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«Das ISC ist ein wenig wie ein Familienunternehmen»

Ein Gespräch mit dem BWL-Studenten Maximilian Wörlein über seine Zeit als Leiter des ISC von 2019 bis 2021.

Wie kamen Sie zum ISC?

Ich war zuerst studentischer Helfer, dann sagten mir die damaligen Teammitglieder, dass sie mich gern im Team hätten. So bin ich 2018 ins ISC reingerutscht. Ich war im fünften Semester des Studiums und gehörte damit eher zu den Älteren.

Was hat Sie an der Aufgabe gereizt?

Mir ging es darum, Verantwortung zu übernehmen. Beim ISC liegen die Kontaktarbeit und die Tagungsorganisation weitestgehend in der Hand der Studierenden. Dann gab es auch persönliche Gründe. Mir macht das Studieren zwar Spass, aber ich bin auch ein Hands-onTyp, und nach vier Semestern Studium wollte ich nicht mehr nur büffeln, sondern etwas machen. Mein Grossvater hat mir den Rat gegeben, neben dem Studium immer etwas zu machen, wofür ich mich begeistere. Und da war das ISC die perfekte Gelegenheit.

Ist das ISC eine Art gelebtes Entrepreneurship?

Ja und nein. Ja: Es gibt jedes Jahr eine gewisse Grundinnovation durch das neue studentische Team. Nein: Durch die fünfzigjährige Geschichte haben sich viele Prozesse so stark optimiert, dass man sie nur noch anders, aber kaum besser machen kann. Ich vergleiche das ISC deswegen gerne mit einem Familienunternehmen, in dem es jedes Jahr einen Generationenwechsel gibt. Dabei sorgen die Generationen füreinander: Jede neue Generation weiss, was die Generationen vorher geleistet haben, und die früheren Generationen wiederum unterstützen die neue Generation bei neuen Ideen.

Wie wird die Tagung vorbereitet?

Das ISC-Jahr dauert von September bis Juni des nächsten Jahres. Es beginnt mit dem Anlernen der Neuen. Bis Februar sind wir sehr nach aussen orientiert: Man trifft Partnerunternehmen und Referenten, wirbt Studierende aus der ganzen Welt für den Essay-Wettbewerb an, und man versucht möglichst viele Studierende der HSG als Helfer zu gewinnen. Ab Februar wechselt man in den Organisationsmodus, nun geht es um die operative Seite: um das Eventmanagement und damit die Vorbereitung des Symposiums. Etwa sieben Tage vor dem Eintreffen der Gäste beginnt der eigentliche Aufbau und damit die finale Phase auf dem Gelände der Universität.

Wie werden die Referent:innen ausgewählt?

Bestimmte Persönlichkeiten möchte man einfach haben, so war etwa Angela Merkel immer sehr weit oben auf unseren Listen, wir wissen: So jemanden bekommt man nicht von heute auf morgen. Weitere Leute auf der Short List waren etwa der kanadische Präsident Justin Trudeau oder Satya Nadella von Microsoft. Uns geht es um die absoluten Top Shots an Politiker:innen, Geschäftsführer:innen, auch bei den NGOs. Dann schauen wir: Wer passt gut zum Jahresthema?

Wie schwierig ist es, die Top Shots zu gewinnen?

Es ist eine langfristige Kontaktarbeit, mit einer Kalt-Akquise schafft man es nur mit viel Glück. Zudem nutzen wir das bestehende Netzwerk. Wir haben dafür intern den Begriff «Cornering»: Man kennt jemanden, der wiederum die betreffende Person gut kennt und der die Person noch vor unserem ersten Schreiben auf das St.Gallen Symposium hinweist: «Schau dir das mal an, it’s worth it for you.» Solche Dinge sind das A und O beim Networking.

Natürlich spielt das Renommee des St.Gallen Symposiums eine Rolle sowie das restliche line up und die fear of missing out: Eine Ministerin wird eher nach St.Gallen kommen, wenn von einem anderen Staat auch ein Minister teilnimmt, der für sie von Interesse ist.

Wolfgang Schürer sagt: «Wenn Sie ins ISC eintreten, treten Sie ins Kloster ein.» Würden Sie diesem Satz zustimmen?

Dem ISC wird gern nachgesagt, es sei eine Sekte, das geht auch anderen grossen studentischen Initiativen so. Ich erlebe das ISC ganz stark als intergenerationelle Gemeinschaft. In meinen drei Jahren beim ISC habe ich allein in den studentischen Teams fast hundert Kommilitonen und Kommilitoninnen kennengelernt. Dazu kommen die Alumni, die sich über jeden Kontakt freuen und jede Gelegenheit nutzen, um die Aktiven zu unterstützen, egal ob mit dem eigenen Netzwerk oder vor Ort während des Auf- und Abbaus des Symposiums.

Und so sehe ich auch diesen Klostergedanken: Zwei, drei backen das Brot, drei, vier kümmern sich um den Garten, ein paar brauen das Bier, andere kümmern sich ums Handwerk – und das alles unabhängig davon, wer schon wie lange dabei ist. Am Ende des Tags fliesst alles in die Struktur dieser Gemeinschaft.

Welche Rolle spielt das ISC für Ihr Studium?

Für mich hat es eine massive Rolle gespielt. Ich habe mein Studium fast drei Jahre für das ISC unterbrochen, und das war genau die Ergänzung, die rückblickend für mein Studium unerlässlich war. Für ein breit gefächertes Studium ist die Idee des studentischen Engagements zentral, egal ob es nun das ISC, START, oikos oder die Studentenschaft ist.

Für mein Studium nehme ich nicht nur die persönlichen Kontakte und Erfahrungen mit, sondern auch die Verbindung von Theorie und Praxis. Wenn ich nach zwei Jahren studentischer Leitung nun einen Kurs zum Thema Leadership belege, sehe ich ganz schnell, welche theoretischen Konzepte sich direkt in der Praxis adaptieren lassen und welche eher in der Theorie beheimatet sind. Wenn ich irgendein Praktikum bei einem Unternehmen gemacht hätte, hätte ich diese Verbindung von Theorie und Praxis nie so mitbekommen wie beim ISC, von dem Gefühl, Verantwortung getragen zu haben, ganz zu schweigen.

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