verbale #02

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Ausgabe 02/2011

Schutzgebühr € 2,00

ISSN 2219-942X

Bernhard Witsch

Metallmorphosen

magazin

für

kreativität

kunst

und

kultur


ART-Direktorin Johanna Penz 足untersagt das Bespielen dieser Skulptur des 足Metallbildhauers Bernhard Witsch auf der ART 2011 und

足 ertritt in einer Facebook-Disv kussion das Recht einer Kunstmesse auf Zensur von Kunst. Mehr dazu auf Seite 04


Inhalt

03 Inhalt

verbale magazine / Inhaltsverzeichnis / Impressum

Herausgeber Verein verbale, ZVR 662286396, Perthaler Gasse 15/2, 6020 Innsbruck, Österreich, Telefon: +43 681 10677574 Email: office@verbale.org Internet: http://www.verbale.org Inhaber Florian Tschörner Rainalter (49%)

(51%),

Georg

04 Editorial wort

Am Anfang steht immer noch das Wort...

bild

09 Paul Fülöp

Anzeigenannahme Email: werben@verbale.org Phone: +43 681 10677574

Poesie des Lebens

10 Dröhnen in den Ohren Die Mystik des Geräuschs

14 Metallmorphosen Bernhard Witsch im Interview

22 Kurtág‘s Geister Ein Essen mit Marino Formenti

28 Timetable

30 Op Art meets Camera obscura

Jubiläums-Sonderschau der ART Innsbruck 2011

Fokus

Position

Der Veranstaltungskalender

magazin

Mediadaten und Anzeigenpreise Es gelten die unter der Adresse www.verbale.org/media veröffentlichten Mediadaten und Anzeigenpreise zu den unter www.verbale. veröffentlichten org/tradingterms Geschäftsbedingungen.

Ausschreibung des Kunstwettbewerbs

Martin F. Lechleitner im Interview

Unternehmenssgegenstand Herstellung, Verlag und Vertrieb von Medien aller Art unter dem Label verbale. Rechtevorbehalt Nachdruck, Vervielfältigung und Verbreitung sowie die Übernahme von Beiträgen iSd § 44 Abs 1 und 2 UrhG werden gemäß § 44 Abs. 1 zweiter Satz UrhG ausdrücklich verboten. Alle Urheber- und Verwertungsrechte bleiben vorbehalten. Die mit dem Namen des Verfassers gekennzeichneten Artikel stellen nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers und der Redaktion dar. Bei Einsendungen von Artikeln und Fotomaterial an die Redaktion wird das Einverständnis zur Veröffentlichung vorausgesetzt. Der Herausgeber übernimmt keine Gewähr für eingesandtes Redaktions- und Bildmaterial. Termine und Ausschreibungen werden nach Ermessen gewissenhaft, jedoch ohne Gewähr veröffentlicht.

05 The Process behind

06 Ein Hauch Übertreibung

klang

Grundlegende Ausrichtung Das verbale magazin versteht sich als Magazin für Kreativität, Kunst und Kultur und bietet Kunstschaffenden und Kulturtreibenden den notwendigen medialen Raum, welchen andere Medien nicht im benötigten Ausmaß einräumen können oder wollen. Ziel des verbale magazin ist es, den Zugang zu Kunst zu erleichtern. Es spricht ein breites Publikum an und weckt das Interesse an den Themen Kreativität, Kunst und Kultur auch bei nicht kulturaffinen Lesern. Der Kunstschaffende als Mensch steht im Mittelpunkt, wird nach seiner Motivation und Arbeitsweise gefragt und sein kreatives Schaffen auf eine sehr nahe gehende, persönliche Weise beleuchtet. Auf einen elitären Anspruch wird dabei bewußt verzichtet. Als ideologisches Ziel werden die kulturelle Identität und Selbstwahrnehmung innerhalb eines europäischen Kulturverständnisses gestärkt, beeinflusst und weiter entwickelt.

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Editorial

Im Westen viel neues Aufregendes

von der

Kultur-Front

Der Januar war ein Monat des Abschieds! Innsbruck musste sich von Hilde Zach, seiner ehemaligen Bürgermeisterin, verabschieden - mit ganz großem Bahnhof. Hat sie sich auch verdient, ehrlich gesagt. Auch, wenn die resolute Geschäftsfrau sich gleich zu Beginn ihre politischen Karriere Mitte der 1990er Jahre aufgrund radikalster Subventionskürzungen nicht wirklich Freunde in der Kulturszene machte. Ob die „Wilde Hilde“ damit einen Auftakt gesetzt hat oder nicht, ist nebensächlich - es wurde auch nach ihrer impulsiven und lebhaften Regentschaft definitiv nicht besser! Die öffentliche Unterstützung für Kunst und Kultur abseits des Mainstream leidet an Magersucht. Wir wollen den ohnehin schwer angeschlagenen SubventionsZustand (und es ist ein Zustand!) nicht zusätzlich strapazieren und sind noch immer guter Hoffnung, in der Wirtschaft Gönner und Sponsoren zu finden. Doch wie es derzeit aussieht, werden wir uns von dieser Vision verabschieden und in Zukunft auf die Gunst unserer Leser hoffen müssen. Die können ja immer noch Förder-Mitglieder werden (siehe S.29)... Und von noch etwas scheinen wir dieser Tage Abschied nehmen zu müssen: der Freiheit der Kunst nämlich. Zumindest nach dem Willen von Johanna Penz, Gründerin und Direktorin der ART Innsbruck. Der geht nämlich die jüngste Arbeit des Metallbildhauers Bernhard Witsch ganz schön gegen den Strich. Wir widmen dem Künstler in dieser Ausgabe viel Platz - das ist seit Wochen beschlossene Sache, auch weil ihm das verbale forum, unsere Basisstation in der Innstrasse 55/St. Nikolaus in Innsbruck, vom 11.02.

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bis 09.03.2011 eine Ausstellung widmet. Brisanz bekommt die Sache nun dank einer Facebook-Kommentar-Schlacht vor wenigen Tagen. In den Kommentaren zu einer Abbildung von WITSCHs „Bass Woman“, einer akustischen Skulptur aus Stahl in Form der Silhouette eines weiblichen Körpers, bekennt sich Johanna Penz eindeutig zur Zensur von Kunst! In einer persönlichen Email an den Künstler legt sie diesem sogar nahe, das Werk nicht auf der ART 2011 zu zeigen, untersagt jedenfalls das Bespielen der Skulptur durch den Musiker Harry Triendl! Dass Tirol seit jeher erzkonservativ und Neuem gegenüber wenig aufgeschlossen ist, wissen wir, seit Andreas Hofer die Bayern und mit ihnen Aufklärung und Reformen aus dem Land geprügelt hat. Aber dass eine Tiroler Kunstmesse – die einen internationalen Anspruch hat – einem Künstlen Grenzen ziehen will, ist zumindest diskussionswürdig. Diese Diskussion wollen wir anstossen, und hoffen, Johanna Penz, Harry Triendl und Bernhard Witsch dazu an einen Tisch zu bekommen. Die Kunstszene kann und muss von solchen Auseinandersetzungen ja nur profitieren. Wir werden jedenfalls in unserer März-Ausgabe ausführlich berichten.

Herzlichst,

Florian Tschörner Gründungsherausgeber


Ausschreibung

W

ie erschafft sich Kunst? Ist Kunst die Idee, die dahinter stehthinter der wahrnehmbaren Ästhetik? Beeinflusst es das Endergebnis, wenn ein Kunstwerk, während des Erschaffungsprozesses gewissen Energien, Situationen oder Szenen ausgesetzt ist? Wie läuft bei dir der Kreative Erschaffungsprozess ab? Eine der interessantesten Fragen an Künstlern ist immer: wie entstehen Ihre Werke? Wann und wie passiert die Idee bzw. die Kunst? Wie führen sie dies aus? Geben sie sich einfach nur hin oder haben sie ein fixes Konzept nach dem sie sich halten? Welche Schritte durchläuft das Exponat bzw. der Künstler bis es als vollendet gilt?

D

ie Artsonauts kombinieren eine professionelle Kunstgalerie mit einer „wohnzimmerartigen Atmosphäre“ und stimmungsvoller Musik, sodass die Auseinandersetzung mit Kunst ganz leger passiert! Es geht nicht darum, Geheimnisse zu verraten, sondern darum, die Komplexität und die Tiefe des Künstlerischen Denkens zu zeigen. Kunst wird schließlich als „Schwester der Wissenschaft“ bezeichnet! Das Ausstellungskonzept verspricht eine neuartige Dimension der Kunstrezeption! Artsonauts präsentieren und dokumentieren den kreativen Prozess den Erschaffung von Kunst! Unabhängig von der Ausdrucksform sind einfach Konzepte und Ideengänge willkommen: auf diese wird sogar das Hauptaugenmerk gelegt! Es können also auch Konzepte noch nicht verwirklichter beziehungsweise in Ausarbeitung befindliche Arbeiten ausgestellt oder aufgeführt werden!

THE PROCESS BEHIND Kunstwettbewerb

Ausschreibung der Galerie der Artsonauts in Kramsach, Achenrain, Siag Gewerbpark

Sende uns bis 15.03.2011 Fotos, Dokumentationen und ein Konzept, wie du dich präsentieren möchtest inklusive einer Beschreibung deiner Arbeit und ein künstlerisches CV! Wir freuen uns auf eure Einsendungen! Teilnahmeberechtigt sind bis 1975 in Europa geborene KünstlerInnen. Aus den Einsendungen werden neben fixen Einladungen ca. 7-10 Künstler ausgewählt, um am 23.04-30.04 in den Galerieräumen der Artsonauts in Kramsach/Tirol auszustellen! Aussteller zahlen 60 €, dies inkludiert eine Jahresmitgliedschaft des Kunst- und Kulturvereins Artsonauts (ein Jahr lang diverse Ermäßigungen bei unterschiedlichen Veranstaltungen) Kontakt: Mina S. Ruprechter mina.s.ruprechter@gmx.at Tel.: 0043 660 6543415

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Martin F. Lechleitner

Ein Hauch übertreibung

Martin F. Lechleitner

Unverbraucht und frisch präsentierte sich der junge Landecker Künstler Martin F. Lechleitner zuletzt in der Innsbrucker Galerie Kass. Text: Christoph Tauber, Fotos: Martin Lechleitner

An wen wendest Du Dich mit Deinen Arbeiten? Wer ist Dein Zielpublikum? Ich möchte mit meiner Kunst Persönlichkeiten ­aller Altersgruppen ansprechen, die offen sind für alle Arten von Kunst, sei es Fotografie, Skulpturen, Malerei, Lebensstil, oder Inszenierung. Jung, dynamisch, erfrischend, inspirierend, klassisch, vielleicht einen Hauch übertrieben, ausgeflippt - alle sollen sich angesprochen fühlen.

Du hast schon vieles ausprobiert. Womit beschäf-

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tigst Du Dich heute in Deiner Kunst? Gemalt habe ich eigentlich immer, schon mit 10. Ich wollte mich schon immer mit Körpern, mit Gesichtern, mit Ausdrücken befassen, mit ganz individuellen Persönlichkeiten. Diese wollte ich verzerren, um daraus Neues entstehen zu lassen. Das ist mir gelungen, indem ich angefangen habe, mit Gipsabdrücken zu arbeiten.

Erkennen sich die Personen, von denen Du Abdrücke machst, in den Resulta-

ten Deiner Arbeit wieder? Nein, sie haben sich alle nicht wiedererkannt! Es ist zwar dasselbe Gesicht und der gleiche Ausdruck, aber es ist immer ganz interessant, wie die Leute reagieren: „So sehe ich mich nicht! Warum hast du mich so gesehen?“

Hast Du manchmal auch Angst vor den Reaktionen? Zum Beispiel bei Deiner letzten, bisher größten Ausstellung? Ja, aber das ist egal. Ich habe mir aber nicht ge-


Martin F. Lechleitner

dacht, dass meine Kunst so gut ankommt! Ich bin immer von meiner Leidenschaft, etwas darzustellen, zu entwickeln, ausgegangen. Das versuche ich auch mit Fotografie umzusetzen. Im Sommer habe ich meine erste Fashion-Show gemacht. Wie ich normalerweise meine Skulpturen bemale, so habe ich hier Menschen bemalt. Bei dieser Performing Art ist alles verbunden: die Skulpturen, die Menschen, die Malerei, die Fotografie und die Mode. Alles in eine Ausstellung verpackt.

Was war Dein Antrieb in der ganzen Zeit? Es ist nicht so, dass jeder meine Kunst versteht. Mein Antrieb war eigentlich immer nur der Spaß, und der Wunsch, mich irgendwie selbst zu verwirklichen. Ich bin nie allein, ich allein kann meine Arbeit gar nicht machen. Ich brauche Menschen, ich brauche Andere dazu. Meine Kunst funktioniert nur, glaube ich, wenn ich alles an Persönlichkeiten, an Lebensstilen, Formen, Farben und Gedanken vereine.

Deine Bilder spiegeln pure Lebensfreude. Gibt es bei Dir auch eine andere Seite, eine „dunklere“ Seite? Tirol ist ja sehr konservativ und ich versuche immer wieder kritischere Themen zu behandeln. Und weil in Tirol so viel verpönt ist, versuche ich immer wieder, ein paar solcher Dinge in meine Kunst zu verpacken. Ich will damit nicht provozieren, aber ich will den Leuten vor Augen halten: „Schaut, es ist ja nicht so schlimm!“ Ich habe zum Beispiel eine stillende Mutter dargestellt, weil ich mitbekommen habe, dass diese in der Öffentlichkeit oft komische Blicke ein-

fangen. Genauso verpönt ist Homosexualität. Aber warum soll ich mich in meinem Schneckenhaus zurückziehen und als Eremit leben, wenn das Leben eigentlich so viel Spaß macht?

dass ich mich immer wieder neu entdecke und dass ich immer wieder eine Seite an mir finde, wo ich sage: Wow, das ist auch wieder was, wo du was draus machen kannst.

Hat Deine Homosexualität auch etwas mit Deiner Kunst zu tun?

Du sprühst vor Energie. Gibt es auch Momente, in denen Du einfach nur müde bist?

Bestimmt. Ich habe mit meiner Homosexualität nie ein Problem gehabt und werde nie eines haben, aber die Gesellschaft hat es ja immer wieder. Ich bin ja sehr offen, und das überträgt sich auch auf meine Kunst.

Im vergangenen Jahr hast Du ja einige Ausstellungen gemacht. Hast Du schon neue Projekte im Kopf? Meine Fotoausstellung im Februar handelt von Geschlechterrollen. Da beschäftige ich mich sehr stark mit den Gegensätzen zwischen Frau und Mann, mit der Sexualität. Sind wir wirklich Hetero, sind wir wirklich Bisexuell? Wie ist unsere Sexualität wirklich? Wie viel Mann steckt in einer Frau, wie viel Frau steckt im Mann?

Was ist Seite?

Deine

feminine

Es ist praktisch, dass ich schwul bin. So kann ich mich in beide hineinfühlen, Ich kann mich in eine Frau, aber genauso in einen Mann hineinfühlen.

Geschlechterrollen. Gesellschaftliche Rollen. Wenn Du jetzt die Rolle wechseln und Dich modellieren würdest, was käme dabei heraus? Das wäre wahrscheinlich ein endloses Spiel, weil ich so wandelbar bin. Vielleicht hängt das damit zusammen,

Selten. Es vergeht kaum ein Moment, in dem ich nichts mache. Ich habe sehr oft meinen Skizzenblock oder meine Kamera mit. Wenn es wirklich mal Zeiten gibt, in denen ich den Pinsel aus der Hand lege und mir sage, jetzt mag ich nicht mehr, dann mache ich doch irgendwie weiter, indem ich Bücher lese oder mir die Kunst Anderer anschaue.

Wo ziehst Du Dich dann zurück? Zur Zeit ist es die Bahnstrecke zwischen Landeck und Innsbruck. Ich fühle mich in Zügen aus dem Grund wohl, weil sie mich von A nach B bringen. Nicht nur körperlich, sondern auch in meinen Gedanken.

In Deinen ersten Werken hast Du Dich mit den sieben Todsünden auseinander gesetzt. Was war das Faszinierende daran? Das ist auch so ein Thema, bei dem sich die Meisten nach Verboten und Geboten richten. Wenn man die sieben Todsünden betrachtet, dann sind sie eigentlich nicht schlimm. Wollust, das ist doch etwas Schönes. Oder Völlerei, das ist doch auch Lebensgefühl. Ich habe etwas Positives daraus gemacht. Zu viele Leute sind nicht sie selbst, weil sie zu sehr nach Regeln leben und aus Angst nicht machen, was sie eigentlich wollen.

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Martin F. Lechleitner

Dabei würden sie feststellen, dass es ihnen gut tun würde, etwas auszuprobieren!

Was sagst Du Jenen, die sich nicht trauen?

Programm

02/2011

Ich kann da nur sagen: Macht es! Wenn es die Gesellschaft akzeptiert: Gut. Wenn nicht, macht es trotzdem! In der Kunst geht es nicht darum, was in irgendein ein Zimmer passt oder was sich verkaufen lässt, sondern was bewegt! (ct)

Bernhard witsch Metallmorphosen

Ausstellung vom 11.02. - 09.03.2011 Vernissage 11.02.2011, 19:00 Uhr 04.02.2011, 19:00 Uhr

Musick

Drone & Noise Hörerlebnisse mit Markus Stegmayr und René Nuderscher Eintritt frei, Spenden erbeten!

18.02.2011, 19:00 Uhr

Paul Fülöp

Szenische Lesung Mit seiner Poesie zieht Paul Fülöp verbale Kreise im verbale forum

Eintritt frei, Spenden erbeten!

25.02.2011, 19:00 Uhr

Haschisch

Filmabend / Diskussion Eine berauschende Dokumentation von Daniel Gräbner Eintritt frei, Spenden erbeten!

vom Metropol / Innkeller 300m Richtung St. Nikolaus schräg gegenüber M-Preis Das verbale forum in St. Nikolaus, dem ältesten Stadtteil von Innsbruck, versteht sich als Ort der ­kreativen Begegnung und des künstlerischen Austauschs. Im Mittelpunkt steht das Schaffen ­junger Künstler aller Ausdrucksformen. ­Ausstellungen, Lesungen, ­Konzerte und Performances bieten ein abwechslungsreiches Kulturprogramm. Geöffnet

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DI

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SA

ab

15:00

Uhr

verbale forum Innstrass 55, 6020 Innsbruck www.verbale.org | forum@verbale.org


Paul Fülöp

Paul Fülöp Poesie

des lebens

Paul Fülöp, geboren 1945 in ­Bischofshofen/ Salzburg, hat in seinem Leben viele persönliche Erfahrungen mit dem Tod machen müssen und befand sich selbst zwei Mal an der Grenze zwischen Leben und Tod. Foto: Harry Triendl

M

otive und Inhalte seiner Poesie und literarischen Arbeiten erwachsen aus seiner Lebensgeschichte und der intensiven Beschäftigung mit den Phänomenen Geburt und Leben, Sterben und Tod, Schöpfung und Kosmos. Er betrachtet deren verschiedenartigen Einflüsse auf Beziehungen, Arbeitswelt, Freizeit, Wirtschaft, Politik und Kirche - auf unsere Lebensweise und -kultur.

In der Schale der Poesie finden sich reiche Emotionen: Sorgen, Mühsal, Abschied und Trauer, getragen und bereit zur Verwandlung und Erlösung durch Ankunft, Freude, Fröhlichkeit und Liebe. Wir erfahren Zeit und Vergänglichkeit, wir erleben Zeitlosigkeit und Ewigkeit. Gedanken der Stille, Gefühle der Versöhnung, Bilder des Friedens im Zusammenleben. Die Poesie führt uns in persönlicher Klarheit in das Wagnis unserer Beziehungen - einer Beziehung zu „Gott, Natur und Mensch“. Wir SIND Poesie - wir erblühen im Licht unserer Freude und Schöpfungsliebe. PAUL FÜLÖP veranstaltet Lesungen überall dort, wo sich Menschen aufhalten - mit einer besonderen Vorliebe für Friedhöfe. Diese stellen für ihn einen besonders sen-

siblen Ort für Lesungen dar. Hier nicht von „Tod und Sterben“ im herkömmlichen Sinn zu sprechen, sondern im Sinne von „Leben“ ist ihm eine große Herausforderung. „Das Thema Tod ist nach wie vor weitgehend tabuisiert. Dem Tod zu einer Befreiung aus seiner Tabuisierung zu verhelfen, und damit die Menschen in ihrer Orientierungslosigkeit und Vereinsamung zu mehr Lebensfreude zu führen, ist Motivation und Absicht meiner Lesungen“, erläutert der Philosoph und Poet PAUL FÜLÖP. Dass ihm dies mit seiner Literatur gelingt, beweist die Tatsache, dass diese FriedhofsLesungen seit 2007 zwei mal jährlich stattfinden. Doch auch Wanderlesungen und die Inszenierung von Lyrik, Erzählungen und kurzen Geschichten, begleitet von Musik, Tanz und Pantomime, sind eine Spezialität von PAUL FÜLÖP.

Verbale Kreise - Poesie des Lebens 18.02.2010, 19:00 Uhr verbale forum, Innstrasse 55, Innsbruck Der Eintritt ist frei, Spenden erbeten.

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Musick

Wer seichte Unterhaltung sucht, stürzt sich bald über Bord, wenn MARKUS STEGMAYR und RENÉ NUDERSCHER zu einer Kreuzfahrt an den Rand der musikalischen Welt einladen. Denn was die beiden DJs in nächtelangen Recherchen aus den Untiefen abseits des Mainstreams fischen, überrollt das populärmusik-verwöhnte Ohr, das gewöhnlich gedankenlos im Ö3-Teich vor sich hin dümpelt, wie ein akustischer Tsunami. Das wenig party-taugliche Spezialgebiet des Duos ist „Noise“ - ein Genre, das bewusst mit der Auflösung von musiktheoretischen Normen und Strukturen spielt und austestet, was knapp an der Grenze zu reinem Lärm gerade noch möglich ist. Da können Tanzbein und Aufriss-Spruch getrost hinterm Ofen rosten.

Denn Noise ist keine Musik, die Kommunikation und soziale Kontakte fördert. Vielmehr fordert Noise die Besinnung auf sich selbst und die Konzentration auf die eigenen Empfindungen. Eine ganzheitliche Erfahrung von Sound steht im Vordergrund. Die gemeinsame Begeisterung für Noise und Drone lernten STEGMAYR und NUDERSCHER auf dem „Elevate Festival“ kennen. Seitdem lässt sie diese Musikrichtung nicht mehr los. Bis Ende des Jahres 2010 präsentierten sie in der Innsbrucker Alternativ-Kellerdisco „Prometheus“ einmal monatlich einen repräsentativen Querschnitt ihrer Recherchen. Dabei beschränkten sie sich nicht ausschließlich auf Drone und Noise, sondern experimentierten mit Ambient-Parts und expandierten in

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Musick

Richtung Neue Musik und Avantgarde. Mit ihrem Projekt „musick“ möchten sie gerne auch weiterhin die Tiroler Kulturlandschaft bereichern, auch wenn die Szene im Vergleich zu zum Beispiel Graz hierzulande verschwindend klein ist. Dabei präsentieren STEGMAYR und NUDERSCHER „historisch“ betrachtet eigentlich im Westen nichts Neues! Bereits zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts ließ sich der italienische Maler und Komponist Luigi Russolo (1885-1947) von der Geräuschkulisse moderner Städte und Maschinen inspirieren und experimentierte mit geräuscherzeugenden Apparaten. Auch die sogenannte „Neue Musik“ spielte neben der Auflösung musiktheoretischer Regeln und Strukturen mit dem Geräusch

Dröhnen in den ohren Die Mystik

des

Geräuschs

als musikalisches Element. In diesem Zusammenhang sollten Karlheinz Stockhausen (1928-2007), Pierre Boulez (*1925), Luigi Nono (1924-1990) und Iannis Xenakis (1922-2001) genannt werden, Und so erschütternd und irritierend für in der Klassischen Musik Verhaftete deren Kompositionen wirken, so verstören und schockieren auch Noise und Drone jene Hörer, die sich nicht auf das Abenteuer einlassen, Musik auch körperlich zu erfahren. Doch genau um diese Körperlichkeit und intuitive Sinnlichkeit des Noise geht es MARKUS STEGMAYR, der das Publikum einladen möchte, sich ganz auf das Hören einzulassen. Und das Fühlen, ergänzt RENÉ NUDERSCHER. Lautstärke und satte Bässe spielen eine wichtige Rolle.

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Musick

Der Japaner MASIMA AKITA, der unter dem Pseudonym „Merzbow“ als einer der Pioniere des Noise gilt, wurde bei einem seiner Auftritte mit einem startenden D ­ üsenjet verglichen. Das Trommelfell ­strapazierende Dezibelwerte sind aber nicht Voraussetzung! Wichtiger ist die Qualität des technischen Equipments zur Wiedergabe, denn Noise lebt vor allem durch das breite Spektrum an Ober- und Untertönen, also den Grundton ergänzenden und für das Klangvolumen verantwortlichen natürlichen Schwingungen. Diese machen auch die Faszination der aus der Mongolei stammenden Kehlkopfgesänge (Khoomei) oder der von Stockhausen eingesetzten Oberton-Gesänge aus, die wie Noise ihre volle meditative Wirkung über handelsübliche Wiedergabegeräte nur

Musick 04.02.2010, 19:00 Uhr Markus Stegmayr und René Nuderscher zu Gast im verbale forum, Innstrasse 55, Innsbruck Eintritt frei, Spenden erbeten.

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schwer entfalten können. Die Mystik und das fast Pastorale des Noise mögen ein Grund sein, warum die Mitglieder der Band „SUNN O)))“ - die vielleicht prominentesten Vertreter des Drone Doom - in Mönchskutten auftreten. Voreilig mit Zerstörung und brachialer Gewalt assoziiert, reizt Noise, sich mit Ursache und Wirkung auch von gesellschaftlichen Tabus auseinander zu setzen und Provokationen mit einem aus Erfahrung wissenden Lächeln zu entgegnen. Noise ist geeignet, den intensiv Hörenden in Trance zu versetzen. Die oberflächliche Düsternis und Nebulosität entfaltet in der Tiefe ein pulsierendes Leuchten. Auch im Lärm ist - wie Nordlicht flüchtig flackernd - Melodie vorhanden. (ft)


Hier fehlt Dein

Event-Flyer Nicht

umsonst

aber fast geschewnkt!

Infos: +43 681 10677574


Bernhard Witsch

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Bernhard Witsch

Bernhard Witsch Metallmorphosen

Text: Georg Rainalter, Fotos: Bernhard Witsch

Kannst du bitte erzählen, wie du zur Kunst gekommen bist? Ursprünglich habe ich Maschinenschlosser gelernt und im Qualitätsmanagement gearbeitet. Im Jahr 1985 habe ich dann mit dem Malen begonnen und 1986 meine erste Ausstellung gemacht. Die ersten zehn oder zwölf Jahre habe ich nur gemalt und dann zusätzlich mit den Skulpturen begonnen. Da bin ich durch meine Ausbildung natürlich vom Fach. Schlussendlich ist es auch dahin gekippt, nur mehr Skulpturen zu machen - das ist ja sehr zeitaufwendig. Man muss sich auf eine Sache konzentrieren. Ich arbeite hauptsächlich mit Schrottteilen oder mache Blechfiguren. Mittlerweile bin ich seit fünf Jahren freischaffend als Metallgestalter tätig. Das Wort „Künstler“ mag ich eigentlich nicht so, daher ziehe ich die Bezeichnung „Metallgestalter“ vor.

Wie entstehen Deine Skulpturen? Das kommt darauf an. Die Blechfiguren werden genau nach Plan gemacht. Bei den Schrottfiguren fange ich irgendwo an und arbeite drauf los. Manchmal entsteht dann etwas ganz anderes, als ich ursprünglich im Kopf gehabt habe.

Woher nimmst Du Deine Inspiration? Die kommt aus dem Leben, aus der Situation. Es sind immer wieder erotische Sachen dabei, ganz einfach, weil ich ein Mann bin und die Frauen sehr gerne mag. (lacht) Ich bin ja gerade wieder in einer Beziehung, und habe davon schon einige hinter mir...

Bist du ein schwieriger Mensch? Einfach bin ich sicher nicht. Künstler sind, glaube ich, überhaupt schwierige Menschen. Da ich sehr zielstrebig bin und weiss, was ich will, bin ich natürlich für einen Partner eher schwierig. Es ist etwas anderes, mit mir auszugehen, als mit mir zu arbeiten. Beim Arbeiten sieht man eher, wie ich wirklich bin. Ausgehen ist Spass, und beim Arbeiten verstehe ich keinen Spass. Setze ich mir etwas in den Kopf, dann ziehe ich das durch. Wenn es ein Scheiss war, dann war es eben ein Scheiss. Ich bin aber niemand, der dann mittendrin aufhört, denn dazu muss man auch stehen. Die Grundlage von allem ist Zuverlässigkeit, das ist mir sehr wichtig. Man muss einfach zu seinem Wort stehen. Mit Menschen, die das nicht verstehen, kann ich nicht arbeiten. Was ich mache, kommt meist aus einem Bauchge-

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Bernhard Witsch Kรถpfe


Bernhard Witsch

fühl heraus. Ich habe einmal einen Skulpturenpark in München machen lassen und von Anfang an ein schlechtes Gefühl dabei gehabt, mich dann aber doch dazu überreden lassen. Das war dann ein Scheiss von vorne bis hinten. Ich höre sehr viel auf mein Bauchgefühl, bei einem schlechten Gefühl lasse ich es lieber. Damit lag ich, wie sich später herausgestellt hat, auch schon oft richtig. Manchmal allerdings verbaut man sich damit auch etwas, weil nicht alles so ist, wie man es wahrnimmt.

Was macht Deine Faszination für Metall aus? Ich mag Metall deswegen so gern, weil es das macht, was ich will. Ich kann es formen, wie ich will. Ich bin sozusagen der Herrscher über das Metall. (lacht wieder) Aber nicht jedes Metall funktioniert für mich. Aluminium mag ich nicht so gern, oder eigentlich überhaupt nicht. Mit Nirosta hab ich meine Probleme, weil es mir zu steril ist, nur manchmal nehme ich es zum Kombinieren. Das ist für mich tote Materie und schaut in 100 Jahren immer noch gleich aus. Da tut sich nichts! Wenn man im Gegensatz dazu Schrottfiguren in den Garten stellt, geben sie erstens einen tol-

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len Kontrast zum Grün und verändern mit der Zeit durch die Witterung ihr Aussehen. Es verändert sich ständig, und das gefällt mir. Das ist Leben! Auch Verzinken gefällt mir nicht. Bei Schrottsachen ist das Tolle, dass man diesen alten, scheinbar wertlosen Gegenständen ein neues Leben einhauchen kann und anderen damit eine Freude macht. Es war die erste Intention meiner Arbeit, aus Sachen, die Menschen wegwerfen, etwas zu machen. Meistens wird es ja etwas Lustiges, und dann lachen die Menschen.

Deine Werke sind ja meist figurativ. Arbeitest du auch manchmal abstrakt, vergleichbar mit Alois Schild? Vergleichen möchte ich mich mit überhaupt Niemandem! Ich mache eher archaische, geradlinige Skulpturen, der Alois mehr wurmähnliche oder schlangenähnliche Dinge, die auf Schleifen aufgebaut sind. Ich liebe das Einfache.

Wie man hört, brauchst Du laute Musik zum Arbeiten... Musik ist ein tolles Element zum Arbeiten. Ich höre gerne Rock, von Rammstein bis


Bernhard Witsch

Led Zeppelin. Rock ist eine relativ einfache Musik, man braucht sich nicht zu konzentrieren und sie passt einfach zu Metall. Es heisst ja nicht umsonst: die Metaller. Ich bin auch oft auf Partys, wo elektronische Musik läuft - was mir sehr gut gefällt - aber zum arbeiten höre ich Rock. Guter melodiöser Rock passt einfach, wenn man eine Flex einschaltet. Das ist für mich wie eine Verschmelzung.

Was waren deine ersten Ausstellungserfolge? Die erste Ausstellung war 1986 in einem Wirtshaus. Ein Freund hat damals gesagt: “Du musst Deine Bilder herzeigen, und nicht nur für Dich allein malen.“ Dieser Freund hat diese Ausstellung hinter meinem Rücken eingefädelt, ich bin also eigentlich wie die Jungfrau zum Kind dazu gekommen. Ich war so nervös und habe sehr gezweifelt, was mir schlaflose Nächte beschert hat. Von 32 ausgestellten Bildern wurden 20 verkauft, was mir eigentlich viel zu schnell gegangen ist.

Bist du heute vor Ausstellungen immer noch so nervös?

Nein. Man weiss zwar nie was passiert, aber das macht mir nichts mehr. Kritiker hat man ja immer, und das ist auch gut so, solange es nicht beleidigend ist. Geschmäcker sind verschieden und mir gefällt ja auch nicht alles. Ich werde heuer 50 Jahre alt, und bin seit 25 Jahren kreativ. Nach so langer Zeit wird man einfach gelassener.

Glaubst du es steckt in Jedem etwas Kreatives, Künstlerisches? Ja, ich glaube, mehr oder weniger schon. Man muss seinen Weg finden. Wenn man sich nie damit beschäftigt, ist das Schade. Ich glaube, dass jeder, der will, auch etwas machen kann. Es ist eine Frage des Willens, auch wenn man nicht so gut ist wie ein Anderer. Man muss etwas aus sich rauszulassen und den Geist walten lassen. Kunst ist ja auch immer wieder eine Modeerscheinung. Im Grunde erleiden aber viele ziemlich schnell Schiffbruch, weil einfach sehr viel Mühe und Arbeit dahintersteckt. Man muss sich ständig damit beschäftigen und weiterentwickeln. Von Nichts kommt einfach Nichts. Das ist im Grunde ein blöder Spruch, hat aber seine Berechtigung, seine Wahrheit.

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Bernhard Witsch

Bernhard Witsch mit Skulptur

Basswoman, 2011 (bespielt von Harry Triendl)

Bist du auch der Meinung, dass in der Allgemeinheit zu wenig Interesse und Aufmerksamkeit für Kunst besteht. Woran liegt das?

noch in Höhlen wohnen. Es ist den Menschen einfach nicht mehr bewusst, was Kunst alles bewirkt hat oder immer noch bewirkt. Designer sind ja auch Künstler. Gott sei Dank gibt es aber immer noch eine kleine Schicht, die etwas Einzigartiges haben will.

Es ist ein bisschen in Vergessenheit geraten, was Kunst bedeutet. Ein Lieblingszitat von mir ist: Die Menschen wissen gar nicht, wie wichtig Kunst eigentlich ist, da sie noch nie ohne Kunst gelebt haben. Es wird der Kunst durch Instrumentalisierung und Kommerzialisierung einfach sehr viel weggenommen. Somit gerät in Vergessenheit, dass die Kunst dadurch an Wert verliert, was die ganze Entwicklung kaputt macht.

Was würde verloren gehen, wenn wir ohne Kunst leben müssten? Ich glaube, wir würden nicht lange ohne Kunst leben können. Wenn man das nämlich zurückspulen würde, dann ist ja zB. Architektur oder einfach ein Stuhl, der ja mal irgendwo gemacht worden ist, aus der Kunst entstanden. Aber diese Gegenstände sind für uns schon ganz normal. Man denkt darüber gar nicht mehr nach. Würde man das, wie gesagt, zurückspulen, bliebe eben nichts mehr übrig. Wir würden immer

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Wie siehst du die heimische Kunstszene? Ich finde sie eigentlich wirklich cool. Das einzige Problem ist, dass viele nicht miteinander können und jeder sein eigenes Ding macht. Klar, wir sind alle Individualisten und es ist schwierig, etwas wegzugeben und sein Baby auszulassen. Aber ich vermisse es, gemeinsam Projekte zu machen. Man wäre dann aber eben nicht mehr der alleinige Held. Gerade die Innsbrucker Künstler haben diesen schwierigen Ruf, dass man nicht in ihren Kreis hineinkommt, weil sie Angst haben, man will ihnen etwas wegnehmen. Dieses Denken habe ich nie gehabt, und werde ich nie haben. Weiterentwickeln muss man sich selbst, und wenn jemand besser ist, hat man Pech gehabt. Ich kann ja nicht sagen, ich bringe alle anderen um, damit nur mehr meine Kunst gekauft wird... (gr)


Adabei

Ars Crystallographica Impressionen

der

Vernissage

Am 14.01,2011 eröffnete das verbale forum die Ausstellung „Ars Crysatllographica“ Lichtobjekte von Winfried Platzgummer und Ulrich Griesser. Die Ausstellung läuft noch bis 09.02.2011 und ist DI-SA von 15:00 -19:00 Uhr geöffnet.

D

ie Ausstellung „Ars Crystallographica“ im verbale forum zeigt noch bis 09.02.2011 Lichtobjekte aus der gleichnamigen Serie von Winfried Platzgummer. Dem Künstler geht es auch darum, seinen Arbeiten eine alltägliche Anwendbarkeit zu verleihen und so den bildnerisch-künstlerischen Bereich zu verlassen und in Richtung Design zu gehen. Seine Werke, wie zum Beispiel Stehlampen in individuellem und außergewöhnlichem Design, sind Kunstwerke mit praktischem Nutzen. Die ausgestellten Lichtkästen zeigen verschiedenste pharmazeutische Substanzen in ihrer kristallinen Form und überschütten den Betrachter mit einem brillanten Feuerwerk aus Farbe. Die Motive basieren auf mikroskopischen Aufnahmen von A. Univ. Prof. Dr. Ulrich J. Griesser vom Institut für Pharmazie der Leopold-Franzens Universität Innsbruck und dessen Team und wurden in einem aufwändigen Siebdruckverfahren aus bis zu 14 Farben auf Polycarbonat gedruckt und hinterleuchtet.

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Foto: Gyula Fodor

Marino Formenti

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Marino Formenti

Kurtág‘s Geister Ein Essen

F

mit

Marino Formenti

ür mich war das Gespräch mit Marino Formenti ein besonderer Höhepunkt in der Reihe der Interviews der letzten Wochen, nicht nur, weil er ein international gefeierter Star ist. Publikum und Presse begeistern sich für sein „ekstatisches Spiel“ und die „traumwandlerische Hingabe“. Die Los Angeles Times jubelte anlässlich eines Konzertzyklus im LACMA: „A Glenn Gould for the 21. Century ... mesmeric, shamanistic, unforgettable... he is in short a phenomenon.“, die L.A. Weekly wiederum berichtete über

einen „state of exhilaration beyond anyexperience“ und der österreichische Standard feierte ihn als „grandios... ungemein eindringlich... fulminant“. Als Pianist und Dirigent ist MARINO FORMENTI sehr gefragt und so ist die Liste der Orte, an denen er bisher konzertierte, genauso lang und beeindruckend wie jene der Namen bedeutender Musiker, mit denen er bereits zusammen gearbeitet hat. Konzerteinladungen führten ihn unter anderem zu den Salzburger Festspie-

len, zu den Festivals von Luzern, Edinburg, Schleswig-Holstein, Aspen und Ravinia sowie in die großen Konzerthäuser und zu den Festivals von ­Berlin, Wien, Köln, ­Paris, Tokio, Zürich, Moskau, New York, Los Angeles und Rom. Als Solist ­konzertierte er zum Beispiel mit dem Cleveland Orchestra, den Münchner Philharmonikern, dem Los Angeles Philharmonic Orchestra, dem Gustav Mahler Chamber Orchestra und den wichtigsten europäischen Rundfunkorchestern. Seine Partner waren Dirigenten wie Franz Welser-

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Foto: Los Angeles Times

Marino Formenti

Möst, Kent Nagano, Esa Pekka Salonen, ­Gustavo Dudamel, Daniel Harding. Er arbeitete außerdem mit Künstlerkollegen wie Gidon Kremer, Ulrich Matthes, Lars Vogt und Maurizio Pollini zusammen. In seiner Laufbahn als Dirigent war Formenti zunächst Assistent von Kent Nagano und Sylvain Cambreling. Selbst am Pult stand er bei den Wiener Festwochen, WIEN MODERN, im Wiener Musikverein, im MEC Los Angeles und beim Ravenna Festival. Er leitete die österreichische Erstaufführung von Kurt Weills Oper „Der Protagonist“ und der Kammerfassung von Prokofievs „Engel aus Feuer“ und dirigierte THE PARTY in Los Angeles, Ravenna und Palermo. 2008 debütierte er in der Accademia di Santa Cecilia in Rom auf Einladung Maurizio Pollinis, mit dem er 2009 in der Mailän-

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der Scala und in der Pariser Citè de la Musique auf der Bühne stand. Angesichts dessen ist es kein Wunder, dass sich der gebürtige Mailänder nahezu ständig auf Reisen rund um den Globus befindet und permanent beschäftigt ist. Auch unseren Interviewtermin in Wien - während eines zweitägigen Zwischenstopps zwischen Tokio und New York - mussten wir zugunsten einer Aufnahme für sein gemeinsames Projekt mit dem österreichischen Künstler FLORIAN PUMHÖSL im MUMOK verschieben. Anlässlich seines Konzertes in Innsbruck traf ich ihn schließlich zum Abendessen, das sich bis in den frühen Morgen erstreckte. (Ich hoffe, er kam halbwegs ausgeschlafen aus dem Bett, musste er doch bereits am nächsten Tag zu einem Konzert nach


Foto: Gyula Fodor

Marino Formenti

György Kurtág (*1926) gilt neben György Ligeti als der bedeutendste ungarische Komponist nach 1945. Lange galt er unter Eingeweihten als „Geheimtip“, erst Mitte der 70er Jahre begann seine Musik umfassender in Westeuropa bekannt zu werden. Kurtágs Musik ist geprägt von einer ähnlichen Verdichtung musikalischer Texturen wie die von Anton Webern, jedoch spielerischer und assoziativer. In ihrer oftmals radikalen Beschränkung und Konzentration ist sie durchdrungen von Erkenntnis und Vergeistigung, die mit einem hohen Grad an Selbstzweifeln und einer überaus selbstkritischen Haltung einher gehen.

Madrid.) Das Spezialgebiet Formentis ist die Interpretation Moderner und Zeitgenössischer Musik. Allgemein wird diese voreilig auf die Zwölftontechnik der „Zweiten Wiener Schule“ rund um Arnold Schönberg reduziert, Nicht Jedermanns Sache also, zumindest auf den ersten Eindruck. Auch ich war gespannt, was mich bei seinem Konzert in Innsbruck erwarten würde. Dort präsentierte er sein Programm „Kurtàg’s Ghosts“, in dem er die Musik von György Kurtàg in Dialog mit anderen großen Komponisten

der letzten sieben Jahrhunderte setzt. Was ich erlebte, war ein Konzertabend, der mich tief bewegte und wohl noch lange beschäftigen wird! Da saß keiner am Flügel, der lediglich vorträgt, die ­Musik einfach spielt – ­MARINO FORMENTI rührte mit beiden Händen im vollen Zauberkessel der Musik, arbeitete sich förmlich in sein Instrument hinein, löste unter spür- und hörbarer körperlicher Anstrengung einen akustischen Monsunsturm aus und kitzelte im nächsten Augenblick einen Sommerregen aus zärtlichen

Mit „Kurtág’s Ghosts“ präsentiert Marino Formenti sein neuestes, international hochgelobtes Projekt: die kongenialen Rückgriffe des ungarischen Komponisten György Kurtág auf die Musik von Scarlatti und Schumann bis Béla Bartók: „Man kann“, so Formenti, „in Kurtágs Musik eine beinahe obsessive Beziehung zu unserer musikalischen Tradition erkennen. Kurtágs Geister sind auch unsere Geister.“ – Natürlich sind damit „die großen Komponisten der Vergangenheit gemeint, mit denen wir eng verbunden sind.“ Formenti nimmt dabei mit dem Komponisten einen Dialog auf. Die vielen Stimmen, die für Kurtág wichtig und prägend waren, seine „ghosts“ finden sich hier in direkter Nachbarschaft mit ihrer Spiegelung in Kurtágs Kompositionen. Aus Miniaturen, Bagatellen, skizzenartigen Stücken die große Form bauen - das war die Aufgabe, die sich Formenti gestellt hat.

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Marino Formenti

beugungen am Ende seines Konzertes wirkt FORMENTI erschöpft, fast ein wenig gequält: die ­Allüre eines abgehobenen Weltstars? Als ich mich ihm vorstelle, spüre ich, dass seine Freude an unserem Treffen echt ist. Ja, ein wenig quält es ihn, als Star gehandelt zu werden und ständig im Rampenlicht zu stehen. Viel wichtiger ist ihm die Musik mit ihrer Wirkung auf die Zuhörer. Er möchte die Menschen bewegen und nicht nur das gehobene Publikum erreichen, sondern auch „die Hausfrau, die eben vom Einkaufen kommt“. Genau auf Wellenlänge des ­ erbale magazin! v „Ist das ein subversives Magazin?“ fragt er, während er das Heft vor ihm durchblättert. „Ich mag subversive Sachen!“

Fotos: Betty Freemann

Klangtropfen aus den Tasten. Das flüssige Ineinandergreifen alter und neuer Musik von Komponisten wie Domenico Scarlatti (16851757), Karlheinz Stockhausen (1928-2007), J.S. Bach, Franz Schubert, Béla Bartòk und natürlich György Kurtág löste in außerordentlich harmonischer und immer wieder überraschender Weise scheinbar größte Unterschiede auf. Ein überwältigendes Erlebnis! Doch was für ein Mensch verbirgt sich hinter diesem schlichtweg beeindruckenden Künstler, der dort auf der Bühne sein Publikum mit so viel Hingabe und Inbrunst herausfordert und berauscht? Bei den Ver-

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Formentis Vorliebe für neue, ungewöhnliche Zusammenhänge drückt sich in sehr unterschiedlichen, ­experimentalen Projekten aus, wie zum Beispiel einer Performance im project space der Kunsthalle Wien, wo er ein von Sonnenuntergang bis –aufgang währendes Konzert gab. Begeistert erzählt er von seinen Eindrücken: zwei Trunkenbolde hätten sich auf der Straße vor dem rundum transparenten Glaspavillon gerauft, und morgens habe sich das Krächzen der Krähen in die Musik gemischt. Am meisten habe ihn aber die Reaktion des Publikums bewegt. Manche hätten nur kurz hineingeschaut, manche wären mehrmals wiedergekommen, und einige wären über Stunden hinweg geblieben und hätten sich der Musik hingegeben. Während seiner Erzählungen wird das Steak auf


Marino Formenti

Marino Formenti, fotografiert von Betty Freemann im Februar 2001 in Los Angeles

dem Teller vor ihm kalt. Er scheint das gar nicht mitzubekommen, ist in Gedanken ganz bei der Musik - bei seiner Musik! Formenti, der mit einigen der größten lebenden Komponisten zusammen arbeitet, unter ihnen Helmut Lachenmann, György Kurtág, Salvatore Sciarrino, Olga Neuwirth, Beat Furrer und Bernhard Lang, hat sein Leben der Musik verschrieben. „Man muss sich ganz auf die Musik einlassen“, sagt Formenti. „Wie gehe ich auf die Suche nach der Musik? Wie spiele ich ein und das selbe Stück auch beim fünfzigsten Mal so, dass es lebendig wird?“ Disziplin sei die wichtigste Voraussetzung für einen

Musiker. Seine Begeisterung für Musik hat der Träger des Belmont-Preises 2009 für zeitgenössische Musik der Forberg-Schneider-Stiftung schon als Kind entdeckt. Dass man als Profi jeden Tag sechs Stunden und mehr übt und dabei das Privatleben mehr oder weniger auf der Strecke bleibt, stört ihn nicht wirklich. Sicher brächten der Stress und das Jet Set-Leben zwischen den vielen Konzerten eine große Einsamkeit mit sich, doch er fühle sich wohl. Meint er, doch wenn ich ihm dabei in die Augen sehe, möchte ich ihm das nicht ganz glauben. Im Gespräch vertraut er mir viel an, was ich

hier nicht der Öffentlichkeit preisgeben möchte (deswegen hier mehr allgemeine Fakten...), sein Blick verrät noch mehr. Vor allem eine ungeheure Sensibilität, die auch in seinen Interpretationen zum Ausdruck kommt verborgen von einer auf den ersten Blick rauhen Schale der Unzugänglichkeit. Mit einer Solchen muss sich wohl jeder ernsthaft professionelle Künstler schützen. Der herzliche Kern hingegen fehlt wohl manchen, nicht aber Marino Formenti, diesem „austro-itaienischen“ AusnahmeMusiker mit seiner großen Begeisterung für Neues, Junges, Dynamisches und Experimentelles: Kunst. (ft)

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Timetable

Timetable Veranstaltungskalender Wenn auch Sie Ihre Veranstaltung im verbale magazin ankünbdigen möchten, setzen Sie sich mit uns unter timetable@verbale.org in Verbindung! Bitte beachten Sie bitte den Annahmeschluss am 20.02.2011, 19:00 Uhr!

Ausstellungen Die Welt als Kulisse Galerie im Taxispalais Bis 06.02.2011 Maler des Lichts Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Johann Evangelist Holzer

Messen 15. ART Innsbruck Messehalle 4 Internationale Bildende Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts, 70 Galerien aus 10 Nationen DO-SA 11:00-20:00, SO 11:00-17:00

MI, 02.02.2011 La Cenerentola Landestheater, Grosses Haus 19:30 Uhr 2. Künstlerstammtisch verbale forum 19:00 Uhr

Innstrasse 55, St. Nikolaus / Eintritt frei

Kabarett „2 Musterknaben“ Congress Innsbruck 19:30 Uhr, Saal Tirol, Gernot & Niavarani

DO, 03.02.2011 Eine Nacht in Venedig Landestheater, Grosses Haus 19:30 Uhr Filou Lounge Club Filou mit DJ Rashid, jeden DO ab 19:00 Uhr Stiftgasse 12, Innsbruck

Glenn Miller Orchestra Congress Innsbruck 20:00 Uhr

Musick verbale forum Drone & Noise mit René Nuderscher und Markus Stegmayr Eintritt frei

SA, 05.02.2011 Der Traum vom Schnee Swarovski Kristallwelten Workshop für Kinder von 4 bis 6 Jahren

SO, 06.02.2011 Die Zauberflöte für die Kleinen Landestheater, Kammerspiele 11:00 Uhr

MO, 07.02.2011 Red Drapes weekender 21:00 Uhr

MI, 09.02.2011 ABBA - The Concert Olympiahalle 20:00 Uhr

DO, 10.02.2011 André Rieu & Orchester Olympiahalle Innsbruck Der Walzerkönig auf Tournee www.showfactory.at

Filou Lounge Club Filou mit DJ Rashid, jeden DO ab 19:00 Uhr Stiftgasse 12, Innsbruck

FR, 11.02.2011 Bernhard Witsch - metallmorphosen verbale forum Vernissage 19:00 Uhr, Ausstellung bis 09.03.2011

MO, 14.02.2011 FR, 04.02.2011 Die verkaufte Braut Landestheater, Grosses Haus 19:30 Uhr

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Fazil Say Congress 20:00 Uhr, Pianokonzert


Timetable

MI, 16.02.2011

MI, 23.02.2011

Der Tanz der Eiskristalle Swarovski Kristallwelten Workshop für Kinder von 7-12 Jahre

Onkel Theo kommt Kolpinghaus Innsbruck 20:30 Uhr, Heimatbühne

DO, 17.02.2011 Eine Nacht in Venedig Tiroler Landestheater, Grosses Haus 19:30 Uhr Filou Lounge Club Filou mit DJ Rashid, jeden DO ab 19:00 Uhr Stiftgasse 12, Innsbruck

FR, 18.02.2011 Paul Fülöp, Lesung verbale forum 19:00 Uhr

Eintritt frei, Spenden erbeten

SA, 19.02.2011 Flying Pickets Komma Wörgl 20:00 Uhr

SO, 20.02.2011 Paul Panzer Congress Innsbruck 20:00 Uhr

MO, 21.02.2011 The Kabeedies weekender 21:00 Uhr

DO, 24.02.2011 4. Symphoniekonzert Congress Innsbruck 20;00 Uhr Filou Lounge Club Filou mit DJ Rashid, jeden DO ab 19:00 Uhr Stiftgasse 12, Innsbruck

Nein, ich will keinen Seniorenteller Komma Wörgl 20:00 Uhr, Chris Lohner

FR, 25.02.2011 Dominique Visse & Café Zimmermann Kurhaus Hall 20:15 Uhr, musik+

SA, 26.02.2011 Ensemble Resonanz & Jean-Guihen Queyras Congress Innsbruck 20:00 Uhr, musik+

SO, 27.02.2011 Eine heitere Bootsfahrt Collegium Canisianum 20:00 Uhr, AbendMusic-Lebensmusik

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Art Innsbruck

Op Art meets Camera obscura Jubiläums-Sonderschau

Die 15. ART Innsbruck (vom 3. bis 6. Februar 2011) wartet mit einer Sonderschau über die Faszination optischer Täuschungen und kinetischer Phänomene in der Kunst von Victor Vasarely und Ludwig Wilding und einer von Ype Limburg in den Ausstellungsraum hineingebauten begehbaren Camera obscura auf.

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trahlenoptik und optische Täuschung sind dieses Mal die vermeintlich konträren, aber letztlich eben doch wahlverwandten Ingredienzien der Jubiläums-Sonderschau, für deren Konzeption und Gestaltung Art-Chefin Johanna Penz erneut den engagierten Innsbrucker Galeristen Clemens Rhomberg gewinnen konnte. Mit den Arbeiten von Op Art-Mitbegründer Victor Vasarely und einigen ausgesuchten Objekten von Ludwig Wilding knüpft

die Sonderschau zugleich auch an die Gründungsidee der Innsbrucker Kunstmesse an. Denn wie die ART in ihren Anfängen Druckkunst und Editionen in den Vordergrund rückte, postulierte Vasarely bereits 1955 in seinem „Gelben Manifest“ zur Gruppenausstellung „Le Mouvement“ das Kunstwerk als einen Prototypen mit den Eigenschaften Wiederholbarkeit und serielle Vervielfältigbarkeit und forderte zudem eine über die Kunst hinausreichende Anwendbarkeit seiner Formen

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Art Innsbruck

ein. Vasarely selbst erfüllte diese seine Vorgaben mit akribischer Konsequenz. Alle seine Bilder und Skulpturen basieren auf standardisierten Grundformen und Farben, die von ihm immer wieder neu zusammengesetzt wurden. Sein Formenvokabular umfasste dabei Quadrate, Rauten, Dreiecke, Kreise, Stabformen, welche er auch farblich stets so anordnete, dass sie im Betrachter den Eindruck einer flirrenden und oszillierenden Bewegung erzeugen. Dieses formvollendete und raffinierte Spiel mit kinetischen Effekten und optischen Täuschungen macht auch den besonderen Reiz von Vasarelys Kunst aus. Ausgehend von der bei Vasarely geforderten offenen Anwendbarkeit von künstlerischen Ausdrucksformen und der zeitlosen Sehnsucht des schöpferischen Menschen nach dem Erfassen und Reproduzieren von optischen Eindrücken war es für Ausstellungsmacher Clemens Rhomberg nur folgerichtig, mitten in den Sonderschauraum hinein auch eine begehbare Camera obscura zu stellen, die der ursprünglich aus den Niederlanden stammende und schon seit zwanzig Jahren in Innsbruck lebende Künstler Ype Limburg bauen wird.

B

ei der Camera obscura, die gemeinhin als technische Vorläuferin des Fotoapparates gilt, handelt es sich um einen dunklen Raum oder Behälter, an dem jeweils an einer Seite mittig ein kleines Loch angebracht ist, durch welches Licht in den Raum einfallen kann. Durch diese Lichtöffnung werden Objekte, die sich vor dem Behältnis befinden, auf der gegenüber liegenden Seite des Raumes auf dem Kopf stehend abgebildet. Das Prinzip dieser Camera obscura oder Lochkamera hat bereits Aristoteles erkannt.

Bild: „Utopia“ (Camera Obscura) von Ype Limburg

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ie von Clemens Rhomberg gestaltete Schau „Op Art - Die Kunst der Täuschung“ ist vom 3. bis 6. Februar 2011 als große Jubiläums-Sonderschau der ART Innsbruck in der Innsbrucker Messehalle 4 zu sehen.

Die ersten Lochkamera-Versuche werden aber gemeinhin dem Araber Alhazen um 980 n.Chr. zugeschrieben. Seit dem Spätmittelalter wurde die Camera obscura erst von Wissenschaftlern für die Beobachtung von Sonnenflecken und Himmelsphänomenen und später zunehmend auch von Künstlern für die detailgenaue Beobachtung und Nachbildung von Objekten und Landschaften genutzt. Gerade an den jüngsten Arbeiten von Ype Limburg, welche die Sonderschau ergänzen, lässt sich gut ersehen, dass die technischen und visuellen Möglichkeiten der Camera obscura auch ­zeitgenössische Künstler nach wie vor in ihren Bann ­schlagen.

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