13/2010: Darum: Protest

Page 1

über.morgen

www.uebermorgen.at | Jahr 2, Ausgabe 13 | Fr 26.11.2010 | Kostenlos

die kritisch-unabhängige Studierenden-Zeitung

„Die Spontanität von Spontis ist immer recht endenwollend.“ J. Hahn

„Dann müssen wir zum Beispiel über die Schließungen oder Zusammenlegung von Universitäten nachdenken; oder über die Kündigung von rund drei Viertel der Professoren.“ B. Karl

„Auch der BolognaProzess wird scheitern.“ K. P. Liessman

„Regierung begeht Verrat an der Jugend.“ AktionsGemeinschaft

„Ein großer Wurf der neoliberalen Bildungspolitik.“ K. Burgstaller

Foto: Alex Sandwell

Darum: Protest Critical mass in Wien S. 13

BellE Ragazze im Tv S. 9

Castor im Wendland S. 10


über.inhalt

2

über.inhalt

2

Über Leben und Tod Impressum

über.ich

3

Liebe Leserinnen, liebe Leser In Kürze

über.thema

über.kurioses

4

Wortbildung für alle. „Audimaxismus“ und

5

Streiken gegen das Sparpaket

6

Jeder soll es wissen. Wie Zensur nach hinten

die versifften Hinterzimmer der Macht

losgehen kann Von feuchten Beutelchen und glühenden Sargnägelchen

über.bildung

Über... Was haben wir an dieser Stelle nicht schon alles geschrieben. Sprichwörtlich um Leben und Tod ging es hier in der letzten Inkarnation der über.morgen. Um Verwendungsmöglichkeiten der abgelesenen und vergilbten Ausgabe, um Aufforderungen zur Mitarbeit und um Hilferufe jeglicher Art, meist aber gekoppelt an vom kapitalistischen Allerweltswahn aufgezwungene – ja, leider, auch wir sind in dieser Welt gefangen – finanzielle SOS-Rufe ging es in den letztjährigen Erscheinungen. Auch die Unterstützungsform des Abos wurde hier schon oft angepriesen, auch dieses Mal sei es also wieder getan. Und was bleibt? Unser Danke! Was immer ihr mit den über.morgen-Ausgaben macht, ob ihr sie lest, oder zum Anheizen des WGOfens verwendet. Wir wissen es nicht. Die ausgelegten Stapel sind immer weg. Die über.morgen findet also Verwendung. Vielleicht hat ein Malermeister eine lukrative Quelle für Unterlegpapier entdeckt und holt sie jeden letzten Freitag im Monat ab, vielleicht tapeziert irgendwer damit seine Wohnung, vielleicht verwendet sie auch jemand als billiges Isolationsmaterial für die kalte Altbauwohnung.

über.denken über.politik

7

Unibrennt-Plena: Alte und neue Eindrücke

8

Nachrichten aus dem Königreich. Proteste in

in neuen Räumen Großbritannien

9 10 11

Belle Ragazze im TV

12

Satire: Über Strache, Affen und die zuneh-

über.kitsch&kultur 13

Das Interview zum Castor-Transport Terrorwarnungen terrorisieren Europa mende Altisierung der Gesellschaft Critical Mass in Wien Foto: Zombies attackieren Studierende

über.graus

14

Der Graus: Wissenschaft und Forschung Rezension:Kreisky - Die Biografie

über.reste

15

Unser Lieblingsplatz: VoKü Hund der Woche: Erwin Pröll Unser Zahlenrätsel Sudereck: Wohnung

Aber mal ehrlich: Wir wollen es gar nicht wissen. Egal, Hauptsache, wir tragen ein Schärfchen dazu bei, euren Alltag etwas wärmer und erträglicher zu gestalten, ob über den Umweg eines Ofens, oder pur. [red]

Wie man uns unterstützen kann: Nutzen Sie die Möglichkeit durch ein Spendenabo die über.morgen Monat für Monat frei Haus geliefert zu bekommen: http://abo.uebermorgen.at oder spenden@uebermorgen.at Konto: 00074753235 | BLZ: 60000 (PSK) Zweck: über.morgen Alle Einlagen gehen ausschießlich zugunsten des Vereins (Druckkosten). www.facebook.com/ueber.morgen

Impressum Medieninhaber & Herausgeber: Verein zur Förderung studentischer Eigeninitiativen. 1170 Wien. Taubergasse 35/15. Tel.: +43664 558 77 84, Homepage: www.uebermorgen.at; Redaktion: Verein zur Förderung studentischer Eigeninitiativen. 1170 Wien. Taubergasse 35/15; Redaktionelle Leitung: Anna Renner, Matthias Hütter; Herstellerin: Druckerei Fiona, www.fiona.or.at; Herstellungs- und Erscheinungsort: Wien; Layout: jaae, axt, cg; Alle Rechte, auch die Übernahme von Beiträgen nach §44 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz: © Verein zur Förderung studentischer Eigeninitiativen. Dem Ehrenkodex der österreichischen Presse verpflichtet.


3

über.ich

Liebe Leserinnen, liebe leser

Da steh ich nun und muss zusehen, wie die Familienbeihilfe gekürzt wird, wie das Budget für die freie Forschung auf Null gekürzt wird, wie der ideelle Kampf für eine freie Bildung und eine gerechte Gesellschaft übergegangen ist zu einem reinen Verteilungskampf, in dem jeder nur noch versucht, sich ein Stück

PLattform Zukunftbudget „Budgetkonsolidierung und Investitionen in die Zukunft sind kein Widerspruch! Das hat die Bundesregierung bisher nicht ausreichend erkannt, denn der aktuelle Entwurf des Bundesbudgets geht an den zentralen Herausforderungen der Zukunft vorbei“, findet die Plattform Zukunftsbudget. Sie kämpft gegen das Sparen bei Familienbeihilfe und Pflege und setzt sich für Investitionen in Bildung und Soziales ein. Am 27. November 2010 wird es eine große Demo geben, Treffpunkt ist um 13:00 Uhr an der Urania. Für weitere Infos: www.zukunftsbudget.at

Offene Bücherschränke in Wien In Wien gibt es bis jetzt zwei offene Bücherschränke. Das Konzept: Jeder der möchte, kann sich Bücher daraus nehmen oder welche hineinstellen. Die Schränke stehen am Brunnenmarkt und an der Ecke Zieglergasse/Westbahnstraße. Ein dritter Schrank ist in Planung – wer sich kreativ, handwerklich oder sonstwie an dem Projekt beteiligen möchte, schreibt an email@offener-buecherschrank.at

vom Kuchen zu sichern. Etwas ungläubig ging ich wieder mit protestieren. Interessant, welche Leute da mit mir marschierten, vormalige Studieren-stattblockieren-Jünger, apolitische Leute ohne Ambitionen zur Veränderung. Das war ein Zeichen: Es geht offenkundig um die Wurst, ums nackte Überleben. Und ja, wir müssen weiter demonstrieren, weiter schreien, weiter auf die Straße gehen. Es gilt, nicht mutlos, nicht müde zu werden. Auch wenn die alten Ideen in den Hintergrund zu treten scheinen, auch wenn heute fast niemand mehr gegen die Kapitalisierung der Bildung auftritt, auch wenn es um das letzte Studierendenhemd geht. Diese alten Forderungen sind nicht verges-

DEMO GEGEN SPARPAKET IN LINZ

Foto: flickr, Tobi Stadler

Als ich noch in meinen Kinderschuhen steckte, hatte ich große Pläne. Die Universitäten sollten ein unbegrenztes Budget haben, Oscars sollten nur mehr an Independent-Filme vergeben werden, und es sollte Weltfrieden herrschen. Äääähm, also naja, da ist wohl nichts draus geworden. Wir gingen auf die Straße, wir haben laut geschrien, wir blieben monatelang in einem stinkigen Hörsaal sitzen, wir haben uns die Finger wund geschrieben. Und nun? Nichts.

Am Freitag, den 19. November 2010, demonstrierten in Linz über 2.000 Menschen gegen die Sparpläne der Bundesregierung. Die TeilnehmerInnen kamen aus den unterschiedlichsten Bereichen der Gesellschaft, von ArbeiterInnen über StudentInnen bis hin zu MigrantInnen. Stein des Anstoßes war die angekündigte Kürzung der finanziellen Mittel für Familien, Pflege und Bildung von Seiten der Bundesregierung. „Auf Kosten von Familien, Pflegebedürftigen, in der Bildung und bei sozial Schwachen, Beeinträchtigten und Kranken so zu sparen, ist eine Schande für eines der reichsten Länder der Welt. Gleiches gilt auch für die Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit”, so Alexander Huber, Studierender der FH OÖ, Soziale Arbeit.

sen, nein, sie sind die Basis des neuen Unbehagens. Und ja: Wir sind nicht allein! Viel weniger noch als vor einem Jahr, als wir als Elfenbeinturmträumer abgetan und belächelt wurden. Heute sind wir viele: alleinerziehende Mütter, junge Familien, freie WissenschafterInnen, SchülerInnen, etc. Die alte basisdemokratische, hörsaalbesetzende unibrennt-Bewegung hat ihren Weckruf-Dienst getan, ist aber überlebt und ja, auch institutionalisiert und marginalisiert. Es gilt, nicht in nostalgischer Verklärung zurück zu blicken, sondern voller Zuversicht den Blick nach vorne zu richten. Was bleibt? “unibrennt” ist tot, es lebe der breite Protest! In diesem Sinne, eurer über.ich

Aber es brodelt schon länger. Der Unmut der Bevölkerung über die wachsende soziale Ungerechtigkeit wird seit längerem immer größer. Die Uni-Proteste, welche letztes Jahr begonnen haben, sind nur die Spitze des Eisbergs, es geht vor allem um eine gerechtere Gesellschaft. „Aus der Wirtschaftskrise wurde offensichtlich nichts gelernt. Verteilungsgerechtigkeit ist jetzt notwendig,“ so Heinz Mittermayer von der Katholischen ArbeitnehmerInnenbewegung.

Schulleistungen: Geschlecht spielt keine Rolle Mädchen sind sprachlich, Buben mathematisch begabt. Mit diesem Vorurteil räumt eine Studie der University of WisconsinMadison auf. Hierzu wurden 1,2 Millionen Kinder und Erwachsene in den vergangenen 20 Jahren getestet. Das Ergebnis: Die geschlechtsspezifischen Unterschiede sind bedeutungslos. In der Wissenschaft ist dies längst eine Tatsache, in den Köpfen von LehrerInnen und Eltern hat sich dieses Wissen aber noch nicht durchgesetzt. „Vermittelt man Frauen vor einer mathematischen Aufgabe, man erwarte ein besseres Abschneiden der Männer, so wirkt das wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung“, erklären die ForscherInnen.

IN KÜRZE IN KÜRZE IN KÜRZE IN KÜRZE www.uebermorgen.at


über.thema

4

Wortbildung für alle „Audimaxismus“ und die versifften Hinterzimmer der Macht

Budgetären Brüskierungen und fiskalischen Fisimatenten einer rückgratlosen Obrigkeit zum Trotz erweisen sich rückblickende Bespitznamungen der 2009er Protestbewegung mit hämischen/defätistischen Titeln wie „Clusters Last Stand“ als zutiefst voreilig. Gerade der bevorstehende Dezember bietet schließlich einen naheliegenden Anlass, um innezuhalten, und sich diejenigen Errungenschaften zu vergegenwärtigen, die den Studierenden niemand mehr nehmen kann. G a s t k o m m e n t a r v o n AL b e r t F a r k a s

Das auszeichnende Gremium der Karl-Franzens – Universität in Graz begründete ihre Wahl damals mit dem durch den Begriff verkörperten Beitrag dazu, dass „erstmals seit langem wieder ernsthaft und umfassend über Bildung diskutiert“ worden wäre. Für alle Beteiligten steht „Audimaxismus“ natürlich noch für viel mehr, für Idealismus, Mut, Solidarität und Kreativität. „Audimaxismus“ bedeutet aber schließlich sogar noch mehr als die nicht mehr vorstellbar gewesene Vision von einer sozialen Utopie: Nämlich 23 Punkte im Scrabble. Und gerade dieser Aspekt gibt den Blick auf die verborgenen Mechanismen der Elitenreproduktion frei, in die die Studierendenbewegung eine Bresche schlagen konnte: Seit Jahr und Tag nutzen PolitikerInnen und Tiker, Wirtschaftstreibende und andere Meinungsmacherinnen und –macher ihre hegemoniale linguistische Stellung zu nichts anderem aus, als unbemerkt neue Wortschöpfungen in Umkreis bringen zu können, die sie sich dann selbst wiederum bei BuchstabelegePartien in den versifften Hinterzimmern der Macht zunutze machen können. Jüngstes Beispiel dafür ist der deutsche Innenminister Thomas de Maizère. Samstagnachmittag in seinem Lieblingsspielelokal, eine weitere Runde neigt sich dem Ende zu, das CDU-Mitglied liegt hoffnungslos hinten. Nur noch 2 T, ein E und ein S hat er übrig, aber nirgends mehr eine Stelle, wo er sie anbringen kann. Plötzlich wird ein getürktes Sprengstoffattentat auf eine Air Berlin – www.facebook.com/ueber.morgen

Foto: jaae

Der 10. Dezember 2009 war der Tag, als sich die Anerkennung der Legitimität von unibrennt bis zu den verschlossensten Gesellschaftsschichten verbreitete. Mit der Wahl von „Audimaxismus“ zum Österreichischen Wort des Jahres konnten nämlich auf einmal auch Wettanbieter und generell jene Sorte Beobachter, für die eine Gänsehaut erzeugende Performance von Sean Penn als Bürgerrechtler Harvey Milk nur relativ zu ihrer Chance, eine ebensolche Leistung von Mickey Rourke als Wrestler bei den Oscars aus dem Feld zu schlagen, relevant ist, den Idealen der Bewegung buchstäblich etwas abgewinnen.

Maschine in Namibia bekannt, flugs begibt sich der Ressortchef auf eine Pressekonferenz, und der Ausdruck „Realtestkoffer“ ist geboren. Zurück am Spieltisch platziert de Maizière seine verbliebenen vier Teile zwischen zwei scheinbar lose herumliegende Wörter, heimst sich seine 88 Punkte bei dreifachem Wortwert ein, und, voilà, das Stammtisch-Renommee ist wieder über alle Zweifel hergestellt. Bisweilen kann dieses missbräuchliche Prinzip aber auch umgedreht werden, wenn etwa nationalistisch-rechtsklerikale Kreise mal von Scrabble die Schnauze vollbekommen, und sich ausnahmsweise in „Nobody’s Perfect“ messen. Dann kann es schon vorkommen, dass beteiligte Spielerinnen und Spieler beispielsweise, um ihr Gesicht zu wahren, den Begriff „Integration“ in der Öffentlichkeit so beharrlich von seiner eigentlichen Bedeutung von „Vereinbarung“ oder „Einklang“ in Richtung von „das, was einem bei einer Begegnung mit einem Borg in Star Trek passiert“ umdeuten, bis sie ihr blaues, schwarzes oder sonst wie färbiges Männchen zwei Punkte nach vorne rücken darf. Nur kann man aber natürlich nicht erwarten, dass das Establishment es den Studierenden allzu leicht macht und den Studierenden ihren hart errungenen Wortlege-Vorteil

kampflos überlassen wird. Diese Menschen sind schließlich wachsam, und schrecken vor keinen noch so ausschweifenden Maßnahmen zurück, um ihre Kontrahenten von der Zufuhr der wichtigsten Vokale abzuschneiden. Eine Kombination aus dem Nachnamen des Kopfes des Wissenschaftsministeriums und einer Fleischspeise sind heuer beispielsweise nicht mehr möglich. Eigennamen sind und bleiben bei Scrabble nun mal immer noch tabu.

über.lappen Nennen sich selbst „Sumpfleute“, sprich „Samen“, und sind ein indigenes Volk Nordskandinaviens. Bekannt für ihre traditionelle Rentierwirtschaft und kunterbunte Tracht kämpfen die rund 90140.000 Samen in eigenen Parlamenten länderübergreifend für ihre Rechte und die Erhaltung ihrer Sprache und Kultur. Auch typisch samisch: jodelähnlicher Joik-Gesang und Skifahren. Also: Wer hat´s erfunden? Die Samen!


über.thema

5

Streiken gegen DAS Sparpaket Hunderte streikende SchülerInnen besetzen die SPÖ-Zentrale in Wels. Lautstark verkünden sie ihren Protest gegen das Sparpaket der Regierung: „Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten! - Wer war mit dabei? Die Volkspartei!“ Trotz strömenden Regens demonstrierten in Wels bei der von wels.schulebrennt.at organisierten Protestaktion insgesamt über 400 SchülerInnen gegen das Belastungspaket der Regierung. Bei der Demonstration kam es zu einer kurzfristigen Besetzung der Welser SPÖ-Zentrale. Die BesetzerInnen forderten die SP OÖ auf, gegen das geplante Budget der Bundesregierung zu stimmen.

Aus dem Fenster der Sekretärin hing ein schnell gemaltes Transparent „#BESETZT“. Die überraschten MitarbeiterInnen reagierten verdutzt bis begeistert. So stimmten auch einige Sekretärinnen mit ein: „Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!“ Die Unzufriedenheit ist also sogar in der Belegschaft hörbar. Die ebenfalls überraschte Polizei konnte das Treiben nur mehr begrenzt kontrollieren.

Bereits am frühen Morgen sammelten sich die Streikenden am Bahnhof Wels, um dann im Dauerregen zum Gymnasium Schauerstrasse und zu den beiden Handelsakademien zu marschieren. Die Streikenden stürmten die Schulen mit Megaphonen und konnten so noch einige SchülerInnen für die Demo begeistern, die sich wegen absurder Drohungen der DirektorInnen anfangs nicht getraut hatten.

Nach diesem „Zwischenstopp“ ging es weiter zur katholischen Privatschule, der Schwesternschule in Wels, wo die Streikenden aus öffentlichen Schulen ihren Unmut über die Ungerechtigkeiten im Bildungssystem besonders laut zum Ausdruck brachten: „Eliteschule ha ha ha! - Bildung ist für alle da!“

Am Weg vorbei bei der Welser ÖGB-Zentrale skandierten die DemonstrantInnen: „Was wollen wir vom ÖGB? Streik! Streik! Streik!“ Hinter dem Kaiser-Josef-Platz in der KarlLoy-Straße hieß es dann lautstark: „Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten! - Wer war mit dabei? Die Volkspartei!“ Bei der Welser SPÖ-Zentrale angekommen, enterten Dutzende die dortigen Büros und Räume, um mit Nachdruck zu fordern: „Keine Zustimmung der SP OÖ zum Budget!“

Die Streikdemo der zu diesem Zeitpunkt schon völlig durchnässten SchülerInnen fand schließlich am Marktplatz ihr Ende. Einer der OrganisatorInnen des Streiks, Peter, zeigt sich höchst zufrieden: „Auch in einer mittelgroßen Stadt wie Wels ist eine verhältnismäßig große Mobilisierung möglich. Nur der Dauerregen konnte uns etwas bremsen. Wenn wie bei wels.schulebrennt.at verschiedene Gruppen vereint zusammenarbeiten, dann kann der Unmut über das Belastungspaket der Regierung auf die Straße gebracht werden.“ Aktivist Peter weiter: “Jetzt gilt es gemeinsam den aktiven Widerstand der Ar-

beitnehmerInnen und der Jugend weiter voranzutreiben, dieses Belastungsbudget kann und muss noch gestoppt werden!“ In Wien dagegen sind am Freitag nur 70 bis 100 SchülerInnen dem Aufruf der linken Jugendorganisation „Revolution“ gefolgt und haben am Stephansplatz in der Wiener Innenstadt gegen das Sparpaket der Regierung demonstriert. Die geringe Beteiligung , die laut einem Redner die Folge von „Repressionen“ an „einigen Schulen“ war, bedeute jedoch nicht, „dass wir das Sparpaket nicht zurückschlagen können“. „Wir wollen die Milliarden zurück, die uns Faymann und Co. jeden Tag wegnehmen“, so einer der Protestierenden. Um „den Kapitalisten“ genug Druck zu machen, müsse die Bevölkerung in einen „unbefristeten Generalstreik“ treten. Mit der Demonstration wollten die Schüler ein Zeichen setzen, dass sie von den „offiziellen Vertretern verraten wurden“. „Revolution“ forderte die anwesenden SchülerInnen dazu auf, Aktionskomitees zu gründen und immer wieder auf die Straße zu gehen. Die DemonstrantInnen skandierten wiederholt: „Nieder mit dem Sparpaket“, oder auch: „Nieder mit der ÖVP“. Auf einem Transparent forderten sie: „Egal welche soziale Schicht, freie Bildung - das ist Pflicht!“ [sts]

Foto: Laumat.at

www.uebermorgen.at


6

über.kurioses

Jeder soll es wissen Wie Zensur nach hinten losgehen kann

Ähnlich ging es auch dem deutschen Comedian Atze Schröder, der seinen bürgerlichen Namen nicht im Weser-Kurier lesen wollte und gegen die Veröffentlichung des Namens Hubertus Albers klagte. Dasselbe widerfuhr Scientology, als sie ver-

Die Seite kino.to dürfte ebenfalls schon von dem Effekt profitiert haben. Sie soll Dank der Klage des Vereins für Anti-Piraterie der österreichischen Film- und Videobranche gegen den Provider UPC, der die Seite sperren sollte, einen Ansturm an neuen Benutzern erfahren haben. Foto:The Aspen Institute, Flickr.com

Nehmen wir an, jemand besitzt ein Haus irgendwo an der Küste Kaliforniens. Nehmen wir weiter an, jemand schießt ein Foto von diesem Küstenabschnitt, worauf zufällig auch das besagte Haus zu sehen ist. Dieses Foto verschwindet in einem großen Fotoarchiv unter tausenden von anderen Fotos. Die Hausbesitzerin findet das Foto und verklagt den Fotografen auf 50 Millionen US-Dollar. Daraufhin verbreitet sich das Foto rasend schnell im Internet und plötzlich wissen viele Menschen wie das Haus von Barbara Streisand aussieht. Der Streisand-Effekt ist geboren. Seither beschreibt der Streisand-Effekt wie durch den Versuch, Informationen zu unterdrücken, diese erst interessant und weiterverbreitet werden.

suchten ein Video von Tom Cruise löschen zu lassen in dem er wirr über seine Fähigkeiten als Scientologe spricht, und das Video daraufhin massenhaft angesehen wurde. Auch Thailands König Bhumibol Adulyadej fühlte sich von einigen Videos auf Youtube, die ihn als Affe karikierten, beleidigt und sperrte den Dienst kurzerhand in ganz Thailand.

Der damalige Oberbürgermeister der Stadt Duisburg schoss sich ein Eigentor, als er mit einer einstweiligen Verfügung versuchte, einem lokalen Blog die Veröffentlichung von Planungsunterlagen zur Loveparade 2010 zu verbieten. Es stellte sich wieder derselbe Streisand-Effekt ein: die Unterlagen wurden aus Protest gegen die Zensur weiterverbreitet. Die Stadt Duisburg ließ nach kurzer Zeit verlautbaren, dass sie die Bereitstellung der Planungsunterlagen nicht mehr weiter verfolgen würde, denn die „unkontrollierbare Verbreitung der Dokumente sei faktisch nicht mehr zu unterbinden“. www.tiny.cc/tomcruise www.tiny.cc/streisandhouse

[axt]

Von feuchTen Beutelchen und glühenden Sargnägeln Unter den ungewöhnlichsten Möglichkeiten als Raucher die irgendwann als lästig empfundene Inhalationstätigkeit aufzugeben, findet sich auch eine aus Nordeuropa: Snus, so genannter Oraltabak, welchen man sich unter die Ober- oder Unterlippe steckt. Das für alle Raucher so überlebenswichtige Nikotin gelangt hierbei über die Mundschleimhaut ins Blut. Die alte Mär, dass Snus mit Glassplittern angereichert sei, um dem Nervengift durch Anritzung der Schleimhaut den Weg in den Blutkreislauf zu erleichtern, hat ihren Ursprung im hinzugefügten Salz: Zu trocken gelagert, bilden sich Salzkristalle. Früher steckte man sich den puren Tabak nach brachialer Handknetung in den Mund. Heute kann der Konsument auf kleine Zellulosebeutelchen in verschiedenen Größen zurückgreifen. Verschiedenste Geschmacksrichtungen sollten das nikotinsüchtige Herz, oder alle, die es noch werden wollen, höher schlagen lassen. Ganz wichtig für den ambitionierten Snusser: Die stylischen Snusdosen in unterschiedlichsten Designs. In der EU ist der Vertrieb der Nikotinbeutelchen jedoch verboten. Die einzige Ausnahme bildet Schweden. Dennoch ist Snussen www.facebook.com/ueber.morgen

auf Grund der restriktiven Rauchervorschriften in ganz Skandinavien als Alternativform zum Rauchen sehr beliebt. Allerdings: Snussen gilt zwar als weniger gesundheitsgefährdend als Rauchen, erhöht aber das Risiko für Bauchspeicheldrüsenkrebs.

Als Zigarettenersatz oder gar als Mittel, sich das Rauchen abzugewöhnen, sind Snus aber nur bedingt geeignet. Ein Selbstversuch des Autors brachte folgendes Ergebnis: Immer und überall kann man nun dem Nikotin freien Zugang zum betriebseigenen Blutkreislauf gewähren. Das böse rechte Händchen aber, welches sich unablässig und voller Leidenschaft nach dem warmen, Geborgenheit vermittelnden Glimmstängel sehnt, vermag das Beutelchen dann doch nicht zu beruhigen. Und dann immer dieser salzig-scharfe Nikotinsud im Mund... Weitere Nebenwirkungen: Eine dicke Beule im Oberlippenbereich, Sprech- und Trinkbehinderung, ergo Ausgehuntauglichkeit. Und schließlich bleiben gleich zwei Zwänge: Das Beutelchen da, wo der glühende Sargnagel nicht geht. Fazit: Gar nicht zum Beutelchen greifen. Rauchen aufhören. 5-30 Tage quälende Nikotinabstinenz und der Fluch ist vorbei. [mahu]


7

über.bildung

Zurück in die ZUKUNFT Alte Eindrücke in neuen Räumen Die Plena der Unibrennt-Bewegung finden seit Oktober wieder regelmäßig statt. Peter ist einer von vielen, die dabei sind. Ein Vor-Ort-Bericht, leider nicht aus dem Audimax. le neue Gesichter finden sich in den Plena, die seit Oktober 2010 nun wieder regelmäßig stattfinden. Sei es, um die Ergebnisse aus den AGs zu berichten oder gemeinsame Ideen zur aktuellen Situation in diesem Land zu skizzieren und zu entwerfen.

Foto: Daniel Hrncir

Der Wille zur Veränderung

Die täglichen Plena in der Zeit der Audimaxbesetzung... meist übervoll... stickige Luft, nebelähnliche Rauchschwaden... schweiß-, urin- und alkoholgetränkt... und laut... ja, diese Eindrücke und Bilder sind der Hypophyse der damals Teilnehmenden noch nicht ganz entwichen.. Herbst 2010: Audimax döst sich, gesäubert vom „Unrat“ der Besetzung, von Vorlesung zu Vorlesung, von Tag zu Tag - immer beäugt und kontrolliert von den vielen freundlichen Damen und Herren der Securitytruppe - und Winckler freut es. Kurz erwachte das Audi-

max an seinem Jahrestag in einem nächtlichen Besetzungsplenum... und Winckler hat es wohl nicht gefreut. Doch die Plena der Unibrennt-Protestbewegung gibt es. Auch ohne Audimax. Heute tun es andere Räume auch. Wie der eine oder andere Hörsaal im NIG oder auf der Bildenden oder in der Angewandten. Organisation und Phantasie sind gefragt.

Unibrennt lebt und arbeitet Und Unibrennt wächst und wandelt sich. Vie-

Wöchentlich am Dienstag findet das wienweite Unibrennt-Plenum statt, davor regelmäßig die Plenumsvorbereitung. Auch hier neue Gesichter, die moderieren und planen und die bekannten Gesichter jener, die den Kern der Bewegung darstellen. Die Kraft ist da, das Feuer brennt, und nachzudenken gibt es genug. Fast täglich finden sich genügend Elfmeter, die uns die Regierung am Silbertablett serviert. Sie gilt es nur noch zu verwerten - sei es in Flashmobs, Demos und Kleinevents, die in diesem Herbst wieder sehr zahlreich sind. Die Lautstärke in den Plena: heruntergeregelt, doch die, die teilnehmen, sind nicht leise. Und gearbeitet wird effizient - und nicht selten bis tief in die Nacht. Die Abläufe, wie basisdemokratische Abstimmungsmodi, RednerInnenlisten, Tagesordnungen und Protokolle - stetig wird daran gearbeitet und gefeilt - und es ist gut. Und gar nicht so selten ist der alte Duft aus dem C1-Wohnzimmer wahrnehmbar - im neuen Kleid des Jetzt. Perpetuum mobile....

[pn]

ü b e r.a l l Aus dem MP3-Player dröhnt die CD, in der Straßenbahn schmökern wir im Buch, im Kino schauen wir uns den Film an und im Briefkasten liegt die neue Zeitung. #unibrennt ist über.all. In Lehrveranstaltungen kommen wir immer noch nicht rein, die Regierung will unsere Familienbeihilfe kürzen und die Ministerin will uns erst mal ordentlich selektieren. #unibrennt ist über.all?

www.uebermorgen.at


über.bildung

8

Nachrichten aus dem Königreich Das Märchen von der Revolution Das in England beschlossene Spartpaket, das vorsieht, in vier Jahren 81 Milliarden Pfund einzusparen, und in dessen Rahmen sowohl der Staatszuschuss für Universitäten gekürzt, als auch die Studiengebühren angehoben werden sollen, löste starke Proteste aus. K

o

m

m

e

n

t

a

r

Es war einmal in einem weit entfernten, aber doch ziemlich modernen Königreich. Dort lebte ein König, der die wohlhabenden Geschäftsleute nicht verärgern wollte, denn nur diese konnten seine Regierung jederzeit stürzen. Als er sich eines Tages die hohen Ausgaben für die Oberschicht nicht mehr leisten konnte, entschloss er die Unterstützung für die Ärmsten des Volkes zu kürzen. Er entließ 500.000 Staatsangestellte, die sich um die Belange des „gemeinen“ Volkes kümmerten. Dann erhöhte er die Steuern auf Güter,etwa auf die Bildung, die dazu benutzt werden konnten, von der ärmeren Klasse in die Reichere aufzusteigen. Doch eine Gruppe von Menschen, die eigentlich genau dies vorhatte, um den König eines Tages von seinem Thron zu jagen, wollte sich dies nicht nicht mehr gefallen lassen. Diese Gruppe nannte sich Unionisten. Dieser schlossen sich nun viele Menschen an, die so eine getrennte Gesellschaft nicht mehr dulden wollten. Doch um den Kampf der Gruppe gegen die ausweglose Situation, die der König nun für sie geschaffen hat, zu verstehen, müssen wir uns das Königreich nun etwas genauer ansehen: Wie in vielen Königreichen gab es auch in diesem zwei Familien, die regelmäßig um den Thron kämpften. Manches Mal freute sich allerdings auch eine dritte sehr mächtige Familie, denn sie konnte bei einem Unentschieden im Kampf um die Macht entscheiden, wer das Land regieren sollte. Der Königsanwärter dieser Familie versprach nun den Unionisten, wenn sie ihm helfen würden an die Macht zu kommen, dann würde er die Steuern auf die besagten Güter abschaffen. Als bei der Wahl zum König dieser nun Vizekönig wurde und mitbestimmen durfte, was im Lande passieren sollte, brach er sein Versprechen und verdreifachte sogar noch die Steuern. Jetzt waren die Unionisten aber wirklich sauer auf das Königreich und planten Aktionen, wie sie dem König endlich zeigen konnten, dass sie sich das nicht mehr gefallen lassen wollten… Tja, nun besitzen natürlich alle mächtigen Familien einen Familiensitz, so auch diese in unserem Königreich. Die Familie des nun herrschenden Königs war allerdings so groß und mächtig geworden, dass sie eines www.facebook.com/ueber.morgen

Tages in ein Schloss einzog, welches einen Turm besaß, der mitten in bester Stadtlage direkt in den Himmel ragte. Die Unionisten dachten sich hingegen, dies wäre ein gutes Ziel für Streitigkeiten und organisierten kurzer Hand eine große Parade vor dem Schloss. Allerdings waren sie durch die Steuererhöhung schon so arm geworden, dass einige von ihnen so richtig böse auf den König wurden. Und um ihren Groll nun loszuwerden, besetzten sie den hohen Turm. Damit wollten sie nun endgültig klar machen, dass sie sich nicht alles gefallen lassen würden. Und da so etwas im Königreich zuvor noch nicht vorgekommen war, waren selbst die Wachen von der Besetzung überrascht und konnten nur noch zusehen, wie die Masse Feuer im Schlossgarten anzündete und die Türen zertrümmerte, damit noch mehr Menschen in den Turm hereinkommen konnten. Kurz darauf wurden am Dach Plakate mit Nachrichten an den König herunter gelassen und Zeitungen der Geschäftsleute aus den Fenstern geworfen, die auch noch in vielen Metern Höhe eingeschlagen wurden. Als der König und seine Freunde davon erfuhren, schickten sie sofort Fluggeräte mit Kameras dorthin. Um allen Bürgern des Landes zu zeigen, wie brutal und böse die Unionisten sind. Als diese nun sahen, dass ihr Aufstand live in das gesamte Königreich übertragen wird, dachten sie sich, sie müssen nun allen Bürgern unbedingt zeigen, dass man auch wirklich etwas gegen den König unternehmen kann, wenn man nur will. Es war eine richtige Wutentladung, die nun stattfand. Und einer von ihnen drehte nun durch. Er nahm einen Feuerlöscher und warf ihn vom Dach in Richtung der Wachen. Das wollte die Menge allerdings nicht akzeptieren, da ja bei so einer Tat auch Menschen sterben könnten. Also riefen sie alle zusammen im Chor „Hör auf Scheiße zu werfen!“ – Stop throwing shit – Als nun die Wachen davon erfuhren, vergaßen sie nun endgültig, dass der König viele von ihnen entlassen wollte und gaben den Unionisten nur noch wenige Stunden, um das Schloss zu räumen. Nachdem nun 8 Stunden verstrichen waren, versammelte sich eine Heerschar von Wachen rund um das Schloss und verhaftete kurzzeitig alle Menschen, die sich noch darin befanden. Auch Touristen, Passanten und Schaulustige. Als sich der Feuerlöscher-Werfer nun nicht unter den Verhafteten befand, befahl der König

die Videobilder des nun wegen „versuchten Mordes“ angeklagten Unionisten im TV auszustrahlen. Die Verhaftung konnte nun also nicht mehr lange auf sich warten lassen. Die Wachen hatten somit ihre Aufgabe erfüllt, der König seine Ruhe wieder hergestellt und die Unionisten ihre Nachricht an den König gesendet. Friede war nun wieder eingekehrt, weilte allerdings nur kurz: Denn der König bestand weiterhin auf die Steuern und befahl nun zusätzliche Hürden vor dem Aufstieg in die Oberschicht. Jetzt platzte den Unionisten so richtig der Kragen. [tok]

Wie es zu den Protesten kam Auf den Tag genau sechs Monate nach der Bildung der Koalition aus Konservativen und Liberalen versammelten sich etwa 50.000 Studierende auf Londons Straßen zur größten Demo seit zehn Jahren. Der Protest entzündete sich an der geplanten Verdreifachung der Höchstgrenze für Studiengebühren auf bis zu 9.000 Pfund im Jahr, die - sofern die Regierung die nötige Mehrheit im Parlament erhält - im Herbst 2012 in Kraft treten soll. Nach Ansicht der Kritiker könnten dadurch weniger bemittelte BritInnen von einer Hochschulausbildung abgehalten werden. Vor der Wahl hatten die Liberaldemokraten geschworen, die Studiengebühren nicht zu erhöhen, ein halbes Jahr später haben sie aber doch kleinlaut mitgestimmt. Besonders bedenklich sind die angekündigten Kürzungen beim Lehr-Etat, der von jährlich 7,1 Milliarden Pfund auf 4,2 Milliarden schrumpfen soll. Die Kürzungen sollen vor allem die geisteswissenschaftlichen Fächer betreffen, denn die Regierung sieht die Naturwissenschaften als ertragreicher an. Ebenso werden die Forschungsgelder von den Einbußen weitgehend ausgenommen. [nih]


9

über.denken

BellE Ragazze im TV Busen, Beine und Po heißen die Hauptdarsteller im italienischen Fernsehen. Frauen kommen im TV des Dolce-Vita-Landes praktisch nur vor, wenn sie genug davon in die Kamera halten. o

m

m

e

n

t

a

r

te viele italienische Mädchen anstreben: Sie wollen Velina werden.

Hauptabendprogramm: Zwei Mädels tanzen in Bikinioberteilen und Miniröcken durchs Bild, eine blond, die andere brünett. Als Abschluss ihres Auftritts räkeln sie sich lasziv auf einem Schreibtisch. Auch wenn man sich hier wie im schlechten Film fühlt, ist es die real existierende politische Satiresendung „Strisca la Notizia“ (dt. Die Nachricht geht um) auf Berlusconis Privatsender Canale5.

Eine „junge, spärlich bekleidete Frau, die im Rahmen von Fernseh-Sendungen auftritt“ lautet die Definition dieser Tätigkeit, die seit dem Jahr 2004 sogar im italienischen Wörterbuch zu finden ist. Das Wort „velina“ stammt aus dem Nachrichtenagentur-Bereich und bezeichnet ursprünglich eine dringende Nachrichtenmeldung, die der Moderator spontan in die Sendung einbaut.

Das Format hat den Beruf erfunden, den heu-

Mit dem ersten Auftritt einer hübschen, aber funktionslosen Fernseh-Assistentin 1988 hat „velina“ nun eine andere Bedeutung: Sie ist das Sinnbild für Schönheit, Reichtum und Erfolg. Etwa hundert Mädchen sind bei Italiens TV-Sendern dafür angestellt, viel nackte Haut zu zeigen. Jährlich bewerben sich tausende junge, natürliche wie künstliche Schönheiten bei der Castingshow für die neuen Veline in „Striscia la Notizia“. Denn nicht selten beginnt nach ihrem Auftritt als Veline für viele Mädchen eine TV-Karriere, eine Affäre mit einem italienischen Fußballer oder wie im Fall von Elisabetta Canalis, Velina von 1999-2002, eine Liebschaft mit einem Hollywoodstar wie George Clooney.

FrauenRechtE in Italien Die Italiener lieben die Frauen. Ihr Ministerpräsident Berlusconi macht es seinen Landsmännern auch immer wieder vor, wie man mit Frauen umzugehen hat - privat und in seiner Politik. Die Erwerbsquote italienischer Frauen beträgt 45,3 Prozent (zum Vergleich: In Österreich sind es 69 Prozent). Von den 23 MinisterInnen im italienischen Parlament sind nur fünf Frauen, und die besetzen auch nicht die traditionell wichtigen Ressorts. Vor 14 Jahren wurde – begleitet von Protesten – zum ersten Mal eine Frau Verfassungsrichterin und seither hat es erst eine einzige weitere geschafft.

Doch nicht nur in Spaßprogrammen haben Knackpo, Beine und Busen einen fixen Sendeplatz. Aus keinem Format, von der Talkshow bis zur Polit-Diskussion, sind die lebenden Deko-Elemente mehr wegzudenken. Das Konzept ist so erfolgreich, dass sogar die teilstaatliche RAI immer häufiger auf Veline setzt.

Erst 1963 wurden Frauen im öffentlichen Dienst zugelassen, die Entlassung von Arbeiterinnen, nur weil sie geheiratet hatten, verboten und das „ius corrigendi“ abgeschafft, das Recht des Ehegatten, seine Frau durch Prügel gefügig zu machen.

Foto: Karnal Panic, Flickr.com

Seit 1968 kommen Ehebrecherinnen nicht mehr ins Gefängnis, seit 1970 kann man sich in Italien scheiden lassen und 1981 fiel jener Paragraf des Strafgesetzbuchs, der zwar Gattenmörderinnen mit „lebenslänglich“ bedrohte, einem Mann aber drastischen Strafnachlass einräumte, wenn er seine Ehefrau, Schwester oder Tochter in flagranti erwischte und „im Zustand der Wut über die ihm oder seiner Familie zugefügte Ehrverletzung“ umbrachte.

Die Genderexpertin und Familiensoziologin Chiara Saraceno wagt einen Erklärungsversuch für das Phänomen Veline: „In einer kulturell so tief katholischen Gesellschaft wie der italienischen, die besessen war vom Sex, der

Foto: Luca Mainini, Flickr.com

K

ebenso als Sünde galt wie die Frau selbst, konnte Befreiung nur heißen: die Freiheit, den Körper zu zeigen.“ In ihrem Film „Il Corpo delle Donne“ (Frauenkörper) porträtieren Lorella Zanardo und Marco Malfi Chindemi die Beistellfrauen im italienischen Fernsehen. Gezeigt werden Ausschnitte aus beliebten Fernsehsendungen und Frauen, die ihr Aussehen durch plastische Chirurgie dem aktuellen Geschmack angepasst haben und sich auf ihre Sexualität reduzieren lassen. 60 Prozent der FernsehzuschauerInnen sind weiblich und doch funktioniert das „System Velina“ perfekt. Geschlechterstereotypen werden wiederholt und als normal angesehen. Mädchen wird vermittelt, dass sie nur so Erfolg haben können, was die Entwicklung und Emanzipation weiblicher Rollenbilder verhindert. Die italienischen Frauen haben mit vielen Stereotypen zu kämpfen: Die Mamma, die ständig betrogene, devote Ehefrau, die mächtige Matriarchin im Hintergrund, das prüde Mädchen aus der Provinz und nun kommt als Gegenstück zu allem die künstliche Sexbombe aus dem Fernsehen dazu. „Warum zeigen wir uns nicht, wie wir wirklich sind? Warum akzeptieren wir die ständigen Demütigungen? Warum kämpfen wir nicht für unsere Rechte?“, fragt Lorella Zanardo am Ende des Films. Und: „Wovor haben wir Angst?“ Webtipp: Die englische Version der Dokumentation „Il Corpo delle Donne“ ist unter diesem Link zu finden: www.ilcorpodelledonne.net/?page_id=91 [nih]

www.uebermorgen.at


über.politik

10

“Die Sonne lacht, die Atomkraft strahlt” Der Castortransport durch das Wendland nach Gorleben 2010 Auch dieses Jahr fanden in Deutschland massive Proteste gegen den Atommülltransport in das Zwischenlager Gorleben statt. Die über.morgen sprach mit einer Demonstrantin, die live dabei war.

Du warst im Wendland, um gegen den Castortransport zu demonstrieren. Wie hast du die Zeit erlebt? Ich war von Freitag, den 5. November bis zum 9. November dort, wir wollten protestieren, blockieren und schottern. Es war eine total ereignisreiche Zeit, die ich so schnell nicht vergessen werde! Am Samstag war erstmal die Kundgebung mit 50.000 Menschen. Die Masse dort hat mich umgehauen und auch die Kreativität des friedlichen Protests, die da anwesend war. Foto: Greenpeace jugend

Was bedeutet denn schottern? Das bedeutet, das Fundament des Gleisbettes zu unterhöhlen, die Steine wegzunehmen, damit die Strecke des Zuges unbefahrbar und er solange wie möglich aufgehalten wird.

Wie ging es weiter nach der Kundgebung?

kleinen Masse an Menschen Wegblockaden gebaut. Einfach den Waldweg mit Bäumen, Stämmen, Ästen verbarrikadiert, dann angezündet. Hauptsache die Bullen kamen nicht durch. Ich glaube, diese Blockaden haben es erst vielen Demonstranten ermöglicht, zu den Schienen durchzudringen.

Es gab ein großes Plenum im Camp in Metzingen, da lief die ganze Organisation ab. Von dort aus sind wir dann um fünf Uhr morgens mit ungefähr 2.000 Leuten singend in den Wald gezogen und dann ging es los: Wir sind alle in Richtung der Schienen gerannt. Und dann brach die Hölle los: Schlagstöcke, Geschrei, Pfefferspray. Irgendjemand schrie “Rückzug” und ich ich bin nur noch geflüchtet. Dann war plötzlich überall Nebel. Ich habe erst spät gemerkt, dass das Tränengas ist, und mir meinen Schal vors Gesicht gehalten. Überall waren PolizistInnen, die auf DemonstrantInnen eingeschlagen haben. Ich hatte eine wahnsinnige Angst und die Gewaltbereitschaft der Polizisten hat mich total geschockt.

Ihr ward bei den Sitzblockaden dabei - wie sah der Protest dort aus? Wir sind 14 Stunden auf den Schienen gesessen, alle vollkommen übermüdet und es war bitterkalt. Wenn es mit der Kälte gar nicht mehr ging, haben wir eben getanzt. Aber die Bewohner vom Wendland waren eine riesige Hilfe - echt der Hammer! Sie sind vorbei gekommen und haben Tee, Kaffee, Brot, Äpfel, Decken und Socken vorbeigebracht.

Bist du verletzt worden?

Um 23 Uhr war ich dann schon so durchgefroren, dass ich die Schienen verlassen habe. Die Blockade wurde ca. 2 Stunden später aufs Übelste geräumt und wer nicht freiwillig gegangen ist, wurde über Nacht auf dem Feld in ein „Open-Air-Gefängnis“ gebracht: Draußen schlafen bei Minus-Graden nur mit ein paar Decken!

Nein, aber zwei aus meiner Bezugsgruppe, sie mussten zurück ins Camp, also haben wir uns getrennt. Wir haben dann mit einer

Foto: GLOBAL 2000

www.facebook.com/ueber.morgen

Weil ihr nach Gorleben nicht durchgekommen seid, habt ihr euch für Laase entschieden, weil der Castortransport dort definitiv durchkommen sollte. Was ist dort passiert?

Wir haben uns erstmal einen Schlafplatz gesucht. Im Wendland ist das so, dass du überall, wo ein gelbes X, das Symbol der Atomkraftgegner, vor dem Haus steht, als Demonstrant herzlich willkommen bist zum Aufwärmen, Essen und Übernachten. Nach dem Frühstück sind wir wieder auf das Feld in Laase, wo uns ungefähr acht Wasserwerfer und Hundertschaften an Polizisten erwarteten. Es gab sehr viel Stress zwischen Demonstranten und Polizisten. Am Dienstag so gegen 9.30 Uhr stand ich auf dem Feld und habe den Castor vorbeifahren sehen. Dazu lief das Lied „Final Countdown“ von EUROPE auf der Kundgebungsbühne und ich habe bitterlichst weinen müssen. Es war einfach hart, da fährt dieses hochradioaktive Material 50 Meter von einem entfernt die Straße entlang, gut beschützt von Massen an Polizisten, die selbst voll der Strahlung ausgesetzt waren. Die ihren Job machen mussten, um diesen Scheiß-Zug bewachen.

Was erhoffst du dir, mit dem Protest erreicht zu haben? Ich hoffe, die Menschen werden durch uns aufmerksam, informieren sich und begreifen, dass sie ihren persönlichen Atomenergie-Ausstieg möglich machen können. Einfach zu einem Ökostromanbieter wechseln, es gibt 100% seriösen und erschwinglichen Ökostrom. [arr, naj]


über.politik

11

Angst und Schrecken ohne Bomben

Terrorwarnungen terrorisieren Europa Ein Terrorkommando der Al-Kaida stürmt den Berliner Reichstag, nimmt Geiseln und richtet ein Blutbad an. Eine grausige Vorstellung. Grund genug für den deutschen Innenminister die Bürger vor einer Bedrohung Deutschlands durch islamistische Terroristen zu warnen. Und ihnen damit die Arbeit abzunehmen. K

o

m

m

e

n

t

a

r

Notwendige Warnung oder gezielte Hysterie? Die Reaktionen auf solche Warnungen sind unterschiedlich. Die einen fühlen sich in ihrer Angst vor dem islamistischen Terrorismus bestätigt und fordern stärkere Sicherheitsmaßnahmen. Eine kleine deutsche Ludwigsburger Kreiszeitung brachte dies prägnant auf den Punkt: „Politiker, die auf mangelnde Ausrüstung und lückenhafte Gesetze hinwiesen, wurden als Sicherheitsfanatiker belächelt. Seit gestern kann man die Gefahr nun auch im Alltag nicht mehr übersehen.” Für die Anderen ist genau das der eigentliche Zweck der Warnungen: Angst zu erzeugen um neue und strengere Sicherheitskonzepte durchzusetzen. Oder auch einfach von unliebsamen Themen in der Öffentlichkeit abzulenken. Wo genau, ist die Gefahr „im Alltag“ denn nun sichtbarer als vorher? Die Informationen, auf denen diese Warnungen basieren, kommen meist aus Geheimdienstquellen. Sie sind damit nur schwer zu belegen und unmöglich zu widerlegen. Nur die Zeit kann zeigen wer Recht hat. Aller-

„Achten Sie auf herrenlose Taschen und seltsames Verhalten“ - Thomas de Maizière, deutscher Innenminister „Wir haben eine reale Gefährdung durch den Terrorismus.“ - Angela Merkel Es sei „völlig undenkbar“, dass die Menschen ohne Vorratsdatenspeicherung geschützt werden könnten. - Hans-Peter Uhl, CSU

Foto: SpreePix - Berlin, Flickr.com

Die Warnung ist kein Einzelfall. Es ist nicht lange her, dass die Vereinigten Staaten ihre Bürger vor einer erhöhten Terrorgefahr in Europa warnten. London sprach danach von einer „wirklichen und ernsthaften Terrorgefahr“ für das Land und in Paris führten regelmäßige, aber folgenlose Bombendrohungen für den Eiffelturm zu einer immer stärkeren Polizeipräsenz in der Öffentlichkeit.

dings nur dann, wenn etwas passiert, passiert nichts haben die Warnungen eben ihren Zweck erfüllt und die Anschläge verhindert. Das Dilemma des Diskurses: Egal was passiert, alle fühlen sich bestätigt. Passiert nichts, waren die Warnungen unbegründet oder eben erfolgreich. Ist ein Terroranschlag erfolgreich haben die Warnungen nichts gebracht oder wurden nicht ernst genug genommen. Wird ein Terroranschlag unsichtbar verhindert bzw. solches behauptet, ist die Behauptung ein weiterer Versuch Angst zu schüren oder die Warnungen waren erfolgreich. Es stellt sich allerdings die Frage, ob und wie solche Warnungen Anschläge überhaupt verhindern könnten. Kann die mit den Warnungen eingeforderte erhöhte Aufmerksamkeit von BürgerInnen einen Selbstmordattentäter stoppen? Und ist die Angst vor Anschlägen nicht so schon groß genug, dass ein rauchendes Auto oder ein verlassener Koffer auf der Straße für Alarm sorgt? Aber auch das sind Fragen, die nicht beantwortet werden können. Ähnlich wie oben werden sich auch hier in jedem Fall alle Meinungen bestätigt fühlen. Politische EntscheidungsträgerInnen und ihre KritikerInnen sind in einem unlösbaren Diskurs gefangen.

Sieger und Verlierer eines unlösbaren Diskurses Eine, oft nur indirekt beteiligte Gruppe ist der große Sieger dieses Dilemmas. Der „islamis-

tische Terrorismus“ muss gar nicht mehr aktiv terrorisieren um Angst und Schrecken in der westlichen Welt zu verbreiten. Vielleicht wird das zeitlich nicht unbegrenzt funktionieren, aber im Moment reicht es aus, einen „Dschihadisten“ als Informanten den Geheimdiensten von Terrorplänen berichten zu lassen. Tatsächlich durchgeführte Anschläge sind nicht mehr nötig. Wenn der deutsche Innenminister meint, die Behörden würden nicht zulassen, dass der internationale Terrorismus „in unserem Land Angst und Schrecken verbreitet“, dann stimmt das nur soweit, als die Behörden selbst das Angst-und-Schrecken-verbreiten übernehmen. Eine fragwürdige Leistung. Der kleine Sieger, sind die AnhängerInnen von immer stärkeren und strengeren Sicherheitsmaßnahmen. In den USA sind Nacktscanner und Intimkontrollen auf Flughäfen schon (noch stark bekämpfte) Realität, in Deutschland werden sie noch getestet. Ihre BefürworterInnen fühlen sich von solchen Warnungen natürlich bestätigt. Der große Verlierer ist die westliche Gesellschaft. Sie ist in einem scheinbar unlösbaren Diskurs über potentiellen Terror gefangen, der selbst eigentlich schon den Erfolg des Terrorismus bedeutet. Hysterie wird zum politikbestimmenden Element und massive Freiheitseinschränkungen werden mit sicherheitspolitischen Bedenken legitimiert, ohne, dass auch nur eine Bombe gezündet [jaae] werden muss. www.uebermorgen.at


über.politik

12

Es wird Kr apfen regnen ! Über Strache, Affen und die zunehmende Altisierung der Gesellschaft Immer, wenn man denkt, dass etwas nicht krasser werden kann, kommt meistens noch was drauf. So auch bei den 27% letztens bei der Wien-Wahl. Man stelle sich das einmal vor: 27%! Was kommt als nächstes? Diese Frage beschäftigt mich seitdem quasi unaufhörlich.

Das Lustigste ist, das könnten die wirklich machen, und nicht als Parodie. Offensichtlich ist es gar nicht so schwierig, Politik in Österreich zu machen. Ressentiments ausnutzen. Check. Emotionaler Inhalt, der wenig mit Objektivität zu tun hat. Check. Charismatischer Führer, der überall von den Plakaten lächelt. Check. Was mich aber an der Sache ärgert, ist dass die nie deutlich sagen können, was die genau machen würden. “Österreich für die Österreicher!” Wie geht das denn? “Mehr Leistung für unsere Leute!” Wer sind die denn? Auch die ‚neuen Österreicher‘, die die FPÖ wählen? Wäre ich FPÖ-Führer, würde ich ein klar und deutliches Programm machen. Jeder soll entscheiden dürfen, wer was von seiner Sozialversicherung bekommt. Ich, zum Beispiel, bin total dagegen, dass frühpensionierte Beamte, die nie was im Leben gehackelt haben, was von meinem Geld bekommen. Also soll es ein Formular geben, wo du entscheiden kannst, wer dein Geld bekommt. Eigentlich ist das überhaupt keine schlechte Idee - ich werde eine Partei gründen, die Hass gegen Pensionisten schürt, die JPÖ: “Junge Partei Österreich“! “Für wen zahlst du dein ganzes Geld? Für die älteren Leute!” Wir müssen uns vor der schleichenden Altisierung der Gesellschaft schützen! Bald werden die Alten in der Mehrheit sein! Die können gar kein richtiges Deutsch mehr reden! Die nehmen am alltäglichen Leben nicht teil! Aber da hören wir noch lange nicht auf! Wir werden Ressentiments gegen Gruppen fördern, von denen man gar nicht wusste, dass es sie in Österreich überhaupt gibt! Alle Waliser müssen sofort abgeschoben werden! Mit ihrem Hang zu Rugby, vokalfreier Sprache und fundamentalistischen Methodisten stellen sie eine reale Gefährdung für die österreichische Gesellschaft dar! Und wir werden alles mögliche versprechen! Sicher in dem Wissen, dass wir das nie erfüllen werden müssen. Wenn die JPÖ an der Macht ist, wird es jeden Tag Weihnachten sein! Es wird Krapfen regnen! Es wird niewww.facebook.com/ueber.morgen

Foto: Raketa.at

Was kommt als nächstes? Die FPÖ macht ein Remake von ‚Planet der Affen‘? Mit Strache als Charlton Heston und Muslimen statt Affen? Ich kann mir schon die letzte Szene vorstellen, wo Strache den Stephansdom mit einem aufgesetzten Minarett findet. “You maniacs! You blew it up! Damn you! Damn you all to hell!”

mand die Straßenbahn verpassen! Du wirst immer deine andere Socke in dem Waschkorb finden, usw. Garantiert! Und unsere Schmutzkampagne wird alles übersteigen, was die FPÖ bis jetzt gemacht hat. Wir werden grob gefälschte Fotos veröffentlichen, die zeigen, wie Oppositionspolitiker kleine Tiere sexuell missbrauchen.

Wir werden jedem, der uns widerspricht vorwerfen, dass sie zu einer geheimen freimaurerisch-walisisch-zionistisch-kommunistisch-außerirdischen Gruppe gehören. Und das Beste ist: Dieser Haufen Blödsinn, den ich gerade verkatert in zehn Minuten erfunden habe, ist gar nicht so weit entfernt von der FPÖ-Realität. [holt]

Schlägt man auf das schmucke Blatt, wird man niedergeschrieben glatt. Meinungskotzer, Volksverhetzer Suderbuberln, Säbelwetzer, alles in gereimter Form, Seite drei ist das die Norm. Auch von Plakaten, meistens rechts, schreien Reime meistens Schlecht´s. Liebe Meistersänger-Garde, schlechte Reime klingen fade, dennoch habt ihr nicht, bedenket wohl, das Dumme-Reime-Monopol! Gatto


13

über.kitsch&kultur

“Progress should have stopped, when man invented the bicycle” In der “Critical mass” nehmen sich FahrradfahrerInnen den Platz auf der Straße, der ihnen sonst nicht gewährt wird. Beim friedvollen Gestalten des sonst so hektischen Straßenverkehrs war auch die über.morgen dabei. keine Autos zwischen die Gruppe fahren. FußgängerInnen und Öffis werden möglichst nicht behindert.

erstmal nicht schlecht über die Masse von Fahrrädern, musikalischen Fahrradklingeln, Hochrädern, Chopper-Nachbauten und Dreirädern. Kurz nach 17:00 Uhr kündigt dann ein anschwellendes Fahrradklingelkonzert den Aufbruch an und es geht los. Foto: Criticalmass.at

Es ist Freitag und ein Freund hat Besuch aus Belgien, dem man gerne Wien zeigen möchte. War da nicht was? Genau! Jeden dritten Freitag im Monat findet doch die Critical Mass statt, diese berüchtigte Fahrradtour durch Wien von der man schon so oft gehört hat, aber noch nie dort war. Also schnell noch ein Citybike für den Gast ausleihen und auf zum Schwarzenbergplatz. Zum Glück sind wir noch rechtzeitig da, die Route der Critical Mass entsteht nämlich spontan und einmal losgefahren, ist es nicht leicht sie noch zu finden. Angekommen staunt man

Langsam wird es dunkel und wir kommen am AKH vorbei. Am Schutzblech meines Vordermannes sehe ich den Aufkleber “Progress should have stopped, when man invented the bicycle” und ich gebe mich der Illusion hin, gerade nicht Teil der Critical Mass, sondern des Wiener Feierabendverkehrs zu sein, der nur aus Fahrrädern besteht und in dem Menschen miteinander diskutieren und lachen anstatt zu fluchen und zu hupen, in einer Stadt ohne Luft- und Lärmverschmutzung.

Von der Polizei eskortiert, die man durch die schiere Masse an RadfahrerInnen gar nicht wahrnimmt, setzt sich die Critical Mass in Bewegung in Richtung Südbahnhof. Mittendrin entdeckt man Hunde in Fahrradanhängern, an Helme montierte Kameras und freut sich darüber, wie viele verschiedene Menschen sich für diese umweltfreundliche und gesunde Form der Fortbewegung begeistern: Neben FahrradpiratInnen radeln PensionistInnen, Kinder zwischen FahrradkurierInnen und einen besonderen Eindruck hinterlässt auch eine Frau, die, ihrem Büro-Outfit nach, gerade von der Arbeit kommt und stolz auf ihrem mit Blumen verzierten Dreirad fährt.

Beim Tüwi nimmt die Critical Mass ihr Ende. Wir sind vom vielen Radeln müde, aber doch zufrieden und der Besuch aus Belgien freut sich über diese Stadtführung der besonderen Art. Critical Mass: Weltweit in über 300 Städten. Jeden dritten Freitag im Monat. Wien: Treffpunkt: 16:30 Uhr am Schwarzenbergplatz. Infos: www.criticalmass.at

Verkehrsregeln? Die Ersten halten bei Rot und fahren bei Grün, der Rest fährt auch bei Rot, damit die Gruppe zusammenbleibt. Kreuzende Straßen werden blockiert, damit

[mm]

Bildungszombies Achtung Satire!

Einige Wiener PolizistInnen standen am 17. November am Ballhausplatz vor einer großen Herausforderung. Trotz häufiger Beschwerden beim Arbeitgeber hatten sie bislang keine Silberkugeln für ihre Schusswaffen erhalten und konnten sich nicht gegen die frei gekommenen Bildungszombies wehren.

Als sie bemerkten, dass die Zombies Studierende attackierten, flüchteten sie vom Schauplatz, um nicht wegen unterlassener Hilfeleistung angezeigt werden zu können.

Foto: Daniel Weber

Die Studierenden konnten die Zombies jedoch nach dem alten „Mob gegen Einzelne“-Prinzip überwältigen und unschädlich machen. [roro]

www.uebermorgen.at


14

über.graus

Die Sendung mit dem Graus HEUTE: Wissenschaft und Forschung

Sonnenkönig

Die Biografie

Foto: sup, tas

R

e

z

e

n

s

i

o

n

Großer Zampano. Medienkanzler. Visionär. Schuldenkaiser. Bundeskanzler der Insel der Seeligen. Bruno Kreisky – auf jeden Fall ein Mann, der polarisiert und emotionalisiert. Die einen bewundern ihn als schillernden Modernisierer der österreichischen Nation. Die anderen verteufeln ihn als die Ursache für alle Schulden Österreichs. Aber doch ist er 20 Jahre nach seinem Tod noch jedem bekannt. Seinen hundertsten Geburtstag hätte er im Jänner des kommenden Jahres gefeiert.

Betroffen von den (Kaputt-)Sparmaßnahmen sind auch Wissenschaft und Forschung. Zum kakophonen Stimmengewirr von ÖVP und SPÖ, die ihr Einsparpotential vor allem in vernunftbasierten Entscheidungen zu sehen scheinen, mischen sich nun Stimmen von Alt-Politikern und Landeshauptleuten, die auf ihre Weise etwas zur Forschung und Bildung in Österreich beitragen wollen - ein Ansinnen, das man durchaus als Drohung verstehen kann. Aber sehen wir uns zunächst den neuesten Streich der Gallionsfigur des Schiffs an, das „Kaputtsparen der Unis“ auf seine Fahnen geheftet hat: Die Beatrix Karl, die schwingt weiterhin den Sparstift. Nicht nur an den Unis, sondern auch außerhalb. Ihr aktueller Streichposten ist die außeruniversitäre Forschung. Dazu zählen unter anderem das Österreichische Institut für Internationale Politik (oiip), das Erwin-Schrödinger-Institut für Mathematische Physik (ESI) und das Internationale Forschungszentrum Kulturwissenschaft (IFK). Die Stimme des SPÖ-Wissenschaftsstadtrat spricht zwar von einer veritablen Katastrophe für den Wissensstandort Wien. Helfen könne er aber nicht, das verbiete die angespannte Budgetsituation dumm gelaufen für die außeruniversitäre Forschung. Der Pröll Erwin, Herrscher über Niederschnitzelland, will eine neue Uni aufsperren. Und zwar eine private Medizin-Uni in seinem Herrschaftsgebiet. „Der Markt braucht es“, konstatiert der Pröll - Angebot und Nachfrage, klar. Der Markt, das sind in dem Fall die oberen 10.000, die sich die horrenden Studiengebühren an Privatunis leisten können. Der Rest darf die kaputtgesparten staatlichen Unis besuchen. Ganz im Sinne von „mehr privat, weniger Staat.“ Und dann dröhnt da noch die Stimme des Herrn Androsch, die ein Bildungsvolksbegehren fordert. Für eine schöne neue Uni inklusive Zugangshürden und Studiengebühren. Selber hatte der Herr Androsch aber nie recht viel Freude mit Gebühren. Vor allem nicht mit solchen in Form von zu zahlenden Steuern. Und so will der König von Niederschnitzelland das Prestige seiner Herrschaft durch eine Uni aufpolieren, der alternde Politiker versucht sich als Hochschulreformer und die Frau Ministerin? Die führt wie gewohnt mit großen Augen und gekräuselten Lippen ihre als Dia[masc] log getarnten Monologe - dem Graus graust es. www.facebook.com/ueber.morgen

Foto: Residenz Verlag

Seitdem die Wirtschaftskrise über Schnitzelland hereingebrochen ist, beherrschen Wörter wie Verschuldung, Steuererhöhung und Einsparung die Presselandschaft. Und nachdem SPÖ und ÖVP das Budget bekannt gegeben haben, hat sich bestätigt, was wir bereits ahnten: Es wird gespart werden. Für den Einzelnen bedeutet das jedoch, dass er zahlen muss für Dinge, die früher weniger oder gar nichts gekostet haben - klingt betrüblich, ist es auch.

Und das nahm sich auch Wolfgang Petritsch als Anlass, um Bruno Kreisky zu biografieren. Petritsch war einer von Kreiskys Sekretären in dessen Hochzeit. Er stand im „Dienst um die Person des Bundeskanzlers“, wie es der Amtskalender der Republik beschreibt. Seine persönlichen Erfahrungen und Aufzeichnungen als Startmaterial verwendend, machte sich Petritsch an eine jahrelange Recherche um ein detailliertes Bild des Ausnahmekanzlers zu zeichnen. Umfangreiche Gespräche mit nahezu allen Akteuren und Zeitzeugen der Ära Kreisky bilden das Fundament der Biografie. Umfangreiche Archiv- und Literaturrecherche komplettieren das Mosaik. Und am Ende steht ein Buch, welches ohne große neue Erkenntnisse, aber mit umso größerer Detailtreue die politische Person Bruno Kreisky porträtiert. Das Buch zeichnet Kreiskys Laufbahn in beeindruckender Weise nach. Petritsch schafft es zu beschreiben, wie aus dem sozialistischen, bürgerlichen Juden, welcher in den Arrestzellen der Austrofaschisten saß, der große Visionär und Modernisierer Bruno Kreisky wurde. Seine Schattenseiten werden aber ebenso beleuchtet wie seine Zeit am Olymp der österreichischen und internationalen Politik. Der offene Disput mit Simon Wiesenthal, welchen Kreisky mit ungewöhnlicher Härte führte, wird ebenso direkt und relativ objektiv behandelt wie der spätere Fall im Jahre 1983 und die Verhandlungen mit der FPÖ, aus denen die rot-blaue Regierungszusammenarbeit hervorging. Alles in allem schafft Wolfgang Petritsch eine spannende, detailgetreue Biografie. Er bleibt trotz seiner Nähe zumeist sehr objektiv. Seine Ausführungen lassen so manches Verstehen, was bis dato dunkel erschien. Betrachtet man die heutige österreichische Politik, ist diese Biografie ein Geschichtsbuch mit umso stärkerem aktuellen Bezug. Wolfgang Petritsch, „Bruno Kreisky. Die Biografie. € 26,90 / 423 Seiten Residenz Verlag, St. Pölten / Salzburg 2010

[sud]


15 ! tire

Wer manchmal nostalgisch in Erinnerungen an die Audimax-Zeit schwelgt, kann sich jeden Sonntag eine Portion davon abholen – vom alten Feeling und vom VoKü-Essen. Denn die VoKü lebt noch und kocht immer sonntags von 17 bis 23 Uhr im uoqbon, Geibelgasse 23, im 15. Bezirk. Wie immer vegan und lecker.

a gS

n

htu

Ac

der Woche

Nähere Infos unter: http://uoqbon.obda.net

Auch heute haben wir wieder einen ganz schwierigen Fall - den Erwin. Der Erwin ist ein niederösterreichischer Wolfshund. Er tut sich recht schwer damit, seinen Beißreflex in den Griff zu bekommen, wenn er Befehle von seinem Herrl bekommt. Kürzlich hat der Rabauke glatt probiert, ganz viele Bundeslehrerschafe zu reißen. So ein Schlingel. Wenn Sie bei sich daheim etwas Platz und eine starke Hand haben, wären wir und der Erwin froh darüber, ein Zuhause für den kleinen Lausbuben zu finden.

n

g

Foto: Jakob Hürner, Flickr.com

Eure über.morgen-Tierredaktion

h

n

u

Vermieter sagen es sind 10.000, Hausbesetzer sagen es sind 80.000 – fest steht, es gibt verdammt viele leer stehende Wohnungen in Wien. Und wenn man jetzt auf der Suche nach einer großen Wohnung für unsere WG ist, so wie wir, durch die Stadt läuft und all diese wunderhübschen leeren Häuser sieht, kriegt man schon mal die Wut. Denn die Wohnungssuche ist hart und zermürbend. Hat man mal eine einigermaßen passend aussehende Wohnung im Internet erspäht, die nicht zu klein ist, aus drei Durchgangszimmern besteht, eine horrende Monatsmiete kostet oder in Purkersdorf liegt, darf man dem Maklerbüro für diese Anstrengung auch noch zwei Monatsmieten Provision zahlen. Warum zum Teufel sollte ich zwei Monatsmieten an jemanden verschenken, der nichts dazu beigetragen hat, dass ich diese Wohnung gefunden habe, als eine Anzeige ins Internet zu stellen? Leer stehende Häuser sind eine absolute Verschwendung von Raum, dessen Nutzung die Stadt um einiges lebendiger und bunter gestalten würde - denn ich rede hier nicht ausschließlich von der großartigen WG, die wir dann in dem kleinen Häuschen in der Mondscheingasse hätten... [arr]

S

U

D

ERE

C

K

:

W

o

Schwirigkeitsgrad: Anspruchsvoll

UNSER Zahlenrätsel UNSER Lieblingsplatz

über.reste

www.uebermorgen.at



Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.