http://fruehling2012.servus.at/ www.uebermorgen.at


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über.thema

Teilen unerwünscht D Eine persönliche Auseinandersetzung Ich war fünf Jahre alt, als das Internet das Licht der Welt erblickte. Während der vergangenen 20 Jahre hat es sich in unglaublicher Art und Weise weiterentwickelt und ich mich mit ihm: Ende der 90er wagte ich die ersten paar zaghaften Schritte, Anfang der Nuller-Jahre folgte schließlich mein erster E-Mail-Account, 2005 dann mein erster Blog. Das sogenannte Web 2.0 ist ein Grund, warum ich immer noch hier bin. Twitter, Facebook, Google+, YouTube, Tumblr oder wie sie alle heißen mögen - manche „sozialen“ Netzwerke sind aus meinem täglichen Leben nur mehr schwer wegzudenken. Laut ACTA wäre ich also ein Paradekrimineller, ein Profiteur der illegalen Gratiskultur und Schuld an Milliardenverlusten und Jobabbau. Wie kann ich nur? Dieses Anti-Counterfeiting Trade Agreement ist, obwohl bisher so wenig von ihm bekannt ist, schon jetzt eine große Gefahr für das natürliche Auftreten im Internet. Unsere Sozialisation sollte uns gelehrt haben, zu teilen: Social Media bietet uns dafür ganz simple Möglichkeiten. Ein lustiges Video, ein interessantes Bild, eine Leseempfehlung: Wir posten es umgehend in unseren Netzwerken. Aber denken wir dabei nach, von wo diese Inhalte kommen? Ist das überhaupt unsere Aufgabe?

as WorldWideWeb soll kein rechtsfreier Raum sein, aber mit ACTA würde es generalkriminalisiert werden. Das dürfen wir nicht zulassen, denn viel zu viel steht auf dem Spiel.

Wie wir zu teilen lernten Wir sind damit aufgewachsen. Wir haben gelernt, Inhalte in unseren Kreisen zu teilen. Nahm man früher eine VHS-Kassette auf, erzeugte Mixtapes auf Musikkassetten und schnitt interessante Beiträge aus der Zeitung aus, so macht man heute nichts bedeutend anderes. Heutzutage passiert all das online, und während man damals nur einen kleinen Kreis erreichte, wuchs dieser in Zeiten der „sozialen Medien“ rapide an. Doch was damals geduldet wurde, soll heute ein Verbrechen sein? Der New Yorker Investor Fred Wilson erklärte letztens, dass wir alle (die berühmten 99 Prozent) Piraten sind, weil es einfach nicht anders möglich ist. Wenn alle das Gesetz brechen, sind nicht automatisch alle Verbrecher. Möglicherweise wäre es ganz einfach an der Zeit, das Gesetz zu überdenken. Doch mit ACTA würden wir uns ganz weit davon wegbewegen. Hier geht es um Kriminalisierung, um Zensur, um das Umgehen der staatlichen Judikative.

In der Piratenbucht Musik, Filme, Serien: Ich habe alles heruntergeladen, was es zum herunterladen gab. Hatte ich Gewissensbisse, möglicherweise sogar Schuldgefühle? Nicht wirklich. Doch seit es in Österreich z.B. Spotify gibt, habe ich mir kein einziges Album mehr heruntergeladen. Warum? Weil ich hier all die Musik legal und zum Pauschaltarif bekomme, die ich mir normalerweise illegal in der Piratenbucht geholt hätte. Doch warum ist es so schwierig, etwas Derartiges auch für Serien und Filme anzubieten? Und all die Autoren, die in den klassischen

Dominic Leitner

Medien über die böse Jugend (und ihren Unwillen, für Content zu bezahlen) schimpfen: Kann mir irgendjemand erklären, warum eBooks im deutschsprachigen Raum dank der Buchpreisbindung meist nur minimal billiger sind als deren gedruckte Pendants? Sobald der Preis in irgendeiner Relation zum bereitgestellten Content steht, könnten möglicherweise auch Autoren wieder von ihren Büchern leben.

Alles nicht so schlimm? Immer mehr Medien nehmen sich des Themas an: Zuletzt las ich in den OÖN einen Pro-Kommentar, in dem erklärt wurde, dass ACTA nicht den einzelnen User gefährden soll, sondern jene kriminellen Organisationen, die mit den Piraterieprodukten auch Geld verdienen. Klar, ACTA ist so vereinfacht geschrieben, dass es in erster Linie nicht gefährlich aussieht. Doch gerade deshalb, weil es vieles offen hält, kann es Grundlage für Zensur, für Internetsperren und einem Ende der Meinungsfreiheit und der Innovation sein. Das WWW soll kein rechtsfreier Raum sein, aber in einer vernetzten Welt wie der unseren darf ein Abkommen wie ACTA auf gar keinen Fall ratifiziert werden. Es würde den Untergang von all jenem bedeuten, mit dem wir groß geworden sind. Das ach so gelobte Zeitalter des „UserGenerated Contents“ wäre am Ende – zu groß ist die Gefahr, gegen irgendwelche Urheberrechte zu verstoßen. Treten wir also erstmal alle gemeinsam gegen ACTA auf. Und dann setzen wir uns zusammen, überlegen, wie wir das Urheberrecht reformieren könnten und hoffen darauf, dass die Rechteinhaber sich endlich auf die Suche nach einem neuen Geschäftsmodell machen, welches nicht unbedingt in erster Linie mit Verklagen oder Kriminalisieren zu tun hat, okay? ♦

FOTO: Christopher Glanzl

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ACTA über.thema

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Gegner und Gegnerinnen am Wort

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as Anti-Counterfeiting Trade Agreement ist ein Handelsabkommen, das internationale Standards gegen Produktpiraterie und Urheberrechtsverletzungen etablieren soll. Gegen seine Ratifizierung wurde europaweit demonstriert, auch in Österreich fanden Kundgebungen mit mehreren tausend TeilnehmerInnen statt. Erste Erfolge stellten sich rasch ein: mehrere EU-Staaten setzten die Ratifizierung aus und nun soll der Europäische Gerichtshof klären, ob ACTA europäisches Recht verletzt. Der Beschluss des Abkommens durch das EU-Parlament könnte sich dadurch um bis zu zwei Jahre verzögern. Um zu erfahren warum ACTA derart umstritten ist, lassen wir, in Kooperation mit neuwal.at seine GegnerInnen zu Wort kommen.

„Beim Handelsabkommen ACTA klammert sich die Europäische Union an die Hoffnung, dass der Schutz geistigen Eigentums eine essenzielle Grundlage für Innovation und Fortschritt ist“, so Eberhard Lauth von zib21.com. Auch hier soll Bestehendes (die Vergangenheit) die Zukunft absichern, was Lauth skeptisch stimmt. Vor allem, weil hier mit perfiden Argumenten vorgegangen wurde: ACTA verkleidete sich als Handelsabkommen, da konnte man nichts dagegen haben, der Handel soll schließlich florieren. „Schon das Zustandekommen der ACTA Vereinbarung ist suspekt. Es ist geheim und damit ohne demokratische Kontrolle entstanden und ‘wurde augenzwinkernd’ durchgewunken“, so Reinhard Fellner von der Partei Soziales Österreich. Große Konzerne erhalten durch ACTA Rechte über persönliche Daten von Usern des Internets via Provider schon auf Verdacht hin ohne Rechtsschutz für den oder die Betroffenen (vergleichbar einem Lauschangriff ohne richterliches Einverständnis). Das Soziale Österreich fordert ein Nein der Regierung zum ACTA Regelwerk. Die KPÖ Österreich sieht eine solidarische Antwort in anderen Zielen: Pluralisierung und sozialer Ausgleich. Das bedeutet, dass ProduzentInnen von immateriellen Gütern und Werken in erster Linie (vorbei an der Medienindustrie) für ihre Arbeit gerecht entlohnt werden. Abgaben auf Providergebühren, auf Internetwerbung gingen in diese Richtung. Sie würden einerseits Pluralität und Netzfreiheit erhalten bzw. evtl. auch ausbauen helfen und auf der anderen Seite jedoch die eigentlichen ProduzentInnen um die materiellen Früchte ihrer geistigen Arbeit bringen.

Hans Zeger (ARGE Daten) stellt sich die Frage, ob das Internet einen öffentlichen Raum darstellt, in dem möglichst wenig reguliert wird und in dem die Grundrechte (z.B. Meinungsfreiheit) gelten. Niemand wird auf Straßen verpflichtet, auf andere „aufzupassen“, zu überwachen oder Rechtsverstöße anzuzeigen. ACTA auf den öffentlichen Raum (Straße) umgelegt würde bedeuten, dass jeder, der den Durchgang über sein Grundstück erlaubt, immer prüfen müsste, ob der Passant vielleicht auf seinen MP3-Player Musik hat, die unter das Urheberrecht fällt. Was für die Straße offensichtlich absurd ist soll im Internet gelten?

FOTOs: Flickr, Johannes Rupert, Otto de Voogdt

Michael Bauer vom Verein für Internet-Benutzer Österreich sieht die Tücke von ACTA in den geheimen Verhandlungsunterlagen: Weder die Öffentlichkeit noch die Abgeordneten wissen tatsächlich davon, was unterschrieben wurde. Mit ACTA kaufen wir uns die Katze im Sack. Deshalb kann ACTA erst ratifiziert werden, wenn sämtliche Verhandlungsdokumente öffentlich gemacht wurden und eine durchgehende Prüfung durch die Öffentlichkeit vollzogen ist.

FOTOs:

Flickr

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„SMASH ACTA“, meint Didi Zach von der Wiener KPÖ und befürchtet, dass ACTA eine Kontrolle von privaten oder vertraulichen E-Mails hinsichtlich ihres Inhaltes zur Folge hätte. Bilder oder Tondateien, auch wenn sie selbst erzeugt wurden, könnten spätestens dann nicht mehr mit ruhigem Gewissen per E-Mail verschickt werden. Im schlimmsten Fall werden Menschen für das Teilen von Zeitungsartikeln bestraft. Die KPÖ Wien sagt aus prinzipiellen Gründen, dass Information frei und kostenlos zu sein hat. „Unter dem Deckmantel des Urheberschutzes wird nicht nur Demokratieabbau betrieben, sondern, es findet auch eine massive Behinderung von Forschung & Entwicklung statt“, meint die Sozialistische Linkspartei (SLP). Wenn Menschen durch ACTA & Co. daran gehindert werden, Forschungsergebnisse auszutauschen und zu verbreiten, dann wird Forschung in Inhalt und Umfang auf das wenige beschränkt, was für die Profite der Großkonzerne von Interesse ist. Die SLP fordert daher ein Streichen von Patentrechten, Urheberschutz und freien Zugang für Alle. Siegi Lindenmayr (Landtagsabgeordneter SPÖWien Alsergrund) sieht eine stetig wachsende Personengruppe, sowohl KonsumentInnen als auch ProduzentInnen, kreativ in Sozialen Netzwerken unterwegs. Sozialdemokratische Kulturpolitik, wie es Hr. Lindenmayr versteht, arbeitet für einen breitest möglichen Zugang zur Vielfalt des künstlerischen Lebens. Siegi Lindenmayer fordert daher die Gewahrung eines breitest möglichen Zugangs zur Vielfalt des kulturellen Angebotes unter Nutzung moderner Vertriebswege für alle und lehnt die Unterzeichnung von ACTA ab. ♦ www.uebermorgen.at


über.leben

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Die Leiden der jungen Studierenden

I

mmer mehr Studierende werden von Stress und zu hoch gesetzten Zielen unter Druck gesetzt. Nicht immer ist es einfach, eine Trennlinie zwischen Burnout und Depression zu ziehen.

Bianca Mayer FOTO: Flickr, Meredith farmer

,,Es war, als ob mich nichts mehr glücklich machen konnte. Kein Film, kein Lied, keine Party. Ich wollte nicht mehr aus dem Haus gehen“, berichtet Katharina (21), Studentin im 2. Semester.

Dich kann weder etwas glücklich, noch traurig machen. Du denkst darüber nach, was es überhaupt für einen Sinn hat, dass du lebst, lernst, arbeitest. Burnout-Syndrom. Das von vielen als neumodische Volkskrankheit belächelte Phänomen des 21. Jahrhunderts. Man könnte denken, dass der Leistungsdruck vor allem TopmanagerInnen und Konzernchefs der obersten Etage beträfe. Doch dem ist nicht immer so. Denn wer es zu etwas bringen möchte, muss früh anfangen. Topleistungen erbringen, vom Startschuss – mit der Schultüte in der Hand - an. So wird es uns zumindest eingetrichtert. Sei es in der Schule oder später im Studium. Wenn man seinen zehnjährigen Geschwistern zuhört, geht es bloß um Noten. Nicht um das Wissen, was eigentlich dahinter stecken sollte. Wer hat das beste Ergebnis in Mathe, wer wird die meisten Einsen haben, wer wird es nicht schaffen und möglicherweise die Klasse wiederholen müssen. Der Konkurrenzkrampf beginnt bereits in frühen Jahren und setzt sich später im Studium fort. www.facebook.com/ueber.morgen

Was der Grund für Katharinas Erschöpfung ist, liegt auf der Hand. Angst vor dem Versagen. Die Angst, das Studium nicht rechtzeitig zu beenden, es gar nicht zu beenden, die Prüfungen zu Semesterende nicht beim ersten Antritt zu schaffen, später einen schlechten Schnitt zu haben und keinen den Qualifikationen gerecht werdenden Beruf zu finden. Täglich lesen wir Schreckensmeldungen in den Nachrichten, es wird korrupt gehandelt, es werden gute Leute entlassen, Existenzen vernichtet. Nicht jeder kann dem auf ihn täglich einprügelnden Pessimismus trotzen. Die WHO hat beruflichen Stress zu "einer der größten Gefahren des 21. Jahrhunderts" erklärt. Bis 2030 könnte die Depression die primäre Ursache von Krankheitsbelastungen sein. Vor allem in den so genannten reichen Ländern – wie Österreich. Eine Aussage, die beinahe wie eine Provokation klingt: Wer also sonst „keine“ Sorgen hat, wird mit der schon fast fairen Alternative der Depression bestraft.

Das Scheitern der PerfektionistInnen Der Bachelor verlangt StudentInnen jeder Studienrichtung viel an Leistung ab. Vielleicht zu viel in zu kurzer Zeit? Fakt ist, dass das System verschulter geworden ist. Man fällt auf, sobald man zurückfällt. Das Ziel, den Bachelor in sechs Semestern zu absolvieren, ist scheinbar dennoch machbar. Auch wenn man zwei Studien parallel absolviert - wie in Marlenes Fall. ,,Ich würde mich als Perfektionistin und Vielleisterin bezeichnen,

im schlimmsten Fall überlaste ich mich in einem Semester mit 20 zusätzlichen ECTS, weil mich irgendetwas in meinem Innersten antreibt. Die Ansprüche, die die ehrgeizigen StudentInnen an sich selbst stellen, sind meiner Meinung nach ungemein hoch.“ Das Problem kennt auch Lukas (23), Student im 4. Semester: ,,Es ist ein dauerhafter Null-Zustand. Du fühlst nichts, du willst nichts, du bist einfach da. Ohne Sinn. Dennoch versuche ich beim nächsten Antritt alle weiteren Prüfungen hinter mich zu bringen.“ Was uns weiters zu denken geben sollte ist die Tatsache, dass sowohl die Matura als auch das Studium von Jahr zu Jahr an Wert verlieren. In

Es ist ein dauerhafter NullZustand. Du fühlst nichts, du willst nichts, du bist einfach da. Ohne Sinn. gewissen Branchen ist die Flut der AbsolventInnenmassen ein gutes Mittel zur Anhäufung von Humankapital und gleichzeitiger Senkung der Löhne. Natürlich ist es gut, dass die sozialen Barrieren zum Studieren begradigt wurden. Dennoch fallen einem immer wieder Menschen – womöglich sogar im eigenen Freundeskreis – auf, die scheinbar keinerlei Interesse am Fach haben und


über.leben

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FOTO: Flickr, fakelvis

nur aus falschem Stolz angefangen haben zu studieren. Die erkennt man auch meist daran, dass sie sich nicht aus purem Ehrgeiz überlasten wollen. Es scheint fast, als gäbe es zwei Extreme und

Man kann sich glücklich schätzen, wenn man den größten Teil des Tages schläft. Dann denkt man nicht nach. kein ideales Mittelmaß. Die einen, vom Perfektionismus zu Höchstleistungen angetrieben - die anderen, kaum fähig die notwendigen 15 ECTS für die Familienbeihilfe abzuliefern. Wann Stress zu viel wird, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich.

Wege zur Lösung ,,Der Weg vom Burnout zur Depression kann fließend verlaufen.“, so Mag. Garbsch von der Psychologischen Beratungsstelle für Studierende Wien – eine Zweigstelle des Bundesministeriums für Wissenschaft. Das Ziel dieser Einrichtung ist die Unterstützung der Betroffenen mit Hilfe von psychologischen und psychotherapeutischen Methoden, als Beitrag zu einer aktuellen Problembewältigung. Nach dem Erstgespräch werden die Probleme der Studierenden abgeklärt und geeignete Maßnahmen für deren Lösung

besprochen. Im Jahr 2010 gab es insgesamt 4135 KlientInnen mit denen 13.799 Beratungskontakte stattgefunden haben – sowohl in Einzelkontakten, Gruppenkontakten als auch Kurzkontakten. 64,1 Prozent der KlientInnen kommen von der Universität Wien und bilden damit den Großteil. Die Geschlechteraufteilung ist eindeutig: 70 Prozent der KlientInnen sind weiblich. Den größten Themenschwerpunkt bildet mit 38,3 Prozent der psychische und der Persönlichkeitsbereich. Dabei stellt sich die Frage, warum Frauen scheinbar häufiger vom Burnout betroffen sind als Männer. ,,Frauen geben psychische Erkrankungen eher zu als Männer“, klärt Mag. Garbsch auf. Katharina (21) berichtet von ihren Erfahrungen Anfang letzten Jahres. ,,Du willst nichts. Du willst einfach nichts. Dir geht es weder gut noch schlecht. Alles, was für dich in diesem Moment existiert, ist dein Zimmer und dein Bett. Man kann sich glücklich schätzen, wenn man den größten Teil des Tages schläft. Dann denkt man nicht nach.“

Zwischen Stress und Antriebslosigkeit Es ist wichtig, zwischen Antriebslosigkeit und Burnout zu unterscheiden. Mag. Garbsch erklärte dies folgendermaßen: Antriebslosigkeit ist ein Symptom von Burnout. Genauso wie Lustlosigkeit, Schlafstörungen und mangelnde Konzentration. ,,Worüber man nachdenkt? Definitiv nicht darüber, was einen gerade glücklich machen würde. Denn es gibt nichts. Dich kann

weder etwas glücklich, noch traurig machen. Du denkst darüber nach, was es überhaupt für einen Sinn hat, dass du lebst, lernst, arbeitest. Und ob es überhaupt jemandem auffällt, wenn es dich nicht geben würde.“ Burnout und Depression sind generell schwer zu unterscheiden. Das Burnout hat jedoch viel mehr mit Stress zu tun. Wenn der Stress weg ist, wird meist auch das Burnout besser - im Berufsleben beispielsweise durch einen Wechsel des Arbeitsplatzes. Die Depression hingegen wird nicht unbedingt besser. Es gibt fließende Übergänge. Einen wissenschaftlich etablierten Lösungsentwurf für die Allgemeinheit gibt es gegen das

Die Ansprüche, die die ehrgeizigen StudentInnen an sich selbst stellen, sind meiner Meinung nach ungemein hoch. Burnout leider nicht - dieser muss für jede/n StudentIn individuell zusammengestellt werden. Ein sicherlich nicht außer Acht zu lassender Ratschlag ist der, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Lernen und Freizeit herzustellen und somit Struktur in den Alltag zu bekommen. Sodass die Lernzeiten ein Ende haben und das StudentInnenleben – wie es schließlich auch sein soll – in vollsten Zügen genossen werden kann. ♦ www.uebermorgen.at


über.reden

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Demokratie oder Polizeistaat Gastkommentar Die Frage ist nicht, ob PolizistInnen gefilmt werden dürfen, oder nicht. Die Frage ist vielmehr, ob wir in einer Demokratie leben wollen, oder in einem Polizeistaat. Demokratie braucht Transparenz und das betrifft auch die Arbeit der Polizei. Wie wichtig das ist, sieht man im Internet, wo die Bilder von Übergriffen durch die Polizei in den letzten zwei Jahren erst stark zugenommen haben, um dann nur noch vereinzelt aufzutauchen. Denn wenn sich eine Demokratie nicht durch den WählerInnenwillen, sondern nur noch durch massive Polizeigewalt und restriktive Gesetze legitimieren kann, unterscheidet sie sich durch nichts mehr von einem totalitären Regime. Das haben auch die Regierungen erkannt, weil eben solche Bilder das ganze System der repräsentativen Demokratie in Frage stellen. Unmenschliche Gesetze sind verantwortlich für das Engagement und den Widerstand vieler Menschen, so auch von Karin Klaric vom Verein Purple Sheep. Der Verein betreibt das sogenannte „Freunde schützen“-Haus in Wien Meidling. Hier finden von Abschiebung bedrohte Menschen Rechtsbeistand und in Fällen, in denen die Abschiebung unmittelbar bevorsteht, auch

Obdach. Der Fall der kosovarischen Flüchtlingsfamilie mit ihren Zwillingen hat viel Staub aufgewirbelt, auch weil die Beamten ein Sturmgewehr zur Abschiebung dabei hatten. Dieser grotesken Tatsache hätte ohne Bilder niemand Glauben geschenkt und in einer ersten Reaktion wurde die Mitnahme des Sturmgewehrs von der Behörde auch bestritten. Nachdem die Bilder vorlagen und weiteres Leugnen zwecklos war, sah man den Fehler ein und der Chef der Fremdenpolizei musste seinen Hut nehmen. Aber es dauert eine Weile, bis sich ein schwerfälliger Apparat auf die neuen Verhältnisse einstellt. Monate später wurde versucht, widerrechtlich ein schwer behindertes Mädchen abzuschieben. Wieder war eine Kamera dabei, diesmal vom Verein Purple Sheep und wieder wurden die Bilder im Netz veröffentlicht. Die Behörde selbst hat nichts dagegen unternommen. Die in zivil anwesenden PolizistInnen jedoch haben eine private Klage gegen den Verein eingebracht. Sie wollen nicht bei einer „inhumanen und inakzeptabel angesehenen Amtshandlung“ gezeigt werden. Genau das aber hilft, um in Zukunft solche Amtshandlungen der Polizei zu verhindern. Offensichtlich wollen weder die Beamten, noch die BürgerInnen „inhumane und inakzeptable“ Amtshandlungen. Daher ist es unerlässlich,

dass Beamte im Dienst, ob zivil oder in Uniform, uneingeschränkt gefilmt werden dürfen. Es kann kein Zufall sein, dass die Frage, ob gefilmt werden darf oder nicht, noch nicht ausjudiziert ist, und mensch darf mutmaßen, dass die Behörde deswegen lieber die Beamten privat klagen ließ, als einen Präzedenzfall zu schaffen. Sollte dieser Klage allerdings stattgegeben werden, wäre das ein weiterer Schritt in Richtung Polizeistaat, aber auch der Startschuss für breiten Widerstand. ♦ Wolfgang Weber Der Autor ist Herausgeber des Internet-Nachrichtensender WienTV.org.

Der Schmied und der Schmiedl Gastkommentar Eine Szene, wie sie sich in Wien des Öfteren abspielt. Ein Polizeieinsatz gegen abzuschiebende AsylwerberInnen beim Verein purple sheep – das Gegenstück zu Fekters „Kompetenzzentren für aufenthaltsbeendende Maßnahmen“ – wird gefilmt, die BeamtInnen sind in Bild und Ton wiedererkennbar. Die Bilder wurden unter anderem in der Sendung „Heimat fremde Heimat“ gezeigt – jetzt klagen die Gefilmten den Verein, sehen ihre Persönlichkeitsrechte verletzt. Ein Präzedenzfall zur Frage, ob man Polizei im Einsatz überhaupt filmen darf, meinten dazu APA und der Standard. Dabei regelt das österreichische Strafgesetzbuch diese Fragen eigentlich ziemlich eindeutig. „Prinzipiell sind amtshandelnde Beamte, besonders in Uniform, Personen öffentlichen Interesses. Als solche dürfen von ihnen Bild- und Tonaufnahmen angefertigt werden“, weiß Johann Golop von der Wiener Polizei. „Auf was es ankommt, ist, ob und in welcher Weise Aufnahmen veröffentlicht werden. Persönlichkeitsrechte müssen in jedem Fall gewahrt werden.“ „Dass wir als klitzekleine NGO www.facebook.com/ueber.morgen

jetzt von den Beamten privat geklagt werden trifft uns als schwächstes Glied der Kette. Wieso wird der ORF für die Veröffentlichung nicht belangt?“, empört sich hingegen Karin Klaric von purple sheep. Sie betont, dass der Verein von Anfang an klargestellt hat, dass er seine Aufgabe darin sieht „Illegale“ unterzubringen – und zu dokumentieren, wie mit den Missliebigen verfahren wird. Auch wenn – durch die so geschaffene Öffentlichkeit – in diesem Fall das Ziel erreicht wurde: Die Aktion zieht neben dem für den Verein möglicherweise existenzbedrohenden juristischen Nachspiel auch moralische Fragen nach sich. Wie soll mit BeamtInnen umgegangen werden, die möglicherweise selber moralische Probleme bei einer entsprechenden Amtshandlung haben? Ein Polizeibeamter ist nie „nur“ öffentliche Person, sondern immer auch Individuum, mit allen garantierten Rechten. Fehlverhalten wie Polizeigewalt – möge es auch noch so häufig vorkommen – kann kein Vorwand für ein Generalvorurteil sein. Der Fall zeigt exemplarisch: Zivilgesellschaftliche Aktionen, von NGOs oder Privatpersonen, stehen vor dem Problem, dass es nicht immer möglich

ist, die bestehenden Gesetze und Regelungen einzuhalten. So wichtig ziviler Widerstand gegen moralisch untragbare Praktiken ist, so zweifelhaft wird er aber, wenn die Ausführenden als Privatpersonen zum Handkuss kommen. AktivistInnen müssen sich jeweils die Frage stellen, ob es Sinn macht, den Schmiedl zu belangen, wenn man eigentlich zum Schmied gehen müsste. ♦ Werner Reisinger Der Autor ist Journalist und Historiker und lebt in Wien.


über.reden

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wei Polizeibeamte haben den gemeinnützigen Verein Purple Sheep verklagt, weil sie in Filmaufnahmen ihre Rechte verletzt sahen. Wir nahmen diese Klage zum Anlass und haben gefragt, ob Beamte bei der Ausübung ihrer Pflicht gefilmt und diese Aufnahmen dann veröffentlicht werden dürfen. Dazu holten wir vier Meinungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln ein.

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Filmen und Fotografieren verboten Gastkommentar Die Polizei ist die Organisation in Österreich, die Menschenrechte sichert und ihnen zum Durchbruch verhilft. Dieser Aspekt wird leider selten wahrgenommen bzw. in den Hintergrund gedrängt. Im Zuge der Polizeiarbeit kommt es immer wieder zu Situationen, in denen das Gewährleisten von Menschenrechten zwangsläufig auch mit dem Eingriff in die Menschenrechte eines anderen einhergeht. Das ist immer eine Gratwanderung. Um ein Recht zu wahren, muss in ein anderes eingegriffen werden. Wichtig ist, dass all dies maßhaltend geschieht. Das ist das oberste Prinzip des gesamten polizeilichen Handelns. Wir wollen nur so wenig eingreifen, wie es unbedingt notwendig ist, um einen gesetzmäßigen Zustand herzustellen. Die Kolleginnen und Kollegen wer-

den darauf hoch professionell vorbereitet. Die Polizei hat im menschenrechtlichen Bereich eine lange (gute) Tradition. Jüngste Umfragen, wonach die Vertrauenswerte der Bevölkerung in die Polizei deutlich über 80 Prozent liegen, belegen dies deutlich. Bei dieser Klage geht es nicht, wie anders argumentiert wird, um den Versuch, Bürgerinnen und Bürger einzuschüchtern. Eventuelle Missstände werden innerhalb der Polizei sehr genau durchleuchtet, dazu bedarf es keiner privaten Fotos oder Filmaufnahmen, die sich dann vielleicht in verschiedensten elektronischen Medien wieder finden. Es geht darum, die Rechte der betroffenen Kollegen zu wahren und sie selbst zu schützen. Es ist Tatsache, dass das Gegenüber immer aggressiver wird und tätliche Angriffe sowie Drohungen gegen Kolleginnen und Kollegen im Steigen

begriffen sind. Dagegen muss entschieden aufgetreten werden. ♦ Hermann Greylinger Der Autor ist Vorsitzender der Polizeigewerkschaft und Mitglied der Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen.

Polizei bei der Arbeit filmen? Ja bitte! Gastkommentar Es spricht meiner Meinung nach vieles dafür, aber eigentlich nichts dagegen, die Polizei bei ihrer Arbeit zu filmen. Vom rechtlichen Standpunkt aus gilt in Österreich einfach ausgedrückt die Filmfreiheit. Es ist daher grundsätzlich zulässig, die Polizei bei ihrer Arbeit zu filmen, solange mensch dadurch einen Polizeieinsatz nicht behindert. Dies gilt nicht nur für große Medienunternehmen, sondern auch für jede und jeden Einzelnen, der oder die privat mit der Videokamera unterwegs ist. Medien und private FilmerInnen haben neben ihrer Arbeit als BerichterstatterInnen, auch indirekt eine wichtige Kontrollfunktion. Durch ihre Anwesenheit und filmerische Tätigkeit schauen sie der Polizei bei ihrer Arbeit auf die Finger. Eine Videoaufnahme beispielsweise von einem gewalttätigen Übergriff durch PolizistInnen oder einer grundlosen Verhaftung, sprechen oft mehr als tausend Worte. Man denke beispielsweise nur

daran, welche Wirkung die Bilder und Videoaufnahmen der Polizeigewalt bei der Räumung des Schlossgartens in Stuttgart oder vom Tahrir Platz in Kairo auf die öffentliche Meinung haben. Während Erzählungen und AugenzeugInnenberichte sehr leicht abgetan werden können, ist dies bei Videoaufnahmen nicht so einfach der Fall. Es geht hier aber nicht darum die Polizei schlecht zu machen. Die Polizei hat in einem Staat das Gewaltmonopol inne – nur sie darf Gewalt in bestimmten Fällen einsetzen. Diese Sonderstellung rechtfertigt auch eine entsprechende Kontrolle, die eben auch durch das Filmen von Polizeieinsätzen erfolgt. Das Gewaltmonopol und dessen Stellung in der Gesellschaft als staatliches Organ ist auch der Grund, weswegen der Polizei im Unterschied zu Medien und privaten FilmerInnen nicht die Filmfreiheit zukommt. Würde die Polizei nämlich alles und überall filmen dürfen, hätten wir einen Überwachungsstaat. Das Filmen von Polizeieinsätzen ist daher

meiner Meinung nach weder störend noch eine Behinderung für die Polizei, sondern in einer Demokratie notwendig und wichtig. ♦ Stefan Halla Der Autor studiert Rechtswissenschaften an der Universität Wien und schreibt gerade an seiner Dissertation. www.uebermorgen.at


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über.leben Grundstück darf jemals durch Kinder, die unter 18 Jahren alt sind, bewohnt werden; ausgenommen hiervon sind Kinder als Besucher, die für maximal 60 Kalendertage eine Wohnberechtigung erhalten können“. Man könnte auch sagen in den Sun Cities gibt es keinen Generationenkonflikt, weil es keine Generationen gibt.

Auf der Sonnenseite des Lebens? I

Illusion des Perfekten

n den USA werden seit den 1960er-Jahren so genannte Sun Cities ausschließlich für RentnerInnen erbaut. In Österreich bedeutet Wohnen im Alter oft den Gang in ein Seniorenheim. Beide Modelle sind weit von einer idealen Lösung entfernt.

Anstelle einer solchen Großraum-Enklave, existieren in Österreich einzelne, auf alte Menschen spezialisierte Einrichtungen. Dazu gehören neben dem betreuten Wohnen vor allem SeniorInnenund Pflegeheime. Der Verdrängung von Alter und Tod in den Sun Cities wird damit ein Modell gegenübergestellt, das gerade diese Aspekte ins Zentrum rückt. Doch auch hier geht die Entwicklung in Richtung Lifestyle. Das Altersheim von heute trägt den klingenden Namen SeniorInnenresidenz und bietet den potentiellen KundInnen soviel Eigenständigkeit wie möglich. Eine andere,

Anne Erwand

Mit aller Macht wird versucht, die Themen Tod und Alter zu verdrängen.

I

m Jahr 2050 werden rund 70 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben. Damit stellen sich auch Fragen nach funktionierenden Formen des Zusammenlebens. Im Zuge des demographischen Wandels werden es dabei vor allem alte Menschen sein, auf die zukünftig verstärkt geachtet werden muss. Das Leben im Alter und das Leben in der Stadt zu kombinieren, ist eines der Ziele der Sun Cities. Diese künstlich angelegten RenterInnenstädte in den USA bieten ihren BewohnerInnen scheinbar alles, um einen entspannten und glücklichen Lebensabend verbringen zu können.

Paradies für RenterInnen? Die Sun City Arizona, die größte und älteste der insgesamt 15 Sonnenstädte in den USA, verfügt über 19 Shoppingcenter und acht Golfplätze. Die rund 48.000 BewohnerInnen sind in über 130 Vereinen organisiert – vom Club für ehemalige CIAAgentInnen bis zu den HaustierfreundInnen. Für die gesundheitliche Versorgung der Sun Citizens stehen neben dem Programm Meals-on-Wheels www.facebook.com/ueber.morgen

Foto: flickr, Pete.r

(Essen auf Rädern) auch die Sunshine Services zur Verfügung, die auf den Verleih von medizinischen Artikeln wie Pflegebetten und Rollstühle spezialisiert sind. Soweit es geht, organisieren die SeniorInnen ihr Leben allerdings selbst. Fast alle Einrichtungen setzen auf Freiwilligenarbeit, sei es nun an der Supermarktkassa oder im Trainingsraum des Sun City Fitnesscenters.

Lifestyle Community In den Kreis der Sun City-BewohnerInnen wird allerdings nicht jede/r aufgenommen. Das Mindestalter, um eine Immobilie zu erwerben (die zwischen 85.000 und 150.000 Dollar kostet), liegt bei 55 Jahren. Mit einer solchen Investition kauft man allerdings nicht nur ein Haus, sondern auch einen ganzen Lebensstil: mit aller Macht wird hier versucht, die Themen Tod und Alter zu verdrängen. Die strengen Sicherheitskontrollen an den Eingangstoren weisen alle unliebsamen BesucherInnen ab. Dazu können mitunter auch die eigenen Enkelkinder gehören. So heißt es in der Satzung einer SeniorInnensiedlung in Florida: „Kein

immer beliebtere Möglichkeit im Alter unter sich zu bleiben, stellen Senioren-WGs dar. Diese Entwicklungen dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass all diese Wohnformen immer eine Abgrenzung von der übrigen Gesellschaft bedeuten. Das Alter mit all seinen positiven und negativen Begleiterscheinungen wird damit aus dem Alltagsbewusstsein der meisten Menschen verdrängt.

Neuerfindung der Realität Der Gedanke, dass derartige Konzepte nicht der Weisheit letzter Schluss sind, setzt sich auch in Österreich langsam durch. In Anlehnung an traditionelle Wohnformen etablieren sich in immer mehr Städten Generationenhäuser. Hier wohnen verschiedene Altersgruppen zusammen unter einem Dach und können sich bei Bedarf unterstützen. In Deutschland gibt es seit 2006 ein vom Bundesministerium gefördertes „Aktionsprogramm Mehrgenerationenhäuser“. Dieser Ansatz ist eine Möglichkeit der zunehmenden Isolierung von alten Menschen entgegenzuwirken. Denn auch die Sun Citizens können nicht ewig vor dem wahren Leben davonlaufen, wie es ein Artikel in der Zeit sehr treffend formuliert: „Außerhalb der Stadtmauern befindet sich die ausgeblendete Realität. Sonntags holt sie die BewohnerInnen immer wieder ein. Dann wird in den Kirchen von Sun City die heilige Messe gelesen, und am Ende folgt immer eine Liste mit den Namen der in der letzten Woche Verstorbenen. Meistens ist es eine lange Liste“. ♦


über.leben

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Eine Fußballreportage aus Istanbul, die ohne Spielbericht auskommt

Sorry, women only

FOTO: Christopher Glanzl

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ch sehe mir heut’ ein Fußballspiel an“, erzähle ich Karin, mit der ich in Istanbul bei einem Çay sitze. Sie schaut mich ungläubig an. „Ich mach das öfter, wenn ich auf Reisen bin. Da kriegt man einfach viel von der Dynamik einer Stadt mit.“

Christopher Glanzl Sie überlegt kurz und stimmt mir zu. Im Sommer erst war sie in Hamburg und gerade dort kommt man nicht darum herum etwas St. Pauli-Spirit mitzunehmen. Oft genug treffen bei einem Spiel nicht zur zwei Fußballmannschaften aufeinander, sondern auch Fangruppen mit gänzlich unterschiedlicher Weltanschauung. Stellvertretend für Diskussionen werden Reibereien auf den Rängen der Stadien oder den umliegenden Straßen ausgetragen. „Ich weiß nicht, ob das so g’scheit ist, wenn du da mitkommst. In Istanbul gibt’s öfter mal Ausschreitungen und Hooligans“, sag ich, um Karin klar zu machen, dass sie eher von dem Fußballspiel enttäuscht sein würde. Sie entgegnet mir aufbrausend, dass sie sich nicht sagen lassen möchte, was sie tun soll und findet es jetzt sogar noch spannender mitzukommen. Sie entschließt sich, es dann doch zu lassen - mehr wegen der Stadionpreise als wegen meiner Argumente. Gegen fünf Uhr nachmittags mache ich mich von der Altstadt auf den Weg zur Fähre nach Kadıköy. Die Heimstätte des traditionsreichen Vereins ist das Sükrü-Saracoclu-Stadion und liegt auf der asiatischen Seite von Istanbul. Heute findet ein Spiel der türkischen Süper Lig gegen das Team aus Sivasspor statt. Der Bosporus liegt ruhig vor mir, verhältnismäßig wenige Schiffe sind zu sehen. Ob auch das Spiel heute so schwach frequentiert sein wird? Nach dem Anlegen sehe ich

bereits die ersten Fans und Souvenirverkäufer und kaufe mir gleich einen Schal in den Vereinsfarben Fenerbahces, will ich doch zeigen mit wem ich sympathisiere. Am Weg in die Arena fallen mir die vielen Frauen und Mädchen mit Fußballschals, aufgemalten Flaggen auf den Wangen und kleinen Fahnen auf. Ich denke: „Cool, so ein buntes Fußballpublikum gibt es bei uns selten. Aber wie erklär' ich das jetzt Karin, ohne als Trottel und Macho dazustehen?“ Beim Stadion angekommen, sehe ich das übliche Chaos aus Fans, Polizisten und Verkaufsständen. Der Ausnahmezustand ist während einer Fußballsaison wöchentliche Normalität. Ich gehe zu einem der vielen Ticketschalter. „One ticket for the game!“ - Der Typ am Schalter sieht mich irritiert an und schüttelt den Kopf. Entweder hat er mich nicht verstanden, ich bekomme hier keine Tickets oder es ist ausverkauft. Ich versuche es beim nächsten Schalter. „One ticket for the game, please.“ Auch hier werde ich kopfschüttelnd abgewimmelt, als mir ein junges Mädchen auf Englisch erklärt: „The game today is only for women and children!“ Auf einmal wird mir klar, dass nicht nur viele weibliche Fans, sondern ausschließlich solche um mich herum stehen. Später erfahre ich, dass 41.000 Frauen das Spiel besucht haben. Das Spiel hätte eigentlich ein Geisterspiel sein sollen, da es im Derby gegen Besiktas Istanbul zu Schmähru-

fen und Gesängen gekommen war, die sogar für Fußballverhältnisse unangebracht waren. Bereits zum zweiten Mal blieben die Tore für männliche Erwachsene verschlossen. Das erste Mal geschah das nach einem Platzsturm der eigenen Fans bei einem Spiel gegen den ukrainischen Klub Schachtjor Donezk. Zur Strafe wurde Fenerbahce zu einem Spiel vor leeren Rängen verdonnert. Der Klub reagierte damals mit dieser Lösung und bekam europaweit Beachtung dafür. Die Stimmung auf den Rängen war äußerst positiv. Zum ersten Mal wurde die gegnerische Mannschaft beim Einlaufen nicht ausgebuht. Die Fangesänge wurden mit vollem Einsatz angestimmt, die Frauen konnten jedes Lied. Mittlerweile wurde dieses Konzept auch in Amsterdam mit vollem Erfolg kopiert. In einer Mischung aus Bewunderung für die geniale Atmosphäre rund um das Stadion und einer gewissen Enttäuschung diese im Stadion nicht miterleben zu dürfen, kehre ich wieder um und schaue mir das Spiel in einer Teebude an. Karin begrüßte mich am nächsten Tag mit einem zynischen: „Na, wie schlimm war’s?“ Ich schmunzelte etwas beschämt und erklärte ihr, dass sie leider gerade dieses Spiel unbedingt hätte sehen sollen. Nicht nur weil Fenerbahce das Spiel nach einem 1:2 Rückstand noch zu einem 4:2 drehte. ♦ www.uebermorgen.at


über.krise

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Der Druck steigt World Map of Social Struggles

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Foto: flickr, odysseasgr

ährend Mittel- und Osteuropa sich gegen die Einschränkung der Freiheit des Internets und gegen die gesellschaftliche Einflussnahme von Rechstextremen auflehnt, spitzt sich die Lage in den südeuropäischen Staaten immer mehr zu.

Victor Höck

Wien und Dresden nazifrei Rechtsextreme hatten in den letzten Wochen nichts zu lachen: Nachdem die Betreiberorganisationen der Hofburg schon im Vorfeld des WKRBalls beschlossen hatten, dass dieser künftig nicht mehr im repräsentativsten Gebäude der Republik erwünscht sei, wurde auch die Tanzveranstaltung selbst zum Desaster. 10.000 zum größten Teil friedliche Demonstrierende hatten sich vor dem Austragungsort des Balls versammelt, die Gäste mussten von der Polizei durch eine Blockade in den Saal eskortiert werden. Dies hat bei den Burschis einen anscheinend so starken Eindruck hinterlassen, dass sich FPÖ-Parteiobmann Strache zu der doch sehr gewagten Feststellung befleißigte, die Rechten seien die neuen Juden und als solche Opfer einer neuen „Reichskristallnacht“. Der breite Protest und die Wehleidigkeit der Freiheitlichen nach der Veranstaltung brachten einen Einbruch ihrer Umfragewerte für die nächste Nationalratswahl um vier Prozent mit sich - ein voller Erfolg für die antifaschistische Initiative.

Rechtsextreme hatten nichts zu lachen.

Auch in Dresden mussten die Faschisten eine herbe Niederlage hinnehmen. Beim jährlichen Aufmarsch anlässlich des Jahrestags der Bombardierung der deutschen Stadt durch die Alliierten im Zweiten Weltkrieg nahmen in den besten Zeiten mehrere tausend Glatzen teil und konnten nahezu ungehindert demonstrieren. Dies wurde in diesem Jahr erstmals gleich zwei Mal durch ein breites Blockadebündnis aus bürgerlichen und linken Gruppierungen verhindert. Am 13. Februar konnte die Demonstration eine mickrige Route von gerade mal 1.200 Metern www.facebook.com/ueber.morgen

beschreiten, da der Rest des Weges erfolgreich blockiert wurde und am 18. Februar mussten die Nazis nach Gera ausweichen. Und selbst dort fand sich nur ein Grüppchen von etwas mehr als 100 Ewiggestrigen ein, das jedoch von einer ungefähr gleich großen Gegendemonstration in Empfang genommen wurde.

ACTA ad Acta? Während in den USA der erfolgreiche Protest gegen SOPA und PIPA, zwei Gesetzesvorlagen, die eine rigorose Durchsetzung von Urheberrechten im Internet und somit eine weitgehende Überwachung des Datenverkehrs zur Folge gehabt hätten, eine Sache der großen wirtschaftlichen Player im Netz war, musste sich zur Bekämpfung des europäischen Pendants ACTA erst eine zivilgesellschaftliche Bewegung formieren. In Polen kam es im Vorfeld der nationalen Ratifizierung zur größten Protestbewegung seit 1980: Mehr als eine halbe Million Menschen versammelten sich auf den Straßen des Landes, um ein Zeichen für die Freiheit des Internets zu setzen. Daraufhin wurde die Ratifizierung des Abkommens durch das polnische Parlament gestoppt, während sich die Proteste europaweit, vor allem aber in Mittel- und Osteuropa, ausweiteten - der vorläufige Höhepunkt war der europäische Aktionstag am 11. Februar, an welchem Proteste in mehreren europäischen Städten ausgetragen wurden. Nach der Reihe setzten daraufhin acht EU- Mitgliedsstaaten die Ratifizierung des Abkommens aus, darunter Deutschland, Österreich und Tschechien. Außerdem prüft der Europäische Gerichtshof, ob das Abkommen europäisches Recht verletzt. Damit könnte sich der Beschluss von ACTA durch das Europäische Parlament um bis zu zwei Jahre verschieben. Die Anti-ACTA Bewegung will jedenfalls nicht locker lassen und hat weitere Proteste, angekündet. Zunächst wurde am 25. Februar ein weiterer Aktionstag durchgeführt.

Europa gegen die Krise Während sich in Rumänien vorsichtiger Protest gegen die krisenbedingte Privatisierung des Gesundheitsbereichs regt, ist die Situation auf der iberischen Halbinsel schon weitaus zugespitzter: In Portugal kam es jüngst zu Massenprotesten gegen die Sparmaßnahmen der Regierung, an welchen mehrere hunderttausend Menschen teilnahmen. Und auch in Spanien kam es zu einem Aktionstag, anlässlich dessen in 57 Städten demonstriert wurde - nach Angaben der Gewerkschaften sollen daran mehr als eine Million Menschen teilgenommen haben. Mittlerweile werden auch Kampfmaßnahmen wie Generalstreiks nicht mehr ausgeschlossen.

Mehrere Generalstreiks legten Griechenland lahm.

Im Zuge der Verhandlungen um das äußerst rigide Sparpaket, das die Troika weiteren Hilfspaketen für Griechenland zur Bedingung gemacht hat, eskalierte die soziale Situation in Hellas. Mehrere Generalstreiks, einer davon sogar zweitägig, legten das Land lahm, Ausschreitungen verwüsteten in Athen ganze Straßenzüge. Durch den wirtschaftlichen Abschwung sehen viele Menschen ihre Existenz vor dem Aus und greifen jetzt zur Eigeninitiative. So wird beispielsweise die große linke Tageszeitung Eleftherotypia nach deren Insolvenz von ihren RedakteurInnen selbstverwaltet weiterbetrieben. Manche Gruppierungen rufen hierbei schon nach radikaleren Lösungen: Während Nationalisten Deutschland und Frankreich für die griechische Misere verantwortlich machen, fordern beispielsweise die BesetzerInnen der Athener Rechtsuniversität nicht weniger als die soziale Revolution. ♦


über.kultur

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Sheriff und Busenlilli

Die Gebildete

nécessaire Rezension

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rimmig dreinschauende Cowboys schlatzen auf den Boden, durchlöchern die Luft mit Blei und sind drauf und dran die Bardame Busenlilli zu begrapschen. Doch schon naht der Sheriff mit seiner riesigen Winchester, um für Ordnung zu sorgen und Busenlilli aus ihrer misslichen Lage zu befreien. Living and Sterbing and Nothing Much in Between - Was sich wie die skurrile Überzeichnung eines Westerns anliest, entpuppt sich als tragisch-komische Story über zweitklassige Schauspieler in einem Wildwest-Park, der kurz vor dem Ruin steht. Gerfried (alias Häuptling Geronimo), der die anspruchslosen Aufführungen nicht mehr ertragen kann, der seine Kollegen für Idioten hält, kaut ständig am Dope oder kifft, um irgendwie durch den Tag zu kommen. Der Sheriff (seinen Namen erfahren wir nicht) leidet unter seiner heimlichen Liebe zu Busenlilli, die unerhört bleibt. Susanne Huber (alias Busenlilli) träumt nach 30 Jahren Western-Stadt immer noch von einer großen Zukunft im Filmgeschäft - „Später wird alles gut. Irgendwie. Immer später wird es. Sonst nichts.“ Die Sprache ist oft salopp, was den Geschichten einen eigenen Charme verleiht. Da gibt’s Nudelaugen und Prärie-Hallodris, da werden Prospekte um die Ohren gewixt und Promis versuchen in schlechtem Englisch ihre Internationalität hervor zu streichen: „...Paris oder London, …zwei wirklich tolle Städte mit einem großartigen Neitleif sind das, nicht wahr, Darling?“ - „Yes schuur, meine

Liebe, yes schuur. Wörrie pjusivoll.“ Überraschende Perspektivenwechsel (zum Beispiel Living and Sterbing and Nothing Much in Between), und Erzählungen, die plötzlich ins Surreale abgleiten (zum Beispiel Menschen wie Vogelkinder), machen den Reiz dieser facettenreichen Geschichten-Sammlung aus. Vieles bleibt unausgesprochen, vielleicht zwischen den Zeilen zu erahnen. Bei der Geschichte „Aus dem Wald“ läuft ein Wesen durch die Abenddämmerung raus aufs Land. Wer oder was es ist, erfahren wir nicht. Moos, Bäume, Schatten, Landschaft. Es selbst: ein aufgeschlagenes Knie aus dem ein Bund kleiner Kabel hängt, einfärbig: „Sehnsucht nach richtiger Sehnsucht.“ Viel Platz zwischen den Zeilen. Stefan Sonntagbauers Geschichten sind skurril, manchmal kafkaesk, durchzogen mit schwarzem Humor. Die eigenwilligen Illustrationen von Christoph Ameseder ergänzen diese trefflich. Stefan Sonntagbauers „erstes Buch der Welt“ ist im Holzbaum Verlag erschienen. ♦ Markus Schauta Stefan Sonntagbauer: „Neulich im Mittelalter“, Holzbaum Verlag 2011, ISBN 978-3-9503097-2-0, 114 Seiten, 14,90 Euro.

Zum Autor: Stefan Sonntagbauer, 1987 in Wels geboren und dort aufgewachsen, lebt jetzt auch in Wien, schreibt, macht Musik und studiert Germanistik. 2009 war er einer der 10 Finalisten des FM4 Literaturwettbewerbs Wortlaut.

Clara Gallistl

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ch mag es nicht, wenn es am Klo so nach Menschen riecht. Damit meine ich nicht den Geruch von Urin oder Scheiße, sondern Parfum oder sonst einem Körpergeruch. Überhaupt sollte man sich öfter Menschen einfach vom Leib halten; öfter Bedingungen von Einsamkeit herstellen, in denen man Menschen nicht wahrnehmen kann. Da wird zuviel wahrnehmbar, das nichts als aufgesetzte Parfumwolken aus Worten und Meinungen sind. Die Luft sollte gereinigt werden von allem, was nicht Notwendigkeit ist. Wenn einer mit einer Notwendigkeit zu mir spricht, interessiert es mich. Wenn aber das Unnotwendige immer ausgesprochen als Wolken und Nebel herumgereicht und mit Meinungen wettgeeifert wird, dann empfinde ich eine Belastung auf meinem Körper, wie Schadstoffbelastung eine ist. Überhaupt scheint jeder Mensch eine Meinung zu haben oder die Notwendigkeit zu empfinden, sich einer Meinung anschließen zu müssen. Dabei weiß man doch, dass – streng betrachtet – niemand eine Meinung haben darf außerhalb seiner eigenen Empfindungswelt. Wer intellektuell ist, weiß, dass Wahrnehmung immer relativ und eigentlich ziemlich aussagelos ist. Und wer diesen Grundumstand rational nicht parat hat, der spürt doch, dass 'das Leben' im Kern zu komplex ist, um eine richtige Meinung zu haben. Vor so vielen falschen Meinungen graut mir. Da ist es doch besser, man riecht die Notwendigkeiten und kann sie benennen als Scheiße und als Urin. Das ist wahrer als eine undefinierbare Stinkwolke aus irgendeinem Körpereigengeruch und aufgepfropftem Parfum oder Deo oder sonstwas, das Identität erzeugen soll. ♦

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über.kultur

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Hinter den Kulissen der Revolution Rezension

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witter, Facebook, YouTube und Co. – Die Bedeutung von Blogs und sozialen Netzwerken im Prozess der Meinungsbildung nimmt stets zu. Sie erleichtern die Organisation und vor allem die Aktivierung der Mitmenschen. Diese Vorzüge haben auch die Rebellen für sich entdeckt. Das Buch „Revolution 3.0 – Die neuen Rebellen und ihre digitalen Waffen“ stellt 10 dieser Aktivisten vor und legt ihre Motive und Hintergründe offen. Matthias Bernold hat mit seiner Co-Autorin Sandra Larriva Henaine die ProtagonistInnen des Widerstands besucht und kurz porträtiert.

„Uni brennt“ Luca Hammer war beim Studierendenprotest 2009 für den Live-Stream verantwortlich. „Uni brennt“ hat ihm gezeigt, dass Menschen nur durch das Internet vernetzt politischen Widerstand leisten können.

Aktivistinnen weltweit Videobloggerin Sarrah Abdelrahman beschrieb sich immer als politisch desinteressierten Menschen, bis zum 25. Jänner 2011. Da ging sie selbst zum Tahrir-Platz und forderte den Rücktritt Mubaraks. Die junge Ägypterin veröffentlichte Tweets und Videos. Oftmals stand sie selbst vor

der Kamera und kommentierte sowohl unterhaltsam als auch provokant das politische Geschehen. Die Türkin Deniz Tan ist Werbetexterin und stellt sich mit ihrer Initiative „Zensiert die Zensur“ gegen staatliche Eingriffe in das Internet. Um ein Zeichen zu setzen startete sie im August 2008 mit einem Bekannten einen Protest, indem sie Webseiten zum virtuellen Selbstmord aufforderten. Sogol Arthunis wuchs im Iran auf, studierte Kunst in Paris und ging 1991 nach Österreich. Von hier aus kämpft sie für den Sturz des Mullah-Regimes. „Wir legen keine Bomben. Wir betreiben zivilen Ungehorsam“, sagt sie.

Widerstand in allen Ländern Die isländische Parlamentsabgeordnete Birgitta Jonsdottir erzählt von ihrer Zusammenarbeit mit Julian Assange und dem Kampf gegen Geheimniskrämerei. Der jetzige Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, Gesicht der Widerstandsbewegung „Stuttgart 21“, kämpfte mit dem Einsatz von Online-Werkzeugen gegen das Bahnhofsprojekt. Er sieht im Internet nicht nur die Möglichkeit die Bevölkerung leichter zu mobilisieren, sondern auch die Chance für eine neue, aktivere Form der Demokratie. Ob Anonymous sich in Websites hacken oder Amani El Tunsi einen Online-Radiosender für Frauen gründet. Das Aufbegehren findet überall statt. Nur der Schweizer Daniel Model bedient sich keiner sozialen Netzwerke. Mit seinem eigenen Staat „Avalon“ richtet er sich gegen den Sozialstaat. Das Buch bietet zehn interessante Porträts und Schauplätze von Widerständen. Man erfährt persönliche Geschichten und kann dadurch Revolutionen aus einem anderen Blickwinkel betrachten. ♦ Verena Sagmeister Matthias Bernold/Sandra Larriva Henaine: „Revolution 3.0. Die neuen Rebellen und ihre digitalen Waffen.“ Xanthippe 2011. ISBN 978-3-905795-13-4, 162 Seiten, 19,90 Euro. Zu den AutorInnen: Matthias Bernhold arbeitete beim Falter und der Wiener Zeitung. Heute ist er freier Journalist, Fotograf und Autor. Er studierte Journalismus und Rechtswissenschaften in Wien und an der Columbia University in New York. Sandra Larriva Henaine, ebenfalls Absolventin der Columbia University, spezialisierte sich auf Nahostpolitik. In Beirut machte sie ihren Abschluss in Arabisch. Sie ist freie Journalistin für Mittel- und Nordamerikanische Zeitschriften.

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Kritisch weiblich

Der, Aus|län|der. Bianca Mayer

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ersonen, deren Hauptwohnsitz im Ausland liegt. Personengruppen, die sich hinsichtlich der Staatsbürgerschaft von anderen Einwohnern des Landes unterscheiden. MigrantInnen geben ihren bisherigen Wohnsitz auf, um zu einem anderen zu ziehen. Abgeleitet vom lateinischen Verb „migrare“, was soviel wie „auswandern, wandern, reisen“ bedeutet. Genug zur Theorie, kommen wir zum Alltagsverständnis. Ich erinnere mich noch gut daran. Früher, als ich etwa acht oder neun Jahre alt war, verwendete meine Großmutter immer sehr seltsame Ausdrücke. Neger, Tschuschn, Zigeuner. Ohne, dass sie sich der Problematik bewusst war. Und ich mir natürlich auch nicht, wie weit denkt man schon als Volksschulkind? Aus einfachen Verhältnissen stammend, machte sie sich keine Gedanken über die Worte, mit denen sie Menschen anderer Kultur betitelte. Aus gegenwärtiger Perspektive vermutlich degradierte. Heute sollte man zweimal überlegen, bevor man mit rassistischen Begriffen oder Aussagen um sich wirft. Womöglich hängen sie einem länger nach als der Kater vom letzten Wochenende. Sogar meines Erachtens relativ harmlose Begriffe wie „Ausländer“ sind durch den politischen Populismus zu Schimpfwörtern mutiert. Doch ist nicht gerade die Art und Weise, wie wir mit vorgehaltener Hand über dieses Thema sprechen, eine scheinheilige? Egal was man sagt, es ist falsch. Zumindest genauso falsch wie reaktiver Antirassismus, bei dem Beteiligte lediglich so tun als ob sie sich für die Belangen Benachteiligter interessieren würden. Wo wir wieder beim Begriff der Scheinheiligkeit wären, derer sich Personen in der Öffentlichkeit nur allzu gern bedienen. Ein Thema, das man gerne von sich schieben möchte. Niemand möchte als RassistIn gelten. Oder entlarvt werden. Deswegen verwendet man ab sofort diverse Blümchenvariationen. Allein die Tatsache, dass wir versuchen, etwas absichtlich nicht rassistisch auszudrücken ist doch bereits eine Form des Rassismus. Machen wir uns nichts vor. Vorurteile existieren noch immer wie Sand am Meer und durch neue Formen des Begriffsjargons machen wir es uns auch nicht unbedingt leichter. ♦


über.meinung

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Rechte Rechnereien Kommentar

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achdem ihnen die Proteste gegen den WKR-Ball und ihre eigene Wehleidigkeit im Umgang mit selbigen ein sattes Minus in den Meinungsumfragen einbrachten, haben sich die Freiheitlichen anscheinend entschlossen, sich wieder auf das Kerngeschäft zu konzentrieren: die Diffamierung und Hetze gegen Menschen, die in Österreich Zuflucht suchen. Dies beweisen die auf HC Straches Facebook-Seite veröffentlichten Berechnungen, die die Einkünfte einer Familie eines Facharbeiters mit dem aus Sozialleistungen bestehenden Einkommen einer asylsuchenden Familie gegenüberstellt. Der Eindruck sollte erweckt werden, dass letztere sich durch Kinderreichtum (die Kalkulation bezieht sich auf eine Familie mit 6 Kindern) ein „fürstliches“ Einkommen erschleicht, das das des Facharbeiters weit übersteigt. Dumm nur, dass SOS Mitmensch diese Berechnungen umgehend als eine Falschdarstellung aufdeckte, die von der rechtsextre-

men „Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik“ in Umlauf gebracht wurde. Seither darf sich die Menschenrechtsorganisation von der FPÖ anhören, Teil einer „Asylmafia“, „-lobby“ oder gar „-industrie“ zu sein und so ein wirtschaftliches Interesse am hohen Einkommen der Asylwerber zu haben. Die Antworten auf zwei Fragen sind die Freiheitlichen den geneigten Lesenden neben all der Diskreditierung von KritikerInnen und den scheinbar selbsterklärenden Zahlenauflistungen jedoch schuldig geblieben. Erstens: was soll denn bewiesen werden, wenn man einer achtköpfigen Familie ein Haushaltseinkommen von 2.500 Euro errechnet? Die Dekadenz der AsylantInnen in Österreich? Für eine Familie mit zwei Erwachsenen und sechs Kindern liegt die Armutsgrenze laut Statistik Austria bei 3.401 Euro. Dass hier auch der exemplarische erwerbstätige Facharbeiter mit seinem monatlichen Einkommen von 2.042 Euro unter der Armutsschwelle liegt, ist ein ebensolcher Skandal wie jener, dass der österreichische

Staat seinen Asylsuchenden ein Leben weit unter der Armutsgrenze zumutet (laut den Grünen hätte eine solche Familie ein Einkommen von maximal 1.243,30 Euro). Beide Familien hätten mit ihren Einkommen große Schwierigkeiten, über die Runden zu kommen. Zweitens: Was nützt es der Familie des Facharbeiters, wenn die Sozialleistungen für Asylsuchende tatsächlich noch weiter gekürzt werden? Natürlich nichts. Und genau hier beweist die FPÖ, dass sie ganz sicher nicht die Partei des kleinen Mannes ist, geschweige denn der kleinen Frau. Wäre sie das, würde sie höhere Löhne für FacharbeiterInnen fordern, die ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Wäre sie das, würde sie die längst überfällige fiskalische Umverteilung von oben nach unten fordern. Aber das Kerngeschäft der FPÖ liegt nunmal woanders: im gegeneinander Ausspielen von benachteiligten Bevölkerungsgruppen. ♦ Victor Höck

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Korru- what?? Kommentar

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eit 2009 ist es in Österreich legal, Politikern Zuwendungen zukommen zu lassen. Einzige Einschränkung: Es darf keine Aussicht auf konkrete Geschäfte gegeben werden. Das so genannte „Anfütterungsverbot“ ist also Geschichte. Weiters ist es seit 2009 erlaubt, einem Minister, Landeshauptmann, Landesrat und Bürgermeister zum Beispiel 100.000 Euro auf sein Privatkonto zu überweisen. Selbst wenn mit der Zahlung eine direkte Intervention, ein Amtsgeschäft in Richtung des Mäzens festzustellen ist, ist alles in Ordnung. Nur rechtswidrig darf sie nicht sein, oder den Zuständigkeitsbereich des Politikers überschreiten, die in Auftrag gegebene Verordnung. Praktisch heißt das: In Österreich ist die Bestechung von Amtsträgern der obersten Liga legal. Seit 2011 gibt es nun eine eigene Staatsanwaltschaft für einen in der Politik weitgehend nicht strafbaren Tatbestand: Korruption. Was tut die hier dann eigentlich? Bestenfalls etwas Augenauswischerei betreiben, Zeigefinger schwenkend sagen: „Du, du, du, du! Dass du mir das nicht noch einmal machst!“, der Beschuldigte: „Es war nichts, ich werd ja wohl noch mit meinen Freunden zur Jagd gehen dürfen!“, oder, im besten Falle: „Ja,

Graus 2.0 ich versprech´s!“ – und dann ist alles wieder gut. Mehr ist nämlich nicht drin, rein rechtlich. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft erfüllt bei verdächtigen PolitikerInnen also eine moralische Fingerklopf-Mission, gepaart mit jener zur Wahrung des gesellschaftlichen Friedens: Es soll der Schein gewahrt und geweckt werden, dass der Staat etwas gegen Polit-Korruption tut. In realiter hat er ihr 2009 Tür und Tor geöffnet. Bis zum Sommer, so das ambitionierte Ziel der Regierung, soll zumindest das „Anfüttern“ von Amtsträgern wieder strafbar sein. In neuer, „praktikabler“ Form, versteht sich. Oder wie SPÖKlubobmann Josef Cap meint: „Weil nach der alten Regelung war man bei drei kleinen Braunen angefüttert, und das ist absurd.“ Und so spricht die tierisch-verniedlichende Metaphorik des Wortes „anfüttern“ einmal mehr ganze Bände. Während darüber diskutiert wird, ob drei Bananen oder erst vier einen „Anfütterungstatbestand“ erfüllen, wird die semantische Natur des Polit-Neologismus „anfüttern“ verdrängt. Dieses Wort ist ein Euphemismus für Korruption. Und diese soll man nicht bagatellisieren, denn es droht die vollständige Bananifizierung der Politik. ♦ Matthias Hütter

Spielen wir Risiko? Kommentar

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nsere heutige Gesellschaft sucht den Nervenkitzel. Das ist schon seit längerem bekannt. Doch die risikofreudigen Ereignisse, die nicht mehr ganz so glimpflich ausgehen, mehren sich in letzter Zeit auffällig. Zum einen ist hier das Schiffsunglück der Costa Concordia vor der italienischen Insel Giglio mit bisher 21 Todesopfern am 13. Jänner zu nennen. Was muss in einem erfahrenen Kapitän, Mitte 50, vorgehen, dass er sich hinreißen lässt mit wenig Abstand gefährlich an einer Insel vorbeifahren zu wollen? Laut eigenen Angaben wollte Kapitän Schettino ein Manöver namens „Die Verneigung“ vorführen. Dabei grüßt das Schiff mit voller Beleuchtung und Sirenen die Küstenbewohner. Und das Interessante daran ist: Francesco Schettino ist bereits ein erfahrener „Verneiger“. Ein paar Mal habe er das schon gemacht und dabei sei alles gut gegangen. Oh Wunder. Für die diesmalig schief gegangene Geste drohen dem Italiener nun 2697 Jahre Haft. Scheint so, als ob der gestenfreudige Herr von nun an nur mehr Handküsschen unter Häfenbrüdern werfen wird können. Auch den niederländischen Prinzen Johan Friso hat wohl einiger Übermut gepackt, als er kürzlich in Lech in Tirol in einem freien Skiraum bei www.facebook.com/ueber.morgen

Lawinenwarnstufe 4 einen Skiausflug startete. Ein Schneebrett löste sich und verschüttete den Prinzen. Nach seiner Rettung wurde er ins Spital eingeliefert und niemand weiß, ob er je wieder zu Bewusstsein kommen wird. Die behandelnden Ärzte rechnen mit massiven Schäden am Gehirn durch den Sauerstoffmangel. Nun, was haben diese Männer gemeinsam? Sie wollten beide sich (oder auch anderen) etwas beweisen. Sie haben sich und ihre Fähigkeiten eindeutig überschätzt. Sie blicken beide in eine ungewisse Zukunft. Und sie haben beide durch ihre Aktionen andere Menschenleben in Gefahr gebracht oder im Fall des Kapitäns sogar tatsächlich ausgelöscht. Dutzende freiwillige Helfer, Taucher und Suchmannschaften, die ihr Leben für den vermeintlichen Spaß anderer ihr Leben riskieren. Studien belegen, dass bei deutlicher Selbstüberschätzung das Angstniveau sinkt und die Auseinandersetzung mit Risiken für den/die Betroffene/n obsolet wird. „More risk, more fun“ scheint dieser Tage immer beliebter zu werden. Die verheerenden Folgen, die solche Aktionen mit sich bringen können, prägen sich wohl in den Köpfen ein. Aber spätestens das nächste „Adventure - Fun & Action - Angebot“ wird leider sogar diese Bilder verblassen lassen. ♦ Milena Österreicher

Alles nur geklaut

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orgen war gestern. Jetzt ist über.morgen“, titelte die erste Ausgabe unseres Magazins im Jänner 2010. Mit der März-Ausgabe 2012 haltet ihr die 24. über.morgen in Händen. Für Verwunderung sorgte bei der Redaktion, dass zeitgleich mit dem Jubiläum eine über.morgen Nummer 1 in Umlauf gebracht wurde. Vor einigen Tagen im Internet. Ich klicke und tippe mich durchs Netz, als eine Seite aufploppt, auf der zu lesen steht: „über.morgen Nr.1“ und daneben „20.000 Frauen“. Ich staune. Haben 20.000 Frauen die über.morgen geliked, weil sie von der hohen Frauenquote in unserer Redaktion begeistert sind? Nein, haben sie nicht. Sie haben stattdessen eine Zeitung gebastelt und Über.morgen aufs Cover gedruckt. Was soll man dazu sagen? Toll dreist, aggressiv einfallslos, oder schlichtweg uninformiert? In einem Interview auf diestandard.at plauderte eine Redakteurin der 20.000, dass sie und ihre Kolleginnen namentlich nicht genannt werden wollen. Arbeiten doch „die Drahtzieherinnen“ in „österreichischen Medienunternehmen“. Schade, dass in österreichischen Medienunternehmen so wenig über Klein- und Kleinstmedien bekannt ist. Sonst wäre den Drahtzieherinnen so ein Fauxpas wohl nicht passiert. Vielleicht ist das Ganze aber auch ein abgekartetes Spiel, weil die großen der Branche die Konkurrenz der über.morgen fürchten und unserem Krisenblatt durch dieses Verwirrspiel schaden wollen. Eine einfache Google-Suche hätte jedenfalls augenblicklich Klarheit verschafft. Nachgefragt bei diestandard.at, ob denn weder ihnen noch den 20.000 aufgefallen sei, dass es über.morgen bereits gibt, versicherte man uns, dass doch. Allerdings erst nach Druck der ersten Ausgabe. Dies hätten die 20.000 im Interview auch erwähnt, aus Platzgründen musste der Teil aber raus gestrichen werden. Naja, ist auch nicht wichtig, dass der Name am Cover der vorgestellten Zeitung bereits von einer anderen Zeitung in der selben Stadt verwendet wird. Allerdings, so diestandard.at, werde bei den 20.000 darüber nachgedacht, die nächste Ausgabe der Zeitung umzubenennen – wir bitten darum! ♦


über.reste

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über.morgen: Die nackten Tatsachen Was Ihr garantiert nicht wissen wollt Wenn ihr via Google nach „Sex Gewalt Tiere“ sucht, findet ihr als zweites Ergebnis die über. morgen vom 28. Mai 2010. Sie hatte den Titel über.porn und beschäftigte sich mit Sex in der Werbung.

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Die meisten Grafiken, in lichten Momenten von einem Redakteur mit MS Paint gestaltet, werden von den Layoutern aus der Zeitung genommen. Weil sie „Scheiße“ seien, weigern sich die Layouter diese zu verantworten.

Unsere ersten Fanartikel sind erschienen: zwei Tassen mit verschiedenen Titelseiten. Sie wurden einem unserer Redakteure von einer indischen Verehrerin aus Mumbai zugeschickt. Unglaublich aber wahr: Sie gewann das indische Dschungelcamp!

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15.000 Stück war bisher unsere höchste Auflage, erreicht bei Nummer 4/2010.

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Der Kampf „Text gegen Weißraum“ ist eine blutige Schlacht, die bei jeder Ausgabe neu ausgefochten wird. Das Layout verliert deshalb jedes Mal die Nerven und ist versucht, so manchen Artikel samt RedakteurIn zu massakrieren. ♦ Dario Summer

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Beste Grüße aus Sylt, Ihre über.morgen-Tierredaktion

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Unser tierisches Sorgenkind ist diesmal das Scherflein, das Scherflein in der Waage. Denn es scheint als würde dieses kleine Ding, sobald man es angenommen und in die Waagschale gelegt hat, einem das Gleichgewicht zerstören. Nicht das innere, moralische, denn das wurde scheint’s mit dem Einstieg in die Staatskunst abgegeben, sondern viel eher die mediale, öffentliche Balance. So brechen in letzter Zeit viele unter der Last dieses kleinen Münzleins zusammen. Also machen Sie es nicht wie Wulff, Grasser und Co., sondern nehmen Sie die Verantwortung ernst und betreiben Ihre Verpflichtungen ohne Fehl.

Wer hätte d a m i t gerechnet? Ich wurde mit Essen beworfen. Nicht auf der Straße, nicht in der U-Bahn, nicht auf der Uni. Ort des Geschehens: Vorstellungsgespräch. Man möchte sich bestmöglich präsentieren, bereitet sich auf Fragen nach persönlichen Stärken und Schwächen vor und dann das. Man betritt den Raum, stellt sich vor und auf einmal fliegen einem Karotten um die Ohren. Was macht ein/e potenzielle/r ArbeitnehmerIn nun? Fangen, aufheben, zurückschießen? Ich habe mich für aufheben und zurückgeben entschieden. Daraufhin wurde mir ein Schluck Bier angeboten. Auch diesen habe ich vorbildlich abgelehnt. Weiters wurde ich noch auf Spanisch nach meinem Lieblingstier gefragt und dann war der ganze Spuk vorbei. Ist das die neue Methode, um qualifizierte Arbeitskräfte zu erkennen? Anscheinend. Gut zu wissen, dass mit derartigen Mitteln über die Zukunft Österreichs entschieden wird. Zum Glück weiß ich nun, worauf ich mich in Zukunft vorbereiten muss. Herzlichen Dank! ♦ [mö, vs]

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Eine "beschissene" MS Paint-Grafik

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Für die Schlussredaktion beherbergten uns bereits das WUK, die Sigmund Freud Uni, Sender.fm, die Wickenburg-WG, das Studentenheim Haus Oberösterreich und einmal gar das WWW. Frankreich war das Motto der dritten Ausgabe 2010. „L‘UNIVERSITÉ BRÛLE“ wurde in Paris gelayoutet.

Wir wurden bereits in einem Online-Forum als „reaktionäres Drecksblatt“ bezeichnet, unser Kolumnist Jakob gar zum „Jeannée des Auditoriums“ geadelt. Acht Ausgaben Morgen und 24 Ausgaben über. morgen ergeben insgesamt exakt 520 gedruckte Seiten. Wir sind somit weit mehr als doppelt so stark wie eine Rolle Klopapier!

Wir wurden digital 16.147 mal gelesen und haben 870 Menschen, die uns auf facebook mögen. Stand 27. Februar 2012.

Impressum: Medieninhaber & Herausgeber: Verein zur Förderung studentischer Eigeninitiativen. Taubergasse 35/15, 1170 Wien. Homepage: www. uebermorgen.at; Redaktion: Verein zur Förderung studentischer Eigeninitiativen. Taubergasse 35/15, 1170 Wien; Redaktionelle Leitung: Matthias Hütter, Karin Stanger; Layout: jaae, axt Cover: axt; Herstellerin: Druckerei Fiona, www.fiona.or.at; Herstellungs- und Erscheinungsort: Wien; Alle Rechte, auch die Übernahme von Beiträgen nach §44 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz: © Verein zur Förderung studentischer Eigeninitiativen. Dem Ehrenkodex der österreichischen Presse verpflichtet. www.uebermorgen.at


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