Unser Frohnau Sonderausgabe Maueröffnung

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Zeitschrift der CDU Frohnau | Extrablatt | Februar 2010 | www.unserfrohnau.de

Vor 20 Jahren: Öffnung der Mauer zwischen Frohnau und Hohen Neuendorf • Eberhard Malitzki, Koordinator der Frohnauer Öffnungsfeier, erinnert sich • 21. Februar: Ausstellungseröffnung „Damals und Heute“ im Centre Bagatelle • 27. Februar: „Unser Frohnau“-Literaturcafé mit Klaus Kordon, Autor mit DDR-Biographie


Eberhard Malitzki

Meine Erinnerung an die Grenzöffnung Frohnau/Hohen Neuendorf

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lles begann damit, dass ich mit meiner Tochter Melanie die Öffnung der Grenze zwischen Hennigsdorf und Heiligensee miterlebt hatte. Auf westlicher Seite stand ein Imbisswagen und weiter nichts. Nachdem wir die Grenze passiert hatten, erlebten wir eine Überraschung: Gesamtdeutscher Getränkestützpunkt Hennigsdorf-West-Berlin war eine der Bezeichnungen der Stände. Andere trugen Aufschriften wie: Nie wieder SED; Wer ständig will nach Heiligensee, wählt nie und nimmer SED. Die Ostdeutschen hatten Stände aufgebaut und Stühle aufgestellt und verteilten aus Freude über die Grenzöffnung kostenlos selbstgebackenen Kuchen und Schmalzstullen. Die Feuerwehr Hohen Neuendorf betrieb eine Feldküche und verteilte Erbsensuppe – ebenfalls kostenlos. Und auf Westber-

liner Seite stand die ganze Zeit nur der einsame Verkaufswagen, wo Speisen und Getränke an alle verkauft wurden. Kostenlos gab es da nichts. „Für West-Berliner alle Würstchen kostenlos“ Das war für uns sehr beschämend und gab mir natürlich zu denken. Die etwas hatten, rückten nichts heraus, und die nichts oder wenig hatten, haben voller Freude verteilt. Dort, wo sich die Straße in Richtung Hennigsdorf bzw. Stolpe gabelt, stand ein Fleischerwagen, an dem geschrieben stand: „Für West-Berliner alle Würstchen kostenlos.“ Es war wirklich rührend und machte mich betroffen. Da angekündigt war, dass zwischen Frohnau und Hohen Neuendorf ebenfalls eine Grenzöff-


nung geplant war, beschloss ich – damals noch Vorsitzender des Kulturkreises Frohnau – alles zu tun, um der Situation besser gerecht zu werden. Natürlich war es für mich einfacher. Ich hatte mit dem Kulturkreis Frohnau eine Organisation im Rücken, und es war damals recht leicht, Leute zu begeistern. So hatte ich ruck, zuck, ein großes Team beisammen, das mir bei der Vorbereitung zur Seite stand. Geplant war eine „Budenstraße“ vom Staehleweg bis zur Grenze. An dieser „Budenstraße“ sollten alle Ostdeutschen kostenlos bedient werden, während die Westler einen kleinen Obolus entrichten sollten, der in Gurken- oder Marmeladengläsern gesammelt wurde und mit dem ich noch einiges vorhatte. Offene Feuer auf der Oranienburger Chaussee Ich wurde unterstützt von der Freiwilligen Feuerwehr Frohnau, vom Kulturkreis, der mit allen Mitgliedern und viel Begeisterung

dabei war, und dem Haus- und Grundbesitzerverein. Den damaligen Reinickendorfer Bürgermeister, Herrn Dzembritzki, bat ich, dafür zu sorgen, dass wir mit Strom für Koch- und Grillstellen versorgt wurden. Doch der gab mir ganz klar zu verstehen: „Das geht nicht! Das ist nicht machbar.“ Daraufhin schrieb ich in einem Bericht, dass der Bürgermeister uns angewiesen habe, auf der Oranienburger Chaussee offene Feuer zu machen, was ja fast einer Brandstiftung gleich käme, denn die Chaussee führt durch einen Wald und ist laut Brandschutzverordnung für offene Feuer nicht breit genug. Die Presse veröffentlichte den Bericht, und ich bekam aus dem Büro des Bürgermeisters prompt einen Anruf. Was mir denn einfiele! Das sei ja gar nicht so! Es sei ja schon längst eine Verhandlung eingeleitet worden. Mich ließ das ungerührt. Die Hauptsache war, dass wir 


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unseren Strom hatten. Er kam übrigens aus Hohen Neuendorf, und das Technische Hilfswerk hatte dabei geholfen. Außerdem gab es einen Spendenaufruf, den Der Nordberliner veröffentlichte. Und die Spenden flossen, ziemlich kräftig sogar. Es waren übrigens meist die ärmeren bzw. einfachen Leute, die etwas gaben, während sich die gut betuchten zurückhielten. Das ist wohl die Normalität in unserer Gesellschaft. Eine Firma tat sich allerdings hervor, das war die des Herrn Schriever, der ja durch die Sperrung des Spazierwegs um den Poloplatz bekannt geworden ist. Herr Schriever hat im Namen der sieben Firmen, mit denen er zu tun hatte, reichlich gespendet. Den Wert aller eingegangenen Spenden, seien es Geld- oder Sachspenden (in der Hauptsache waren es Sachspenden), schätze ich auf ungefähr eine Viertelmillion DM. Das ist schon eine ganze Menge. Die Schornsteinfeger in der ersten Reihe Am Tage der Grenzöffnung war ich bereits um vier Uhr morgens vor Ort und überwachte das Aufbauen der in Lübars ausgeliehenen Marktstände. Wenige Stunden später waren nach Schätzungen der Polizei circa 125.000 Personen entlang der B96 versammelt. Für den Rat des Kreises Oranienburg stand dessen Vorsitzender Herr Michaelis in der ersten Reihe, auf der Frohnauer Seite war es der Reinickendorfer Bürgermeister Dzembritzki. Die Alliierten waren in der Person des französischen Stadtkommandanten General Cann beteiligt und als prominenter Landespolitiker war Eberhard Diepgen anwesend. Ebenfalls ganz vorn vertreten war die Zunft der Schornsteinfeger, die in ihrer Arbeitsmontur erschienen war. Und so konnte die Zeremonie beginnen. Herr Dzembritzki und

Die ostdeutsche Tanzgruppe „Grenzenlos“ zeig Tänze (links). „Die reißen uns noch um“, stöhn Ansturms auf die zahlreichen Buden entlang d Herr Michaelis, hielten kurze Reden, dann folgte der mit Spannung erwartete Höhepunkt: das Zerschneiden eines Bandes am Übergang. Danach war keiner mehr zu halten. Das Gedränge an den Buden auf West-Berliner Seite war groß. Herr Krüger, ein älterer Herr, der von seiten der CDU an der Vorbereitung des Festes maßgeblich beteiligt war, hielt die Seitenteile eines Standes fest und stöhnte: „Die reißen uns noch um!“ Das Ehepaar Weber, damals noch in Frohnau ansässig, bemühte sich, unter Einsatz des damals noch nicht sehr weit verbreiteten PCs an einem Informations-

Nach der Öffnungsfeier ging es ans Zählen de einer kleinen Zeremonie an die Bürgermeisteri


stänze vor. In Hohen Neuendorf wurden auf der F96, also der Fernstraße 96, wie man im Osten sagte, Originalmauerteile verkauft. Das war das erste Mal, dass ich den Verkauf von Mauerteilen gesehen habe. Die Polizei und die Grenzsoldaten auf der Ostseite machten einen recht hilflosen Eindruck. Vierzig Jahre lang hatten sie gelernt, dass der Klassenfeind zu bekämpfen sei, und jetzt mussten sie zusehen, wie Menschen aufeinander zugingen.

gte anlässlich der Grenzöffnung märkische nte einer der Standbetreuer angesichts des der Oranienburger Chaussee.

Spenden in Marmeladengläsern Auf Brandenburger Seite waren vertreten: Hohen Neuendorf, Oranienburg, Legebruch, Birkenwerder und mehrere andere Ortschaften. Ein Tanzteam aus Hohen Neuendorf mit Namen „Grenzenlos“ führte auf West-Berliner Seite märkische Volk-

er gesammelten Spenden (links). Im Rathaus von Hohen Neuendorf (Mitte) wurden diese in in übergeben (rechts).

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stand die Kommunikation während des Festes zu unterstützen (Suchmeldungen, Begegnungswünsche und dergleichen). Auch die Parteien CDU, SPD, FDP und die Grünen waren beteiligt. Italienische Restaurants verteilten an ihrem Stand kostenlos Spaghetti.

Alles in allem war es eine sehr bewegende Veranstaltung. Sie dauerte bis 21 Uhr. Seit wir um vier Uhr morgens mit dem Aufbauen angefangen hatten, waren siebzehn Stunden vergangen. Dann konnten wir unsere Buden abbauen. Es war sowieso nichts mehr da, was wir den Leuten hätten anbieten können. Die Marmeladenund Gurkengläser, die wir für die Spenden der West-Berliner aufgestellt hatten, wurden unter Aufsicht des Notars Kurt Meißner geleert und ihr Inhalt bei mir zu Hause gezählt. Wir stellten fest, dass in den Gläsern mehr Ostgeld als Westgeld war. Die Brandenburger hatten sich mit Freude an der Spendenaktion beteiligt. Ihr Geld wurde dazu benutzt, um für die beiden Kinderheime in Hohen Neuendorf, das „Katja-Niederkirchner-Heim“ in der Stolper Straße und das „Sonnenhaus“ in der 


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Über 28 Jahre trennten Grenze und Todestreifen Frohnau von seinem Brandenburger Umland (o.l.). Für die Frohnauer war kurz hinter dem Staehleweg „Ende des französischen Sektors“ (o.r.). Zur Grenzöffnung wurde die Fahrbahn der B96 wieder hergestellt (u.l.), obgleich der Grenzübertritt anfangs nur für Fußgänger gestattet war. Berliner Straße, etwas einzukaufen. Außerdem sollten sie die Sachspenden erhalten, die von Frohnauer Geschäftsleuten und anderen Bürgern zusammengetragen worden waren. Die schönste Grenzöffnungsfeier nach der am Brandenburger Tor Für die Übergabe der Spenden fuhren wir mit einer Delegation ins Hohen Neuendorfer Rathaus – damals „Rat der Gemeinde Hohen Neuendorf“. Dort war man einigermaßen überrascht. Die Bürgermeisterin hatte sich vertreten lassen, und man sagte uns, dass eigentlich nur ich im Rathaus erwartet worden war, aber nicht mit einer Delegation. Doch dann wurde ganz schnell arrangiert dass wir mit Rotkäppchen-Sekt bewirtet wurden. Es wurden Ansprachen gehalten und schließlich übergaben wir das Geld.

Dann wurden wir von der Feuerwehr in den Lunikpark – damals noch älterer Bauart – eingeladen. Dort gab es einen „kleinen“ Umtrunk und anschließend fuhren wir zurück nach Frohnau. Wir hatten ein Codewort bekommen, mit dem wir in unseren Fahrzeugen die Grenze nach Frohnau ohne Kontrolle passieren durften. In einigen Fahrzeugen saßen aber Hohen Neuendorfer, die dadurch quasi illegal in den Westen einreisten. Aus der Begegnung entwickelten sich Freundschaften, die zum Teil bis heute fortbestehen. Die Presse schrieb über die Frohnauer Grenzöffnung: Die zweitschönste Veranstaltung nach der Eröffnung des Grenzübergangs am Brandenburger Tor („BZ“, „Berliner Morgenpost“). Das ist ein Lob, das auch unserem Empfinden entsprach und das sich alle Beteiligten durchaus anheften können. n


Hans Lassen

Centre Bagatelle erinnert an die Öffnung der Grenze vor 20 Jahren

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er 9. November 1989 war nur der Anfang. Zuerst brach die Mauer in der Mitte Berlins. Überall, in Berlin und im Umland, bildeten sich Diskussionsgruppen, „runde Tische“ oder, so in Glienicke, ein „Konziliarischer Gesprächskreis“. Themen waren nicht nur die Veränderungen nach innen, sondern auch die Öffnung nach außen.

Am 17. Februar 1990 fielen die Grenzanlagen zwischen Hohen Neuendorf und Frohnau, am 3. März die zwischen Hermsdorf und Glienicke an der B96, an der widersinnigsten Stelle, dem von drei Seiten eingeschlossenen „Entenschnabel“. Deshalb werden Glienicke, Hohen Neuendorf und Frohnau Anfang 2010 gemeinsam an die Grenzöffnung erinnern. Kulturhaus und Kunstverein Centre Bagatelle zeigen eine Kein Halten mehr in Ost und West gab es nachdem das symbolische Band an der Grenze durchgeschnitten war.

Am Sonntag, dem 21. Februar, um 18 Uhr, wird die Ausstellung „Damals und Heute“ in der Zeltinger Straße 6 von den Bürgermeistern Hohen Neuendorfs und Glienickes und einem Vertreter des Bezirks Reinickendorf eröffnet. Zeitzeugen, wie Detlev Dzembritzki, damals Reinickendorfer Bezirksbürgermeister, Helmut Griep, stellvertretender Leiter der Feuerwehr von Hohen Neuendorf, Karin Röpke, erste Bürgermeisterin von Glienicke nach der Wende und Jean-Marie Weiss, seinerzeit stellvertretender Protokollchef der französischen Alliierten, werden die aufgeregte Zeit vor 20 Jahren wieder erlebbar machen. Der Cross Over Chor aus Hohen Neuendorf wird die Vernissage musikalisch beleben. Auch ein kleines Buffet erwartet die Gäste im Centre Bagatelle. Der Eintritt ist frei. n

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So forderte der Gesprächskreis bereits am 22. November in einem Brief an den DDR-Ministerrat die Öffnung der B96 zwischen Hermsdorf und Glienicke.

Fotoausstellung, die den Mauerfall rund um Frohnau und die Veränderungen im Umfeld der Grenze in den folgenden Jahren dokumentiert.


Unser Frohnau Einladung zum

6. „Unser Frohnau“-Literaturcafé mit dem Berliner Kinder- und Jugendschriftsteller

Klaus Kordon

am: Samstag, 27. Februar 2010 um: 15.00 Uhr im: Centre Bagatelle, Zeltinger Straße 6

In seinem stark autobiographischen Roman „Krokodil im Nacken“ verarbeitet Kordon die Geschichte eines Ausreisewilligen, dessen Fluchtversuch aus der DDR im Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen endet. Der Eintritt ist frei.

Impressum Herausgeber: CDU Frohnau, Großkopfstraße 6-7, 13403 Berlin, Tel: 4961246, info@unserfrohnau.de Chefredakteur: Tobias Siesmayer (V.i.S.d.P.)

Auflage: 10.000 Exemplare Verlag, Layout & Druck: acurat Johannes Eydinger, Hubertusstraße 20, 13469 Berlin, acurat-verlag@gmx.de


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