8/2009: Diese Art des Protests

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Mi 17.12.2009 • Nr. 8 • Kostenlos

U-BahnZeitung der Protestbewegung

Foto: Martin Juen

Diese Art des Protests Foto: lorantracz

Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann im interview

Foto: fiona.or.at

„Vielleicht müsst ihr eure Sache zur Mutfrage machen.“

Die GroSSe „morgen“-Benefizparty im jänner


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Inhalt Diese Art des Protests. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Wieso Basisdemokratie?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Was machen die Arbeitsgruppen eigentlich genau?. . . . . . . . . . . 4 Die Presse AG stellt sich vor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 MORGEN, gratis Zeitung der Protestbewegung . . . . . . . . . . . . . . . 5 Presseschau. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Emotionalisierung ohne Inhalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .6 Der „unmessbare“ Wert der Bildung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Liebe Leserinnen, liebe leser

„Hast du schon gehört? Eure Bewegung ist tot!“ . . . . . . . . . . . . 7 „Vielleicht müsst ihr eure Sache zur MUTFRAGE machen.“ . . . . . 8 Die sendung mit dem graus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Audimax - das programm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Rätsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

im Bildungsbereich muss es zu Veränderungen kommen. Das wissen wir seit einiger Zeit. Obwohl der akute Missstand an den Universitäten immer wieder angesprochen wurde, hat sich nichts zum Besseren gewandelt. Niemand fühlt sich zuständig, jede_r gibt das Problem weiter. Im Oktober haben einige Studierende beschlossen, das Audimax der Uni Wien zu besetzen um auf die offenen Fragen und die akuten Konflikt aufmerksam zu machen. Nun werden die Probleme artikuliert, sie werden thematisiert und: Es wird an der Umsetzung dringend notwendiger Änderungen gearbeitet. Manchmal hört man in der Bevölkerung: „Die Forderungen de Bewegung unterstütze ich voll und ganz, aber mit dieser Art des Protests bin ich nicht einverstanden.“ Zumeist ist damit die Besetzung des Audimax gemeint. Doch soll eine wichtige Unterscheidung stattfinden: Besetzung ist nicht gleich Bewegung. Die Bewegung in Wien ist basisdemokratisch ausgerichtet. Das heißt: Es gibt keine Hauptansprechpartner_innen, unter deren Führung protestiert wird. Es gibt viele verschiedene Arbeitsgruppen, die sich mit spezifischen Aufgaben auseinandersetzen. Wie funktioniert der Bildungsprotest 2009? Woran wird gearbeitet? Das sind die Fragen, die diese Ausgabe beschäftigen. Eine interessante und kurzweilige Lektüre wünscht, die MORGEN-Redaktion PS.: Der Protest braucht Unterstützer_innen. Der Erfolg der Bildungsbewegung liegt Ihrer Verantwortung. Wenn wir auch Ihre Meinung vertreten, spenden Sie. Wir spenden unsere Zeit und Energie. Helfen Sie uns bei der Finanzierung.

Hund der woche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Offenlegung gem. § 25 Mediengesetz: Die AG-Zeitung ist ein freier Zusammenschluss von Studenten und Studentinnen, welche sich zum Ziel gesetzt haben die Öffentlichkeit mit unabhängigen Informationen zu versorgen. Sie ist frei von parteipolitischem Einfluss. Die AG-Zeitung finanziert sich durch Spenden, diese werde ausschließlich für Druckkosten verwendet. Grundlegende Ausrichtung: Wir sind eine freie und unabhängige studentische Wochenzeitung mit dem Ziel unsere Anliegen und Themen der breiten Öffentlichkeit näher zu bringen und die öffentliche Diskussion zu fördern. Wir bieten keinen Raum für jegliche Art der Diskriminierung und stehen für eine faire und kritische Auseinandersetzung mit den Themen. Impressum: MedieninhaberIn & Herausgeber: Die Ag Zeitung der BesetzerInnen des Audimax Dr. Karl-Lueger-Ring 1 1010 Wien Herstellerin: Druckerei Fiona, Wien www.fiona.or.at Verlagsort & Herstellungsort: Wien


U-BahnZeitung der protestbewegung

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Diese Art des Protests Immer wieder werden Vertreter_innen benötigt. Das hat ganz praktische Gründe: Kommunikation, besonders in Form von Diskussionen und Verhandlungen, ist mit wenigen Beteiligten oft einfacher möglich, als mit 900 Einzelmeinungen in einem Audimax-Plenum. Hier stellt sich die Frage: Mit wem kann ich reden? Wer ist mein Ansprechpartner? Das Besondere, das besonders Starke, aber auch das Schwierige an dieser Bewegung ist: Der/die Ansprechpartner_in ist keine Person. Niemand muss für diese Rolle rund um die Uhr am Telefon erreichbar sein, es muss kein Büro aufgesucht werden. Ansprechpartner Nummer eins ist: www.unsereuni.at Auf dieser Internetseite finden sich alle Informationen zur Bewegung. Pressemeldungen werden sofort über diese Seite publiziert. Das macht www.unsereuni.at nicht nur zu einem der wichtigsten Repräsentationsmedien, sondern auch zum Kernpunkt innerhalb der Bewegung. Die Zeitung MORGEN erscheint jeden Mittwoch. Demonstrationen durch Wiener Straßen finden in unterschiedlichen Abständen statt. Zeitungen, Fernsehen und Radio berichten bei wichtigeren aktuellen Ereignissen, die Bewegung zur Bildungsdebatte betreffend. In der Dezentralisierung des Protests liegt seine Stärke. Eine Einzelperson an der Spitze könnte schnell unter dem psychischen Druck, der auf ihr lasten würde, zusammenbrechen. Jede_r, der/ die sich um Veränderung in einem eingefahrenen System bemüht, steht unter starkem Druck. Die nicht hierarchisch strukturierte Bewegung trägt diesen Druck gemeinsam, nicht jede_r für sich. Für das Ziel, ein Umdenken in der Gesellschaft zu bewirken, Bildung auch ohne ihren wirtschaftlichen Nutzen denken zu können; neben wirtschaftlichen auch soziale und kulturelle Werte gelten zu lassen: Für dieses Ziel wird man einen langen Atem brauchen. Da darf nicht in Wochen und Monaten, da muss in Jahren gedacht werden. Um gemeinsam etwas zu erreichen braucht es Engagement. Und engagiert sind Menschen, die einen Sinn in ihrer Arbeit sehen. Um Sinn in seiner Arbeit sehen zu können, muss eine positive Grundstimmung vorherrschen. Deshalb ist es speziell für die Einzelpersonen, die in den verschiedenen Kleingruppen am Fortgang der Bewegung unentgeltlich und weitgehend ohne Anerkennung arbeiten, wichtig, ihr psychisches Wohlbefinden sicherzustellen. Die Bewegung ist kein Ganzes. Die Bewegung sind viele Einzelne. Jede_r hat eine eigene Meinung. Es gibt gewisse Grundkonsense, aber die große Stärke dieser Bewegung soll das sein, was sie von Universitätsleitung, Politik und Gesellschaft fordert: Selbstreflexion und konstruktive Eigenkritik. [cgal]

Grafik: unsereuni.at

Die besondere Charakteristik des Bildungsprotestes 2009 ist zweifelsohne seine Fragmentierung. Es gibt kein „Unternehmen Audimax“. Es gibt eine Bewegung, die von Beginn aus selbstständigen Einzelteilen bestand. Deshalb stellt diese Art des Protestes Medien, Politik und Bevölkerung (die Protestierenden eingeschlossen) vor eine essentielle Schwierigkeit: Wie soll man sich das vorstellen?

Wieso Basisdemokratie? Von Anfang an war klar: diese Protestbewegung hat keineN AnführerIn und es gibt keine Hierarchien. Wie werden denn nun also die Entscheidungen getroffen? Wie gehen die AGs damit um? Die Protestbewegung besteht aus vielen, vielen Personen, die zusammen etwas bewegen wollen. JedeR hat eigene Vorstellungen, Vorschläge und Meinungen. Diese sollten nicht übergangen oder überhört werden. Daher war von Anfang an klar: das müssen wir zusammen anpacken. So kam es dann zu den bekannten Arbeitsgruppen (AGs), die sich je nach Thema zusammen fanden und -finden - offen für jedeN. Bei den Treffen gibt es bestimmte Tagesordnungspunkte, wenn viele Leute da sind gibt es eine RednerInnenliste und dann wird erst mal diskutiert. Alle haben gleiches Recht mitzusprechen, egal wie lange er oder sie schon dabei ist. Verschiedene Perspektiven sind wichtig zur Lösungsfindung, das kann dann schon mal seine Zeit dauern... Wichtig dabei ist, dass nicht abgestimmt wird, sondern es wird versucht, ein Thema solange zu bearbeiten, bis die Gruppe zu einem Konsens gefunden hat. So kann gewährleistet werden, dass wirklich im Sinne aller gehandelt wird und niemand zu kurz kommt. Wie man in den letzten Wochen beobachten konnte, ein sehr zielführender, fairer Weg, den alle AGs hier gehen und die Ergebnisse können sich wirklich sehen lassen! [sasch]


4 Was machen die

Arbeitsgruppen Grafik: squatting teachers

eigentlich genau?

Die Protestbewegung hat nie ein Konzept erstellt, wie sie funktionieren soll. Im Laufe der Zeit haben sich an allen Enden, an denen jemand die Notwenigkeit dafür gesehen hat, Arbeitsgruppen gebildet. Nun gibt es Arbeitsgruppen zur Konkretisierung der Forderungen, zur Verbesserung der Kommunikation innerhalb des AG-Systems, zum Programm im Audimax, zur Vorbereitung von Plena, Demonstrationen und Gesprächen. Einige Arbeitsgruppen seien hier vorgestellt: Squatting Teachers - Auch die Lehrenden haben sich organisiert In Wien haben sich auch Lehrende und Forschende von verschiedenen Universitäten in Arbeitsgruppen organisiert. In den letzten Wochen erarbeiteten sie einen eigenen Forderungskatalog, der für sichere und effizientere Arbeitsverhältnisse an den Universitäten sorgen soll. Nach Aussagen eines Mitglieds besteht die Gruppe „Squatting Teachers“ (zu deutsch: Besetzende Lehrende) derzeit aus circa 200 Personen. Sie haben sich mit den Forderungen der Studierenden-Bewegung solidarisiert.

Es fehlen konkrete Forderungen?

„Ich betrachte die Besetzung als illegal.“ Das Gesetz nicht.

Auf der Wiki-Seite von unsereuni.at finden sich alle Forderungen der Protestbewegung ausformuliert und konkretisiert. Um weiter an den Ausführungsmöglichkeiten der Forderungen zu arbeiten, haben sich viele Arbeitsgruppen gebildet. Jede dieser Gruppen hat sich eine Forderung vorgenommen, arbeitet Formulierungen und Lösungsansätze aus. So die „Barrierefreie UNI AG“, die sich mit der Durchsetzung des Behinderten-Gleichstellungs-Gesetzes an österreichischen Universitäten auseinandersetzt. Ihre Forderung: Es soll keinem/keiner Taubstummen, keinem/keiner Rollstuhlfahrer_in aufgrund der Behinderung der Weg zu Bildung verwehrt bleiben.

Die AG Rechtshilfe beschäftigt sich mit dem rechtlichen Rahmen der Besetzung, sowie sämtlicher Aktivitäten der Bewegung. Ihre Mitarbeiter_innen betreuen rund um die Uhr eine Notfall-Telefonnummer und beraten die einzelnen Arbeitsgruppen juristisch. Auf ihrer Website heißt es zum Thema Besetzung:

Ist es strafbar ein Gebäude zu besetzen oder an einer Besetzung teilzunehmen? -Nein, das bloße Besetzen eines Gebäudes ist in Österreich nicht strafbar.

Wie soll das alles finanziert werden? Zum Glück gibt es die AG Hochschul-Finanzierung, die sich mit den verschiedenen Möglichkeiten, die Forderungen zu finanzieren, beschäftigt. Woher das Geld kommen soll? In Zeiten der Wirtschaftskrise? Die AG arbeitet gerade an Vorschlägen zu einer Reform bzw. Wiedereinsetzung der Vermögenssteuer, Erbschafts- und/oder Schenkungssteuer bzw. der Vermögenszuwachssteuer, sowie einer Besteuerung von Gewinnen durch Aktienverkäufe. Andere Themen sind progressive Kest, Tobinsteuer und eine Asfinag- Verwaltungsreform. Ziel der Arbeitsgruppe ist, konkrete Vorschläge zur Finanzierung des Hochschulwesens aufzustellen, um damit konkrete Forderungen an die Politik richten zu können.

-Für Sachbeschädigung ist nur die individuelle Person haftbar, welche diese Sache tatsächlich beschädigt hat. TeilnehmerInnen welche nichts beschädigt haben brauchen nichts zu befürchten! [http://unsereuni.at/wiki/index.php/Rechtshilfe_AG; Zugriff: 12.12.09]

Organisierter Protest Sowie sich einzelne AGs zu Bündnissen zu den Themen Forderungen, medialer Selbst-Darstellung oder Presse-Kontakten zusammen gefunden haben, beschäftigen sich auch einige Arbeitsgruppen mit dem Innenleben der Protestbewegung. Zum Beispiel die Konzepte AG, die sich selbst vorstellt:

Niklas, Mitarbeiter der AG Konzepte

Foto: bib

„Wir diskutieren und entwerfen neue Möglichkeiten um die Organisation der Besetzung effizienter und demokratischer zu gestalten. Besonderes Augenmerk legen wir dabei auf Kommunikationsmöglichkeiten per Internet und einen geordneten Diskussionsablauf.“


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U-BahnZeitung der protestbewegung

Die Presse AG stellt sich vor

Jeden Tag erreichen uns in etwa 100 E-Mails, die beantwortet oder an die entsprechenden Arbeitsgruppen weitergeleitet werden

müssen – der logistische Aufwand ist groß. Neuigkeiten, die uns per E-Mail geschickt werden, veröffentlichen wir auf der Homepage http://unsereuni.at – diese wird von uns inhaltlich betreut. Unsere Forderungen, politische Entwicklungen, aber auch Veranstaltungshinweise und Solidaritätserklärungen sind dort zu finden. Die anderen besetzten Universitäten in Österreich können ebenfalls Informationen online stellen. Die „social networks“, unsere sozialen Netzwerke, spielen bei unserer Arbeit eine wichtige Rolle. Facebook, Twitter und StudiVZ sind Plattformen im Internet, dort kann jede_r Mitglied werden und mit anderen Leuten in Kontakt treten, also sich „vernetzen“. Hier beantworten wir direkt Fragen und speisen die neuesten Informationen und Ankündigungen ein.

MORGEN, gratis Zeitung der Protestbewegung

Bei den Student_innen hat es sich schnell herumgesprochen: „Die Audimax-Besetzung hat jetzt eine eigene Zeitung!“ Die 1000 Stück umfassende erste Ausgabe war sofort vergriffen. Tags darauf gab es bereits Fotoshootings mit Pressefotografen. Was steht drinnen und warum gibt es diese Zeitung überhaupt? Kein Morgen ohne Heute. Heute gehen die Studierenden auf die Straße und besetzen unzählige Hörsäle. Mittlerweile in ganz Europa. Heute passiert was. Und es passiert für morgen, unser aller Zukunft. Doch warum gehen sie auf die Straße? Was wird gefordert? Warum regen sie sich überhaupt auf? Die Medienlandschaft in Österreich ist ausgedörrt. Der staatliche Rundfunk schweigt. Auflagenstarke Zeitungen zeigen sich abgeneigt. Die „Morgen“ entstand als Gegengewicht. Sie bietet Information von innen, von den Betroffenen selbst. Es werden Tatsachenberichte geliefert, die Probleme verständlich aufbereitet. „Morgen“ ist Boulevard im positiven Sinn. Kleine Häppchen für zwischendurch. Jede_r versteht sie. Jede_r bekommt die Möglichkeit zu verstehen.

Eine erste Ausgabe in Rekordzeit Schnell war sie gegründet. Schneller war klar, wann sie erscheinen wird. Am schnellsten war klar, dass sie uns Stress machen wird, die „Morgen – U-Bahnzeitung der Protestbewegung“. Binnen acht Stunden wurde die erste Ausgabe erschaffen. Dann ging sie in Druck. Jetzt ist sie schon fast ein Sammlerstück, denn von dieser ersten „Morgen“ gab es magere 1000 Exemplare. Für die nächsten Ausgaben fanden wir uns in Kleingruppen zusammen. Wir organisierten so die Themen und trafen Entscheidungen. In offenen Redaktionssitzungen diskutieren wir im großen Rahmen unsere Anliegen und die Inhalte von „Morgen“. So schaffen wir Raum für wichtige Entscheidungen. Wir finden uns danach in kleinerem Kreis zusammen, um die passenden Artikel auszuwählen, wobei wir hier auf personelle Rotation setzen.

info&kontakt

http://unsereuni.at/morgen morgen.dieunibrennt@gmail.com

Foto: unibrennt flickr

Mit einer der ersten Arbeitsgruppen wurde die AG Presse eingerichtet. Ihr findet uns direkt beim Seiteneingang neben dem Audimax. Seit den ersten Tagen betreuen wir Journalist_innen, die zu uns ins Audimax kommen, um über die Studentenproteste zu berichten. Auch über unser Pressehandy erreichen uns viele Anfragen der Medien, die von uns telefonisch informiert werden. Wir geben viele Interviews, vermitteln aber Gespräche und Studiotermine im Fernsehen und Radio auch an andere Besetzer_innen weiter, damit jede_r mal zu Wort kommt, schließlich sind wir keine offiziellen Pressesprecher_ innen. In regelmäßigen Abständen versenden wir Pressemitteilungen an die Medien.

Die Nähe zum Audimaxismus Inhaltlich orientiert sich die „Morgen“ an den Forderungen und Zielen des Audimaxismus. Erklärtes Ziel ist die Information und Aufklärung von Außenstehenden. Alle Meinungen sind willkommen, sofern sie frei von Diskriminierungen aller Art sind. Durch die gendergerechte Schreibweise sollen die Leser_innen auf die in unserer Gesellschaft noch immer vorherrschende Problematik der Ungleichbehandlung hingewiesen werden. Eine Behinderung des Leseflusses ist daher durchaus erwünscht. Ansonsten wird auf journalistischen Stil geachtet. „Weg vom elitären, universitären Schreibstil!“ lautet die Devise. „Morgen“ ist eben für alle da. Der Zugang zu guter Information darf nicht vom Bildungsgrad abhängig gemacht werden.

Werbung? Ohne uns – solange es geht. Der Finanzplan dieser jungen Zeitung basiert auf Spenden. Zuwendungen aller Art ermöglichten eine Auflage von 10.000 Exemplaren bei der zweiten Ausgabe. Durch den Verzicht einer Nennung entsteht für die Geldgeber_innen keine Art von Vorteil. Werbeschaltungen lehnte das Redaktionsplenum einstimmig ab. Während der Besetzung, und nach Möglichkeit darüber hinaus, soll dem so bleiben. Eine Unabhängigkeit vom Werbemarkt garantiert auch eine inhaltliche Unabhängigkeit. Kostengünstiges Produzieren wird durch die gute Presseorganisation im Audimax ermöglicht. Fotos müssen nicht zugekauft werden und Pressemeldungen kommen über ein internes System. Diverse Gastautor_innen unterstützen die Zeitung mit Wortspenden und Sachspenden ermöglichen einen günstigen Druck.

Wie geht’s weiter? Das Ende der Besetzung bedeutet nicht das Ende der Bewegung. Die Medienlandschaft in Österreich ist karg. Aus diesen Gründen wird die „Morgen“ die Besetzung überdauern. Die Gründung eines Vereines garantiert das Fortbestehen: Strukturen werden gefestigt, Ideale weiter hochgehalten. Dieses Sprachrohr kritisch denkender Studierender bietet ein Gegengewicht zu den vielen, derzeit sehr lifestyle- und modelastigen jungen Medien. Stattdessen bekommen Kritik, Satire und Diskurs ihren verdienten Platz. Missstände werden aufgezeigt, Erfahrungen ausgetauscht. Und jeden Mittwoch gibt es eine neue „Morgen“. [sud]


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Presseschau Von den Titelseiten in die Feuilletons und zurück – die mediale Resonanz der letzten Wochen auf die Besetzung des Audimax der Universität Wien und die Studierendenbewegung war beachtlich. Was wurde am meisten kritisiert, was wurde positiv bewertet? MORGEN hat eine erste Bilanz gezogen. Nach einer ersten Schrecksekunde, die der Besetzung des Audimax vor 6 Wochen klarer Weise folgte, reagierten viele Printmedien überwiegend positiv auf die Aktionen der Studierenden. Das Fernsehen, allen voran der ORF, zeigte sich zuerst unbeeindruckt von den Reaktionen der Zeitungen und begann relativ spät, intensiver über die Studierenden zu berichten. Das Privatfernsehen, vor allem ATV, nutzten diese Chance und berichteten schon bald in LiveSendungen, Diskussionsrunden und regelmäßigen News-Berichten.

PRO Generell streichen die meisten Printmedien die ausgezeichnete Organisation des Protest, seine zumindest anfängliche MobilisierungKraft auch im übrigen Europa sowie generell die Berechtigung der Proteste aufgrund der unhaltbaren Situation auf den heimischen Hochschulen. Schlecht ausgestiegen ist bisher auch noch-Wissenschafts-Minister Johannes Hahn. Häufigste Kritik an ihm: Sein Abgang nach Brüssel gerade am Höhepunkt der Proteste, seine phlegmatische Haltung und die schlechte Uni-Politik der vergangene Jahre. Anlässlich des Jubiläums der Besetzung der Haiburger Au kamen in den Österreichischen Zeitungen Protagonist_innen der damaligen Bewegung zu Wort. Freda Meissner Blau, André Helle rund andere sprachen den Student_innen ihre Bewunderung und Unterstützung aus, und sahen in der Studierendenbewegung den Ausdruck eines breiteren gesellschaftlichen Unbehagens, vor allem der jün-

geren Generationen. Das Potential, wie die Hainburg-Bewegung in eine gefestigte gesellschaftliche Bewegung überzugehen wird den Uni-Protesten aber nach wie vor zugetraut. So ein Kommentar im „Kurier“ von Patricia Haller: „Die Größe einer Protest-Bewegung sagt nicht zwingend etwas über die bestehende Unzufriedenheit breiter Bevölkerungsgruppen aus. Zwölf Jahre haben die Au-Aktivisten und deren Sympathisanten auf den Nationalpark Donau-Auen gewartet. Die beste Bildung für alle Schichten ist das Kapital einer Gesellschaft von morgen. In diesem Sinn kann sich das Uni-Aufbegehren für bessere Zeiten lohnen.“ – „Kurier“ 8.12.2009

CONTRA Waren es anfangs noch die von vielen als „unkonkret“ oder gar „utopisch“ abgetanen Forderungen der Student_innen, die kritisiert wurden, so verlagert sich der Fokus der Kritik nun auf die noch immer andauernde Besetzung des Audimax in Wien. Der größte Hörsaal der Uni Wien wird mehr und mehr zum Druckmittel gegen die Studierenden, vielfach wird erwartet, dass die Besetzung teilweise oder ganz aufgegeben wird und der Hörsaal wieder für Lehrveranstaltungen offen steht. So stellt beispielsweise Hans Rauscher im „Standard“ die Student_innen im Audimax mit der Blockadehaltung der Regierung auf eine Stufe: „(…)Die Koalition will aussitzen. Das wird schiefgehen, denn auch bei den Studenten haben die Aussitzer offenbar das Sagen. Die Lektüre der Presseaussendungen der Besetzervertreter vermittelt den unabweisbaren Eindruck, dass Sektierer mit einer diffusen Agenda endgültig die Macht übernommen haben.“ – „der Standard“, 12.12.09 [WR]

Emotionalisierung ohne Inhalt

Die inhaltlichen Standpunkte und Forderungen der Protestbewegung an Rektorat und Politik geraten in den Hintergrund. Stattdessen wird verstärkt gegen die Arbeitsweise des Protestes politisiert und emotionalisiert. Dabei gerät die Besetzung immer mehr unter den Beschuss billiger Polemik (ÖVP) und beschwichtigender „Rationalisierung“ (Rektor Winkler). Das äußert sich v.a. in dem sich manisch widerholenden Verweis auf die hohen Kosten die durch die Besetzung entstünden (ÖVP/Winkler). Es findet eine umfassende De-Legitimierung der Protestmaßnahmen durch Politik und Medien statt. Diese thematisieren aber nicht länger den eigentlichen Grund für die Besetzung: Die politischen Forderungen der

Studierenden. Sondern argumentieren auf einem völlig inhaltsbefreiten Niveau gegen den Protest. Diese Art des Protestes kann aber nur im Kontext der inhaltlichen Standpunkte verstanden werden, da die gesamte Bewegung sich (logisch) über diese definiert.

zu lächerlich anmuten. Es scheint als würde systematisch versucht werden die Öffentlichkeit mit dem Verweis auf Bagatellbeträge (500 000 Euro Schaden, etz.) gegen die Audimaxist_innen aufzuhetzen. Bei diesem Protest geht es aber um Milliardenbeträge die den Unis über Jahrzehnte kontinuierlichen Wirtschaftswachstums unterschlagen wurden.

Zur Erinnerung: Die Besetzung der Hörsäle stellt von sich aus bereits ein politisches Statement dar. Damit wird direkt eine der zentralsten Forderungen der Bewegung artikuliert – nämlich die demokratische Rückeroberung der Unis als öffentliche Räume, sowie die Etablierung horizontaler Entscheidungsstrukturen in allen Bereichen die von studentischem Belang sind. Die Hörsäle werden nicht für bestimmte bildungspolitische Ziele missbraucht – sie werden vielmehr ihrem eigentlichen gesellschaftlichen Auftrag als Orte der Aufklärung, Bildung und Emanzipation zu- bzw. rückgeführt. Eine Rückbesinnung auf eben diesen Ausgangsgrund – auf eben diese Selbstlegitimation der Besetzung als Mittel des Protestes – lässt die gegenwärtige Diskussion gerade-

Diese widersinnige Diskussion ist nichts weiter als eine Inszenierung für die Öffentlich[sts] keit. Ich fordere die Inhalte zurück!

Foto: martin juen

Die Art des Protestes wird im öffentlichmedialen Diskurs zunehmend als losgelöst von jeglichen Inhalten der Bewegung wahrgenommen. Die Tatsache, dass die Besetzung an sich bereits ein politisches Statement darstellt, ist kein Teil der kontroversen Auseinandersetzung.


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U-BahnZeitung der protestbewegung

Wert der Bildung? Die Forderung der Audimax-BesetzerInnen ist klar: Freier Hochschulzugang. Diese Forderung der öffentlichen Ausfinanzierung der Universitäten und Abschaffung von Zugangsbeschränkungen ist jedoch eng mit der Ökonomie verknüpft. Welchen Beitrag kann diese also zur Debatte über die Hochschulfinanzierung leisten? Auf der bekannten Audimax-Bühne diskutierten Alexander van der Bellen, Lorenz Lassnigg, Georg Pflug und Eva Maltschnig mit Ingrid Brodnig über den Wert der Bildung. Am Donnerstag Abend fand sich prominentes Publikum im vollen Audimax der Uni Wien ein. Neben Alexander van der Bellen - ehemaliger Ökonomie-Professor der Uni Wien und langjähriger Parteichef der Grünen, waren auch Lorenz Lassnigg – tätig am IHS (Institut für Höhere Studien), Eva Maltschnig – Generalsekretärin der ÖH, sowie Georg Pflug – Dekan der Wirtschaftswissenschaften unter den Gästen der Podiumsdiskussion. Ingrid Brodnig, Journalistin für den Falter, führte durch die spannende Diskussion zum Thema „Wert der Bildung – Ökonomische Aspekte in der Bildungsdebatte“. Zu Anfang kam Lob von Alexander van der Bellen, der den protestierenden Studierenden gratulierte, dass sie es nun tatsächlich geschafft haben, dass Politik, Medien und die gesamte Gesellschaft auch außerhalb der österreichischen Grenzen nun endlich wirklich und längerfristig das Thema Bildung als wichtig wahrnehmen. Van der Bellen stellt klar, dass wir uns heutzutage in einer Wissensgesellschaft befinden, in der das wirtschaftliche Wachstum auf Forschung und Innovation aufbaut. Dies ist die eine Tatsache, die andere Tatsache ist, dass Österreich immer noch zu wenige Studierende hat und nicht zu viele. Abschlüsse von Studierenden in Österreich liegen im internationalen Vergleich mit rund 20% der betreffenden Altersgruppe ganz unten auf der Liste. Raten anderer Länder sind doppelt bis dreimal so hoch! Van der Bellen und auch die anderen Podiumsteilnehmer sehen das Problem der sozialen Selektion jedoch schon viel früher: diese findet schon ab dem Kindergarten und später in den Schulen statt. Einig sind sie sich auch über die Unterfinanzierung. Solange die Erhöhung des Hochschulbudgets auf zwei Prozent des BIP nicht gesetzlich verankert ist, sollte man der Politik nicht glauben, so van der Bellen. Es braucht einen rechtlich verbindlichen Zeitplan, der die Finanzierung gewährleistet. Realistisch gesehen geht das aber nur mit „Ausgaben sparen“ und Steuererhöhungen, bestenfalls in Form einer Vermögens- oder Reichensteuer.

„Hast du schon gehört? Eure Bewegung ist tot!“ „Ich hab im Radio gehört, im Audimax sind sowieso nur mehr Sandler, und das Ganze hat sich schon irgendwie totgelaufen“, bekam ich vergangenes Wochenende von Freunden zu hören. Typisch – denn vor allem in den Massenmedien wie Ö3, der Kronen- Zeitung („Der harte Kern besteht aus Berufsdemonstrierern (sic!) und linken Langzeitstudenten“, so ein „Leserbrief“-Schreiber) und den Gratis-Blättern vermitteln

meist nur einen von vielen Aspekten rund um den Aufstand der Student_innen. Man hat den Eindruck, viele erleben mit heimlicher Freude, dass in den Medien erfolgreich versucht wird die größte Student_innen -Bewegung der letzten Jahre „totzuschimpfen“. Fakt ist: ein „Obdachlosenproblem“ bestand im Bereich des Audimax schon immer, jedes Jahr im Winter suchen Wohnungslose und Arme Menschen die beheizten und frei zugänglichen Gänge der Uni Wien auf. Allein schon

Foto: unibrennt flickr

Der „unmessbare“

Lassnigg sieht die Problematik aus einer anderen Perspektive. Er ist der Meinung, dass das Bildungssystem generell zu sehr aus der Staatskasse und zu wenig aus privaten Mitteln finanziert wird. Eva Maltschnig steht der Drittmittel-Finanzierung wiederum sehr skeptisch gegenüber. Diese schürt bei Lehrenden und Studierenden die durchaus berechtigte Angst, dass die Lehrinhalte immer mehr auf die Bedürfnisse der Privatinvestoren und somit der Wirtschaft abgestimmt werden. Somit verlieren Studienrichtungen,für die der wirtschaftliche Nutzen nicht genau definierbar ist, an Wertigkeit und Forschung wäre nicht mehr frei. Außerdem ist Bildung ein öffentliches Gut. Das Angebot muss von öffentlicher Hand bereit gestellt werden und nicht durch private Anbieter. Wie sieht es nun also aus, mit der Kostenwahrheit? Eine der Forderungen der Studierenden ist der freie Hochschulzugang – von Seiten der Politik heißt es dazu immer, das sei nicht leistbar. Befürworter meinen – das muss man sich leisten. Aber wie viel kostet es nun, eine freie Uni zu finanzieren? Für Pflug und Lassnigg setzt diese Kostenwahrheit voraus, dass berechnet wird, wie viel ein Studienplatz kostet. So spricht man dann schnell von Studienplatzbewirtschaftung. Maltschnig sieht aber gerade hier ein ganz grundlegendes Problem: Wer legt fest, was in zehn Jahren am Arbeitsmarkt gewünscht wird? Da der spätere Arbeitsmarkt ohnehin von den jetzigen Studierenden geprägt wird, sollte die Universitätszeit als eine Zeit der Bildung begriffen werden und die Wahlfreiheit sollte gewährleistet sein. Geht es nun um Bildung oder Ausbildung? Van der Bellen geht sehr dogmatisch an diese Problematik heran. Er meint, nichts hätte ihn für seine mittlerweile schon 15 jährige Amtszeit im Parlament ausgebildet und er hege sehr wohl Verständnis für die Befürchtung vieler, zu so genannten „Fachidioten“ ausgebildet zu werden. Studierenden zu methodischem Denken zu verhelfen ist für van der Bellen das Mindeste, was eine Universität leisten muss – jenseits aller Arbeitsmarktbedürfnisse. Zudem kommt die Wichtigkeit der Gesellschaftskritik. Diese müsse auf den Unis passieren und darf nicht dem Markt unterworfen werden. Wieder einmal zeigte sich, dass Audimaxismus nichts mit Streik zu tun hat. Audimaxismus bedeutet vielmehr Raum für Diskussion, Austausch und Bereitschaft voneinander zu lernen. [sls]

die große Dynamik, die die Studierendenbewegung mittlerweile in Deutschland entwickelt hat, wird in den meisten heimischen Massenmedien völlig ausgespart. So wie in den ersten Wochen regelmäßig die korrekte Anzahl der europaweit besetzten Hörsäle und Fakultäten einfach unter den Teppich gekehrt wurde, werden auch die Teilnehmer_ innenzahlen der unregelmäßig stattfindenden Demonstrationen kaum korrekt kolportiert. So entsteht bei vielen der Eindruck, es handle sich um eine inzwischen

totgelaufene Bewegung, deren „harter Kern“, die Audimaxist_ innen, unbeirrt an einer sinnlos gewordenen Besetzung festhält. Dass dem nicht so ist und intensiv über eine Transformation der Besetzung zugunsten der gesamten Bewegung diskutiert wird, kann man neben den Qualitätszeitungen und Sendungen im TV vor allem in den zwar oft zitierten aber viel zu wenig rezipierten Studi-eigenen Medien wie dem twitter – Kanal von #unibrennt, auf facebook oder eben in der MORGEN nachlesen. [WR]


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„Vielleicht müsst ihr eure Sache

zur MUTFRAGE machen.“ Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann sprach letzten Mittwoch mit MORGEN über das Theater als Diskussionsforum, politische Ohnmacht und die Feigheit der Verantwortlichen. dann eine Generation wieder da ist, die das tut, dann freut mich das. Auch wenn der Protest nicht so professionell daher kommt wie in meiner Elterngeneration, die das mit einer ganz anderen Lautstärke gemacht hat – aber immerhin.

MORGEN: Haben Sie sich mit den Forderungen der Protestbewegung beschäftigt?

Foto: lorantracz

MORGEN: Zuerst einmal ein paar Fragen zu dieser Protestaktion im Burg theater. Hat die Intendanz im Vorfeld davon gewusst? HARTMANN: Nein, das war für uns alle eine völlige Überraschung. Wir mussten der Situation entsprechend schnell handeln. Was also war zu tun? Findet man einen gemeinsamen Weg? Was wäre denn die Alternative gewesen? Man hätte die Polizei holen und die Studenten aus dem Burgtheater raus tragen lassen müssen - eine absurde Vorstellung. Vielleicht wäre das einigen Aktivisten ganz recht gewesen, weil sich ein größeres Feuer um ihre Thematik entzündet hätte. Aber wir wollten die Studenten ja gar nicht loswerden, weil wir davon ausgehen, dass Theater und Bildung einen breiten gemeinsamen Nenner haben.

MORGEN: Haben Sie sich über die Aktion gefreut? HARTMANN: Ich freue mich immer, wenn Menschen das Heft selbst in die Hand nehmen und ihre Probleme artikulieren. Von couragierten Bürgerinitiativen war in letzter Zeit immer weniger zu hören, und wenn

HARTMANN: Nur ein bisschen ehrlich gesagt. Ich weiß, dass es überfüllte Hörsäle gibt, zu wenig und überfordertes Lehrpersonal, eine Infrastruktur, die aus allen Nähten platzt, dass unter unmöglichen Bedingungen Bildung vermittelt werden soll. Es kann doch nicht sein, dass ein Staat wie Österreich nicht alles, was er hat, in die Bildung wirft. Und damit meine ich keineswegs nur die Art von Bildung, die auf möglichst effizientes Eingliedern in die Wirtschaftswelt eingerichtet ist. Mein Neffe hat durch Stipendien einen Studienplatz an einer Elitehochschule in Sankt Gallen und, noch bevor das Studium richtig angefangen hat, das Angebot für einen Job bei BMW. Und hier stehen Studenten geisteswissenschaftlicher Disziplinen in den Fluren, um die Übertragung einer Vorlesung zu hören. Da stimmt doch etwas nicht. Zum Thema Studiengebühren bin ich geteilter Meinung. Ich könnte mir vorstellen: freier Zugang für alle, Gebühren nach dem Grundstudium, gerecht aufgeteilt mit einem guten Modus für sozial Schwache, dafür muss aber auch das Angebot qualitativ besser werden. Ich verstehe das schon, wenn die Leute sagen, was der studiert noch immer, und muss nichts zahlen?

MORGEN: Sie haben das Theater als Diskussionsraum geöffnet. Stehen Sie dazu noch? HARTMANN: Ich stehe dazu und bin absolut bereit. Herr Hahn hat mir einen Brief geschrieben, der lautete sinngemäß: „Vielen Dank für die Einladung, aber wir haben jetzt noch ein paar andere Dinge zu tun.“ Ich renne niemandem hinterher. Ich habe gesagt, ihr könnt kommen, wenn das notwendig ist. Und bin sogar ein bisschen stolz darauf, dass man zu uns gekommen ist. Man hätte ja auch zum Bundespräsidenten ziehen können, oder vors Rathaus, zur Staatsoper, von mir aus, oder zum Bundeskanzler. Dass

ausgerechnet das Burgtheater der Ort ist, erinnert mich an Bochum, wo ich vor neun Jahren noch Direktor vom Schauspielhaus Bochum war. Damals wurde dort Opel bestreikt. Und dann kamen die ganzen Streikenden, tausende von Arbeitern, runter vors Schauspielhaus und haben mich gefragt, ob das in Ordnung wäre. Ich habe da eine Suppenküche aufgemacht für die Streikenden, habe mit ihnen geredet und dann haben wir gemeinsam die Chair-Manager aus Amerika eingeladen. Die sind aber nicht gekommen. Sie waren zu feige. Hoffentlich ist es hier nicht genauso. Hoffentlich sind die Politiker nicht zu feige.

MORGEN: Wie könnten Sie sich das konkret vorstellen: eine Diskussion im Burgtheater? HARTMANN: Das Problem ist, dass wir einen regulären Spielbetrieb haben, den wir aufrecht erhalten müssen. Aber es wäre ohne Zweifel möglich, einen Raum bzw. Zeit zu finden, wo wir sagen: Diese 4-5 Stunden gehören jetzt einfach mal euch bzw. den Politikern. Es muss dann jeder gut vorbereitet sein. Wenn das ein wirklich gutes Gespräch sein soll, dann müsstet ihr einen Moderator haben, der neutral ist – also weder von euch, noch von den Politikern kommt. Ich würde beispielsweise einen Dramaturgen von mir bitten, sich in die Thematik einzuarbeiten und sich aufs Podium zu setzen. Möglicherweise wäre ich auch selber dabei, eher um disziplinarisch einzugreifen, im Stil: Achtung, der hat jetzt mal genug geredet. Jetzt ist die andere Seite dran.

MORGEN: Wenn der Protest der Plot eines klassischen Theaterstücks wäre, wie geht dieses Stück aus? HARTMANN: Ich weiß nicht, ob ich diese Theatermetaphorik bedienen kann. Aber eins ist klar. Ihr habt das Problem, dass die Politiker euch aussitzen. Ihr müsst irgendeine Maßnahme ergreifen, um diesem Vorgang Einhalt zu gebieten. Es ist doch etwas geradezu Historisches passiert! Ich war letzte Woche erst in Zürich, und da sind Studenten mit Bannern an mir vorbei gelaufen und ich dachte: Kuck mal, die sind aus Wien! Das hat mich sehr gefreut. Das kann einen doch stolz machen, dass hier eine kleine Revolution angezettelt wird, die nach Deutschland und in die Schweiz hinüberschwappt. Das zeigt, dass da wirklich ein eklatanter Misstand ist und, dass die Politiker sich dazu verhalten müssen. Wir erleben doch im Zuge dieser Kopenhagen-Situation etwas ganz


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U-BahnZeitung der protestbewegung

Foto: lorantracz

Interessantes: Die Politik ist völlig an ihre Grenzen gestoßen. Sie macht ja nichts Konkretes mehr. Vielleicht ist sie strukturell gar nicht mehr in der Lage dazu. Aber dann soll sie es sich eingestehen und gleich die Wirtschaftsbosse machen lassen. Vielleicht machen die es ja besser. Wenn man sie beispielsweise dafür auch in die Pflicht nehmen würde, den globalen Anstieg der Temperatur auf soundso viele Grad zurückzubinden.

Wählerstimmen und, wenn wir dann alle in der Industriellen Vereinigung sitzen, unterstützen wir sie.

MORGEN: Dann müssten wir mit unseren Forderungen eher zur Industriellen Vereinigung gehen.

MORGEN: Es geht alles sehr langsam. Gerade letzten Freitag war Rektor Winckler im Audimax. Das war sehr demotivierend. Er hat wiederholt: Meine Meinung ist die Meinung der Gesetze, ich bin hier, um die Gesetze zu exekutieren.

HARTMANN (lacht): Ja, genau. Das ist gut gesagt! Bei euch hat ja ganz viel stattgefunden an Politisierung! Seid ihr schon demoralisiert? Könnt ihr noch?

HARTMANN: Wahrscheinlich würdet ihr dort mehr erreichen. Die Finanzkrise hat ja an den Strukturen überhaupt nichts verändert: Die Politiker halten das Steuer längst nicht mehr in der Hand und werden auch in Kopenhagen nichts zustande bringen, weil ihnen die Verhandlungsmasse, mit der sie dort antreten, von den Wirtschaftsverbänden mitgegeben wird. Also sind sie ohnmächtig. Das ist es auch, was ihr denen klar machen müsstet: Wie ohnmächtig sie, die Politiker, sind. Wie feige das Ganze ist. Auch noch in dieser österreichischen Patt-Situation, in der ständig kreuz und quer koaliert wird. Da lässt sich ja keine richtige Haltung heraustrennen, weil alle davor Angst haben, sich irgendwie hervor zu wagen. Diese Angst, gleich wieder die Macht abgeben zu müssen. Da ist soviel Feigheit dabei! Ihr braucht einen mutigen Menschen! Ja, vielleicht ist das der Punkt: Vielleicht müsst ihr eure Sache zur Mutfrage machen. Vielleicht müsst ihr einen mutigen Politiker suchen. Einen Auserkorenen, der sich eurer Sache annimmt, weil er sich gegen Euer Vorschussvertrauen gar nicht wehren kann. So, dass es schon fast zur Ehrensache wird. Im Sinne von: „Herr Hahn war leider für uns kein guter Partner. Man greift immer wohin und schon ist er wieder verschwunden. Dich haben wir ausgesucht. Du bist jetzt unser Mann, unsere Frau und mit Dir müssen wir jetzt sprechen.“ Das wär doch gut! So ein Wettrennen der Politiker. Ihr nehmt euch drei Kandidaten...

HARTMANN: Diese Art von Argumentation kenne ich aus Deutschland sehr gut. Sie ist, wie die Geschichte gezeigt hat, brandgefährlich. Wie kann ein Unirektor so eine Haltung haben? Das ist ja ganz schlimm. Ich kann mir vorstellen, dass das sehr demoralisierend ist, wenn man einfach so unverrichteter Dinge weitermacht. Man hat was versucht zu erreichen, aber es kommt nichts dabei raus. Es müsste irgendwie ein mehrfacher Punkteplan am Ende dastehen, wo ihr dann draufschauen und sagen könnt: Unsere Aktion [cgal] hat sich gelohnt.

MORGEN: Wir könnten eine_n vertretende_n Politiker_in suchen. HARTMANN: Einen, der der Mut hat, wirklich eure Sache voranzutreiben.

MORGEN: Ein Casting im Audimax.

MORGEN: Die mutigsten Politiker_innen dürfen auf die Burgtheaterbühne, dürfen uns vertreten, bekommen irrsinnig viele

Foto: lorantracz

HARTMANN: Das find ich eine gute Sache! Das Casting kann auch bei uns stattfinden. Wir könnten das Casting des Politikers, der am mutigsten ist, bei uns auf der Burgtheaterbühne machen.


10 Die Sendung mit dem Graus

Brot und Spiele

Audimax

Das Programm täglich 15:00 - 17:00 „GOOD MORNING AUDIMAX, GOOD MORNING EUROPE!“

MITTWOCH, 16.12.09 08:30 - 13:00 Schüler_innenplenum 10:00 - 11:00 Offenes gemeinsames Musizieren 17:00 - 18:00 Josef Hader 18:00 - 19:00 Gespräche mit André Heller Foto: sud

Die römischen Kaiser waren oft reiche Menschen. Und weil sie gerne römische Kaiser bleiben wollten, haben sie einen Teil vom Geld an das Volk verteilt. Da gab es dann Brot und Spiele und das Volk hat den Kaiser gemocht. – So einfach war das. Wagenrennen gibt’s heute noch. Gladiatorenkämpfe nicht mehr. Da ist man draufgekommen, dass man Humankapital anders besser verwerten kann. - Macht aber nix. Statt Brot werden heute andere Dinge verteilt: Semmeln z.B., oder Freibier, oder Bargeld. Das BZÖ macht so was recht gerne. Der kleine Mann bekommt Freibier. Die kleine Frau auch. Und sie verteilen gerne Geld: Nach dem Gießkannenprinzip. Da bekommen dann alle was ab. Auch die, die es nicht brauchen. Ist den Herrn vom BZÖ aber egal. Weil sie brauchen die Zustimmung des Volkes bei der nächsten Wahl. Ganz wie die Kaiser im alten Rom. – Klingt komisch, ist aber so! Trotzdem war das im alten Rom besser. Damals haben sich die Kaiser schöne Statuen im ganzen Reich errichten lassen. So wusste das Volk, wie der Kaiser in Rom aussieht. Damit auch die Leute in Wien, oder Graz, oder sonst wo in Österreich wissen, wer beim BZÖ Kärnten mitmacht, haben die sich eine schöne Homepage bauen lassen. Die beiden in der Mitte, das sind der Herr Dörfler und der Herr Scheuch. Sehen eigentlich ganz nett aus, sind sie aber nicht.

Foto: sup, tas

Vor allem aber unterscheiden sich die Fotos stark von den Statuen der römischen Kaiser. Weil die sahen immer recht sauber aus. Die Herren vom BZÖ aber nicht. Ihre seltsame Handhaltung verrät: Sie haben Schmutz unter den Nägeln. Und den haben sie im Moment der Fotoaufnahme rasch versucht herauszukratzen. - Klingt unsauber, ist es auch! Und deshalb muss man bei denen vorsichtig sein. Auch wenn sie Geschenke verteilen. [masc]

19:00 - 22:00 Plenum 22:00 female:pressure

Donnerstag, 17.12.2009 16:00 - 17:00 Markus Marterbauer 17:00 - 18:30 Diskussion Klimawandel, Naturschutz, Landwirtschaft 19:30 - 20:30 Willi Resetarits & Band 20:30 - 22:00 Christl Meyer - AIDS - Neue Erkenntnisse, die man nicht verschweigen darf

Freitag, 18.12.2009 17:00 - 18:00 arbeit FAIRTEILEN 19:00 - 20:00 mollner 21:00 Releaseparty der Uni Brennt Compilation mit Selbstlaut, Yasmo MC & die Möadaoffn

Samstag, 19.12.2009 - Sonntag, 20.12.2009 ab 16:00 queer-feministisches Wochenende u.a. Spoenk, Karin Depp, what is plaided?, Chra, Norah Noizzze & Band

Montag, 21.12.2009 18:00 - 19:00 Carina liest ... 19:00 - 21:00 Plenum 21:00 Bethlehem Allstars

die Termine werden laufend aktualisiert siehe www.unsereuni.at


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U-BahnZeitung der protestbewegung

Rätsel

Hund der woche

Waagrecht 7 8 9 10 11 13 15 17 20 21 22 23

Quadratkarotte mit tiefen oder flachen Ursprung (EZ) Dieses Gewehrl wird mit dementsprechenden Eisen hergestellt Ganz schön unscharf diese britische Band? Was man dorthinein am Ende macht, ist forsch wissenschaftlich eingerichtet. 1+1+? = ungewiss Die Lohrsung ist doch watscheneinfach na los ihr ängstlichen Früchtchen! „OK ein“ Abbild ist anbetungswürdig wie ein Popstar. Ballsportliche Kanonenkammer oder giftiger Kurzalfred? Wissbegriff, entschließt chiffrierte Parolen. Kleine Kevlargruppe, Grüß Mir Bitte Heidi! „Bin ich der ich?“, ruft der Heerverwalter verwundert aus. Ob die Botschaft wohl ankommt? Sthopplae, wie piekse ich richtig im Stasi-VZ?

leise knabbert das tier am geschenkepapier was wäre ich ein mensch wohl? wenn ich ihr`n hintern versohl!

Senkrecht 1 2 3 4 5 6 12 14 16 18 19 21

Da wirds „wo laut“, wenn der gesetzlose Vagabund mit seiner Countrymusik anfängt. Küstlich, diese französiche Farbe! Himmlisch blau bei Schönwetter! Kschade dass der „Klee dir“ die Gewänder verdreckt hat. Streitkräftige Zanksarbeit entzweit die Harmonie? Primatischere Törichtigkeit wenn ich „fair fege“? Das kann ich doch wohl anheften! Damit trainier ich meine Wiederholungen, obwohl ich diesmal eh nicht rein komm‘! Interner Platzreim: Atrium, Patio und Peristyl, wer das nicht kennt, der kann nicht viel! Einspruch: „Spott er“ soviel er will, wir gehe mit unserer Demonstration nicht in Richtung „Pest Tor“! Zum Uhu damit! Das Fertigungsverfahren lässt sich anpicken. Als bester Feuerschutz gilt er nicht nur in England Dort endet der Größte Onzunehmende Unfall, so ein Käse aber auch! Es ist doch auch flein wenn das Feuer schon fast aus ist.

Foto: Silvia


„Morgen“-Benefizparty Um uns bei unseren Unterstützer_innen zu bedanken, aber auch um unser weiteres Erscheinen zu ermöglichen, werden wir im Jänner eine „Morgen“Benefizparty veranstalten zu der ihr alle herzlich willkommen seid! Es erwarten euch Live-Acts, DJs, nette Leute und eventuell die eine oder andere #unibrennt-Diskussion. Nähere Infos demnächst auf www.twitter.com/ag_zeitung http://tinyurl.com/facebook-morgen www.unsereuni.at/morgen

grafik: tas,sup


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