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Zusammenleben Anne Zuber

ER SAMMELT, SIE LEIDET ZUSAMMENLEBEN

Manche Fragen des Wohnens gehen über die Wahl der richtigen Couch hinaus und direkt ans Eingemachte. Zum Beispiel: „Wie viel Platz darf das Hobby meines Mannes in der gemeinsamen Wohnung beanspruchen?“

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Mein Mann sammelt Schallplatten. Große Teile unserer Wände sind bereits mit Regalen belegt, und es werden immer mehr. Ich habe nichts gegen Musik, aber langsam komme ich mir vor wie in dem Märchen von dem Brei, der nicht mehr aufhört, aus dem Topf zu quillen, und erst die Küche, dann das Haus und schließlich die Straße überflutet. Wie kann ich verhindern, dass wir in Vinyl ersticken?“ JUDITH S. AUS WETZLAR Auch wenn Sie beim Lesen dieser Ausgabe (mit dem großen Titelthema „Neuanfang für Ihr Zuhause“) vielleicht das Gefühl bekommen haben, wir hätten hier etwas gegen das Anhäufen von Dingen: nein, nein, nein. Eine Sammlung ist eine großartige Sache. Vor allem fürs Gemüt (zur Wohnung kommen wir später), denn Sammeln macht glücklich. Bei jedem Stück, das eine klaf fende Lücke schließt, jubelt der Jagdtrieb und lässt Endorphine regnen. Außerdem lernt man eine Menge beim Sammeln. Man bohrt sich in ein Thema hinein, versteht Zusammenhänge und häuft Wissen an. Mit diesem Wissen adelt man die Dinge, die zur Sammlung gehören, sie werden aus dem Kreislauf unserer Weg werfgesellschaft befreit und in einen Zusammenhang katapultiert, in dem sie größere Bedeutung bekommen. Womit wir bei der Wohnung angekommen wären, denn diese Dinge brauchen Platz. Da die wenigsten Menschen über die Mittel verfügen, sich ein eigenes Museum zu bauen, landen sie zu Hause. Was der Besitzer in der Regel gar nicht schlimm findet, denn so hat er seine Schätze immer in der Nähe. Nur wohnt Ihr Mann aber nicht allein, sondern lebt zusammen mit Ihnen in einer Wohnung. Die Frage ist also, wie man individuelle Bedürfnisse und Vorlieben mit der Tatsache verheiratet, dass man Räume gemeinsam nutzt. Theoretisch könnte man jetzt den Taschenrechner zücken, berechnen, wie viele Quadratmeter jedem zur Verfügung stehen, und festlegen, wie viel Wandfläche jeder bekommt. Er könnte seine mit Platten zustellen, Sie könnten Ihre freie Fläche genießen. Nur würde das Ergebnis Sie wahrscheinlich nicht zufriedenstellen, weil bei dieser Rechnerei ein entscheidender Faktor nicht einkalkuliert ist: Sie sind ja zusammengezogen, weil Sie sich ein gemeinsames Zuhause gewünscht haben. Und das entsteht nicht durch gerechtes Kombinieren individueller Vorstellungen, sondern durch gemeinsam getroffene Entscheidungen. Dazu müssen Sie verhandeln, sich austauschen, Bedürfnisse formulieren und um eine Lösung rin gen, mit der Sie beide glücklich werden können und für die es keine Formel gibt. Was den Prozess anstrengend macht, aber ich fürchte, es ist die Basis dafür, dass sich am Ende beide wohlfüh len. Möglicherweise gibt es Paare, die das nicht nötig haben, weil sie prinzipiell in allem der gleichen Meinung sind. Denen entgeht aber die Chance, den anderen wieder etwas besser zu verstehen, sich ihm gegenüber großzügig zu zeigen oder seine Rücksicht zu spüren. Und der Wohnung tut es auch gut. Wenn sich in ihr zwei unterschiedliche Persönlichkeiten spiegeln, ist sie auf jeden Fall spannender als die von eineiigen Zwillingen. ANNE ZUBER ILLUSTRATION RALF NIETMANN

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