UP #705: Geheim (Juli 2021)

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GEHEIM

JETZT STEHEN SCHON MENSCHEN­ RECHTE ZUR DISPOSITION.

WAS KOMMT DA NOCH? Ein Interview mit dem Rechtsextremismus-Experten Andreas Peham. Die Fragen stellten Hannah Wahl und Carolina Forstner U: Vielen Dank, dass Sie sich für uns Zeit genommen haben! Zum Einstieg haben wir ein tagesaktuelles Thema. Denn in 2 Stunden soll in Mauthausen eine Versammlung stattfinden, die sich selbst als pro-semitische, antifaschistische Mahnkundgebung beschreibt. Auf einem Veranstaltungsbild ist Bundespräsident Alexander Van der Bellen schlafend dargestellt, im Hintergrund sieht man Schilder, auf denen steht: „Souveränität“, oder „Freiheit für unsere Grundrechte“. Die Personen haben sich in der Vergangenheit an Querdenker*innen-Demos stark beteiligt. Wie schätzen Sie solche Treffen ein, die auch das Motto „Wehret den Anfängen“ tragen? A: Diese Querdenkerdemos sind im Wesen immer gleich: Sie setzen die Regierung bzw. die Maßnahmen mit dem Nationalsozialismus gleich oder, noch schlimmer, mit dem Holocaust. Manche teilnehmende Personen, und das war seit April auf jeder dieser Coronademos zu sehen, vergleichen sich selbst mit Verfolgten des Naziregimes. Das kann auf der einen Seite – Stichwort Sophie Scholl – im Bereich des Widerstandes sein, auf der anderen Seite, vielleicht noch perfider, die Selbststilisierung als Jüdinnen und Juden, oft sogar verbunden mit dem „gelben Stern“. Das jetzt auch noch in Maut-

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hausen – am Ort des Menschheitsverbrechen – zu tun, ist an Heimtücke kaum zu überbieten und ich hoffe, dass die Verwaltung der Gedenkstätte sie zumindest nicht auf die Gedenkstätte lassen. Das heißt, man kann die Veranstaltung eigentlich nicht verbieten? Strafrecht wird hier nicht greifen, weil sie weder den Holocaust leugnen noch den Nationalsozialismus gutheißen. Was sie aber objektiv schon damit tun – und diese Kritik müssen sie sich gefallen lassen – sie relativieren die Verbrechen der Nazis, sie verharmlosen den Holocaust. Die entscheidende Frage ist: Tun die das absichtlich? Rechtsextreme nutzen jede Chance, wie auch diese, um an der Relativierung und gegen die Einzigartigkeit des Holocausts zu arbeiten. Es gibt aber, und das scheint mir bei vielen auch der Fall zu sein, Leute, die nicht rechtsextrem sind. Man muss sich aber auch fragen, warum diese Menschen an solchen Demonstrationen teilnehmen. Wir haben auch ein anderes Problem – manche fühlen sich wirklich so verfolgt wie Oppositionelle im NS-Regime oder Juden und Jüdinnen. Die wirklich glauben, die österreichische Regierung aus ÖVP und Grüne sei das selbe wie das „Dritte Reich“.


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