Velosophie 2011-02

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M A G A Z I N f ü r FA H R R A D K U LT U R

DIE BESTEN STRATEGIEN

! S I T GR A

SIEBEN JAHRE RAD

122.000 KILOMETER DURCH 60 LÄNDER. EIN ERINNERUNGSMOSAIK

GIRO RELOADED

GEGEN DEN KLAU

AUF DEN SPUREN DER ERSTEN GIRO D’ITALIA-BERGETAPPE

UNCOOL & UNNÖTIG

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D

SESTRIERE 1911

02-2011 SOMMER

E NOEMUAIN



Intelligente E-Bikes


velotorial

STRASSE, WEg und ZiEl

REiSEn iST lEbEn Mobilität ist uns Menschen ein Grundbedürfnis . Da muss nicht einmal der anthropologische Ansatz vom beerensuchenden Urahn oder der ethnografische Blick auf Nomadentum als immer noch existente Lebensform bemüht werden. Mobil zu sein ist gerade in unserer Leistungsgesellschaft eine eingeforderte Grundvoraussetzung, und die vorhandenen Verkehrsmittel prägen ebenso die Strukturen unserer Städte wie sie unsere Weltwahrnehmung formen. Ist die alltägliche Wahl der Wegziele doch oft sehr fremdbestimmt, tritt die Reise als Selbstzweck die Flucht nach draußen an, gibt das Gefühl der Selbstbestimmtheit und Wahlfreiheit. Aber welches Verkehrsmittel wählt nun wer für die Ausbrüche ins noch nie Dortgewesene? Wir natürlich das Rad, und wir wissen, warum: Mit keinem anderen Transportgerät ist man so sehr mitten drin in der Welt, so nahe dran an Menschen, Gerüchen und Geräuschen, so autark und flexibel. Man ist gleichzeitig langsam genug, um alles wahrzunehmen und für jede Begegnung Zeit zu haben, und doch mit ansprechender Geschwindigkeit immer in Bewegung. Wer möchte das gegen die klimatisierte Windschutz-

scheibenperspektive tauschen, an der Land und Leute vorbeizischen, wenn sie nicht gar hinter Lärmschutzwänden verborgen bleiben? Nun ja, genau: Zeit muss man sich dafür eben nehmen. Ganze sieben Jahre hatte sich Claude Marthaler genommen, um mit seinem Rad auf spontanen Routen um die Welt zu ziehen. Seine Erinnerungen und prächtigen Fotos bilden das Zentrum unseres sommerlichen Schwerpunktthemas des Reisens (S. 26). Expeditionen durch innere Welten illustriert unsere Cover-Veloartistin Frau Isa (S. 50), und einen wahrlich herausfordernden Weg hatten sich die ProtagonistInnen der Story Giro Reloaded gewählt (S. 44). Ihre Sicht von Auto-Mobilität als alltägliche Sucht und die Möglichkeiten der Entwöhnung legt uns Lynn Sloman im Velotalk (S. 24) dar und macht auch damit klar: Wir können frei wählen. Freiheit ist wohl das am meisten assoziierte mythische Wort, wenn vom Reisen die Rede ist. Der erste Schritt zur kleinen Freiheit könnte schon darin liegen, Ungewohntes zu versuchen, Wahrnehmungen zu hinterfragen, Gewohnheiten zu brechen und – aufs Rad zu steigen! Nicht nur zum Reisen. Aber auch. Alec Hager, Chefredakteur

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SIEBEn JAHRE RAD

RAD & DIEBSTAHL

Über 60 Länder hat der Schweizer Claude Marthaler auf seiner großen Radreise besucht, alle Kontinente durchquert. Eine Textcollage mit Erinnerungen an Begegnungen und Erlebnisse, Strapazen und Freuden, Kälte und Hitze. S. 26

Nur ganz wenige können nicht ihre eigene Geschichte dazu erzählen: Der Moment der Rückkehr zum Rad, und es ist - weg. Ein Überblick über Tipps für individuelle Gegenmaßnahmen und andere Ansätze zur Diebstahlsverhinderung. S. 8

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FOTOS:Stephan Schütz, Claude Marthaler, Abus

GIRO RELOADED Im Jahre 1911 führte erstmals eine Bergetappe des Giro d‘Italia ins hochalpine Sestriere. Zum runden Hunderter fuhr ein Gruppetto begeisterter RennradlerInnen die Originalroute nach. Ein Fotoroman über harte, nostalgische 300km am Stück S. 44


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IN DIESER AUSGABE 08 14 22 26 32 34 38 40 42 44 50 18

EIGENTUM UND DIEBSTAHL VON DER GROSSEN PEIN UND GEGENMASSNAHMEN BEIM RADKLAU VELOZINE KULTURELLES, NÜTZLICHES UND INTERESSANTES AUS DER WELT DES FAHRRADS VELOTALK GESPRÄCHE ÜBER MOBILITÄT UND POLITIK MIT FRAU SLOMAN UND EINEM FREIHERRN SIEBEN JAHRE RAD WENN JEMAND EINE REISE TUT, DANN KANN ER VIEL ERZÄHLEN. CLAUDE KANN. HOCH HINAUS IN SERFAUS, FISS UND LADIS VELOCITY BERICHTENSWERTES AUS DEN FAHRRADSTÄDTEN DIESER WELT VELOELECTRIC PEDELECS IM TEST VELOPORT BIKES, DIE UNS GEFALLEN VELOSTYLE DINGE, DIE WIR VIELLEICHT BRAUCHEN UND SICHER MÖGEN GIRO RELOADED NACH 100 JAHREN AUF DEN SPUREN DER ERSTEN HOCHALPINEN GIRO-ETAPPE VELOART FRAU ISAS MÄRCHENMALEREI IMPRESSUM

FOTO: mattias westfalk

COVER-ART: FRAU ISA

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Fahrradsicherheit

EigEntum und diEbstahl

Alle reden dAvon, viele hAben es schon erlebt, mAnche werden dAbei erwischt: FAhrrAddiebstAhl, ein inFAmer Akt der demobilisierung und enteignung. wAs kAnn mAn wo dAgegen tun? text ALec hAger

fotos ABUS, AL DENTE

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elosophisch betrachtet ist es ein emotionales Konglomerat von Erlebnissen und Ereignissen, großen Namen und kleinen Freuden, Bildern vorm inneren Auge und aus der weiten medialen Welt, die das Fahrrad von einem zweckdienlichen Vehikel zu einem ästhetischen Objekt der Begierde mutieren lassen. Realkapitalistisch gesehen jedoch ist jedes Rad da draußen vor allem eines: Geld. Tauschwert, den sich anzueignen ein spontaner Impuls oder eine professionelle Aktion begründen kann. Wie auch immer die Motivation des Diebes gelagert ist, die individuellen Folgen für die ehemals Besitzenden sind dieselben: Rad weg, Frust da. Oft ist es nur der Nutzwert, der aber beträchtlich ist und daher schmerzlich vermisst wird, nicht selten jedoch auch eine intensiv gefühlte Bindung zum Mobilitätsfetisch, die unwiederbringlich zerrissen ist. Was man in dieser Situation am allerwenigsten hören möchte sind gute Radschläge, wie sich denn dies Malheur verhindern hätte lassen. Daher geben wir sie hier schon jetzt! Die Gefahren, des Rades trotz zumindest rudimentärer Sicherung verlustig zu gehen, sind lokal stark unterschiedlich, was mit verschiedenen sozialen Rahmenbedingungen zu tun hat. Jedenfalls liegt die Diebstahlsrate in Deutschland bei 345.347 Rädern im Jahr 2009 (ADFC) mit einer Gesamtschadenssumme von rund 124 Millionen Euro, in Österreich im Jahr 2010 bei 20.929 Rädern, was immerhin ein Rückgang von 17 Prozent zu 2009 ist (VCÖ). Sehr unterschiedlich ist der individuelle Umgang mit Präventionsmaßnahmen je nach europäischer Verortung. Wird in der Radkapitale Kopenha-

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gen das übliche simple Stadtrad, nur mit Rahmenschloss gesichert, eines nach dem andern an den Häuserwänden drapiert, ohne überhaupt an einem unverrückbaren Gegenstand angeschlossen zu sein, kommen die niederländischen Pendants schon mit tonnenschwerer Stahlkette in den Gebrauchthandel und landen dennoch illegalerweise wieder genau dort – oder am Grund einer Gracht. In Barcelona wiederum wird nur das schrottigste Rad dem Bürgersteig überantwortet, dann aber mit zwei Bügelschlössern am Anlehnbügel gesichert, und alles andre Fahrbare nächtens auch über engste Treppen in die Wohnungen gehievt. Das erklärt auch die Beliebtheit von Falträdern in diebstahlsintensiven Metropolen, Radstationen in Holland und Experimente mit elektronischer Sicherung in Dänemark. Womit wir bei den Gegenmaßnahmen wären. Das Schloss Eigentlich nahe liegend, aber oft dennoch grob vernachlässigt: Zuverlässige Schlösser bieten einige Sicherheit, das Rad dort wieder vorzufinden, wo man es abgestellt hat. Fachhändler empfehlen als Richtlinie die Investition von zumindest 10% des Fahrrad-Kaufpreises ins Schloss, seriöse Schlossproduzenten sehen eine gewisse Zuverlässigkeit gegeben, wenn hochqualitativer gehärteter Stahl mit dietrichssicherem Drehzylinderschloss verwendet wird, vor allem als Bügelschloss. Diese können mit Kabelverlängerungen kombiniert werden, um Laufräder und Sattel zusätzlich zu sichern. Gerade bei Rädern mit alltäglicher urbaner Verwendung kommen Schnellspanner an Laufrad und Sattel einer Einladung zur freien Entnahme gleich und sollten jedenfalls durch Schrauboder Sicherheitsachsen ersetzt oder der Sattel gleich mittels Extrakette gesichert werden. Der Abstellort Vor allem bei dem Verlassen des Gefährts für mehrere Stunden oder gar über Nacht sind Ort und Art des Abstellens immens wichtig. Jedenfalls muss das Rad an einem unbeweglichen, massiven Gegenstand gesichert werden, und zwar richtig, nämlich an Rahmen und hinterem Laufrad bzw. auch beiden Rädern, je nach Risikoindex. Dunkle, unfrequentierte Seitenstraßen oder sozial unzuverlässige Orte wie Bahnhofsvorplätze oder U-Bahn-Stationen sind 10

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„EIN HOCHWERTIGES SCHLOSS SCHRECKT DIEBE AB.“ Mark Stuiver, Marketing- und PRManager Mobile Security bei Abus, im Fachgespräch.

Das Fahrradschloss ist unverzichtbares Accessoire, wenn das Fahrrad als Fortbewegungsmittel im Alltag verwendet wird. Mark Stuiver spricht von „unterschiedlichen Schlosstypen“ und bezieht das nicht nur auf die unterschiedlichen Schlossmodelle, sondern auch auf die RadfahrerInnen selbst. Die Art des Fahrrades sei dabei ein wesentlicher Faktor: „Der Trend zum schönen Stadtfahrrad erzeugt auch den Wunsch, dass sich das Schloss harmonisch ins Gesamtbild einfügt – Faltschlösser, die in einer relativ unauffälligen, am Rahmen befestigten Tasche am Fahrrad mittransportiert werden, entsprechen dem am besten.“ Ob das Faltschloss der Weisheit letzter Schluss sei und die höchste Evolutionsstufe bei Fahrradschlössern darstelle? Mark Stuiver: „Ein Fahrradschloss stellt immer einen Kompromiss aus Sicherheit und Gewicht dar. Bei Abus sprechen wir von einer ausgewogenen Sicherheit. Ein Faltschloss hat kompakte Transportmaße, geringes Gewicht und lässt sich praktisch verstauen, weist aber gegenüber einem Bügelschloss den Nachteil der Gelenke auf – und jede Flexibilität eines Schlosses, seien es Gelenke oder bei einer Kette die einzelnen Glieder, stellen eine relative Schwachstelle dar. Das Bügelschloss ist vom Prinzip her das sicherste Schloss.“ Die Bezeichnung des Sicherheits-Levels weist übrigens keine einheitliche Norm auf und ist daher zwischen den einzel-

nen Herstellern nicht vergleichbar. Diese Level-Angaben würden lediglich zur Orientierung innerhalb der Produktpalette eines Herstellers dienen, räumt der Abus-Mann mit einem beliebten Irrtum auf: „Selbst zwischen den unterschiedlichen Schlosstypen eines Herstellers weisen diese Levels nur eine relative Vergleichbarkeit auf. Level 15 bei einem Faltschloss und bei einem Bügelschloss bedeutet, dass beide das jeweils höchste Sicherheits-Level bei Fahrradschlössen von Abus aufweisen, konstruktionsbedingt aber dennoch Unterschiede bestehen.“ So wichtig wie das Schloss selbst sei im Übrigen auch dessen richtige Verwendung. Als Grundregel gilt: Das Fahrradschloss in hoher Höhe anbringen, sodass Angriffe mit Meißel (Schloss am Boden) oder Bolzenschneider (gegen den Boden abgestützt, würde bessere Hebelwirkung erzeugen) erschwert durchführbar sind. Schließlich will man’s Dieben ja nicht einfach machen. Weitere Tipps zur Fahrrad-Sicherrung auf abus.de unter „Service“ und „Checklisten mobile Sicherheit“. velosophie.eu

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eher zu meiden. Ideal sind natürlich saubere und sichere Rad-Abstellräume am Wohn- und Arbeitsort, wozu aber oft die Bereitschaft der Zuständigen und etwas seltener die bauliche Möglichkeit fehlt. Letzte Möglichkeit: Schlafzimmer. Bikebox & Garage Eine feine Lösung für einen sicheren Abstellort: Die individuelle Fahrradgarage oder Bikebox, oft für Dauerparker und Pendler an Bahnhöfen installiert. Sie wäre im öffentlichen Stadtraum ebenso nützlich wie im Wohnbau. Die größere Version stellen betreute Radstationen oder überwachte Radgaragen dar, die vor allem in den großen Radnationen bereits urbaner Standard sind. Die kreativste Spielart bislang sind die Cargo-Bike-Boxen in Kopenhagen. In Form eines Autos bieten sie vier Lastenrädern Platz und stellen mit ihren beiden pinken Prototypen unübersehbare Eyecatcher dar. Codierung & Chips Sowohl Abschreckung als auch Wiederfinden soll durch gut sichtbare, gestanzte Nummerncodierung des Fahrradrahmens erreicht werden, da dies Weiterverkauf erschwert. Maßnahmen wie diese werden vielerorts durchgeführt, so z.B. kostenlos von der Wiener Polizei. In Kopenhagen wiederum wurde 2009 eine Versuchsreihe mit RFID-Chips gestartet, die Räder elektronisch kennzeichnen. Diese senden nicht selbst Position, sondern die Daten können aus kurzer Distanz ausgelesen werden, um Rad und BesitzerIn wieder zusammenzuführen. Verunstaltung & Sorglosigkeit Sehr effizient ist eine Methode, die allerdings auch allergrößte Abgebrühtheit und emotionale Distanz zum Schauwert des Rades voraussetzt: „Boruttisieren“ bedeutet ganz einfach, das Fahrrad optisch so zu verunstalten, dass es keiner mehr haben mag – und daher auch nicht klaut. Auch gut: ein Rad zu verwenden, das der Zahn der Zeit dementsprechend zugerichtet hat. Andere wiederum gehen eher atmosphärisch vor und meinen, gute Schlösser gäben dem Alltagsrad erst die Aura des Begehrenswerten. Daher sei ein möglichst minderwertiges Schloss Marke „Bindfaden“ die richtige Maßnahme gegen fremderwirktes Wegradeln. Auch diese Methode soll in Einzelfällen schon jahrelang funktioniert haben! vs 12

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Seit mehr als drei Jahrzehnten setzt Cannondale neue Massstäbe, die das perfekte Fahrerlebnis ermöglichen. Nun ist es an der Zeit, diese Passion in eine der wichtigsten Mobilitätslösungen der Zukunft zu investieren. Entstandenen ist ein leistungsfähiges, sportliches und dynamisches Fahrrad, das E-Bike fahren neu erlebbar macht. Innovative Elektronik, eine einzigartige Federung und leichte, agile Rahmenkonstruktionen führen zu einem perfekten E-Bike Fahrerlebnis. Cannondale Urban Mobility. cannondale-e-series.com


velozine kulturelles, nÜtzliches und interessantes aus der Welt des fahrrads

kommentar aktuelle meinung zu aktuellen themen

Are Friends electric? Wir erfreuen uns allmählich an e-mobilität und finden es nicht mehr uncool, ein Pedelec statt der stahlrahmen-schönheit vor dem café abzustellen. Unlängst im Kunsthallen-Café am Wiener Karlsplatz, genauer gesagt auf dessen Terrasse: Ein milder Vorsommerabend, der Herausgeber dieses eleganten Heftchens nach einem Tag beflügelter velosophischer Gedanken entspannt im Sessel versunken, da sprudeln die 1979er-Synthie-Klänge von Tubeway Army und die Stimme ihres genialen Sängers Gary Numan aus den Boxen: Are Friends Electric? Ewig nicht gehört … Der Abend hatte, wie die Abende davor und danach, mit der Auswahl der entsprechenden Begleitung begonnen. Zufall oder nicht , erlangte ein eher belanglos im VelosophieBüro herumstehendes Test-Pedelec die Gunst, wohl wegen der Rahmenfarbe, passend zum weißen Sommerhemd, und wegen des Tiefeinstiegs, passend zu den leichten Rückenschmerzen – man wird ja nicht jünger. Eindrücke einer ersten außerdienstlichen Fahrt per Pedelec, also völlig entkoppelt vom Einfühlungsvermögen in die Zielgruppe: Wien ist die ewige Stadt des Windes. Hängt er dir im Rücken, ist’s auszuhalten, begegnet er dir von vorne, ist’s fies. Letzteres nicht wegen der erhöhten Kraftanstrengung – die

spielt am Pedelec nun wirklich keine Rolle –, sondern wegen des Auskühlens im Fahrtwind, ohne nennenswert Körperwärme zu erzeugen. Gespannt darf man sein, wann die Fahrradbekleidungsfirmen die pure Notwendigkeit von E-Fahrradbekleidung erkennen. Bis dahin ziehen wir eine Schicht mehr an (eine Motorradjacke wäre maßlos übertrieben) oder gewöhnen uns an den Schnupfen. Das Fahren an sich ist – ehrlich gesagt – berauschend, und von Straßenkreuzung zu Straßenkreuzung schwindet der Verdacht, dass ein Pedelec zu seriöser Fahrweise erziehen könne. Irgendwann verliert man auch die Ehrfurcht vor Gehsteigkanten und tritt den Beweis an, dass Bunny-Hops (zur Erklärung und Technik siehe diverse Mountainbike-Freeride-Foren) auch mit 22 Kilo Fahrradgewicht möglich sind. Und im Übrigen gehört die Radwegebenutzungspflicht umso mehr abgeschafft, als der Elektrofahrrad-Boom nicht aufzuhalten ist und neue Reibungsflächen im urbanen Verkehr vorprogrammiert (wenn nicht sogar schon vorhanden) sind.

Wolfgang Rafetseder, Herausgeber

Radeln füR gRenzenlose ausbilung

Knapp 4.000 Kilometer werden die bildungshungrigen RadlerInnen zurücklegen, um für ihre Rechte auf Ausbildung und für nachhaltige Studentenmobilität in Europa zu werben. Unterwegs finden neben Workshops zu Themen wie Menschenrechte, Gewaltfreies Handeln oder Europäische Identität auch Treffen mit Politikern und Sportgrößen statt, um gemeinsam auf die Wichtigkeit des hürdenfreien StudentenInnenaustausches in Europa aufmerksam zu machen. Das Manifest von „Ride For Your Rights“ für mehr Unterstützung und weniger Hindernisse für studentische Mobilität richtet sich an die europäischen Nationalregierungen und Universitäten sowie die Körperschaften der EU. Die Initiative, ausgehend von Julian Walkowiak (Bild) und dem Studentenrat von Campus Europae, 14

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bezieht sich sowohl auf die Deklaration der Menschenrechte, die der Ausbildung Verantwortung für Toleranz und Verständnis zwischen Nationen und sozialen Gruppen zuweist, als auch auf das Potenzial für ein respektvolles Miteinander durch studentischen Austausch. Natürlich ist auch der freie Zugang zu qualitativ hochwertiger Ausbildung ohne Einschränkungen durch Migrationgesetze und Grenzen ein Anliegen jener StudentInnen aus ganz Europa, die am 3.Juli in Novi Sad aufbrechen und am 15.September in St. Petersburg eintreffen wollen. „Es muss für jeden von uns möglich sein, Teil einer mobilen Generation von jungen EuropäerInnen zu werden!“ meinen die Initiatoren. Wer möchte noch spontan mitradeln? Infos und Zwischenstopps: rideforyourrights.org

FOTOS: alec hager, julian walkowiak, kurtpinter.com

von serbien nach russland mit studentinnen aus ganz euroPa


„zaubert Überall, wo ich radle, mein rad ein lächeln auf die Gesichter!

SEPTIMUS, CASABLANCA

Septimus (43) hat sich einen Traum erfüllt: Auf jedem der sieben Kontinente einmal Einrad gefahren zu sein! Ein halbes Jahr lang war der kanadische Vorzeigegleichgewichtskünstler unterwegs, von Asien über Ozeanien bis in die Antarktis hat er verwunderte Blicke und Begeisterung erzeugt. Hier balanciert er vor der großen Moschee in Casablanca, Marokko. unicycle.com velosophie.eu

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velozine

sinnliche technik die zarteste versuchung, seit es fahrräder gibt

BAmBus Boomt im FAhrrAdBAu

der nachWachsende rohstoff zeigt zuverlässigkeit und ästhetik.

Bambusrohr hat eine ähnliche Belastungsfestigkeit wie Stahl, ist härter als Eichenholz und kann durch neue Verarbeitungsverfahren in elegante runden Formen gebracht oder durch Harzklebstoffe supersteif und stabil verbunden werden. Durch die Hohlräume ist Bambus leicht und elastisch. Gleichzeitig steht der Rohstoff für ein ökologisches Bekenntnis und im besten Falle sogar soziale Verantwortung für faire Produktions- und Handelsprozesse. Auch als Baustoff für himmelhohe Baugerüste in Asien steht er ja unerschütterlich elastisch im Wind. Gänzlich unser Auge und Herz gewonnen hat der Radrahmen aus Gras – ja, Bambus ist aus der Pflanzenfamilie der Süßgräser! – aber durch seine haptischen Qualitäten und eine überzeugende visuelle Anmutung. Vor allem, wenn die Hersteller traditionelles Wissen und Sorgfalt ebenso fest verbinden wie Rohstoff, Kohlefaser und Epoxidharz. Momentan erlebt Bambus als Werkstoff im Radrahmenbau einen gewaltigen Aufschwung für urbane Indi-

vidualistInnen – dabei ist diese Verwendungsform keineswegs neu, wie ein US-Bambusrad aus 1896 im Prager Technischen Museum zeigt. Vor allem afrikanische Hersteller verwenden Bambus als wirtschaftliche Aufstiegshilfe, nachhaltiges kleinteiliges Unternehmertum verhilft so zu mehr Lebensqualität. So auch für Ibrahim Djan Nyampong, der die Wiener Marke „Bambooride“ mit schnieken Rennradrahmen aus Ghana beliefert und damit für den SEED-Award der UNO nominiert wurde. Aber auch Selberbau ist angesagt, „Berlin Bamboo Bikes“ bietet dafür schon längere Zeit ebenso Workshops an wie die Wiener Newcomer. „Metropolitan Green Technologies“ wiederum entwickelt gerade in China ihr Bamboo Treecycle und führt so ur-asiatische Mobilitäts- und Baukonzepte mit europäischer Beteiligung zurück zu neuem Wachstum. Möge der Trend so schnell wachsen wie das süße Wundergras Bambus! bambooride.com | mgt-engineering.com | berlin-bamboo-bikes.org

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bestRickende kunst am Rad rückerobern. Meist heimlich in Kleingruppen appliziert, finden sich bei großen Projekten wie etwa in Cambride 2010 hunderte TeilnehmerInnen und stricken ganze Brücken ein! Die Begriffsschubladen heißen „Urban Knitting“, „Guerilla Knitting“ oder „Yarnbombing“ und werden hauptsächlich im feministischkünstlerischen Kontext geöffnet. Die Repolitisierung der hausfraulich-weiblichen Tradition des Strickens als häusli-

cher Handarbeit bildet den kulturtheoretischen Unterbau, das Werkzeug dazu bleibt die gute alte Nadel. Das Fahrrad als Strickobjekt hat nicht nur die US-amerikanische Gruppe knittaplease entdeckt, sondern auch ein Kollektiv aus BewohnerInnen des 20. Wiener Gemeindebezirks, die im Rahmen des Atelierrundgangs Q202 diesen Frühling gleich Radständer und Hausmauer mitumwoben haben. Kuschlig wider die Eintönigkeit!

FOTOS: dan de luca

Stricken als Street Art umwebt den Planeten, ergreift Besitz von Objekten im öffentlichen Raum und stellt die frischeste und rückstandsloseste Spielart von Graffiti dar, die soeben weltweit an Bedeutung gewinnt. Auch Fahrräder sind davor nicht gefeit, und das ist gut so! Die seit 2005 existierende neue Straßenkunst soll Farbe in die Stadt bringen, Irritation und Denkanstöße liefern und das knappe Gut Stadtraum spielerisch zu-

Eine Radtasche vollgepackt mit Innovationen. Was passiert, wenn man über seine Produkte ganz neu nachdenkt, sieht man an unserer „Made in Germany“Kollektion. Auszeichnungen wie der Deutsche Lederwarenpreis für unsere Taschen & Rucksäcke und der Eurobike Award in Gold 2010 für die Radtasche Augsburg M belohnen die innovative Kraft von VAUDE. Die Jurybegründung: „Kompromissloses Fahrradteil, das sauber gemacht ist. Eine modische Tasche, die auch fürs Shopping in der Stadt gut geeignet ist. Sieht nicht wie eine Fahrradtasche aus. Einfach schön.“

Alles zu unserem ökologischen Engagement und eine Auswahl unserer aktuellen Bike- & Bergsportprodukte findest Du in unserem neuen Magalog. Erhältlich im Fachhandel und zum online Blättern auf www.vaude.com

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SMALL IS BEAUTIfUL ein neuer trend im PimP-my-bike-sektor kommt aus neW york city: small bikes! Hochräder sind ja in ihrer klassischen Bauweise als Urahne des modernen Fahrrades bekannt. Aufmerksame velosophie-LeserInnen, zahlreiche Bicycle Film Festival-BesucherInnen und am Herstellungsprozess direkt beteiligte Bike Punks aus der ganzen Welt kennen auch Tall Bikes: Selbstgeschweisste Schrottradmonster, mit denen man vortrefflich Radritterturniere absolvieren oder im Stadtverkehr den Überblick behalten kann.

Hier geht es aber ums genaue Gegenteil: Nicht die Größe macht’s, sondern die Kleinheit und deren aufwändige Behübschung mittels handgefertigter CruiserVersatzstücke, Hochglanzlack und Chrom bis zum Abwinken. „Small Bikes“ heißt das Genre und „Bike Fetish Days“ die Veranstaltung in Williamsburgs/Brooklyn, auf der die hier abgebildeten Stadtbesten im Miniraddesign gekürt wurden. Die Block Party mit Rad-Accessoire-Basar

und diversen Competitions fand im Stadtteil Williamsburg statt, der ja sowohl durch lateinamerikanische Lebensfreude als auch Hochburg der Fixie-Hipster und Schauplatz von Radweg-Bürgerwehren bekannt ist. Die Bay Area hat uns das glitzerbandbewehrte Scraper Bike geschenkt, die Bronx die mit Lautsprechertürmen überladenen Sound Blaster Bikes hervorgebracht, nun ist Brooklyn mit Lack und Chrom dran: Small Bikes rule!

Robert Penn erarbeitet sich sein „Glück auf zwei Rädern“ sehr zielstrebig und selektiv: Für sein Traumrad ist er auf der Suche nach den besten Bestandteilen, reist dafür zu den Eminenzen der Komponentenzunft und gibt so nebenbei einen begeisternden Einblick in die Entwicklungsgeschichte des Fahrrades. zweitausendeins.de

Wien Fährt rAd

Journalist und Alltagsradler Uwe Mauch gönnt sich einen subjektiven Blick auf die immer lebendiger werdende Fahrradkultur rund um den Stephansdom. Plädoyer fürs Radfahren, Plauderstunde mit ausgewählten ProtagonistInnen und persönliche Sichtweisen auf ein erstarkendes Phänomen: „Ausgenommen Radfahrer“. metroverlag.at

schmerz und schlAmm

Das Rennen ist wohl der Klassiker im Radrennsport und wird nicht umsonst „Die Hölle des Nordens“ genannt: ParisRoubaix, über Pflastersteinstrecken und Landstraßen Nordfrankreichs. Der Band glänzt durch spannende Geschichten der Leidenschaft und faszinierende Fotos aus dem Archiv der Sportzeitung L’Equipe. delius-klasing.de

Velosophie, Magazin für fahrradkultur Postanschrift Obere Donaustraße 71/4, AT-1020 Wien, +43/1/8650404–0, Fax +43/1/8650404–15, Internet: velosophie.eu Herausgeber Wolfgang Rafetseder Chefredakteur Alec Hager Redaktion +43/1/8650404–17, office@velosophie.eu, Mariella Bleimuth, Ralf Hauser Velosophie-Autorinnen und -Autoren Wolfgang Rafetseder, Martin Strubreiter Fotos Abus, BFF Wien, bicyclefilmfestival.com, bigride.co.za, Ben Brannan, Tory Byrne, Carsten Dammann, Alec Hager , kurtpinter.com, lisafail.com, Dan De Luca, Claus Marthaler, Nonusual, Peter Provaznik, Radcore, Stephan Schütz, Stadt München, Julian Walkowiak, Mattias Westfalk Art Frau Isa, NR22, vectorportal.com Art Direction & Design Twentytwozerotwo Medieninhaber Boarder’s Zeitschriftenverlag GmbH, Obere Donaustraße 71/4, AT-1020 Wien Geschäftsführung Wolfgang Rafetseder Assistentin der Geschäftsführung Mariella Bleimuth Vertrieb Deutschland Jomi-Plak, DE-10629 Berlin Druck Goldmann-Druck, AT-3430 Tulln Velosophie erscheint 2011 dreimal

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RadveRkeHR spaRt füR die allgemeinHeit eine universitätsstudie aus Wien Wird bei velocity-konferenz ausgezeichnet: radfahren bringt geld fÜr die gesellschaft. autoverkehr kostet. Der Radverkehr der österreichischen Hauptstadt rechnet sich gesamtwirtschaftlich gewaltig, und das sollte auch auf andere Städte vergleichsweise zutreffen. Für Wien hat das eine Masterarbeit der Universität für Bodenkultur errechnet, die bei der Velo-City-Konferenz in Sevilla mit dem Eltis-Preis für den „Besten wissenschaftlichen Vortrag“ ausgezeichnet wurde. Autor Georg Trunk kommt darin zu der Erkenntnis: „Bereits beim Status quo überwiegt der externe Nutzen des Fahrrades die externen Kosten des Pkw um 35 Millionen Euro pro Jahr.“ Diplombetreuer und Präsentator in Sevilla, Assist.Professor Meschik, macht die Ursache so fest: „Grund dafür ist die stark positive Wirkung von regelmäßiger Bewegung auf die Gesundheit von RadfahrerInnen und die dadurch wesentlich höhere Lebenserwartung“. Denn die Studie bezieht sowohl interne als auch externe Kosten des Auto- und Radverkehrs, die von der Allgemeinheit bezahlt werden, in ihren gesamtwirtschaftlichen

Vergleich ein. Das Ergebnis: Zählt man alle maßgeblichen Faktoren zusammen, schlägt das Rad den PKW um Längen. Durch die gesundheitsbudgetär eingesparten Kosten der Radfahrenden zahlen diese 224 Millionen Euro jährlich in ein System ein, dem Wiens Autoverkehr 189 Millionen Euro pro Jahr entzieht. Denn gerade die externen Kosten des

KFZ sind in den Bereichen Gesundheit, Klima und Unfallfolgen enorm. Hingegen bringt jeder gefahrene Radkilometer über 80 Cent! Würde Wien ein realistisches Ziel von acht Prozent Radverkehr erreichen, wären 257 Millionen Euro gesamtwirtschaftliche Ersparnis pro Jahr möglich. Was wäre dann erst bei dänischen Verhältnissen in der Kassa …

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mechaniker max, unser Wiener Werkmeister, grantelt* aus dem Werkzeugkästchen.

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vorgänge finden im geschlossenen, ölgelagerten Innenraum des Nabenkörpers via Zahnkränze und Planetengetriebe statt. Dadurch fällt sehr selten Wartung und Nachjustierung an, die Kette wird weit weniger verschlissen und kann zusätzlich á la Hollandaise*** im geschlossenen Kettenkasten sauber und trocken gehalten werden. Ein Perpetuum mobile, wenn’s denn eines geben tät‘! Zusätzlich kann man bestens im Stehen schalten, was an Ampeln ja von Vorteil ist, beim Giro aber selten vorkommt. Und damit sind wir bei der Kettenschaltung, dem sportlichen Kollegen, dessen Vorteile ganz klar niedrigeres Gewicht, feinere Abstufung und vor allem höherer Wirkungsgrad und Übersetzungsbereich sind. Daher kommt diese Schaltung mit außenliegendem Werfer und Schaltwerk sinnvollerweise eher im leistungsorientierten Sportbereich zum Einsatz, sind doch Verschleiß, Empfindlichkeit und Wartungsbedarf deutlich lästiger als beim vernabten Pendant. In manchen Gefilden und Preisklassen kommt aufgrund pseudosportlicher Verblendung und niedriger Herstellungskosten dennoch hauptsächlich eine günstige Kettenschaltung ans Rad, das ist auf Dauer aber nur ein G’scher.**** Tja, und dann gibt’s bei den marktführenden Herstellern noch die Kombination von beidem, aber das ist fast Sektiererei. Wählt also zuerst mit Bedacht, dann müsst ihr nur noch richtig schalten, sagt euer: Max. * Wienerisch für: schimpfen ** TV. Vor dem man ja in Hausschuhen (Wien: „Patschen“; Ebf. Bezeichnung für „Platten“) sitzt. *** Ob Spargel oder Schaltung ist dem Max schnuppe. **** Mühe

Allerwertester Dr. Friend, obwohl die Straße eben vor mir und mir ein Ziel vor Augen liegt, fühle ich mich ausgebrannt und kann kaum die nötige Trittfrequenz halten, um den Anschluss nicht zu verlieren. Helfen Sie mir! Wie komme ich wieder richtig in die Gänge? Mfg, Schorsch Lumpf

Lieber Schorsch! Oft ist der wahllose Gebrauch von Wahlfreiheiten ebenso ein Bremsschuh des Vorwärtskommens wie uns der Entscheidungsdruck bei allzu großem Spektrum an Wahlmöglichkeiten blockiert! Möglicherweise haben soziale Erwartungen und konsumkapitalistische Eigenanforderung zu einer Situation geführt, in der sowohl emotional als auch materiell eine zu große Bandbreite an Optionen vor Ihnen liegt? Drei Karriereweichen, elf Fortbildungslehrgänge, vierzehn Führungsaufgaben können jeden Menschen vor unlösbare Aufgaben stellen, selbst wenn weit und breit kein Hindernis in Sicht ist. Nehmen Sie sich doch einen Gang zurück. Blicken Sie entspannt nach vorne zum Ziel statt enerviert nach unten auf Ihren fehlenden Antrieb, wählen Sie statt der vielfältigen Verdrängung aktiv die Einfachheit und werfen Sie unnötigen Ballast über Bord! Wo es keine Optionen mehr gibt, ist auch das Grübeln fern. Auch als Single bleibt der Speed! Räd Ihnen reduziert, der Cycloanalyst

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Unsereins ist ja als gesamte Generation ohne Fernbedienung aufgewachsen – aber mit Dreigangschaltung. Es rollen sich mir folglich die Zehennägel auf, wenn das Enkerl durch die Kabelsender schaltet und auch den Sponschbob schnell mitreißt! Genauso geht’s mir – wenn auch umgekehrt – wenn’s an allen Rollen und Ritzeln knackt und hakt, aber keiner ans Umschalten denkt! Wird also einerseits sowohl die Anzahl der verfügbaren Fernsehkanäle im Patschenkino** als auch jene der zählbaren Gänge am Radl überschätzt, ist andererseits aber hier wie dort eine Frage des gezielten, bewussten Umgangs von immenser Bedeutung. Schon bei der Auswahl des Geräts, wohlgemerkt! Da bietet sich ja beim Fahrrad eine gottähnliche Dreifaltigkeit an: Singlespeed vulgo Eingang; Nabenschaltung; Kettenschaltung. Diese werden natürlich von einigen Nebenheiligen flankiert, wie dem apostolischen Schlumpfgetriebe im Tretlager. Aber unabhängig von herstellerseitig unterschiedlichen Übersetzungen, Schaltmechanismen und Ritzelbeschaffenheiten stellt sich schaltungsmässig die Frage: Nabe oder Kette? Im städtischen Zweifelsfall immer: Nabe! Die Nabenschaltung – und davon gibt es seit meinen Jugendtagen der 3-fachen ja mittlerweile die gängigen 7-, 8-, und 9-fachen bis rauf zur 11- oder sogar 14-gängigen Supernabe und dem neuen stufenlosen Meisterstück – hat im bergwertungsfreien Alltagsbereich einfach die Nase vorn. Ihr Vorteil: Die Schalt-


volleR fRiscHe in den aRbeitstag

euroPaWeit bringen motivationskamPagnen das fahrrad auf den arbeitsWeg. Über tausend betriebe Waren in österreich dabei. Die Wegstrecken vieler Menschen zur Arbeit sind leicht mit dem Fahrrad bewältigbar, rund 25% der Autowege liegen sogar unter der gemütlichen Radfahrdistanz von zwei Kilometern. Die Argumente pro Radverkehr sind zahlreich, die Zahlen der Radfahrenden in Österreich jedoch weniger beeindruckend. Da steckt Potenzial drin! Eine österreichweite Kampagne nach deutschem und Schweizer Vorbild versammelte routinierte und potenzielle AlltagradlerInnen in Teams, um unter der Dachmarke „Österreich radelt zur Arbeit!“ im Aktionsmonat Juni MitarbeiterInnen von Betrieben und Gemeinden über spielerische Anreize zum täglichen Radfahren auf dem Arbeitsweg zu motivieren. Nicht das rationale Argument hatte überzeugt, sondern der emotionale Moment: Wettbewerbssituation innerhalb des Betriebs und Bundeslandes, süße Preiszuckerl und das tägliche Radel-Lotto live im Radio! Über 6.000 Mitradelnde aus mehr als 1.100 Betrieben haben im Premierenjahr in Österreich mitgemacht. Bei etablierten Kampagnen wie der Schweizer Kampagne biketowork.ch haben 2010 von den TeilnehmerInnen aus 1.260 Betrieben 42% häufiger zum Fahrrad gegriffen. Diese läuft gerade ebenso weiter wie mit-dem-rad-zur-arbeit.de, die seit 2007 erfolgreich bundesweit präsente deutsche Kampagne. Rankings der fleißigsten RadlerInnen in Österreich auf radeltzurarbeit.at

Liebst du´s? Schliesst du´s! Bordo. Das Schloss.

FOTO: peter provaznik

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velotalk GESpr채chE 체bEr daS fahrrad in all SEinEn SozialEn aSpEktEn

Entwickelt Strategien, wie sich aus der Autogesellschaft eine Fahrradgesellschaft entwickeln kann: Lynn Sloman. 22

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Auf Entzug vom Auto

diE britin lynn Sloman iSt autorin dES buchES „car-addictEd culturE“ und propaGiErt EinE EffiziEntE mobilität pEr rad und ÖffEntlichEm VErkEhr. VEloSophiE traf SiE zum intErViEw bEi dEr VElo-city konfErEnz in SEVilla. interview und foto Alec hAgeR

Sie arbeitete federführend bei der britischen Radkampagne „Cycling Enland“ mit und trägt zu Themen vor wie: Kann man Nicht-Autofahren lernen? Wie baut man jene gesellschaftlichen Barrieren ab, die vom Mobilitätswechsel hin zum Besseren abhalten? Lynn Sloman spricht dabei von Mühlsteinen, die an die Autoabhängigkeit fesseln, und Rettungsreifen, die davon abbringen können: Verhaltenspsychologie, soziale Normen und objektive Realitäten spielen dabei eine große Rolle. velosophie: Laut Ihren Worten ist Auto-Abhängigkeit die herrschende Ideologie in der westlichen Welt. Wie könnte als Gegenentwurf eine fahrradabhängige Welt aussehen? Lynn Sloman: Diese Überlegung ist insofern interessant, als ja früher jeder ein Fahrrad hatte und nutzte, von den 20erJahren bis in die späten 50er war das Fahrrad als Verkehrsmittel die normale Art, um sich fortzubewegen. Das Problem in den aktuellen Auto-Suchtsituationen ist das Bündel an schädlichen Nebeneffekten, die Konsequenzen, die Süchtige vor sich selbst verbergen. Man bekommt Freiheit, Aufregung und Fortbewegung ganz kurzfristig als persönlichen Benefit, aber längerfristig leidet sowohl die Gesellschaft als auch jeder als Individuum: Bewegungsmangel, Herzanfälle, Übergewicht, Unfalltote sind nur einige dieser Nebenwirkungen. Daher betrachte ich die Autoabhängigkeit als Sucht. Das ist eben bei Fahrrädern nicht der Fall: Es gibt keine negativen Konsequenzen, wenn jeder ein Rad haben und nutzen würde. In den nächsten Jahrzehnten wird sich unsere Art der Mobilität komplett ändern, Öl wird rar und teuer, was sich massiv auf die persönliche Entscheidung, Autos zu verwenden, auswirken wird. Sie sprachen von einem Ansatz von Fahrrad-Stimulation und Einschränkung der Autonutzung, wie kann man damit den Umschwung schaffen? Das Positive muss immer im Vordergrund stehen, auch wenn wir von Einschränkungen sprechen. Wenn es um Redukti-

on von Parkplätzen oder Fahrbahnspuren geht, geben wir ja etwas, nämlich mehr Raum! Raum für Menschen zum Rad fahren, Gehen, Erholen, einfach: Lebensraum. Es geht um die Gewichtung der Prioritäten im Stadtverkehr – den insgesamt verfügbaren Platz in einem Stadtzentrum kann man nicht erhöhen, aber man kann entscheiden, wie dieser Platz genutzt wird: attraktiver! Wie kann man politischen Entscheidern die Angst vor solchen Maßnahmen nehmen, die Befürchtung, dafür nicht wiedergewählt zu werden? Öffentliche Aktionen wie beispielsweise regelmäßige autofreie Sonntage auf präsenten Straßenzügen sind dafür sehr ge-

So kann man Raum nehmen und den Menschen zurückgeben, ihnen dort Bewegungsmöglichkeiten, Freude und Freiheit geben. Jeder fühlt sich wohl, das ist ein eignet.

sehr kraftvolles Mittel für Politiker! Die Erfahrung, das selbst erlebt zu haben, überzeugt. Das Problem ist eher, Politiker zu dieser Erfahrung zu bringen.

Sie sehen eine mediale Dominanz der Botschaft „Autos sind liebenswert und erstrebenswert“. Wie kann man das individuell und gesellschaftlich überwinden? Das Erstaunliche ist, dass bei genauerem Nachfragen die Hälfte der AutolenkerInnen aktiv und dezidiert Autofahren nicht mögen. Sie empfinden es als stressig, beunruhigend, schädlich. Also tut diese Hälfte etwas, was sie nicht tun will! Da wirken andere allgegenwärtige Botschaften, oft aus der Werbung oder Kinofilmen, diesem Empfinden entgegen. Dem diesbezüglichen Budget der Autokonzerne kann man schwer etwas entgegensetzen – außer Kreativität! Es ist möglich, zu zeigen, dass andere Mobilitätslösungen ganz normal sind, sei es öf-

fentlicher Verkehr oder Radfahren. Wie sieht Ihr persönlicher Zugang aus? Sie haben beispielsweise erwähnt, dass Sie nicht fliegen. Wie sieht da die freiwillige Selbsteinschränkung aus? Ach, es gibt genug Interessantes im Umkreis von Zugreisen unter 24 Stunden! Es ist nichts besonders Erstrebenswertes dabei, irgendwohin per Auto oder Flugzeug zu reisen, im Vergleich zu Zug oder Bus. Objektiv ist das kein schöneres Erlebnis! Heiß, stickig, eng, stauend langsam – viele unangenehme Erscheinungen. Es sind nicht unbedingt qualitative Gründe, die Menschen die Entscheidung pro Auto fällen lassen, sondern soziale: Das machen meine Freunde, meine Kollegen ja auch. Es geht auch nicht um moralische Beurteilung von Verkehrsmittelwahl. Es gibt keine große Erfolgsaussichten dabei, jemanden zu überzeugen: Du solltest das tun! Es ist wichtig, dass man die richtigen Gelegenheiten schafft für jemanden, um Radfahren zu genießen und es daher wieder tun zu wollen. Wir als Menschen analysieren nicht rational alle verschiedenen Optionen und entscheiden uns dann.Wir versuchen eher herauszufinden, was uns emotional gefällt, und rationalisieren diese Entscheidung im Nachhinein, ohne große moralische Kriterien. Wie sieht Ihre Mobilitätsvision aus? Wenn man sich inmitten einer dominanten Technologie befindet, ist es unmöglich sich vorzustellen, dass diese ein Ende finden würde. So erging es aber auch der Nutzung von Kanälen als Transportwege oder Pferdekutschen. Aber es ist sehr stark möglich, dass Autos den selben Weg gehen, und das vor allem aus einem Grund: Es ist einfach nicht genug Platz, dass wir alle auf so unglaublich ineffiziente Art unterwegs sein können! Aber da ist noch ein langer Weg vor uns. Wenn in den nächsten Jahren signifikanter Rückgang an Autonutzung in unseren Ländern festzustellen ist – also ein „Peak Car“ – das würde eine kräftige Botschaft aussenden. Vielleicht wird bald die junge Generation sagen: Pah, Autos, das ist ja so 20.Jahrhundert! vs velosophie.eu

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Hält Vorträge über Jugendstil (am Foto vor dem Gebäude der Wiener Secession) und hält sich jung mit Radfahren: Volker Truchseß. 24

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Der NArrIsche VorrADler

Per rad in den Landtag: Volker Truchsess (75) war einer der ersten, der einen wahLkamPf radeLnd absoLvierte, und das sehr erfoLgreich! veLosohie traf den bayrischen vorreiter zur radaffinen PLauderei. gesprächsnotizen Alec hAger

fotos KUrTPINTer.com

Schon 1978 brachte Freiherr Truchseß mit einer wahlkämpferischen Radtour ein Thema unter seine bayrischen SPDFraktionskollegen, das nun brandaktuell ist: Fahrrad. Wir trafen ihn zu einem nur teils nostalgischen Gespräch über das lebensbegleitende Verkehrsmittel und Begeisterungsobjekt Rad, die aktuelle Radverkehrs-Situation in Wien und München und sein zweites Steckenpferd, die Kunstgeschichte. Als Bayer in Wien – in der Donaumetropole lebt er seit 1999 – kann er nicht nur beide Städte bestens vergleichen, er kann auch auf lebenslange Raderfahrung zurückblicken. „Was bist du für ein narrischer Radlfahrer?“, hätten ihn schon seine Schulkollegen damals in den frühen 50er-Jahren in Würzburg gefragt, erzählt Freiherr Truchseß. Seine Liebe zum Radfahren hatte schon in frühester Jugend begonnen: In der Nachkriegszeit, als der Kauf eines Fahrrades unleistbar und unmöglich war, hatte der junge Volker seines Schwagers Fahrrad geerbt. Ein Glücksfall und Mobilitätsgewinn, den er weidlich ausnutzen sollte. Im Alter von 14 Jahren wechselte er aufs Gymnasium Würzburg, das tat er natürlich auch per Rad. Da, 1950, bot sich ihm eine zerbombte Stadt, in der viele Mitschüler zum Unterricht radelten, und gab es sonst nicht viel, so doch Fahrradständer vorm Schulgebäude. Der Lauf der Zeit, heut ist’s umgekehrt! Wochenends pedalierte er jeweils die 64 km von Würzburg zum ländlichen Wohnsitz der Familie: „Diese Kondition hält ewig!“ Neugierig war er und das Fahrrad der ideale Transporteur für Entdeckergeist und Abenteuerlust: Viele Erkundungsfahrten und Touren schon als Schüler ließen ihn eine Freiheit und Mobilität auskosten, die ohne Fahrrad nicht erreichbar gewesen wäre. „Das war eine unglaubliche Persönlichkeitsentwicklung für mich! Auf eigene Faust losradeln, von Jugendherberge zu Jugendherberge, das ist doch wunderschön!“ Kein Wunder dass er die Frage der Mitschüler damals schon und immer noch als Lob empfindet: Ja, radlnarrisch ist man doch gerne!

Zum politischen Vorradler wurde Volker Truchseß in der Wahlkampfzeit für seine dritte Periode als SPD-Abgeordneter zum Bayerischen Landtag, 1978. In seinem Wahlkreis Unterfranken, rund um den Kurort Bad Kissingen, war der gelernte Jurist und ambitionierte Politiker im Bereich der Arbeiterwohlfahrt wochenlang mit dem Fahrrad unterwegs, um auch in die kleinsten der 127 Ortschaften zu gelangen und somit nahe an die Nöte und Bedürfnisse des Wahlvol-

So hatte er offen, empfänglich und pedalierend Glaubwürdigkeit und Sympathien geerntet, die sich in einem großen Stimkes.

menzuwachs in Unterfranken abbildeten. Dieser Erfolg des Radwahlkampfes sprach sich natürlich nach München durch, und schon sahen sich die sozialdemokratischen Fraktionskollegen aus ganz Bayern zu einem Radlausflug eingeladen, der beachtliche drei Tage dauern sollte. Mit dabei auch Fraktionsvorsitzender und Parteivorsitzender, Journalisten der Regionalblätter und LandtagsmitarbeiterInnen. Aus allen Himmelsrichtungen – Würzburg, Nürnberg, München – hatten sich so fast 100 Menschen getroffen, um im Frühjahr 1979 die parteipolitische Radltour nach Regensburg abzustrampeln. Ein medienpolitischer Schachzug, der aus 2011 stammen könnte, und doch befinden wir uns in einem Rückblick in die späten 70er! „Einige Fraktionsmitglieder haben sich dadurch ihre ersten Räder angeschafft – schön in Weiß-Blau, wie es sich für Bayern g‘hört!“, erinnert sich der Vorreiter Truchseß, dem die Kollegenschaft das nicht ganz freiwillige Vergnügen verdankte. „Bist du verrückt, so lang Radlfahren?“, hatten ihn nicht wenige gefragt. Die Unternehmung war zwar ein großer Erfolg, blieb aber eine einmalige Sache. Sie ist dennoch das Urbild von imagefördernden Radkampagnen. Gewissermaßen wäre er der Vorradler gewesen, zumindest in Bayern!

Ganz anders stellt sich die Situation heute dar, im zweiten Jahr der „Radlhauptstadt München“-Kampagne. Diese verfolgt er anhand der täglich gelesenen Süddeutschen Zeitung auch in Wien und freut sich auf seine Besuche an der Isar: „Die herrliche Radlgelegenheit im Englischen Garten in München, ein Radlparadies!“ Ebenso genau beobachtet er die Wiener Radverkehrsgeschehnisse: „Ich denke, dass die Grünen hier in Wien die SP ganz schön auf Trab gebracht haben. Auch ist der Ausbau des Radwegenetzes enorm.“ Erfreut konstatiert der Freiherr, dass in München im Innenstadtbereich Fuß- und Radverkehr erheblich bevorrechtet und Autoverkehr eingedämmt ist. Potenzial in erheblichem Umfang sei jedoch im Innenstadtbereich von Wien noch festzustellen: „Ich sehe da eine frivole, nahezu unmoralische Argumentation, vom Heiligtum Autoparkplatz zu sprechen. Derselbe Platz ist für acht Fahrräder und damit acht Verkehrsteilnehmer geeignet, wie kann man da das Abstellen eines einzigen Autos bevorzugen und politisch einfordern?“ Ähnlich Leidenschaft zeigt Volker Truchseß bei seinem zweiten Lebensthema, der Kunstgeschichte, das er begeistert bei Vorträgen weitergibt, sei es zu Barock oder Jugendstil in Leopold-Museum oder Volkshochschule. Auch dahin fährt der Vorreiter natürlich mit dem Rad! vs

ZUR PERSON Volker Freiherr Truchseß von und zu Wetzhausen, geboren 1936 in unterfranken, Jurist und sPD-Mitglied, war Mitglied des Bayerischen landtags von 1970 bis 1986 und Mitglied des landesvorstandes der Arbeiterwohlfahrt Bayern. er lebt und radelt seit 1999 in Wien.


Vom Fahrradreisen

SIEBEN JAHRE RAD

122.000 KILOMETER DURCH 60 LÄNDER, BEI EXTREMEN TEMPERATUREN UND STEIGUNGEN, OFFEN FÜR BEGEGNUNGEN MIT ALLEN, DIE DES SELBEN WEGES KOMMEN, DEN ER GERADE PEDALIEREND ZURÜCKLEGT: CLAUDE MARTHALER KAM VOR ZEHN JAHREN VON DIESEM TRIP ZURÜCK. EIN ERINNERUNGSMOSAIK. fotos und originaltext CLAUDE MARTHALER

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textcollage ALEC HAGER



N

un brauche ich bloß in die Pedale zu treten und kann alles loslassen, was mich noch hält. Schon lange weiß ich eines: Genau wie mein Rad finde auch ich das Gleichgewicht nur in der Bewegung. Sang und klanglos breche ich hier in Genf auf, Richtung Japan, von dieser Straße aus, die mir so vertraut ist. Mein Rad ist so schwer beladen dass ich nach allen Seiten schwanke. Ob es wohl ahnt, was es erwartet? Im Winter 1994 passiere ich die kirgisische Grenze. Es ist empfindlich kalt. Vom Massiv Tian Shan fegt der Wind. Am Ende eines Canyons liegt in der blassen Sonne der Toktogulsee mit vereisten Ufern in fast unirdischer Schönheit. Der Tag neigt sich, die Kälte nimmt zu. Wilddiebe warnen mich: „Zum Alabel-Pass willst du? Du spinnst! Minus vierzig Grad, verdammt gefährlich.“ Trotzdem fahre ich am nächsten Morgen um sechs Uhr los. Ab und zu taucht eine Schäferei auf, die Hunde bellen. Grimmige Kälte, unablässig schneit es weiter, Nebel hüllt mich ein. Die Schuhe sind auf den Pedalen festgefroren, mein Trinkwasser friert ein. Nach vier-

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zehnstündiger Anstrengung habe ich es geschafft! Ich bin auf dem Pass auf 3.184 m Meereshöhe, bei 20 Grad Minus! Todmüde flüchte ich in ein leer stehendes Gebäude, wo ich auf eine Gruppe von Lastwagenfahrern stoße, die mich sogleich umringen. Noch nie hat mir Tee mit Zucker und Zitrone so gut geschmeckt. Je größer die Kälte, desto solidarischer die Menschen! Ohne dass ich es unmittelbar wahrnahm, habe ich auf einer Distanz von 165 Kilometern einen Höhenunterschied von 2.400 Metern überwunden, als ich in Kashgar ankomme. Ich habe zwar oft gehört, dass China das Land des Fahrrades sei, doch jetzt ermesse ich erst, was das bedeutet! Nach der Einsamkeit der Wüste umgibt mich eine Flut von Radfahrern, und die Straßen sind voller Menschen. Jetzt beginnt die große Wüste Takla Makan. Das nahezu 320.000 km² große Gebiet besitzt so gut wie keine Wasserstellen, deshalb konnte sich nie ein Volk dauerhaft niederlassen. Die Seidenstraße teilt sich in zwei Arme und umgeht die Takla Makan. Auf der süd-

lichen Seidenstraße fließt das Wasser des Kunlun-Shan-Massivs herab und versickert hoffnungslos im Sand. Ich nehme diese, denn das ist der kürzeste Weg nach Lhasa. Die fürchterliche Piste hält zuweilen angenehme Überraschungen bereit: Eines Tages kommt aus der Gegenrichtung – ich traue meinen Augen kaum – ein Radfahrer auf mich zu. Ein Chinese, der wie vom Himmel gefallen vor mir steht. Chee Tien Rchen sitzt seit dem 23.Juni 1992 im Sattel. Nach bereits 42.000 km hat er die Absicht, noch neun Jahre ausschließlich in China weiterzutreten, um 500.000 km zu vollenden. Freudig fallen wir uns in die Arme, die Wüste um uns ist vergessen. Die seelische Verwandtschaft spart uns viele Worte, die wir uns ohnehin nicht sagen könnten. Wir essen und trinken, ein Lastwagen fährt vorbei und wirbelt eine riesige Staubwolke auf, in der wir verschwinden wie Magier aus einer anderen Zeit. Alaska, ich kurble nach Norden in Richtung Fairbanks und treffe dabei Akira, einen japanischen Tourenradler. Er ist 25 Jahre alt und hat ein Jahr lang Wasserbecken geschrubbt, um damit seine


„Hier, wo die Sonne die Energien erlahmen lässt, hat man es nie und nimmer eilig. “ Claude Marthaler, SUI


Radreise nach Mexiko finanzieren zu können. Plötzlich, nach mehr als 50.000 km, nachdem sieben Felgen, acht Ketten und Zahnkränze, acht Reifen, drei Sättel, ein Lenker und Dutzende von Speichen ihren Geist aufgegeben haben, droht jetzt der Radrahmen auseinanderzubrechen. Das setzt mir seelisch zu. Mein guter Yak, der mich auf so vielen Abenteuern treu begleitet hat, will mich im Stich lassen? Akira und ich machen Autostopp. Der glückliche Zufall will es, dass uns ein Fahrer mitnimmt, der zu Hause über eine Werkstatt mit allen Schikanen verfügt, wo er meinen Yak wieder zusammenlötet. Noch weiter nördlich überquere ich den Aitigun Pass. In dieser Breite ist es dermaßen kalt, dass Eis meine Bremskabel blockiert. Ein Lastwagen überholt, der Fahrer beugt sich aus dem Fenster und schreit: „Bei Meile 22 sind zwei Eisbären. Die kommen aus dem Winterschlaf und sind ausgehungert, passen Sie bloß auf!“ In Costa Rica lerne ich in einem Café zwei Biker kennen, Simon und Ruedas. Lange Haare, Ohrringe, Lederarmbänder – sie sehen wirklich nicht aus wie Rennradler, auch nicht wie Reiseradler. In Houston, Texas, waren sie noch vor einigen Monaten eine Gruppe von fünf „Guerreros del Asfalto“. Ihr Ziel: Nach Süden radeln, bis die mageren Ersparnisse aufgezehrt sind. Die drei Musikanten und Jongleure führten für Essen und Unterkünfte ihre Kunststücke auf. Einer nach dem anderen verschwand jedoch, mit den beiden, die noch übrig sind, verstehe ich mich auf Anhieb, ohne zu ahnen, dass ich mit Ruedas fünf Monate fahren werde. Wir radeln vom peruanischen zum bolivianischen Altiplano, das 3.800 m über dem Meer liegt. Der Titicacasee, das Andenmeer, leuchtet in der Sonne. „Bolivien, der klarste Himmel Südamerikas“, verkündet ein Schild nach dem Grenzübertritt. Die Anden sind eine in sich geschlossene Welt, und je länger wir hier sind, desto mehr verlieren wir jeden Zeitbegriff. Über dem Salar de Uyuni, dem größten Salzsee der Welt, strahlt der Himmel in allertiefstem Blau, während an den Vulkanen am Horizont, alles Fünfeinhalbtausender, die Wolkenmassen hän-

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genbleiben. Die Intensität des Lichts ist dermaßen stark, dass Luftspiegelungen entstehen. Die Berge sehen aus, als wären sie gar nicht mehr mit der Erde verbunden, wie Inseln schwimmen sie in einem Meer von Licht. Wir kommen zu zwei kleinen Hotels, komplett nur aus Salzblöcken erbaut. Unglaublich! Man sieht das Licht durch die Wände schimmern, auch die ganze Einrichtung sowie einige schöne Statuen hat man aus Salz gehauen. Anfang Mai 1999 bin ich in Kapstadt, ganz unten auf dem afrikanischen Kontinent, gelandet. Afrika ist für mich eine geografische Notwendigkeit, es liegt sozusagen auf dem Weg nach Hause. Nach fünf Jahren Straße, 36 Ländern und 89.000 km auf dem Tacho, trennt mich also nur noch ein Kontinent von der Heimat. Für diese letzte große Etappe sind mir alle Umwege recht, ich habe keine Eile schnell voranzukommen. Zu den Victoria-Wasserfällen, meinem nächsten großen Etappenziel, werde ich nicht über Zimbabwe fahren, sondern durch Botswana. Die Landschaft wird immer trockener, viele Bäume sind stachelbewehrt. Am Botswana-Grenzposten angekommen, lehne ich mein Rad gegen einen Elefantenschädel, der so hoch ist wie mein Fahrrad. Ich schüttle zuerst allen Anwesenden die Hand, das gehört in Schwarzafrika zum guten Ton. Hier, wo die Sonne die Energien erlahmen lässt, hat man es nie und nimmer eilig. Zuweilen ist Reisen gar kein Abenteuer und wie jede Art, statisch zu leben, mit einer gewissen Monotonie behaftet. Unterwegs gibt es wohl mehr Unvorhergesehenes als bei einem sesshaften Dasein, aber meistens wird der Tagesablauf bestimmt durch die menschlichen Grundbedürfnisse: Trinken, Essen, Schlafen. Ein tägliches Ritual, das mir gefällt, das je nach Umwelt, Klima, Wärme oder Kälte, Wüste oder Stadt, immer wieder ein neues Gesicht hat. Es hat mich viel gekostet, das Wesentliche zu begreifen, ich habe die Angst in mir kennen gelernt und das Gespür dafür erworben, wo meine physischen Grenzen liegen, doch für meinen Traum gibt es nach wie vor nichts, was ihn einschränken könnte. Reisen ist für mich eine Hymne ans Leben. vs


CLAUDE ZUM LESEN

Claude Marthaler aus Genf blickt auf 15 Jahre Fahrradreisen zurück und ist Autor dreier Bücher. Zur Zeit ist er entlang des Iron Curtain Trails unterwegs, von Norwegen bis Istanbul. BÜCHER: Durchgedreht – 7 Jahre im Sattel, ReiseKnowHow-Verlag, 2002 (Quelle der angeführten Texte) Le Chant des Roues, Olizane, 2002 Entre Selle et Terre, Olizane, 2009 Dans la roue du monde, Glénat, 2004 (Fotoband, Quelle der abgebildeten Fotos) Website: yaksite.org


HOCH HINA Serfaus-Fiss-Ladis

PROMOTION

NIRGENDWO IN TIROL SCHEINT DIE SONNE ÖFTER UND LÄNGER ALS AUF DEM HOCHPLATEAU MIT DEN DREI DÖRFERN SERFAUS, FISS UND LADIS.

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ntlang dem Inn, in Richtung Südtirol oder in die Schweiz, kommt es nicht selten vor, dass sich die Sonne schon am frühen Nachmittag verabschiedet. Die Berge sind hoch, und ihre Schatten legen sich lang über das Tal. Für eine angenehme Überraschung sorgt dann der Weg nach Serfaus-Fiss-Ladis. Nach den ersten drei Serpentinen blinzelt die Sonne schon wieder hervor, und je höher man fährt, desto kräftiger scheint sie.

„In Serfaus-FissLadis hat man stets das Gefühl über den Dingen zu stehen. Das kommt wohl davon, dass die drei Orte wie auf einer riesigen Sonnenterrasse thronen. Hier kann jeder ausgiebig biken, auch ohne schweißtreibenden Anstieg“, schwärmt Georg,

erfahrener Bikeguide in Serfaus-FissLadis. Von Mitte Juni bis Ende Oktober wird mit den Gästen kräftig in die Pedale getreten. Gleichzeitig präsentieren Georg und seine Guide-Kollegen die Schönheiten ihrer Heimat: das Tiroler Oberland, eingebettet zwischen der Silvretta- und Verwallgruppe, den All-

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gäuer und Lechtaler Alpen und den Eisriesen der Ötztaler Alpen sowie der Ortler- und Berninagruppe. Diese außergewöhnliche Bike-Region geizt nicht mit abwechslungsreichen Touren und Panoramen erster Klasse. „Genießer starten am Plateau und tasten sich langsam an die schwierigen Auffahrten heran oder verwenden ganz einfach die kostenlose Bergbahn als Aufstiegshilfe. Achtung aber bei den schwarz markierten Touren. Die sind in Serfaus-Fiss-Ladis wirklich nur den echten Höhenmeterjägern vorbehalten“, erzählt Georg aus seinem Mountainbiker-Alltag. 30 Touren, vom harmlosen Waldweg bis hin zum Uphill mit Schiebe- und Tragepassage, führen durch die Region. Tourenmöglichkeiten mit Kombinationen aus Muskelkraft und Lift sind kaum Grenzen gesetzt. Dabei kann es schon einmal passieren, dass die Pfade nicht nur verschlungen, sondern auch grenzenlos sind. So sind Serfaus-FissLadis doch für Ihre Nähe zum Dreiländereck Österreich-Italien-Schweiz bekannt. Bei diesem Tourencocktail findet garantiert jeder Biker die passende Tour für den eigenen Anspruch. Für nicht ganz so Sportliche, denen die Faszination für das schweißtreibende Bergradeln fehlt, können die Touren auch mit dem E-Bike bestritten werden. Möglich wird dies mit den Fahrrad-Modellen, die speziell für das alpine Gelände entwickelt wurden und von Juni bis Oktober in der Region bereitstehen. Mit dem Einsatz einer ganzen Rad-Flotte von etwa 90 Elektro-Bikes ist die Serfaus-Fiss-Ladis an-

deren Destinationen mehrere Kurbelumdrehungen voraus! Erweitert wird diese Angebotsvielfalt noch um die Straßentouren für alle Roadbike-Fans. Denn Serfaus-Fiss-Ladis gilt durchaus auch als „hohe“ Region für optimales Höhentraining. Die idealen Trainingsbedingungen werden bereits von verschiedenen Rad-Nationalteams genutzt. Jede Tour startet ohne Anstrengung mit einer Abfahrt vom Hochplateau ins Inntal. Von dort führen zahlreiche Routen ins Tiroler Oberland, in das Ötztal und das Kaunertal. Doch keine Angst, wer am Ende des Rennrad-Tages zu müde für die Serpentinen bis zum Hochplateau ist, wird ganz gemütlich mit dem Bike-Shuttle zurück gebracht. Der Rennrad-Klassiker ist mit Sicherheit der Anstieg zum Kaunertaler Gletscher. Die jährlichen Bergrennen auf beeindruckende 2.750 Meter tragen zu Bekanntheit und Anreiz in RennradlerKreisen bei. Vor einigen Jahren war der Kaunertaler Gletscher auch Etappenziel bei der Österreichrundfahrt, doch wurde dieser Anstieg aufgrund seiner Schwierigkeit wieder aus dem Programm genommen. Umso mehr ein Anreiz für jeden motivierten Rennradler, ebendiesen selbst zu bewältigen. Egal, für welche Variante des Bikens man sich auch entscheidet, ein paar Schweißtropfen werden während des Urlaubes immer fließen, ist SerfausFiss-Ladis ja immerhin die sonnenreichste Region Tirols. Und auch ein kleiner Muskelkater ist schneller vergessen, wenn das Schöne am BikeErlebnis überwiegt.


AUS

REGION & FACTS serfaus-fiss-ladis.at Themenspezialisierte Hotels in der Region, Mitglieder bei „Mountain Bike Holidays“ und „Roadbike Holidays“: Aparthotel Universo, universo.at Geigers Posthotel, bikeserfaus.com Geigers Lifehotel, bikeserfaus.com Weitere Regionen und Hotels: bike-holidays.com roadbike-holidays.com


velocity ein buntes panorama aus den fahrradstädten unserer welt

01 KAPSTADT GROSSE EINFAHRT Die südafrikanische Mutterstadt am Tafelberg verband am 14. Mai spitzensportliche Leistung mit der Vision des massentauglichen Alltagsverkehrs: Die Tour d’Afrique kam nach ihrer viermonatigen Etappenfahrt von Kairo durch ganz Afrika am Kap der Guten Hoffung an, und zu diesem Anlass rief die Stadtregierung gemeinsam mit der Radlobby „Bicycling Empowerment Network“ und anderen NGOs dazu auf, die neue Radwegeroute BRT einzuweihen. Dieser „Big Ride In“ ist Anfang einer Mobilisierungskampagne hin zu einer breiteren Verankerung des Gedankens von unmotorisiertem Verkehr in Südafrika. bigride.co.za

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Über 5.000 RadfahrerInnen hatten sich zur Ersten Wiener RADpaRADe versammelt, um gemeinsam die vom Autoverkehr befreite Ringstraße rund um die Innere Stadt zu befahren. Bei strahlendem Sonnenschein tummelten sich auf der sonst vierspurig befahrenen Prachtstraße Fahrräder aller erdenklichen Art, bunt geschmückt und von RadlerInnen jeden Alters gelenkt. Mitten darunter eine ganze Blasmusikkapelle auf Lastenrädern, A-cappella-Chorsänger und Soundmobile. Ein farbenfroher Beweis für die steigende Radbegeisterung in der Donaumetropole! Vielleicht paradiert man schon bald wieder in Wien? radparade.at

FOTOS: peter provaznik, bigride.co.za, ben brannan, nonusual

02 WIEN ERSTE RADPARADE


HOTSPOTS

ORTE, DIE DEN NABEL IHRER FAHRRADSTADT BILDEN

LONDON: Look Mum No Hands Café Ein überaus charmanter Name für einen ebenso charmanten Ort in London. „Schau, Mama, ich kann freihändig!“ Das Café für die zahllosen urbanen Stylecyclisten an der Old Street bietet alles, was Radlerherzen brauchen: Eine kleine Selbsthilfe-Werkzeugecke, lecker Bio-Essen, massig Fahrradlektüre vom Ride-Magazine bis zur Rennrad-Fotobibel. Räder parken überall, im netten Gastgarten, mitten im Lokal und in den Schaufenstern. Und Tour sowie Giro werden großformatig projeziert und gemeinsam zelebriert. Ein internationales Rolemodel! lookmumnohands.com

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03 MÜNCHEN RADL AM LAUFSTEG Die Radlhauptstadt-Kampagne in Bayern geht ins zweite Jahr und ist voller Schwung losgestartet. Vor der schon 2010 von Tausenden besuchten Radlnacht, in der rund um den Altstadtring geradelt wird, hatte heuer die erste Radl&Fashion-Show Premiere. Die Deutsche Meisterschule für Mode präsentierte zusammen mit Münchner ModedesignerInnen Fashion auf und rund um Fahrräder. Rustikales und Urbanes, Krachlederne, High Heels, Trachtenschürze und Fixie harmonierten beim Höhepunkt der Radlschau-Woche jedenfalls prächtig! radlhauptstadt.de

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Alle Jahre wieder treffen sich die RadbotInnen zum internationalen Kräftemessen in Disziplinen wie Gold Sprint, Trackstand, Skid und vor allem Alleycat, der Simulation des stressigen Boten-Alltags: Päckchen abholen und zustellen, Adressen möglichst schnell finden, Lolgistikabläufe planen, während man im Großstadtgewühl zwischen Blechkolonnen durchzischt und den Funksprüchen aus der Zentrale folgt. Multi-Tasking in verschärfter Manier! 2011 finden sowohl die Europa- als auch Weltmeisterschaften der FahrradbotInnen auf dem europäischen Kontinent statt, nämlich in Madrid bzw. Warschau. ecmc2011.com | warsawcarkillers.org

05 NEW YORK RAD FILM FESTIVAL Das International Bicycle Film Festival BFF geht in seine zweite Dekade. Mitte Juni wurde zum elften Mal der Startschuss zum weltumspannenden Fahrradfilmzirkus in New York City abgegeben: Fünf Tage Bike Culture mit Kunstausstellungen, Straßenfest, Eröffnungskonzert und natürlich Filmpremieren am laufenden Band. Danach gastiert das BFF in über 30 Städten weltweit, natürlich auch wieder in Wien, dort mit FünfJahres-Jubiläum! bicyclefilmfestival.com 36

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FOTOS: bff wien, bicyclefilmfestival.com, stadt müncen

04 MADRID & WARSCHAU MESSENGER-MEISTERSCHAFTEN


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am rad der Zeit gekurbelt

Neues aus der elektrowareNabteiluNg: eiN Pedelec, das sich aNfühlt wie eiN fahrrad (getestet), dicke MokassiNs für stadtiNdiaNer uNd eiNe VisioN, wohiN das alles Noch führeN kaNN … text wolfgang rafetseder

fotos lisafail.com, Ktm/mandl, fXX cycles

Cannondale e-SerieS Bicycle Pleasure

Als Cannondale bei den Fahrradmessen des letzten Herbstes sein erstes serienreifes Pedelec präsentierte, gab’s ein großes Staunen und Raunen: Weil zu einer eigenständig-modernen Designsprache gefunden worden war, wegen der Zusammenarbeit mit Bosch bei der Entwicklung des Antriebs, weil die Attitüde der Mountainbikes und Rennräder auch auf die Pedelecs übertragen werden konnte – Cannondale steht für Dynamik und Individualität. Das Test-Pedelec erreichte uns in Damenversion, wurde aber auch von männlichen Redaktionsmitarbeitern und -gästen gerne gefahren: Der Bosch-Antrieb macht natürlich neugierig, und auch als Mann kann man durchaus Gefallen finden am Tiefeinstieg. Zurückgekehrt von der Testrunde, sprudelten ausnahmslos Worte der Begeisterung, darunter Aussagen wie: „Das erste Pedelec, das sich anfühlt wie ein Fahrrad.“ „… mit ausgewogenem Drehmomentverlauf und harmonischer Leistungsentfaltung.“ „Das brauch ich für meine Schwiegermutter, 38

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damit sie endlich mit dem Rad einkaufen fahren kann.“ (Anm. d. Red.: Zwischen dem Wohnort der Dame und dem nächsten Supermarkt stemmen sich gut fünf Kilometer und einige markante Hügel …) Im Gegensatz zu vielen anderen Pedelecs, die mit Nabenmotor (Direktläufer), meist am Hinterrad, ausgestattet sind, handelt es sich beim Bosch-Antrieb um einen Mittelmotor, der direkt am Getriebe ansetzt. Der Vorteil dieser Motorplatzierung liegt im tief liegenden Schwerpunkt in Fahrradmitte (gut für die Fahreigenschaften des Rades). Konstruktionsbedingt entfällt allerdings die Bremswirkung des Motors und demnach auch die Möglichkeit, beim Bergabfahren Energie rückzugewinnen und den Akku auch während der Fahrt aufzuladen. Was wir uns sonst gefallen lassen? Der Akku ist unauffällig-elegant in einer Zwischenetage des Gepäckträgers untergebracht. Die vierstufige Tretkraftunterstützung reicht von „Eco“ bis „Speed“, am Display ist zusätzlich die Reichweite in den einzelnen Stufen ablesbar. Die bekannte Cannondale-„HeadShok“-Federgabel (mittels Drehhebel am Lenker-Vorbau sperr-

bar) erzeugt auch auf ruppigen Wegen angenehmes Fahrgefühl. Die Scheibenbremsen packen kräftig zu.

ktm egnition

Vision & Wirklichkeit

Der österreichische Fahrradhersteller KTM elektrisiert mit dem eGnition die MountainbikeFreeride- und Downhill-Fans: 1.200-Watt-Motor, 88 Stück limitierte Kleinserie, Preis exakt 8.888 Euro. ktm-bikes.at

FXX CyCleS

Urbane Individualität

Sowohl als Serienmodell erhältlich als auch nach Kundenwünschen konfigurierbar ist der „Slowrider“ der jungen deutschen Marke FXX. Die Individualität reicht bis zum Farbdesign nach eigener Kreation. Allen Modellen gemeinsam sind die zum entspannten Cruisen einladenden Ballonreifen. Im Lieferumfang jedes Slowriders ist außerdem ein Fahrradhelm der Kultmarke Nutcase enthalten. fxxcycles.com


Cannondale E-Series Motor

250 W, Bosch

Gewichtsangabe Hersteller

22 kg

Rahmengrößen

45, 50, 55 cm (Damen) 50, 55, 60 cm (Herren)

Spannung

37 V

Akkutyp

Li-ion

Ladedauer

6–7 h

lange Steigungen Fahrt ohne Motor Reichweitenanzeige

Display

Energierückgewinnung

Einschalten

Druckschalter am Akku

Rahmen

Alu

Schaltung

Shimano SLX

Gabel

HeadShok Fatty DL 50 mit Lockout-Funktion

Reifen

Schwalbe Marathon Supr.

Bremsen

Shimano BR-M445, 160 mm

Licht

ja

Sattel

Selle Royal Freccia

Preis (Testversion)

€ 2.799,–

Web

cannondale-e-series.com

Was wir mögen

Fahrrad-Feeling am Pedelec, harmonische Tretkraftunterstützung; integrierter, stabiler Gepäckträger

… und nicht mögen

Fixie-Fahrer mit verächtlichem Blick

KTM eGnition

FXX Cycles

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veloport IN DIESER AUSGABE: RÄDER, MIT DENEN WIR SELBER GERNE REISEN WÜRDEN

HASE LEPUS COMFORT TOUT TERRAIN GRAND ROUTE Klassischer Randonneur mit Rennlenker, der es Langstrecken-FahrerInnen ermöglicht, große Distanzen in sportlichem Tempo zurückzulegen, ohne dabei auf eine komfortable Sitzposition (Geometrie mit relativ kurzem Oberrohr) zu verzichten. Der im hochwertigen Stahlrahmen integrierte Gepäckträger ist für hohe Lasten konzipiert. Zeitgemäß ist die Ausstattung mit Scheibenbremsen. Preis: ab € 2.750,– tout-terrain.de

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Liegedreirad für alle, die bei anderen Rädern Probleme mit dem Aufsteigen haben oder Reisen mit dem Fahrrad zwar hautnah, aber lieber aus der Fernsehsessel-Perspektive erleben möchten. Das Lepus Comfort kann u. a. mit einem Faltverdeck und diversem Reha-Zubehör ausgestattet werden, hat ein praktisches Gepäckabteil im Heck und passt gefaltet in jeden normal dimensionierten Auto-Kofferraum. Preis: ab € 3.690,– hasebikes.com


BIKE FRIDAY NEW WORLD TOURIST MTB CYCLETECH PAPALAGI EXPEDITION Wie der Name schon sagt: Wenn die Radreise den Charakter einer Radexpedition erhält, dann ist dieser Klassiker die erste Wahl. Die Rahmenform selbst ist einfach und vielfach erprobt (die Geometrie einerseits für Gepäckzuladung, andererseits für tagelange Fahrten ausgelegt), die verwendeten Stahlrohre sind von höchster Qualität. 26-Zoll-Räder ermöglichen auch die Verwendung von Mountainbike-Stollenreifen. Preis: ab € 3.899,– mtbcycletech.com

ART: vectorportal.com

Für die große Tour auf kleinen Rädern: Die kleine, feine Fahrrad-Schmiede mit Sitz in Oregon ist spezialisiert auf Falträder, die unter Kennern einen großen Ruf genießen. Das Modell New World Tourist ist mit stabilem Gepäckträger und speziellem Lenker tourenfertig ausgestattet. Ideal für Radreisen mit Zwischenetappen per Bus, Bahn oder Flugzeug. Preis: ca. € 1.400,– bikefriday.com

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OAKLEY FRINGE Die federleichte Damen-Sonnebrille „Fringe“ spielt mit ihrer klassischen Katzenaugen-Form an die 60er an, technisch ist sie auf der Höhe der Zeit. Neben der Basiversion mit umfasender UV-Filterung sind auch polarisierte Gläser und Korrektionsgläser erhältlich. Scharf! Preis: ab € 99,– oakley.com

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DINGE, DIE WIR VIELLEICHT BRAUCHEN UND SICHER MÖGEN

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TOPEAK SURVIVAL GEAR

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Die farbenfrohe Softshelljacke aus der Bench Sport Kollektion bietet die knallige Outfitvariante für den urbanen Fixie-Fahrer. Richtig, auch die Farbvarianten Orange und Türkis sind für den modemutigen Mann konzipiert. Dann noch die dazu passende Deep-V-Felge finden! Preis: € 120,– bench.co.uk

3PMH POLO-SCHLÄGER Bike Polo ist so heiß wie der Sommer! Dazu passen die Schlägerköpfe der deutschen Velopoloisten von 3mph. Die verschieden geformten Typen hören auf coole Namen wie „Gringo“ oder „Barcelona“ und zeichnen sich durch unterschiedliche Ballführungsmöglichkeiten aus. Preis: € 6,50 3pmh.de

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Sestriere 1911 – auf den Spuren des Giro

GIRO RELOADED AM 23. MAI 2011 RADELN 15 HOBBYFAHRER 302 KILOMETER EINMAL QUER DURCHS PIEMONT. DIE SPORTGESCHICHTLICHE EXPEDITION FOLGT DEN SPUREN DER ERSTEN HOCHALPINEN ETAPPE DES GIRO D’ITALIA. EXAKT 100 JAHRE ZUVOR FÜHRTE DIESE VON MONDOVÌ ÜBER SESTRIERE NACH TURIN UND ERSTMALS AUF ÜBER 2.000 HÖHENMETER. EIN FOTOROMAN. text KLAUS PUTZER

fotos STEPHAN SCHÜTZ & RADCORE

Mondovì am Tag vor dem Tag. Der Bürgermeister ist in vollem Ornat angerollt, um die Streckenkärtchen zu stempeln. Damals, vor 100 Jahren, fehlten Zeitnehmung und technische Kontrollen. Abschneider waren an der Tagesordnung. Die Lösung damals: Honoratioren in den Durchgangsorten besiegelten mit ihrer Unterschrift die Durchfahrt der Sportler. Da auch unser Fleisch schwach ist, haben wir örtliche Honoratioren angeschrieben und gebeten, die korrekte Streckenführung offiziell zu bestätigen. Als Dankeschön bekommen sie ein Packerl Mannerschnitten und eine extra produzierte Schneekugel mit goldenem Rennradler drin.

Müde am Start. Das Frühstück war unitalienisch üppig und unmenschlich zeitig. Die ersten paar Kilometer huscht das Peloton durch stockfinstere Nacht. Schwach blinken die roten Rücklichter bei denen, die Voraussicht bewiesen haben. In regelmäßigen Abständen schwebt das Kameraauto vorbei, aus dem Kofferraum lugt das Objektiv. Vogelgezwitscher, das Surren der Laufräder, kurze Panikattacken durch plötzlich auftauchende Schlaglöcher – so steigt die Straße hinauf in die Hügellandschaft vor Alba, die so genannten „Langhe“. Die hier angebauten Weine – Barolo, Barbera, Barbaresco – sind weltberühmt. 44

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Lange Schatten in den „Langhe“. Langsam steigt die Sonne hinterm Horizont herauf. Auf dem Hochplateau sind die Straßen um diese Zeit fast leer. Malerische Aussichten auf die Bergdörfer in den Hügeln tun sich auf. Das Tempo bleibt so gemütlich wie die Stimmung. Das Morgenlicht hat etwas Märchenhaftes, genauso wie die schnelle Abfahrt hinunter zum ersten Zwischenstopp in der Trüffelstadt Alba.


Der frühe Vogel … landet in Alba. Mitten in der werktäglichen Geschäftigkeit des norditalienischen Städtchens labt sich die Meute am italienischen Keks, den die Begleiterinnen vom Besenwagen besorgt haben. Einige gönnen sich den ersten Espresso. Nach 70 Kilometern sind wir ziemlich deutlich hinter dem Zeitplan. Das Tempo war wohl doch zu gemächlich. Was folgt, ist – bei kräftiger werdender Sonne – die verkehrsreiche Po-Ebene zwischen Alba und Pinerolo. Dort erwartet uns der Einstieg in die 50 Kilometer lange Sestriere-Steigung.

Un caffettino! Die vielen Zwischenstopps bei den Bürgermeistern machen Sestriere1911 zur elaboriertesten Kaffeefahrt ever. Sogar das Espressotässchen trägt Tricolore. Man feiert 150 Jahre vereinigtes Königreich Italien. Grüppchenbildung. Die Taktik auf den vielbefahrenen Hauptstraßen der Po-Ebene lautet Grüppchenbildung, damit der Berufsverkehr nicht komplett zum Erlahmen kommt. Die drei jeweils fünfköpfigen Teams tragen die Namen der damaligen Rennfahrer „Petit Breton“, „Corlaita“ und „Galetti“. Das funktioniert perfekt. Die Sonne brennt zwar ganz schön, der Wind weht aber eher von hinten – sehr angenehm. In den Städten Bra, Savigliano, Saluzzo und Pinerolo warten Honoratioren mit Stempeln.

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Auf der Suche nAch der verlorenen Strecke Masterminds und Organisatoren hinter Sestriere 1911 sind Michl Mellauner und Wolfgang Gerlich. Nach Wolfgangs Idee zu einer Wiederholung der ersten Sestriere-Befahrung beim Giro d’Italia galt es, die Originalroute ausfindig zu machen. Das Unterfangen schien zunächst banal. Der Giro, das weltweit wichtigste Etappenrennen nach der Tour de France und ein italienisches Heiligtum, sollte eigentlich gut dokumentiert sein … War es aber nicht. Anders als für die Tour de France existieren keine Aufzeichnungen über die genauen Streckenführungen aus jener Zeit. Die versiertesten Webrechercheure scheiterten an der Aufgabe, im Netz brauchbare Hinweise dazu zu finden. Anfragen bei der „Gazzetta dello Sport“ blieben erfolglos, ebenso Postings in einschlägigen Webforen, Mails an Fachmagazine und der Kauf praktisch jedes verfügbaren einschlägigen Buchs. Sogar ein persönlicher Besuch von Michls italienischsprechende Tochter im Archiv der Gazzetta verlief ergebnislos. Erst eine offizielle Anfrage der österreichischen Nationalbibliothek bei ihrem ita-

lienischen Pendant brachte das Erfolgserlebnis – eine unscharfen Kopie der Gazzetta-Ausgabe vom 23. Mai 1911 und damit die ersehnten Streckeninformationen. Alleine diese Recherche zog sich über drei Monate hin, womit immer klarer wurde, dass vermutlich alle Aspekte dieses Unternehmens epische Ausmaße annehmen würden. Und so kam es dann ja auch. Unterm Strich war die radhistorische Expedition mehr als 17 Stunden unterwegs und damit um fast ein Drittel länger als der damalige Sieger „Betit Breton“.


Leidensberg. Mehr als 50 Kilometer, immer bergauf, bei gefühlten 35 Grad. Das sagt eigentlich schon alles. Bis nach Finestrelle rollt es relativ flach dahin, dann steigt die Straße steil an. Hier kämpft jeder mit sich selbst und seinen inneren Schweinehunden. Einige weniger, einige mehr. Vor 100 Jahren war auch die Straße nach Sestriere, wie überall, eine Schotterpiste. Asphaltfahrbahnen kamen später. Trotzdem schaffte der Sieger damals mit seinem schweren Stahlrahmen einen 27er-Schnitt.

Labe deluxe in Sestriere. Einige können sich nach dem Mörderanstieg kaum vorstellen, wie sie die nächsten 100 Kilometer schaffen sollen, obwohl es nur mehr bergab geht. Aber der Prosciutto, die Melonen, der Parmesan, die gesalzenen Erdnüsse, die Kuchen und Kekse der Luxuslabe geben Kraft. Nach einer schnellen Abfahrt hinunter nach Susa rollen wir durch die Abenddämmerung Richtung Turin. Alles halb so schlimm!

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Am Ziel. Um halb zehn Uhr am Abend hupt und staut es sich auf den EinfallsstraĂ&#x;en der FiatStadt. Dazwischen ein rosaroter Haufen Rennradler. Der Hunger nagt schon gewaltig, die Vorfreude auf ein zivilisiertes italienisches Essen und guten Wein ist groĂ&#x;. Weil der Tisch schon bestellt ist, wird im verschwitzten Radgewand gespeist. Egal, es schmeckt trotzdem genial! Mehr unter sestriere1911.org

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veloart KUNST ZUM THEMA FAHRRAD VON KÜNSTLERINNEN AUF DEM FAHRRAD

FRAU ISA

MYSTISCHE MAGIE

ART: frau isa

Die junge Künstlerin Frau Isa lebt, arbeitet und radelt freischaffend in Wien. Mit ihrer Mischung aus unheimlich-liebevollen Bilderwelten möchte sie vor allem eins: Geschichten erzählen. Märchen aus einem Niemandsland, durch das ein feiner Hauch des Bösen weht, in dem aber dennoch grundsympathische Trolle, Zwerge oder Hexen hausen. Und manchmal auch ein Fahrrad durchrollt. Für Frau Isa bedeutet Radfahren: „Nicht nur von A nach B kommen, sondern auch mal Luft holen und nachdenken. Da kann man schon mal laut singen und die Reaktionen an der Kreuzung genießen!“ Dabei gibt ihr das Gefühl, unabhängig und frei zu sein, Kraft und Energie für vieles: „Da gehört meine Arbeit natürlich auch dazu!“ Kein Märchen ist vollkommen, wenn es nicht ein wenig beängstigend ist, meint sie in Bezug auf ihre visuelle Erzählweise: „Ich zeige die mysteriöse und mystische Seite meiner eigenen Realität. Vogelgeister und perfide Vogelmänner als Begleiter von naiven, puppenhaften Ladies erinnern bitter-süß wie kostbar, vergänglich und flüchtig Jugend und Existenz wirklich sind. Das Verschrobene spiegelt sich auch in der meist gedämpften Farbgebung wieder, aber auch das Leichte, Witzige und Sorgenfreie findet Platz in meinen Bildern.“ Ihre velophile Botschaft an velosophie-LeserInnen: „Ich zitiere meinen Fahrrad-Bauer: Being hip is not enough!“ frau-isa.tumblr.com | maedi-evil-art.com

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