DIE GROSSE SPEISEKAMMER
DIE ROBBEN DES WATTENMEERES GANZ OBEN IN DER NAHRUNGSKETTE
Oft können Seehunde auf den Sandbänken im Wattenmeer beobachtet werden. Die Robben sind ein herausstechender Teil des Tierlebens im Wattenmeer, wenn sie sich auf den trockengelegten Sandbänken ausruhen. Das Wattenmeer bietet gute Möglichkeiten, diese interessanten Tiere zu erleben –in ihrer natürlichen Umgebung und ganz aus der Nähe. Die meisten Robben im Wattenmeer sind Seehunde, doch man kann auch das Glück haben, ihren etwas größeren Verwandten – den Kegelrobben – zu begegnen. Die Seehunde nutzen die Bänke im Wattenmeer insbesondere, um sich auszuruhen und im Sommer ihre Jungen zur Welt zu bringen. In den ersten 3 bis 4 Wochen wird das Junge von der Mutter gestillt, danach muss es lernen, selbstständig Fische und Krebstiere zu fangen. Obwohl die Kegelrobbe immer üblicher wird, wirft sie nach wie vor nicht im dänischen Teil des Wattenmeeres. Im deutschen und niederländischen Wattenmeer hingegen gibt es viele Wurfkolonien von Kegelrobben. Diese werfen im Gegensatz zum Seehund im Winter.
Das größte Raubtier Dänemarks
Die Robben gehören zu den Raubtieren und sind deshalb beispielsweise mit Wölfen und Bären verwandt. Die Wissenschaft meint, die nächsten heutigen Verwandten der Robben seien in der Gruppe der marderähnlichen Raubtiere zu finden. Der Seehund wird in der Regel etwa 1,3–1,6 m lang und wiegt bis zu 130 kg. Die Kegelrobbe wird wesentlich
Erleben Sie im ... FRÜHLING
HERBST
WINTER
größer und ist mit ihren 300 kg nicht nur das größte Raubtier Dänemarks, sondern auch unser größtes Säugetier.
Das Leben im Wasser
Über Millionen von Jahren haben sich die Robben weiterentwickelt, sodass sie nicht mehr nur an Land leben, sondern einen Großteil ihres Lebens im und unter Wasser verbringen. Sie haben sich in hohem Maße dem Leben im Wasser angepasst. Ihr torpedoförmiger Körper und die breiten Flossen machen sie zu guten Schwimmern und die dicke Speckschicht hilft beim Erhalt der Körperwärme. Die großen Augen der Robben sind äußerst lichtempfindlich und darauf ausgelegt, unter Wasser sehen zu können. Mit ihren Tasthaaren nehmen die Tiere die kleinsten Bewegungen vorbeischwimmender Fische wahr. Die Robbe kann sich problemlos mehrere Minuten unter Wasser aufhalten, denn ihr ganzer Körper ist dafür geschaffen, Sauerstoff zu speichern und zu sparen.
Lasse Fast Jensen, Fiskeri- og Søfartsmuseet & Anne Würtz Pedersen, Vadehavscentret Übersetzung: Jakob Jonia, ORDBRUGET
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Seehunde nutzen die Sandbänke des Wattenmeeres zur Rast und wenn sie im Sommer ihre Jungen gebären. Obwohl die Robbe sich dem Leben im Wasser umfassend angepasst hat, muss sie über längere Zeit an Land kommen. Sie kann zwar im Wasser schlafen, doch an Land ruht sie sich am besten aus. Deshalb sieht man oft Robben auf den Sandbänken des Wattenmeeres dösen. Wenn die Robben ihre Jungen zur Welt bringen, sind sie darauf angewiesen, an Land gehen zu können. Der Seehund wirft im Sommer bei Niedrigwasser. Das Junge wird ohne langes Geburtsfell geboren, das viele andere Robbenarten kennzeichnet. Stattdessen gleicht sein Fell dem der erwachsenen Robbe, und wenn das Hochwasser zurückkehrt, ist das Junge sofort bereit, der Mutter ins Wasser zu folgen.
Die Robbenpest
Zwei Mal, 1988 und 2002, wurde der Bestand von der Robbenpest befallen, wobei jeweils 50–60 % der Tiere starben. Die Robbenpest wird durch ein Virus verursacht, welches das Immunsystem der Robben schwächt und so Bakterieninfektionen den Weg ebnet. Deshalb starben die meisten Robben während der Seuchen an bakterieller Lungenentzündung. Beide Ausbrüche begannen auf der dänischen Insel Anholt, und von dort hat sich die Krankheit über ganz Nordeuropa verbreitet. Wo genau das Virus herkam, ist unklar, doch vielleicht hat die Sattelrobbe dabei eine Rolle gespielt. Diese lebt normalerweise in arktischen Gebieten, doch 1987 trieb der Nah-
rungsmangel Tausende von ihnen nach Süden. EiniWarum werden in Dänemark keine
Heuler mehr aufgezogen? Dänemark hat beschlossen, der Empfehlung der Trilateralen Seehund-Expertengruppe (TSEG) zu folgen, und beendete schon 1995 die Praxis, Robbenjungen, die sogenannten Heuler, aufzuziehen und anschließend wieder in der Natur auszusetzen. Der Grund dafür ist, dass der Robbenbestand erneut ein hohes Niveau erreicht hat und deshalb keiner Hilfe von Menschenhand bedarf. Heuler, die wieder ausgesetzt werden, können Träger von Krankheiten sein, die den wild lebenden Bestand infizieren. Gleichzeitig wirkt die Aufzucht schwacher Individuen der natürlichen Selektion entgegen, die ungeeignete Gene aus dem Bestand ausrottet. Man läuft also Gefahr, durch Aufzucht und Aussetzen erschöpfter Robben dem Bestand Schaden zuzufügen.
ge gelangten bis nach Dänemark. Man weiß, dass Sattelrobben das Virus in sich tragen können, ohne krank zu werden, somit haben sie womöglich die Krankheit mitgebracht und die Seehunde infiziert.
Die Entwicklung im Robbenbestand
Der Bestand an Seehunden im Wattenmeer war im Laufe der Zeit großen Schwankungen ausgesetzt. Man rechnet damit, dass es um das Jahr 1900 im ge-
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Auch Kegelrobben sind im dänischen Wattemeer immer öfter zu beobachten, aber ziehen hier noch nicht ihre Jungen groß. samten Wattenmeergebiet rund 38.000 Robben gab. Intensive Jagd und später die Umweltverschmutzung haben allerdings zu einem schlagartigen Rückgang des Bestandes geführt, bis die Robben 1976 und 1977 unter Naturschutz gestellt wurden. Seitdem ist der Robbenbestand wieder angewachsen, nur unterbrochen von den zwei Ausbrüchen der Robbenpest. Anschließend aber hat sich der Bestand jeweils schnell erholt, und heute bietet der dänische Teil des Wattenmeeres etwa 4.500 Seehunden einen Lebensraum, im gesamten Wattenmeer sind es 35.500.
Robbenjagd
Die Jagd auf Robben galt ihrem Speck, Fleisch und Fell, doch ihr Appetit auf Fisch machte sie bei den Fischern unbeliebt. Diese sahen in den Robben eine Konkurrenz, die ihnen die Fische wegfräße. Die Robben zerstörten auch die Fanggeräte, wenn sie versuchten, ins Netz gegangene Fische zu fressen. Die Robbenjagd führte man mit Keulen und Schusswaffen durch, doch auch eine spezielle Robbenfalle wurde verwendet. Sie besteht aus einem Brett mit spitzen Widerhaken, das im Sand vergraben wird. Die Robben können über das Brett auf den Strand kriechen, doch wenn sie zurück zum Wasser flüchten, werden sie von den Widerhaken aufgespießt. Zwischen 1889 und 1927 belohnte der Staat sogar
das Erlegen von Robben und stellte Gewehre und Munition zur Verfügung. Diese Kampagne führte zu einem starken Niedergang des Robbenbestandes.
Heuler und kranke Robben am Strand
Während der Säugeperiode des Seehundes kann es passieren, dass das Junge seiner Mutter abhandenkommt. Ohne die Milch der Mutter ist das Junge verloren und kriecht an den Strand, wo es heulend nach ihr ruft. ’Heuler’ haben auf sich allein gestellt äußerst geringe Überlebenschancen und werden in Dänemark deshalb getötet. In Deutschland und Holland gibt es Stationen, in denen man Heuler pflegt, um sie später wieder auszusetzen. 1995 beendete man diese Praxis in Dänemark, da es mit dem Robbenbestand aufwärtsging. Das Wiederaussetzen von Heulern ist nicht unproblematisch, deshalb versucht man in Dänemark, menschliches Eingreifen zu beschränken. Besonders im Spätsommer und im Herbst kann man kranke Robben antreffen, die an Land gekrochen sind, um sich warm zu halten. Trifft man einen Heuler oder eine krank wirkende Robbe, sollte man sie in Ruhe lassen und die Naturbehörde (Naturstyrelsen) oder das Fischerei- und Seefahrtsmuseum (Fiskeri- og Søfartsmuseet) Esbjerg kontaktieren.
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Erlebnisse
Mehr zu entdecken ...
Das Wattenmeer ist der ideale Ort, um Robben zu erleben. Wer sie ganz aus der Nähe sehen möchte, sollte ins Fischerei- und Seefahrtsmuseum Esbjerg kommen. Hier kann man durch riesige Fenster Seehunde und Kegelrobben erleben, die majestätisch durchs Wasser gleiten, und bei den beiden täglichen Fütterungen ist Interessantes über das Leben und die Biologie der Robben zu erfahren.
NaturKulturVarde Gl. Skovfogedbolig Roustvej 111 DK-6800 Varde T: +45 75 22 22 50 E: nkv@naturkulturvarde.dk W: www.naturkulturvarde.dk
Auch in der freien Natur kann man Robben erleben. Robben sind scheue Tiere, deshalb sollten Sie ein Fernglas mitbringen, um sie besser sehen zu können. Einige der Naturberater nehmen Gäste mit zu den Robbenbänken. Informationen zu den Ausflügen finden Sie unter www.vadehav.dk. Man kann auch mit einem Kutter die Robbenbänke besuchen.
Das Fischerei- und Seefahrtsmuseum Tarphagevej 2-6 DK-6710 Esbjerg V. T: +45 76 12 20 00 E: fimus@fimus.dk W: www.fimus.dk Vadehavscentret Okholmvej 5 Vester Vedsted DK-6760 Ribe T: +45 75 44 61 61 E: info@vadehavscentret.dk W: www.vadehavscentret.dk
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Über Vadehavets Formidlerforum VFF ist ein Zusammenschluss von Institutionen, welche die Natur und die Kulturgeschichte des Watten meeres vermitteln. Die Hauptaktivität des Forums besteht darin, Projekte zu initiieren und zu koordinieren, welche die Natur wie auch die Kulturgeschichte des Wattenmeeres in den Mittelpunkt stellen. Erfahren Sie mehr unter www.vadehav.dk
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