4/2009: Bildung ist Geil

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Mi 18.11.2009 • Nr. 4 • Kostenlos

U-BahnZeitung der Protestbewegung

Foto: unibrennt

Foto: Fatih Özberk

GEIL!

Foto: unibrennt

Foto: agdoku@unsereuni.tv

BILDUNG IST Das „System Prekariat“

Gleiches Recht auf gleiche Bildung

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Ein Leben und einige Lieder für das AUDIMAX Seite 10


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Inhalt

Liebe Leserinnen, Liebe Leser Wie oft wird Österreich in den letzten Jahrzehnten als Insel der Seligen gelobt. Doch die Wahrheit sieht anders aus, denn weder erhält hierzulande jede_r die Chance selig durchs Leben zu gehen, noch können wir es uns leisten, mit Scheuklappen einfach vor uns hinzutrotten. Gleichberechtigung ist kein Thema, dass nur irgendjemanden aus irgendeiner Minderheit betrifft – Gleichberechtigung geht jede_n einzelne_n direkt an. Trotzdem findet sie in Österreich nicht statt. Es werden Unterschiede gemacht zwischen Ausund Inländer_innen, Frauen und Männern, Unternehmer_innen und Arbeiter_innen. Die Besetzer_innen des Audimax haben die Ungleichgewichte in unserer Gesellschaft nicht nur gesehen, sondern stehen dagegen auf. Diese Ausgabe widmet sich nicht nur den Protesten, sondern vor allem auch den Ungerechtigkeiten, mit denen Student_innen zu kämpfen haben. Zu kämpfen in Österreich – einer Insel der Seligen…

Richtigstellung zu dem Artikel „Studiengebühr gibt es noch“ Morgen Nr 3 11.11.2009

Willkommen im österreichischen Bildungssystem?

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Gleiches Recht auf gleiche Bildung

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Audimax besetzt, EU-weit Unis bewegt, was nun?

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Von der Ostsee bis zum Balkan

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Das Keltologie Märchen

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Der Sparkurs kommt den Studierenden teuer

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Das „System Prekariat“

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Fortschritt der Ameisen

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„Frau Professor, wollen Sie einen Lehrstuhl oder ein Kind?“

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Web 2.0

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Protestkultur am Juridicum

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Pröll verhöhnt die Generation Praktikum!

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Vizekanzler Superstar

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Angst vor den eigenen Idealen?

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Ein Leben und einige Lieder für das AUDIMAX

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AUDIMAX Programm

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destroy, munich

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Die Logik aus dem Nimmerland

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Gedicht für freie Bildung

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Die Zärtlichkeit der Studierenden

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Es gibt ein Haus in Österreich - Lied

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Hey ihr jungen Leute! - Leserbrief

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Hund der Woche

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Kreuzworträtsel/Sudoku

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Studierende bezahlen, entgegen unseren Angaben, keine Studiengebühren, wenn sie im vergangenen, oder laufenden Semester Studienbeihilfe bezogen haben.[red]

Wir sind eine freie und unabhängige studentische Wochenzeitung mit dem Ziel unsere Anliegen und Themen der breiten Öffentlichkeit näher zu bringen und die öffentliche Diskussion zu fördern. Wir bieten keinen Raum für jegliche Art der Diskriminierung und stehen für eine faire und kritische Auseinandersetzung mit den Themen.

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U-BahnZeitung der protestbewegung

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Willkommen

im österreichischen Bildungssystem? Obwohl, oder vielleicht auch gerade weil die Anzahl ausländischer Studierender an Österreichs Unis steigt, sehen sich diese mit enormen bürokratischen und finanziellen Hürden konfrontiert. Vor allem für Drittstaatsangehörige ist es alles andere als einfach an einer der österreichischen Universitäten Fuß zu fassen. Das zeigt sich schon beim Blick auf das Zulassungsverfahren.

Daher muss die Studienwahl praktisch bereits im Herkunftsland getroffen werden. Falls die/der Studierende doch ein anderes Studium belegen oder den Studienort wechseln möchte, beginnt der bürokratische Hürdenlauf quasi von vorne.

Studienbeginn Oder: Wie meistere ich einen bürokratischen Hürdenlauf?

Wie schon angesprochen, gibt es aber auch viele finanzielle Barrieren, die sich einem sorgenfreien Studium in den Weg stellen. Zum einen zahlen Drittstaatsangehörige mit geringen Ausnahmen noch immer Studiengebühren (363 Euro/Semester). Außerdem müssen sie ein gewisses Vermögen – je nach Alter mindestens rund 5.000 oder 9.000 Euro pro Jahr – nachweisen können, um in Österreich bleiben zu dürfen und Stipendien sind eher Mangelware. Absurd, wenn man bedenkt, dass eine Beschäftigungsbewilligung im Rahmen unselbstständiger Arbeit nur für geringfügige oder zeitlich beschränkte Tätigkeiten erteilt wird, Praktika und Volontariate aber kein Problem zu sein scheinen. Es gibt zwar Abkommen mit einigen der ärmeren Drittstaaten, Bürger_innen der reichsten Länder haben aber trotzdem einen privilegierten Zugang zum österreichischen Universitätssystem. [jou]

Foto: sAgd

Während österreichische Studierende, Student_innen aus dem EU- und EWR-Raum sowie Schweizer_innen bis einschließlich November Zeit haben, sich auf der Universität zurecht zu finden und sich für ein Studium zu entscheiden, endet die Zulassungsfrist für Personen aus Drittstaaten bereits Anfang September. Aber nicht nur die eingeschränkten Zulassungsfristen stellen ein Problem dar, die zur Anmeldung benötigten Dokumente müssen kostenpflichtig übersetzt und beglaubigt werden. Des Weiteren müssen etliche Nachweise erbracht werden – so müssen Drittstaatsangehörige beispielsweise zur allgemeinen Universitätsreife auch eine besondere Universitätsreife im Herkunftsland nachweisen, die sich auf das spezifische Studium stützt.

Studieren – vor allem für Migrant_innen eine Geldfrage

Gleiches Recht

auf gleiche

bildung

Michael ist 19. Seine Mutter ist alleinerziehend und arbeitet als Bäckerin. Ayse ist vor sieben Jahren aus der Türkei nach Österreich gekommen. Simon hat seinen Freund Daniel im Sommer auf Ibiza kennen und lieben gelernt. Was diese drei gemeinsam haben? Sie sitzen jeden Dienstag nebeneinander in der Vorlesung. Eine zentrale Forderung der protestierenden Student_innen ist die gleiche Chance auf Bildung für alle, unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Behinderung, sexueller Orientierung oder Einkommen der Eltern. Nicht nur die Sprösslinge von Akademiker_innen dürfen die Möglichkeit haben, zu studieren, auch Kinder aus einfachen Verhältnissen sollen die Chance auf eine universitäre Bildung bekommen. Es ist eigentlich unglaublich, dass noch immer 2,5 Mal mehr Studierende Eltern mit Universitätsabschluss haben als ohne.

Frauen bezeichnen sich heute großteils schon selbst als gleichberechtigt. Ein genauerer Blick auf Bildungsstatistiken offenbart, dass dem nicht so ist. Im Studienjahr 2005/2006 waren die technischen, naturwissenschaftlichen und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten Männerdomänen. Frauen sind vor allem in bildungs-, sprach-, und kulturwissenschaftlichen Bereichen zu finden. Die Politik hat es bisher einfach verabsäumt, Gleichberechtigungsmaßnahmen schon ab dem Kindergarten zu setzen. Eine 50-prozentige Frauenquote auf allen Ebenen könnte dem Abhilfe schaffen. Doch auch Migrant_innen haben es in unserem Bildungssystem nicht einfach. Sie erleiden eine doppelte Diskriminierung, da sie häufig noch dazu aus dem Arbeiter_innenmilieu stammen. Eine große Ungerechtigkeit sind die doppelten Studiengebühren, die Staatsbürger_innen aus Ländern außerhalb der EU zahlen müssen. Wir dürfen nicht vergessen, dass Studierende aus anderen Ländern eine Bereicherung für die Universität sind. Antidiskriminierung wird auch gegenüber Homosexuellen und körperlich beeinträchtigten Personen gefordert. Ein barrierefreies Studieren muss möglich sein.

Bildung ist ein wichtiges Instrument, um Diskriminierung und Vorurteile abzubauen. [ain]


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Audimax besetzt,

was nun???

Foto: tok

EU-weit Unis bewegt, Es liegt nicht an den Forderungen, dass derzeit die Besucher des Audimax wohl nicht mehr ganz so zahlreich sind, wie noch vor einer Woche: Es ist ein Reflexionsprozess angelaufen. „Was nun?“ - steht in den Gesichtern geschrieben. Es ist die Frage nach dem nächsten Ziel aufgekommen. Das Parlament besetzen? Die Republik stürzen und in eine basisdemokratische Gesellschaft wandeln? Was nun? Viele fragen sich viele Dinge. Manche davon sind wohl mehr als dumm und kontraproduktiv, aber in diesem Findungsprozess ist alles erlaubt. 75% Frauenquote, Auflösung des Bundesheeres, Verteidigung durch Bildung oder auch Abschaffung der Abschaffung. Aber so ist das, wenn man

len Weg: ein Bildungsvolksbegehren zu initiieren und noch weiter zu besetzen. Sich eben darauf zu verlassen, dass andere Länder dem Beispiel folgen werden. Andererseits sieht man die Möglichkeit eine europäische Bewegung zu mobilisieren, die ihres gleichen sucht. 34 besetzte Unis EU-weit (bei Redaktionsschluss) ist das bisherige Fazit der Ausdehnung und alles Geschehen in den letzten Tagen. Es brodelt in der Küche der EU, da wird was gekocht. Und diesmal geht die Revolution nicht vom aufgeklärten Frankreich oder deutschen 68er-Bewegungen aus. Der Koch sitzt in Wien und kocht und kocht. Das Rezept ist zum Greifen nah, die Zutaten wie ein EU-weiter Bildungs-Streik oder ein EU-weites Volksbegehren sind in greifbare Nähe gerückt. Dafür gesorgt hat die rasante Vernetzung der besetzten Universitäten übers Internet und der Lissabon-Vertrag, der ab 1.Dezember gültig sein wird. Am EU-Streik Tag, dem 17.November 2009 arbeitet bereits eine Arbeitsgruppe namens „Strategie“ und auch für das EU-Volksbegehren haben sich bereits Lobbys gegründet. Ein Ausweg aus dem kraftraubenden Prozess des Wartens scheint gefunden. Die Frage, ob sich der Zug in die Richtung bewegt, ist allerdings noch nicht ausdiskutiert. So ist das wohl in einer Basisdemokratie. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht ganz sinnvoll erscheint, so ist es doch ein öffentlicher Denk[tok] prozess. Alles ist erlaubt. Auch Sitzen und Warten.

sagt, was man denkt. Wenn man einen Ideenprozess beginnt und diesen öffentlich per Live-Stream in die Redaktionen argumentiert. Da werden Sachen aufgebauscht, herausgezogen und durch den medialen Fleischwolf gedreht. Das ist Basisdemokratie und Medienmissverständnis. Es sind Gesichter, die jetzt mal kurz darüber nachdenken, wie es weiter geht. Die Vernunft wird siegen, die Intelligenz wird folgen. So wie das wohl zu sein hat, wenn sich die akademische Bildung ein Stell-Dich-Ein gibt. Doch nun sieht man endlich Licht am Ende des Tunnels. Die Student_innen stehen vor einer prekären Entscheidung. Einerseits gibt es nun den nationa-

Von der Ostsee bis

zum

Balkan

Dienstag, 10.11., 22:45 Uhr, Eingang der Hauptuni Wien. Eine Wagenkolonne mit deutschen Kennzeichen rollt ein. Transparente werden hochgehalten, Gejohle und Applaus begrüßen die Ankommenden. Ein Hilfskonvoi der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat nach 25-stündiger Fahrzeit und unglaublichen 1598,6 km sein Ziel erreicht: Das Audimax der Uni Wien. Die Mission: „Care for Vienna.“ Die Delegation der nördlichsten deutschen Volluniversität hat auf ihrer zweitägigen Tour um die 50 Carepakete zur Unterstützung der Audimax-Besetzer_ innen an insgesamt 14 deutschen Unis gesammelt. „Beeindruckend, super kreativ, einfach nur überwältigend“, so René aus Kiel beim ersten Anblick des vollen Audimax. „Super, dass ihr hier seid!“, einer der vielen begeisterten Zwischenrufe aus den Reihen des Hörsaals, als die Carepakete auf der Bühne ausgepackt werden. In den Paketen findet sich alles, was das Besetzerherz begehrt: Von Kaffee, Würsten, Kartoffeln, Kugelschreibern, Kalendern, Feuerzeugen, Klopapier und Kondomen bis hin zu einem Aktenvernichter, Transparenten, Mutmachbriefen und Solidaritätsbekundungen ist alles dabei. „Danke für die Lakritze und die Salzheringe!“, lässt Paula an die vielen Unterstützer_innen aus Deutschland ausrichten. „Wir finden das super, was ihr hier macht; ihr habt da was Großes angestoßen; nach Deutschland läuft das gerade über“, so Dirk, einer der Kieler Botschafter_innen, vor den vollen Sitzreihen des Audimax. Im Juli sind

Foto: sAgd

Deutschland schickt Carepakete nach Wien

deutschlandweit schon rund 270.000 Studenten_innen für die Bildung auf die Straße gegangen. Durch die Wiener Aktionen sei wieder neuer Schwung auch in die deutsche Bildungsdebatte gekommen. Es gebe wieder mehr Aufmerksamkeit für die Anliegen der Studierenden. Erwecken von Aufmerksamkeit sei auch der Hauptgrund für diese Solidaritätsaktion gewesen. Interessantes Detail am Rande: Der Rektor der Uni Kiel hat für die Tour einen unieigenen VWBus zur Verfügung gestellt. Finanziert wurde die Care-Aktion von der AStA, dem deutschen Pendant zur Österreichischen Hochschüler_innenschaft. Aufgrund der guten Kooperation zwischen Studierenden und Uni-Senat an der Kieler Uni musste es dort zu keiner Besetzung kommen. Es geht also auch anders... „Voll genial, dass die sich das antun, dass sie ein internationales Zeichen setzen“, zeigt sich Matis, einer der Wiener Audimaxbesetzer_innen, von der Aktion begeistert. „Nicht jeder würde wegen bildungspolitischen Anliegen einen Marathon einlegen – von der Ostsee bis fast zum Balkan“, so Bering aus Wien. Internationaler Zusammenhalt sei immens wichtig für die Bewegung, denn nur gemeinsam ließen sich die Probleme lösen. Höchste Zeit also für einen Gegenbesuch – vom Balkan zur Ostsee! Weiter Infos unter: http://asta-kiel.derneye.de/


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Foto: sAgd

Foto: sAgd

Foto: sAgd

U-BahnZeitung der protestbewegung

Das Keltologie Märchen Einst, vor gar nicht allzu langer Zeit, gab es das individuelle Diplomstudium Keltologie. Dort war es für jedes Individuum möglich, sich in Archäologie, (Alte) Geschichte, Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaft spezifisches Wissen anzueignen. Es war ein schönes Studium, und die Studierenden waren glücklich. Bis zu jenem düsteren Tage, als die böse Verschulungsfee Bologna in die Lande zog und die bunte Universitätslandschaft mit einem Fluch belegte. Viele arme Fächer waren betroffen, und nichts konnte den Bann brechen; denn die böse Fee Bologna war mächtig und hatte starke Verbündete. So kam es, dass auch die Keltologie unter dem Fluch zu leiden hatte - plötzlich war die Hälfte des Studiums verschwunden! Das IDS Keltologie war zum Masterstudium Vergleichende Indoeuropäische Sprachwissenschaft und Keltologie geschrumpft worden!

Die tapferen Student_innen versuchten sich zu wehren und schmiedeten einen Plan: ein eigener Bachelor! Doch die böse Fee Bologna wusste das zu verhindern. Düsternis befiel die Herzen der Keltolog_Innen. Wie sollten sie nun zukünftigen Studierenden den Weg zur Keltologie ebnen, wie Interessierten Wissen in diesem Fach zukommen lassen? Sie konnten nur ausharren und das Engagement der Studierenden unterstützen, die den Mut aufbrachten, sich dem Fluch der Bologna zu stellen, um schließlich am Ende eines langen Kampfes das Wissen der Keltologie zu erringen. Doch nun scheint sich ein Lichtfleck am Horizont zu zeigen und viele kleine Studien schöpfen wieder Hoffnung. Naht das Ende der dunklen Tage? Wird der Weg zurück ins Licht bereitet? Ob dieses Märchen doch noch ein gutes Ende finden wird?

Die „Vandalen-Studis“ sprayen auf Wände und demolieren die ganze Uni – so sehen es Uni-Rektorat und Kronen Zeitung. Über 300.000 Euro kostete die Besetzung des Audimax die Uni Wien bisher, sagt Rektorat-Sprecherin Cornelia Blum. Allein für die Verlegung von Vorlesungen ins Austria Center zahle die Uni bis zu 25.000 Euro am Tag. Das sind die Zahlen des Rektorats – unabhängige Schätzungen für die Kosten der Besetzung gibt es nicht.

Foto: Martin Juen

Der Sparkurs kommt den Studierenden teuer

Diese Zahlen hören sich gewaltig an. Aber sind sie es? Auch die Missstände an der Uni, gegen die die Studierenden protestieren, kosten Geld. Die neue OECD-Studie „Bildung auf einen Blick“ unterstützt diese Ansicht. Eine Person, die Vollzeit studiert, verzichtet auf geschätzte 25.000 Euro im Jahr, die sie mit einem „normalen“ Job verdient hätte. Über-

Florian durchgehend studiert, könnte er im kommenden Jahr bereits als Turnus-Arzt arbeiten – bei ca. 1.700 Euro netto monatlich. „Die Uni schuldet mir eineinhalb Jahre Gehalt“, findet der Student. Das wären über 30.000 Euro, für einen Studierenden alleine!

füllte Pflichtlehrveranstaltungen und Wartejahre, wie sie beispielsweise an der MedUni üblich sind, gehen da ganz schön ins Geld. Medizinstudent Florian ist empört: „Ich studiere seit elf Semestern Medizin. Davon musste ich bisher drei warten, ohne mit dem Studium weiter machen zu können.“ Hätte

[kah]


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Foto: unibrennt

Fortschritt der Ameisen

Das

Mit ein paar hundert Studierenden, die die untragbaren Zustände an der Universität nicht mehr hinnehmen wollten, fing der Protest vor fast zwei Wochen an der Akademie der bildenden Künste an. Mittlerweile sind Student_innen aus ganz Österreich daran beteiligt, aufzuzeigen, dass sich etwas ändern muss. Jede und jeder für sich und doch alle zusammen. Die Sparmaßnahmen in der Bildungspolitik äußern sich natürlich in jeder Studienrichtung anders, deshalb ist es wichtig, auch auf Institutsebene individuelle Probleme aufzuzeigen und Lösungen zu erarbeiten. Arbeitsgruppen zu den einzelnen Studienrichtungen bilden sich, der Kontakt mit Lehrenden wird gesucht und gefunden. Dann werden gemeinsam Kritikpunkte an den neuen Studienplänen erarbeitet und Lösungen vorgeschlagen. Um sich auch mit den Erfahrungen anderer Studienrichtungen vertraut zu machen, treffen sich die vielen Arbeitsgruppen dann bei den Vernetzungstreffen. Weiter geht’s zu den täglichen Versammlungen im Audimax - dort werden die Fortschritte allen vorgestellt. Wie Ameisen sind auch wir auf den ersten Blick ein chaotischer Haufen, aber wer genauer hinsieht, erkennt die Struktur dahinter. [maza]

„System Prekariat“

60% aller Studierenden in Österreich sind neben dem Studium regelmäßig berufstätig, 80 % zumindest zeitweilig. Das Klischeebild des bummelnden Studenten hat längst ausgedient – heute bedeutet studieren lernen UND harte Arbeit. Prekäre Dienstverhältnisse sind eine neue Form der Lohnarbeit und zeichnen sich durch mangelnde soziale Absicherung, unfaire Bezahlung und Jobunsicherheit aus – sie betreffen alle sozialen Schichten. Dazu zählen geringfügige Beschäftigungsverhältnisse ebenso wie befristete Anstellungen, Praktika, Scheinselbstständigkeit und die sogenannten „freien Dienstnehmer_innen“. Besonders betroffen von prekärer Arbeit in Österreich sind Frauen: Bis zu 75 % aller atypischen Jobs entfallen auf sie. Eine Prekariats-Karriere beginnt meist lange vor dem Abschluss eines Studiums. Gründe dafür sind der finanzielle Druck, dem besonders Studierende aus einfacheren Verhältnissen ausgesetzt sind, aber auch das Bedürfnis, schon während des Studiums berufliche Chancen entsprechend der an der Hochschule erworbenen Qualifikationen wahrzunehmen. Doch die Hoffnung, durch verstärkten Einsatz, durch Aufbringen von zeitlicher und inhaltlicher Flexibilität und das Inkaufnehmen von unregelmäßiger und viel zu geringer Bezahlung eine Chance auf ein besseres Dienstverhältnis zu erhalten ist meist illusorisch. Arbeitsrechtlich abgesicherte Vollzeitstellen werden immer weniger. Damit Unternehmen Anstellungen vermeiden können, stehen für prekäre Dienstnehmer_innen Änderungskündigungen, erzwungene Pausen oder überhaupt zeitweilige Entlassungen auf der Tagesordnung. Diese Unsicherheit wiederum führt oft zu prekärer Mehrfachbeschäftigung, die sich für die meisten Studierenden negativ auf ihren Studienerfolg auswirkt. Besonders im Medienbereich hat sich eine Praxis durchgesetzt, motivierte und gut ausgebildete Praktikant_innen von der Uni weg zu rekrutieren und – sobald sich Unzufriedenheit breitmacht, oder eine weiteres Praktikum durch Regelungen verhindert wird – durch neue Dienstnehmer_innen zu ersetzten. Konnten Praktikant_innen noch vor einigen Jahren bei ent-

sprechender Leistung auf einen fixen Job hoffen, so beginnt jetzt oftmals eine „Praktikumsschleife“, in der sich junge Menschen durch immer neue Versprechungen gefangen sehen.

Josef Pröll sucht den „Superpraktikanten“ Derart prekär Beschäftigte, so gut ihre jeweilige Ausbildung auch sein mag, können weder eine berufliche Perspektive entwickeln, noch sind sie sozial abgesichert. Die Politik, allen voran die Sozialdemokratie, hat, so scheint es zumindest, diese soziale Gruppe vergessen. Um die Missstände zu beseitigen, unter denen nicht nur junge Akademiker_innen arbeiten müssen, bedarf es mehr als nur „das Profil zu schärfen“, wie es nach periodisch wiederkehrenden Wahlschlappen allseits zu hören ist. Vizekanzler Josef Pröll sucht indes mittels Medienkampagne seinen „Superpraktikanten“. – und trägt damit weiter zu einer gesellschaftlichen Akzeptanz des modernen Ausbeutungsschemas bei. Auch in den Wahlprogrammen der übrigen Partien ist das

„System Prekariat“ bestenfalls in einer Randnotiz angesprochen.

Die Studierenden fordern deshalb ein Ende der prekären Dienstverhältnisse – und das nicht nur im universitären Bereich. Nicht nur das kränkelnde und instabil gewordene Sozialsystem ist auf die Beiträge junger Berufstätiger mit höherer Ausbildung angewiesen. Auch Unternehmen brauchen, um den Anforderungen standzuhalten, frisches Blut. Im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft und der Vermeidung von sozialer Ungleichheit sind Antworten gefragt. Die Studierenden-Protestbewegung ist auch eine Basis für zahlreiche prekär beschäftigte junge Menschen in Österreich und Deutschland. Sie wird der Politik wohl auch in Zukunft lautstark aufzeigen, was der „Generation Praktikum“ auf den Nägeln brennt. [WR]


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„Frau Professor, wollen Sie einen Lehrstuhl oder ein Kind?“ Die Diskussion um geschlechtsbezogene akademische Titel ist in vollem Gange. Damit einher geht die Diskussion um die Stellung der Frau im Bereich der Wissenschaft. Haben Männer und Frauen die gleichen Chancen an den Universitäten? Optisch sei die Chancengleichheit im Studium der Geisteswissenschaften wohl eindeutig gegeben, sagt Konstanze Fliedl, Professorin für Neuere Deutsche Literatur am Institut für Germanistik der Uni Wien. Jede zufällig ausgewählte Lehrveranstaltung aus der Literaturwissenschaft wird das bestätigen. Und auch die Studierenden-Zahlen der Statistik Austria sprechen ähnliche Worte: Im Wintersemester 2008/2009 sind knapp 60 % der inländischen Absolvent_innen an öffentlichen österreichischen Unis weiblich. Sieht man sich die Anzahl der Doktoratsabschlüsse an, sinkt der Frauen-Anteil auf 40,2%. Je weiter nun die wissenschaftliche Karriereleiter hinaufgeht, desto dünner scheint die Luft für Frauen zu werden. Der Prozentsatz der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen liegt noch bei 40 %. Von insgesamt 2 191 Professor_innen sind im Wintersemester 08/09 jedoch nur mehr 17% weiblich. Woran das liegt? Den Hauptgrund sieht Konstanze Fliedl in den schwierigen Arbeitsbedingungen für wissenschaftliche Mitarbeiter_innen. Bevor eine Fixanstellung Ruhe und Ordnung in das Leben der Forschenden und Lehrenden einkehren lässt, muss Geld und Wissen mit der Mitarbeit an befristeten Projekten erarbeitet werden. Dazu kommt der ständige Druck Auslandserfahrungen zu machen, die meist mehrere Monate in Anspruch nehmen. Langfristige Familienplanung hat da wenig Platz. Warum das noch immer mehr Frauen als Männer von der beruflichen Verwirklichung abhält, bleibt fraglich. Aktive Diskriminierung hat Konstanze Fliedl nicht erlebt, wohl aber viele „kleine und lächerliche Dinge“, die in der Summe doch re-

präsentativ sind für die Steine, die Frauen in den wissenschaftlichen Weg gelegt werden. Als sie begann Lehrveranstaltungen abzuhalten, wurde ihr Name im Lehrveranstaltungsverzeichnis mit „K.Fliedl“ abgekürzt. An sich kein Problem; doch musste Frau Dr. Fliedl in der ersten Sitzung einem verwunderten Studenten erst einmal erklären, dass „Herr Professor Fliedl“ eine Frau, nämlich sie, war. Und auch auf kollegialer Ebene musste sie sich immer wieder selbst behaupten. Wie jede_r junge Lehrende? Als Frau sei es doch schwieriger seine Stimme zu Gehör zu bringen. Oft werden Ideen von weiblicher Seite einfach überhört. Von ihren Erfahrungen an ausländischen Universitäten berichtet sie erstens die polithistorisch bedingte Gleichstellung von Männern und Frauen an der Uni Warschau. Und zweitens vom Fortschritt der englischen Hochschulen, an denen der Feminismus früh eine große theoretische Debatte ausgelöst und zu vielen Änderungen geführt hat.

Foto: HP-Uni Wien

U-BahnZeitung der protestbewegung

Die Chancengleichheit ist im universitären Bereich also theoretisch gegeben. Durch unsichere Arbeitsverhältnisse, die längerfristige Lebensplanung praktisch unmöglich machen, lassen sich jedoch viele Frauen von einer wissenschaftlichen Karriere abhalten. Eine Anforderung an die Zukunft wird sein: Eine Methode zu finden, mit den unsicheren Arbeitsbedingungen umzugehen, damit berufliche Verwirklichung nicht im Gegensatz mit der Gründung einer Familien stehen muss. [gac]

Konstanze Fliedl ist Professorin für

Neuere Deutsche Literatur am Institut für Germanistik der Universität Wien. Davor hielt sie Vorträge und Lehrveranstaltungen u.a. in Cambridge, Harvard, Yale, Warschau und Zürich. Sie wurde 1999 mit dem Österreichischer Staatspreis für Literaturkritik ausgezeichnet.


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Protestkultur am Juridicum

Foto: alexkoch

Die juridische Fakultät steht nicht unbedingt in dem Ruf Revolutionär_innen hervorzubringen. Dementsprechend überraschend kam der Besetzungsversuch des Juridicums Ende Oktober. Seit damals hat sich einiges getan. Die aus den Audimax-Protesten hervorgegangene Arbeitsgruppe Juridicum (agru Juridicum) hat einen eigenen Forderungskatalog mit 18 Punkten erarbeitet, dessen Ziel die Verbesserung der Studienbedingungen am eigenen Institut ist. Im Zentrum der Forderungen stehen vor allem die Änderung des strengen Pflichtübungssystems und der großen Knock-Out-Prüfungen. Der Institutsvorstand Heinz Mayer erklärte sich nur zu Gesprächen bereit, wenn diese von der gewählten hochschüler_innenschaftlichen Vertretung, der Aktionsgemeinschaft (AG), geführt würden. Die Zusammenarbeit zwischen

Web 2.0

Wie werden Facebook, Twitter und Co bei der Besetzung verwendet? Die Besetzung könnte ohne das sogenannte „Web 2.0“ nicht in dieser Art und Weise existieren. Täglich nehmen auch Menschen, die nicht im besetzten Audimax vertreten sind, offen an der Diskussion teil. Doch um was handelt es sich bei diesen, so oft in den Medien widerhallenden, Wörtern, wie „Facebook“ und „Twitter“? Durch „Web 2.0 – Anwendun-

der AG und der agru Juridicum gestalteten sich jedoch relativ schwierig. Der Grund liegt wohl in der politischen Ausrichtung der ÖVP-nahen AG, die eine völlig andere Wertgrundlage besitzt als das Gros der Besetzer_innen. Die Forderungen könne sie zwar großteils unterschreiben, die Besetzung lehne sie jedoch strikt ab, meinte die AG. Nach einer kurzen und nicht sonderlich produktiven Zusammenarbeit kehrte sich die AG von der agru ab und schrieb sich deren Forderungen auf die eigenen Banner. Die kreativen Köpfe aus der agru Juridicum arbeiten nun weiter an verschiedenen Möglichkeiten, wie die Studienbedingungen verbessert werden könnten. Wie sich die Situation am Juridicum weiter entwickeln wird, bleibt abzuwarten.

gen“ entwickelte sich das Internet zu einem Medium, an dem man als Einzelperson auf einfache Art und Weise teilhaben kann. Das Internet, welches wahrscheinlich eine ähnliche Informationsrevolution wie der Buchdruck war, lockt nun die Nutzer_innen aus ihrer passiven Stellung heraus und lässt sie aktiv mitreden. Über “Facebook“ und „Twitter“ verschicken Menschen tagtäglich kurze Nachrichten an ihre Freunde, aber auch an die breite Öffentlichkeit. Da diese beiden Plattformen riesige Benutzerzahlen aufweisen können, war es für die Audimax-Besetzer_innen wichtig, diese Möglichkeit zu nützen und auf die Probleme an der österreichischen/europäischen Bildungspolitik auch im Internet hinzuweisen. So ist es möglich geworden, die Diskussion nach außen zu tragen und viele Leute daran teilhaben zu lassen. Doch auch zur besseren Vernetzung der einzelnen Arbeitsgruppen werden solche Anwendungen verwendet. Über ein sogenanntes „Wiki“ – einer Plattform, die darauf ausgelegt ist, Informationen zu verwalten und zu organisieren – berichten die einzelnen AGs über ihre Arbeit, ihre Zielsetzungen und die nächsten Termine. Über die Internetseite „unsereuni.at“ kann auf die ein-

[sat]

zelnen Plattformen einfach zugegriffen werden. Durch die modernen Medien verbreitet sich die Diskussion über Bildung wie ein Lauffeuer quer durch Österreich, quer durch Europa und man kann einfach von daheim aus [dik] daran teilhaben.

„Es gibt Leute, welche durch die Wärme und die Volxküche angezogen werden und sich dort auch wohl fühlen.“ Julia Hemmelmayr, Audimax-Besetzerin und Club2-Diskutantin


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U-BahnZeitung der protestbewegung

Pröll verhöhnt die

Generation

Praktikum! Student_innen suchen nach einem/r neuen Superwissenschaftsminister/in „Das begehrteste Praktikum des Landes!“ so wirbt Josef Pröll seit Anfang November für seine neue Castingshow „Bist du Österreichs Superpraktikant?“ Eine Woche den Vizekanzler begleiten, hautnah den Alltag eines Spitzenpolitikers miterleben. Ein unbezahltes Praktikum, aber inklusive einiger Medienauftritte - schließlich sind ATV, Kronehit und „Heute“ die Sponsoren. Auf dem Programm stehen unter anderem der Wiener Jägerball und ein Nachtslalom in Schladming. Danach gibt es dann eine Woche Urlaub. „Die ÖVP ist jünger als man glaubt“ meint Hauptpreis Pröll und will mit seiner Aktion den Kontakt zur Jugend vertiefen. Das mobile Castingstudio, das am Freitag auf der Suche nach dem „Superpraktikanten“ durch Wien fuhr, hatte allerdings keinen großen Zulauf. Erfolgreicher war dagegen eine Gruppe WU- Student_innen, die mit einem Bus zeitgleich ihr eigenes Casting veranstalteten - sie suchten nach Österreichs Superwissenschaftsminister/in.

„Die Politiker suchen die ganze Zeit einen Wissenschaftsminister, keiner will den Job haben - da helfen wir ein bisschen auf die Sprünge, vielleicht ist wer dabei“ sagt Lela (24), die bei der Aktion mitmacht. Neben dem Spaßfaktor hat das Ganze aber auch einen ernsten Hintergrund: die Student_innen kritisieren mit ihrer einfallsreichen Aktion vor allem zwei Dinge: Die fehlende Bezahlung bei Prölls „Superpraktikum“ und dass bei der Stellenausschreibung nicht auf die Gleichstellung geachtet wurde - schließlich wird nur nach dem „Superpraktikant“ gesucht. Für Roman (21) ist der ausgeschriebene Praktikant_innenjob „repräsentativ für viele Leute und Student_innen, die unbezahlte Praktika machen müssen.“ Er kennt wie viele andere auch die Situation derer, die ein Praktikum nach dem anderen absolvieren, oft unbezahlt und mit schlechten Bedingungen. „Wie kann Österreichs Vizekanzler die Generation Praktikum verhöhnen, indem er ein unbezahltes Praktikum verlost?“ fragt sich auch Christoph (26). Der Publizistikstudent hat sich auch als Superpraktikant beworben und steht dort momentan auf Platz 8. Ernst meint er es damit allerdings nicht, für ihn ist die Aktion „vollkommen absurd.“ Als Superwissenschaftsminister/in kann sich übrigens jede/r bewerben, zu gewinnen gibt es eine Woche Übernachtung im Audimax - inklusive Halbpension. Superpraktikant oder Superwissenschaftsminister/in? Christian (30), praktikumserfahren, sieht das ganz pragmatisch und nimmt bei beiden Castings teil: „Die Jobchancen steigen, wenn man sich öfters bewirbt!“

Bildung verwehrt bleibt?

Die Haltung der SPÖ zu den größten Studierenden-Protesten seit Jahren ist mehr als zwiespältig. Zuerst zeigte Kanzler Werner Faymann „Verständnis für die Proteste“, um sich kurz darauf sogar neue Zugangsbeschränkungen für die Unis anzudenken. Ein klassischer Umfaller à la SPÖ, der den katastrophalen Zustand der österreichischen Sozialdemokratie offenbart.

Angst vor den eigenen Idealen?

„Solidarität“

Als Regierungspartei hat die SPÖ die fatale Bildungspolitik der letzten Jahre mit zu verantworten. Nimmt sie ihre eigenen Ideale nicht bald ernst, stempelt sie sich endgültig selbst zur unglaubwürdigen Lachnummer ab.

Solidarität wäre eine ihrer vier Grundprinzipien, leider nur auf dem Papier. „Sie ist letztlich die Grundlage des sozialen Zusammenhalts und das wirksamste Instrument zur Durchsetzung ge-

rechterer Lebensbedingungen.“ Dieser Auszug aus dem roten Parteiprogramm ist, angesichts des Verhaltens Werner Faymanns, eine schallende Ohrfeige ins Gesicht der Protestbewegung. Wo ist die Solidarität der SPÖ mit den Menschen, die für gerechtere Studienbedingungen kämpfen? Wo ist die Solidarität der SPÖ mit all jenen, denen aufgrund unsozialer Zugangsbeschränkungen das Recht auf

„Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten streben eine Gesellschaft an, in der sich die menschliche Persönlichkeit frei entfalten kann.“ Nur freie Bildung schafft freie Menschen. Scheinbar muss man der Sozialdemokratie die eigenen Grundsätze erklären. [lug]

Das Prinzip in der SPÖ

Vizekanzler Superstar Da ist dem Josef schon eine super Idee gekommen. Also anstatt freiem Bildungszugang für alle, hat er sich gedacht, wär‘s doch viel besser, wenn nur einer, ein Auserwählter an seiner Seite, als sein Praktikant, eine richtige Chance bekäme. Den könnte man doch, so in einer Casting-Show à la RTL2, vom Publikum ermitteln lassen. Gebt dem Volk Shows und Spiele, hat er wohl bei sich gedacht – das brauchen die. Und müsste es denn nicht Anreiz genug sein, mit dem blöden Streiken aufzuhören, wenn sich einem die Chance bietet, eine Woche mit ihm zu verbringen. Ja, ja, der Josef, der hat manchmal ein paar Starallüren, aber wer kann es ihm verdenken,

er ist ja auch wirklich super, der Josef. Deshalb hat er das Projekt ja auch den „Superpraktikant“ genannt. Wer an seiner Seite steht, darf nicht weniger als super sein. Der Superpraktikant darf dann, ist er von einer Jury erst einmal gewählt, mit dem Josef gemeinsam die Untiefen der österreichischen Politiklandschaft erkunden. Die kennt der Josef wie kein zweiter. Die Bewerbung zum Casting solle ruhig ein bisschen „crazy“ sein. Eine Aufforderung, die nicht weiter verwundert, sieht man sich die Politik der ÖVP so an. Die ist [sat] so richtig verrückt.


Ein Leben und einige Lieder für das AUDIMAX Die Solidaritätsbekundungen nehmen kein Ende, eine besondere Freude sind natürlich die Unterstützungserklärungen von Künstler_innen und Musiker_innen, so wie auch letzte Woche im Audimax der Uni Wien. Am Dienstag spielten die österreichischen Indiebands „destroy, munich“ und „A Life, a Song, a Cigarette“ und setzten damit ein Zeichen. Wir haben sie exklu[maz] siv für euch interviewt.

Wie kam es dazu, dass ihr heute hier gespielt habt? Stephan: Das ist einfach zu erklären, ich habe ja schon am Donnerstag mit Nowhere Train hier im Audimax gespielt und da wurde ich auch gleich gefragt ob wir mit A Life, a Song, a Cigarette nicht auch auftreten wollen. Natürlich spielen wir hier um die Sache zu unterstützen, man spielt so viele Konzerte, die natürlich auch Spaß machen, aber dieses heute war uns besonders wichtig.

Findet ihr, dass Musik die Gesellschaft beeinflussen kann? Lukas: Ich glaube generell, dass jeder künstlerischer Output extrem wichtig für die Gesellschaft ist und dass die Beschäftigung damit für jeden einzelnen Bedeutung hat. Musik oder allgemein Kunst hat auch einen viel zu geringen Stellenwert, genauso wie die Bildung und das muss geändert werden. Stephan: Unsere Musik soll nicht politisieren, wir wollten einfach hier spielen damit Abwechslung reinkommt, damit ihr möglichst lange durchhaltet. Um das abzukürzen: Kunst bewegt und wenn etwas bewegt, denkt man drüber nach und es muss nachgedacht werden.

Foto: Fatih Özberk

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Was bedeutet für euch persönlich das Wort Solidarität? Stephan: Dieses Wort hat so eine komische Bedeutung für mich, Zusammenhalt würde ich sagen. Es muss ja unglaublich schwer sein, dass was hier passiert am Laufen zu halten. Es gibt eine Vielzahl von Arbeitsgemeinschaften und tausende Meinungen die aber im Grunde das Gleiche wollen und diese Meinungen zusammen zu leben, das ist Solidarität für mich. Was hier ist, ist gelebte Solidarität! ** Lukas: Jede Meinung wird gehört und man wird nicht ausgeschlossen. Jeder kann das sagen was er sich denkt und alles wird ernst genommen. Das ist einfach großartig. Stephan: Solidarität ist ein sehr schwieriger Weg, aber der einzige der funktionieren kann.

Haltet ihr den Protest für notwendig? Lukas: Ich studiere zwar nicht auf der Hauptuni, aber letzten Endes gestalten die Absolventen die Gesellschaft und das beeinflusst uns alle und das geht jeden was an. Man darf da keine Abstriche machen, die Bildung bestimmt unsere Zukunft. Ich finde vor allem den Punkt „Bildung statt Ausbildung“ extrem wichtig, weil man eine gewisse Vielfalt bewaren und einen weiten Horizont schaffen muss, denn wir brauchen Leute die die Gesellschaft gestalten können. Es sollte nicht darum gehen in Mindeststudienzeit fertig zu werden, manche brauchen einfach mehr Zeit, aber das ist nicht schlechter. Jeder muss die Chance bekommen so lange studieren zu können wie es nun mal dauert.

Haben die Proteste so wie sie jetzt sind einen Sinn und was passiert danach?

Foto: Fatih Özberk

Stephan: Sie machen natürlich Sinn. Ich frag mich warum haben wir das damals nicht gemacht, warum passiert das alles erst jetzt? Wenn sich jetzt nichts ändert, dann weiß ich nicht wie sich was ändern sollte. Ihr habt das einzig mögliche gemacht, denn geredet wurde schon immer. Ich hoffe so, dass sich was tut. Es muss vor allem eine breitere Basis bekommen, es müssen sich mehrere Gruppieren solidarisieren. Nur so kann es weitergehen!

Kurzmeldungen SPONTAN DEMO

UNIS GERÄUMT

PROTEST THEATER

EUROPAWEIT

Nach der Räumung von fünf besetzten Universitäten in Deutschland fand vergangenen Samstag um O:15 Uhr eine spontane Demonstration vor der Deutschen Botschaft in Wien statt. [gog]

Vergangene Woche wurden die Universitäten Münster, Darmstadt, Marburg, Tübingen und Bielefeld geräumt. In Bielefeld wurden dabei auch Studierende durch die Exekutive verletzt. [gog ]

Am Abend des 14.11.2009 besetzten kurzzeitig einige Studierende und Lehrende die Bühne und Teile des Zuschauerraums des Burgtheaters. Ziel der Aktion war es, das Theater als öffentlichen Raum zu nutzen und die Forderungen nach außen zu tragen. Nach einer kurzen Rede gaben sie die Bühne wieder frei. [gog]

Immer mehr europäische Hochschulen und Gewerkschaften solidarisieren sich mit dem Protest. Die Missstände bei der Umsetzung des Bologna-Prozesses und die zunehmende Vermarktung der Bildung wird mittlerweile als ein gesamteuropäisches Problem gesehen. [gog]


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U-BahnZeitung der protestbewegung

AUDIMAX Programm

Mittwoch, 18.11.2009 16:00: @TU-Wien: Podiumsdiskussion: „Kontrollieren die Medien unsere Gedanken?!“ mit Armin Thurnher (der Falter), Christian Rainer (Profil), Bianca Braunshofer (Audimaxzeitung „Morgen“), Klaus Werner-Lobo (Autor), Hannah Krumschnabel (Besetzerin des Audimax, Redakteurin „Linkswende“) und einer Redakteurin des Standard 19:00: @C1: Vortrag migrantischer Frauen und Film „Das andere ich“ 19:00: @Uni Klagenfurt: „Club der toten Bidung“ mit Vorträgen und Filmen 22:30: @AUDIMAX: Lesung: David Schalko aus seinem Buch „Weisse Nacht“

Donnerstag, 19.11.2009 14:00: @AUDIMAX: Filmaufführung von „Forget Baghdad“ 15:00: @TU-Wien: Vortrag Robert Menasse 17:00: @TU-Wien: Vortrag Ute Bock 17:00: @TÜWI: KULT-UR-SUPPE 19:00: @Akademie der Bildenden Künste: OPEN CALL – Ausstellungseröffnung 19:00: @Haus der Studierenden, BOKU: Vernissage

Freitag, 20.11.2009 17:00: @TU-Wien: Vortrag Robert Misik 18:00: @WU: wöchentliches Plenum!! 21:00: @Akademie der Bildenden Künste: Filmaufführung (jüdisches Filmfestival): SIMON KONIANSKI (Belgien, 2009)

destroy, munich Warum habt Ihr heute hier im Audimax gespielt? Gerade in solchen Zeiten ist es wichtig so eine Bewegung zu unterstützen. Als die Anfrage kam, mussten wir gar nicht lange überlegen. Das war einfach Ehrensache. Wir sind natürlich auch betroffen, der Großteil von uns studiert selbst und es ist eine Frechheit, dass man zum Beispiel nicht mehr frei wählen kann was man im Rahmen der Wahlfächer belegen darf.

Was heiSSt für euch Solidarität? Solidarität bedeutet für uns vor allem Solidarität mit der Basisgruppe der Besetzung und dieser Grundbewegung, nicht mit jeder einzelnen Bewegung die hier aufkommt. Denn durch eine Pluralität an Meinungen und Einstellungen entsteht natürlich auch eine Vielfalt an Forderungen. Dennoch wollen wir uns mit den grundsätzlichen Studentenprotesten die es gibt und die unserer Meinung nach auch notwendig waren, solidarisieren.

Für wie sinnvoll haltet ihr die Proteste? Es ist einfach eine Notwendigkeit, dass die Stimmen erhoben werden und man auf die Straße geht um die grundlegenden Probleme aufzuzeigen, denn nur so kann etwas verändert werden.

Wie lange werden die Proteste eurer Meinung nach noch anhalten und was passiert danach? Wir denken, es wird solange dauern wird wie es notwendig ist und keinen Tag länger weil wir ja nicht blockieren wollen. Wir hoffen dass sich eine Diskussion ergeben wird die zu einem Ideenaustausch führen wird, um wenigstens einen Teil der Forderungen durchzusetzen! [maz] Wir wünschen euch auf jeden Fall viel Erfolg dafür.

21:00: @TU-Wien: Kabarett Bernhard Lentsch 21:00: @C1: Filmaufführung: „Faces of Frontier“ 22:00: @TU-Wien: Southurban mit [dunkelbunt]

Samstag, 21.11.2009 11:00: @Sigmund-Freud-Park: KINDERGARTEN GOES UNIVERSITY! 22:00: @befreite Vorklinik Graz, HS B: Filmvorführung: „The 4rd World War“

Dienstag, 24.11.2009

Foto: Fatih Özberk

16:00: @AUDIMAX: Vortrag Franz Hörmann


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Die Logik aus dem Nimmerland „Dass Robert Mensasse im besetzten Audimax eine Solidaritätsvorlesung hält, wie am Nationalfeiertag geschehen, darauf hätte man risikofrei größere Summen wetten können. Manche Menschen werden eben nie erwachsen.“(Oliver Pink, Die Presse) Also was heißt es „erwachsen“ zu sein? Ist es dann, wenn einem an bestimmten Körperstellen Haare wachsen und an anderen wieder ausfallen? Hat es überhaupt etwas mit einem bestimmten Alter zu tun? Oder ist man etwa mit einem abgeschlossenen Studium erwachsen? Bin ich erwachsen, wenn ich mich durch ein Studium kämpfe und danach einen sicheren Job finde, bei dem ich dann ein Leben lang bleibe? Offensichtlich denken viele so und in diesem Zusammenhag ist das Bologna-System ein sehr brauchbares. Drei Jahre und du bist erwachsen. Aber ist das wirklich ernst gemeint?

Unterstütz wird dieses Denken dann noch von Leuten, die zu einer Zeit studiert haben, als das Studieren noch frei war. Wie zum Beispiel Finanzminister/Vizekanzler Josef Pröll der in seiner Rede „Projekt Österreich“ meint, dass dieses Land ein „mittelständiges Unternehmen im globalen Wettbewerb“ ist und das es sein Ziel ist, Österreich wettbewerbsfähiger zu machen, oder Michael Fleischhacker, der sich dem anschließt und meint: „Eine Gesellschaft, die ihre öffentliche Zuwendung nicht an Leistungskriterien bindet, schafft keine Chancengleichheit“. Doch stellen sich da wieder viele Fragen: Kann eine Demokratie ein Unternehmen sein? Kann so was überhaut funktionieren, denn seit wann sind Unternehmen demokratisch? Die Beantwortung dieser Fragen sei dem Leser überlassen.

Politik hat ja leider nun immer auch etwas mit Kontrolle zu tun. Es gilt das „Prinzip der Champignonzucht“: Mit Scheiße füttern und im Dunkeln gehalten. So hat man ein leichteres Spiel und kann die Spielfiguren am Feld nach belieben umstellen. Und der Impfstoff gegen diesen Stumpfsinn ist Bildung, denn erst wenn es eine breite Masse von reflektierenden, kritischen Menschen gibt, wird so etwas nicht mehr möglich sein. Logisch, oder? Doch es scheint auch, dass das niemand will, denn ein Projekt „mündiger Bürger“ wurde noch von keiner Partei ins Leben gerufen. Eine „Herzensbildung“, die nichts mit einer zweckorientierten Ausbildung zu tun hat, in der man Wissen an Wettbewerbsfähigkeit kettet, ist doch eine plausible Lösung vieler, wenn auch nicht aller, gesellschaftlicher Probleme. Dazu müssen die Studenten_innen im Audimax keine Logikvorlesung per SMS organisieren, das wissen die besser als manch anderer. Solange es noch gallische Dörfer gibt, die Widerstand leisten und es Menschen gibt, die sich ihr inneres Kind erhalten haben, solange kann man noch hoffen.

Foto: unibrennt

Denn wenn Erwachsensein wirklich bedeutet übergewichtig und kahlköpfig zu werden und in einer bürgerlichen Zeitung seine feste Stelle zu haben in der man, im Sinne des Chefredakteurs, Kommentar veröffentliche, die über den eigenen Schreibtischrand nicht sehr weit hinausgehen, dann denke ich, bleib ich lieber noch eine zeitlang Kind. [baz]

Gedicht für freie

Bildung Als sie die Studiengebühren einführten, habe ich geschwiegen; es betraf mich nicht. Als sie Zugangsbeschränkungen einführten, habe ich geschwiegen; es betraf mich nicht. Als sie den Studierenden die Freiräume nahmen, habe ich geschwiegen; es betraf mich nicht. Als sie die Universitäten privatisierten, habe ich geschwiegen; es betraf mich nicht. Als meine Tochter studieren wollte, gab es keine Universitäten mehr; da war es zu spät um zu protestieren!

Foto: Martin Juen

[gog]


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U-BahnZeitung der protestbewegung

DIE ZÄRTLICHKEIT DER STUDIERENDEN

Es gibt ein Haus in Österreich

Freitagabend, eine halbe Stunde vor Mitternacht: Das tägliche Plenum, die Vollversammlung der Studierenden neigt sich ihrem Ende zu, über vier Stunden lang wurde diskutiert und abgestimmt - wie jeden Abend. Dann: ein letzter Antrag. Eine Solidaritätserklärung an die Student_innen der Uni Münster. Deren Audimax wurde nach zwei Tagen Besetzung ohne vorherige Warnung von der Polizei geräumt. Die Erklärung verurteilt die Reaktion des Rektorats und schließt mit den Worten: Hoch die internationale Solidarität! Einstimmig wird dafür gestimmt….einstimmig? Fast. Jemand legt ein Veto ein, kritisiert die Ideologie dahinter. Hoch die internationale Solidarität - der Slogan schlechthin für die Arbeiter_innenbewegung, jahrzehntelang. Da könne man doch gleich das „Ein“ streichen, meint ein anderer kopfschüttelnd. Schließlich fange damit auch das Kommunistische Manifest an.

(„House of the rising sun“ drübergetextet)

Es beginnt das, was die Debatten im Audimax manchmal so lange verzögert - und doch so wichtig ist. Ein ständiges Auseinandersetzen mit Ideologien und der Versuch diese von sich und der Bewegung abzugrenzen. Das was die Debatten so besonders, so spannend macht, ist das Experiment vieler, immer wieder das eigene Tun zu hinterfragen. Doch Solidarität? Ist Solidarität „die Gesinnung einer Gemeinschaft mit starker innerer Verbundenheit“ wie der deutsche Soziologe Alfred Vierkandt meint, „das Zusammengehörigkeitsgefühl, das praktisch werden kann und soll“, dann ist es müßig über Formulierungen zu streiten. Mit der Geschichte kann man dagegen argumentierenoder dafür. Pragmatische Generation? Mag sein, gezwungenermaßen, doch leicht macht sie es sich trotzdem nicht. Im Audimax wurde sich schließlich auf „Es lebe die Solidarität!“ geeinigt. Viel wichtiger aber: Münster hätte Wien werden können und Wien könnte Münster werden. Es sind nicht nur die Ziele, die verbinden. In den vergangenen zwei Wochen haben die Besetzer_innen in Wien haufenweise Solidaritätserklärungen bekommen, von Buenos Aires bis Zagreb. Alle hatten sie unterschiedliche Schlussworte, doch der Inhalt blieb immer der Gleiche: Ihr seid nicht allein - Solidarität!

Foto: sAgd

[fri]

Es gibt ein Haus in Österreich Das nennt sich Hauptuni Wien Wir sitzen hier bei Tag und Nacht Und warten auf die Menschen mit der Macht Nun sitzen wir hier den 21ten Tag Die Masse auf der Suche nach Rat So arbeiten wir alle viel zu viel Denn Veränderung ist unser Ziel Drum weg mit dem Schubladen Geflecht Denn alle haben gleiche Redezeit und ihr Recht Wir fordern freie Bildung für alle Und keine Sozial-loch-fallen Es gibt mehrere Häuser in Österreich Sie sind alle im Bildungsbereich Wir sitzen hier, arbeiten Tag und Nacht Und warten, dass die Regierung aufwacht Manchmal sind einige Idioten drin, doch die Arbeitsgruppen geben dem ganzen Sinn. So kommt beschließt alle im Plenum mit Denn wir sind der Medienhit Drum wollen wir Ideen verbreiten Wer feiern kann, kann auch arbeiten Wir besetzen nicht wegen der Besetzung Sondern wollen einfach nur Veränderung Es gibt mehrere Häuser in Europa Sie sind alle im Bildungsbereich Wir sitzen hier, arbeiten Tag und Nacht Und warten, dass die Regierung aufwacht [agp]


14 Der Leserbrief

Hey ihr jungen Leute! Ihr macht ja ganz schön viel Rambazamba in den letzten Tagen und in den Zeitungen seid ihr auch dauernd. Prinzipiell habt ihr ja eh das Recht so laut zu sein, ihr seid ja noch jung und müsst euch noch austoben. Als wir jung waren gabs das auch schon, nur damals begehrte man gegen eine ganze Gesellschaft auf. Wir fanden das damals schon doof. Jeder ist doch letztendlich seines eigenes Glückes Schmied. Wer sichs nicht leisten kann zu studieren der soll es doch einfach lassen. Meine Frau Hildegard zum Beispiel. Die ist eigentlich gar nicht dumm, ihr Vater hätte auch genug Geld gehabt, aber nach unserer Heirat stand schnell fest, dass es besser für uns beide wäre, wenn sie ihr Leben zu Hause genießen könnte um sich um unser Anwesen zu kümmern, ich kann mir das leisten. Warum sollte meine Frau arbeiten gehen? Oder: Warum soll meine Putzfrau studieren? Olga liebt ihren Job und ist meiner Gattin und mir sehr dankbar, Teil unseres gehobenen Lebensstils zu sein. Wir sehen deshalb überhaupt nicht ein, warum ihr euch alle so pöbelhaft verhaltet. Regt euch doch nicht so auf! Es war nun wirklich an der Zeit, ihnen klar entgegenzutreten, um ihnen ihre Flausen aus dem Kopf zu treiben. Wir hoffen sie haben unsere kleine aber anspruchsvolle Gegenkundgebung wahrgenommen und wir konnten einige von ihnen erreichen. Ein junger, unrasierter Revoluzzer, selbsternannter Journalist ihres Pamphlets, kam auf uns zu mit der Bitte einen aufklärerischen Beitrag einzusenden um unsere Gegenpositionen noch einmal klar zu machen, scheinbar hat er die Qualität unserer Meinung trotz seiner Flegelhaftigkeit erkannt. Darum bitten wir sie, noch einmal in sich zu gehen und zu überdenken ob sie sich nicht vielleicht einfach haben mitreißen lassen, obwohl sie vielleicht ja gar nicht so unzufrieden oder sogar aus gutem Hause sind. Sind sie nicht auch Besseres gewohnt?

Hier also noch einmal unsere Positionen

Nur wer sichs leisten kann, soll auch studieren! Würden die anderen zu Hause bleiben, wäre die Qualität des Studiums viel besser. Oder würden sie jetzt nach Mailand fliegen, weil sie ein neues Paar Schuhe haben wollen, nur weil es ihnen so gut gefällt und weil ihre beste Freundin es auch hat? Sehen sie, wie unsinnig ihre Forderung ist? Wenn Sie sich etwas nicht leisten können, dann überlassen sie es doch einfach denen, die es können. Kleine Elite für die dumme Masse! Wenn meiner Frau in der Galerie ein Bild gefällt, dann darf sie es kaufen, wenn es gut zu unseren Möbeln passt, dann zahlen wir auch gerne ein bisschen mehr. Nach 8 Semestern an einer Universität darf man von einem fertig ausgebildeten Künstler erwarten, dass er sich dem Geschmack unseres Innenarchitekten anpassen und in unser Wohnzimmer einfühlen kann. Wo kämen wir denn hin, wenn jeder seinen Firlefanz auf eine Leinwand brächte. Ich sammle Kunst, ich kenne mich schließlich damit aus! Mehr Bildung für wenige, weniger Bildung für alle! Mein Vater hat studiert, darum habe ich schließlich auch studiert und mein Sohn tut es auch. Bei uns liegt das in der Familie. Wir sind uns unserer Rolle als Elite durchaus bewusst und fänden es durchaus angebracht, uns darin zu unterstützen. Wir haben als gute Tat eine Menge alter Bücher der Universität gespendet. Als ich die gesammelten Werke von Karl May gerade ins Regal stellen wollte, waren sie dort bereits vorhanden. So schlecht kann es mit den Universitäten also nicht stehen. Überfüllte Hörsäle? Ja mein Gott, es können halt nicht alle gleichzeitig. Mein Friseur hat auch Wartelisten. Das Leben ist eben kein Kindergeburtstag, wo jeder das kriegt, was er sich wünscht. Genießt eure Euphorie und seht es als eine Lebenserfahrung, auch wenn ihr letztlich einsehen werdet, dass das Spiel nach unseren Regeln gespielt wird. Wir bevormunden euch! Sagt ja! Viel Spaß noch, Liebe Grüße Hildegard & Herbert


15

U-BahnZeitung der protestbewegung

Hund der Woche ist dieses Mal ein Rind ...

Foto: Bibi

„Ein Herz für das totgeweihte Hochlandrind“ Neben seiner besonderen Neigung zur Selbstdarstellung hat Murli, das Hochlandrind, noch den ausgeprägten Drang zum Nichtstun und Fressen. Damit nützt der Wahl-Waldviertler zwar nicht dem Bildungssystem, trägt aber wesentlich zur Ausbildung gestärkter Menschen bei: Murli wird uns bald nur noch in unseren Mägen in Erinnerung bleiben.

Lösung zur Ausgabe vom 11.11.2009

Kreuzworträtsel



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