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Mit Jan Kath in Kathmandu

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Vor über 20 Jahren wurde ein junger Typ aus Bochum in der nepalesischen Hauptstadt durch Zufall zum Designer. Eine Reise zu den Anfängen – und den Teppichen von morgen

TEXT SIMONE KNAUSS

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SONNENDECK In dieser Fertigungsstätte – einer von insgesamt 20 nepalesischen von Jan Kath – werden Garne gefärbt und Teppiche gewaschen. Zum Trocknen geht’s aufs Dach

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1 FEINARBEIT Die dreidimensionalen Muster werden millimetergenau mit der Schere nachgearbeitet 2 OMMMM Der finale Feinschliff erfordert viel Geduld und wird hauptsächlich von Indern ausgeführt 3 SEILSCHAFTEN Tibetische Hochlandwolle, chinesische Seide und nepalesische Brennnessel werden separat von Hand gesponnen, gefärbt und zu Garn aufgewickelt 4 WASCHTAG Wasser und Holzschaber lassen die Farben leuchten und geben den Teppichen ihren typischen Look

Jan Kath rumpelt durch den Monsunregen. Eine Hand lässig aufs Lenkrad seines Geländewagens gelegt, umkurvt er Schlaglöcher, schlängelt sich hupend durch den Berufs verkehr, weicht Motorrädern, Hunden und einer Kuh aus. Seit er mit Anfang 20 nach Reisen durch Asien und Indien das erste Mal hier ankam, fühlt sich der heute 46 jährige Bochumer in der nepalesischen Hauptstadt wie zu Hause. Jan Kath in Kathmandu – das klingt ja auch schon fast nach Schicksal. Dass er dort zum Teppichdesigner wurde, war allerdings reiner Zufall, denn der Spross einer Teppichhändler Familie wollte nie ins elterliche Business einsteigen. „Dann traf ich hier auf der Stra ße einen Geschäftsfreund meines Vaters. Er bot mir einen Job an – und weil ich pleite war und nicht zurück nach Hause wollte, sagte ich zu“, erinnert sich Jan Kath. Zu nächst arbeitete er in der Qualitätskontrolle und übernahm 1996 die ganze Knüpferei, als sich sein Chef zur Ruhe setzte. Weil das Geld für einen Designer fehlte, entwarf er seine Teppiche einfach selbst.

„Hier habe ich damals gewohnt“, sagt er und zeigt auf ein verwinkeltes Haus, das sich an die steile Straße duckt. Oben auf dem Berg befindet sich eine der Sehens würdigkeiten der Stadt – und einer von Jan Kaths Lieblingsorten: Swayambhunath, der „Affentempel“, der wie viele Gebäude Kathmandus beim großen Erdbeben im Jahr 2015 stark beschädigt wurde. Überall wird noch heute emsig gemauert, gehämmert und wieder aufgebaut, die Stadt wächst kontinuierlich. „Mein Arbeitsweg führte früher an Reisfeldern vorbei, da stehen jetzt überall Häuser“, erzählt er und zeigt vom Tempel zum Stadtrand im Westen.

Auch Gebäude von Jan Kath wurden damals vom Erdbeben durchgeschüttelt – mit ein Grund, warum er das Headquarter gerade erdbebensicher neu baut. „Wenn man von handgefertigten Teppichen spricht, haben die meisten ein romanti sches Bild im Kopf von Frauen, die zu

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1 TEAMWORK Pro Teppich arbeiten immer mehrere Knüpfer parallel – an einem 250x300 cm großen Stück bis zu vier Monate lang 2 VORBILD Ein Computerprogramm wandelt die Designs in ein gepixeltes Bild, den „Graphen“, um; jeder Pixel steht für einen Knoten 3 FARBBAD An das Garn kommen nur Wasser und hochwertige, umweltverträgliche Farben aus der Schweiz

Hause zwischen spielenden Kindern und herumpickenden Hühnern an ihren Web stühlchen sitzen – das ist bei uns nicht so. Ich möchte meinen Leuten nicht nur eine faire Bezahlung, sondern auch beste Arbeitsbedingungen bieten, und das geht nur in Räumen mit geradem Boden, stabilen Webstühlen, ausreichend Licht und Luft, ärztlicher Betreuung und einem Kinder garten. Und nur so kann ich wiederum meinen Kunden höchste Qualität garantieren – da bin ich konservativ.“

Alles andere als konservativ sind dage gen die Teppiche von Jan Kath. Selbst wenn sich der Designer immer wieder auch von traditionellen Mustern inspirieren lässt, schafft er es, sie ins Hier und Jetzt zu holen, sie zu verfremden, sie wie abgeblättert wirken oder teilweise von anderen Mustern überwuchern zu lassen. „Das Perfekte und Glatte langweilt unser Auge“, ist Jan Kath überzeugt. Und genau das macht für ihn auch die Faszination handgefertigter Teppiche aus: „Natürlich streben unsere Knüpfer nach Perfektion, aber bei handverarbeiteten Naturmaterialien kann es immer zu Unregelmäßigkeiten kommen. Gerade das erzeugt eine besondere Tiefe im Design.“ Aus demselben Grund findet man in seinen Kollektionen keine reinen Seidenteppiche, vielmehr sind die weichen, schimmernden Fäden des edlen Materials durchsetzt von solchen aus Wolle und Brennnessel, die dem Teppich eine leben dige Optik und Haptik verleihen.

Wie Jan Kath selbst wohnt? So, wie er Auto fährt: wie ein Einheimischer, aller dings nicht in Kathmandu. „Ich bin viel unterwegs und oft im Hauptsitz in Bochum, aber eigentlich lebe ich mit meiner Frau in Thailand. Wir haben kaum Möbel – dafür aber einen riesigen Teppich.“ Seit über 20 Jahren gut im Geschäft: Teppichdesigner Jan Kath

DAS LABEL 1996 als Jan Kath Design mit Hauptsitz in Bochum gegründet, produziert das Teppichlabel außer in Nepal auch in Indien, Marokko und Thailand und arbeitet dabei eng mit der Schweizer NGO Step zusammen, das sich für fairen Handel, faire Löhne, gute Arbeitsbedingungen und gegen Kinderarbeit einsetzt. Bekannt wurde Jan Kath mit seinen auffälligen und ungewöhnlichen Kollektionen, deren Designs sich der Kunde in einem der mittlerweile zehn internationalen Stores und Showrooms in Größe, Farb- und Materialkombination individuell zusammenstellen kann. Weiteres Standbein sind handgetuftete Teppiche für exklusive Großprojekte; außerdem stellt Jan Kath sogenannte „White Label“-Kollektionen für andere Marken her. (jan-kath.de)

Tolle Farben, ungewöhnliche Optik: „Erased Heritage“ und „Artwork 24“ (u.), ab ca. 2000 Euro pro m2

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