verbale #07

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Ausgabe 07/2012

€ 3,00

ISSN 2219-942X

BLUE VELVET

FIRST TIME LIVE

magazin

für

kreativität

kunst

und

kultur


1/1 Seite U1 € 1.200,00 zuzügl. 20% MwSt und 5% Werbeabgabe


WORT

INDEX

27 BEWEGTE TÖNE

INDEX 03

Klangspuren Mobil

Inhaltsverzeichnis

30 BLUE VELVE

EDITORIAL 04

First Time Live

SZENE 05

Veranstaltungs-Rückblicke

BILD

Vorwort / Impressum

DAS FÄNGT JA GUT AN 06

Musik ganzheitlich erfahren

WIR SIND WÜTEND 09

Brigitte Wotzel

36 ART FOR DUMMIES KLANG

ZU GAST IM FREIRAUM 13

Spätberufene Wortgewandtheit

ALLES IM TAKT 18 Rhythm and More

verbale feiert Geburtstag

42 SCHLUSS MIT LUSTIG Neues aus Kakanien

44 FOKUS ALTO ADIGE

GEDRUCKT & GEBUNDEN 22

Der Kultur-Filz

Barbara Fuchs

46 BEKANNTE MEISTER - (UN)BEKANNTE MEISTERWERKE Otto Dix - Die sieben Todsünden

MAGAZIN

FOKUS

ART 4 EVERYBODY 24

Kunst-Poster zum Heraustrennen im Mittelteil

38 ANDREA STEINLECHNER WÜSTE

41 HAPPY BIRTHDAY POSITION

Veranstaltungs-Rückblicke

Grundwissen für Kunstkenner

Biographie der Leidenschaft Dokument einer Zeit

C.H. HUBER 14 SZENE 17

Die Andere - Portrait einer Generation

34 BORIS FAUPEL

Weltuntergang 2012

Ist der Kapitalismus am Ende?

32 MONIKA HAMMERLE

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EDITORIAL

K

inder, wie die Zeit vergeht! Eben noch scharrten wir vom VERBALE Team ungeduldig in den Startlöchern und putzten mit unserer Null-Nummer die Klinken bei möglichen Sponsoren - und schon ist unser Baby 1 Jahr alt geworden und präsentiert sich hiermit in seiner 7. Ausgabe! Viel hat sich seit der Geburt des VERBALE MAGAZIN getan. Am Klinkenputzen hat sich bislang nichts geändert noch immer darben wir von Ausgabe zu Ausgabe, schreiben uns die Finger wund, grübeln Tag und Nacht über sich stetig füllenden Aschenbechern und bei stetig sich leerenden Gläsern und sättigen uns ausschließlich von Luft und Liebe: verdienen lässt sich bislang außer dem Wohlgefallen unserer Leser nichts. Doch ist dieses uns motivierende Seelennahrung genug. Vorerst. Wir blicken aber mit Zuversicht in das zweite Jahr unseres Bestehens. Scheint sich doch zum vermeintlichen Ende der Welt eine Rückbesinnung auf beständige Werte abzuzeichnen. Der Staats-Zwangsgebührenverbrenner und -Postenschacherprofi ORF hat sich zu einem III. Programm hinreißen lassen, das sich schwerpunktmäßig Kunst und Kultur widmen soll. Irgenwie wirkt das Ganze aber noch wie Gulasch: Aufwärmen alter Eigenproduktionen - immer noch gut, aber vielleicht doch schon in die Jahre gekommen? Klar auch, dass Privat-

2012 DAS JAHR

DER

KUNST?

Konkurrent Nummer 1 kontert und ATV II (man beachte die fast inflationäre Verwendung vertikaler Striche) einiges seiner Sendezeit für Kunst und Kultur opfert. Vorgesehen sind neben spezialisierten Seitenblicken auch Künstlerportraits. Mal sehen, ob diese qualitativ mit jenen meines österreichischen Favoritensenders Servus TV mithalten können. Dass Kunst als Wertanlage wiederentdeckt wird, hat einfach nur damit zu tun, dass Kunstwerke im Gegensatz zu Edelmetallen und ähnlichen Spekulationsobjekten eben nicht spekulativ, sondern individuell und damit im Wert nicht nur beständig, sondern fast asuschließlich im Stei-

gen begriffen sind. Während rundum Währungen und Staaten zusammen zu brechen scheinen, setzt der kluge Investor mit Kunst auf Immaterielles. Bevor man jetzt ob dieser Bewegungen euphorisch aufjubelt, heißt es zunächst die Entwicklungen abzuwarten. Wir nutzen diese Zeit jedenfalls, um unsere Position während unseres zweiten Jahres zu stärken und auszubauen. Herzlichst,

Florian Tschörner Gründungsherausgeber

IMPRESSUM

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GRUNDLEGENDE AUSRICHTUNG

RECHTEVORBEHALT

Das verbale magazin als Magazin für Kreativität, Kunst und Kultur bietet Kunstschaffenden und Kulturtreibenden den notwendigen medialen Raum, welchen andere Medien nicht im benötigten Ausmaß einräumen können oder wollen. Es spricht ein breites Publikum an und weckt das Interesse an den Themen Kreativität, Kunst und Kultur auch bei nicht kulturaffinen Lesern. Mit dem Ziel, den Zugang zur Kunst zu erleichtern, wird zugunsten allgemeiner Verständlichkeit bewußt auf einen elitären Anspruch verzichtet. Der Kunstschaffende als Mensch steht im Mittelpunkt, wird nach seiner Motivation und Arbeitsweise gefragt und sein kreatives Schaffen auf eine sehr nahe gehende, persönliche Weise beleuchtet. Als ideologisches Ziel werden die kulturelle Identität und Selbstwahrnehmung innerhalb eines europäischen Kulturverständnisses gestärkt, beeinflusst und weiter entwickelt.

Nachdruck, Vervielfältigung und Verbreitung sowie die Übernahme von Beiträgen iSd § 44 Abs 1 und 2 UrhG werden gemäß § 44 Abs. 1 zweiter Satz UrhG ausdrücklich verboten. Alle Urheber- und Verwertungsrechte bleiben vorbehalten. Die mit dem Namen des Verfassers gekennzeichneten Artikel stellen nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers und der Redaktion dar. Bei Einsendungen von Artikeln und Fotomaterial an die Redaktion wird das Einverständnis zur Veröffentlichung vorausgesetzt. Der Herausgeber übernimmt keine Gewähr für eingesandtes Redaktions- und Bildmaterial. Termine und Ausschreibungen werden nach Ermessen gewissenhaft, jedoch ohne Gewähr veröffentlicht. HERAUSGEBER

UND

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16.03.2012, 18:00 Uhr


SZENE

VERBALE GOES MERAN GRENZÜBERSCHREITENDER

KULTURAUSTAUSCH

EINT

NORD- & SÜDTIROL

Das VERBALE MAGAZIN ist ja bereits seit einigen Ausgaben dank begeisterter Abonnenten und Vertriebspartner auch in Südtirol vertreten. Mit der offiziellen Präsentation der letzten Ausgabe wurde dies im November des Vorjahres im Club OstWest in Meran gefeiert. Das Rahmenprogramm gestalteten der Autor Erich Ledersberger und die Altherren-Punk-Band bluemling.

DAS ANDERE WEIHNACHTEN LESUNG

MIT

BRIGITTE JAUFENTHALER

Mit Auszügen aus ihrem Kriminalroman „Diva & Angelo“ leitete am 14. Dezember 2011 die Schauspielerin Brigitte Jaufenthaler einen zunächst spannend unterhaltsamen Abend ein, der mit Leseproben aus dem Ubuntu-Buch „frei sein“, das sie gemeinsam mit der Künstlerin Heidi Holleis für das SOS Kinderdorf gestaltete, sowie Texten aus ihrem bislang unveröffentlichten Weihnachtszyklus ein besinnliches und nachdenklich stimmendes Ende nahm.

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WELTUNTERGANGSSTIMMUNG

DAS FÄNGT JA GUT AN!

WELTUNTERGANG 2012

Geht es nach den Verschwörungstheoretikern, Esoterikern und Endzeit-fanatikern, haben wir nicht mehr viel Zeit. Die globale Uhr tickt unaufhaltsam auf den nächsten Weltuntergangstermin am 21. Dezember 2012 zu. Doch was steckt hinter den Prophezeihungen des Weltuntergangs zum Ende des berühmten Maja-Kalenders?

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rophezeihungen vom Untergang der Welt sorgen seit jeher für gute Publicity - zumindest für jenen, der den Termin für das drohende kollektive Ableben in die - noch bestehende - Welt setzt.

dert nur noch Holzkirchen gebaut, da man Bauten aus Stein für zu aufwändig hielt. Erst nachdem sich die Sorgen als unbegründet erwiesen, begann man wieder Steinkirchen zu errichten.

Weltuntergangsprophezeiungen gibt es seit der Antike, sie wurden unter anderem von religiösen Gruppen oder Philosophen vorhergesagt. im finsteren Mittelalter waren solche Prophezeiungen sehr verbreitet - insbesondere der erste Milleniumswechsel sorgte für dementsprechende Befürchtungen - und man versuchte, einen Termin mathematisch zu berechnen. Deshalb wurden in vielen christlichen Ländern im 10. Jahrhun-

Glaubt man den Interpretationen des Maya-Kalenders, so steht der Weltuntergang am 21. Dezember 2012 bevor. Demnach sei dies der Tag, an dem alles Leben auf der Erde enden soll. Aus astronomischer Sicht kann an diesem Tag, an dem die alljährliche Wintersonnenwende stattfindet, tatsächlich etwas Außergewöhnliches beobachtet werden: Eine sehr un-

gewöhnliche und seltene PlanetenKonstellation sorgt dafür, dass die Sonne an diesem Tag das Zentrum der Milchstraße einnimmt. Dies geschieht nur alle 26.000 Jahre und wird durch die schräge Erdachse ausgelöst, die sich einmal kreisförmig dreht.

D

ie Maya waren eine ähnlich hoch entwickelte Hochkultur wie die der Ägypter oder Griechen. Beheimatet war dieses präkolumbianische Volk im südlichen Mexiko auf der Halbinsel Yucatán. In ihrer Blütezeit lebten bis zu 20 Millionen Menschen in den antiken Mega-Cities der Maya. Das aus mehreren kleinen Staaten zusammengesetzte Reich der Maya


WELTUNTERGANGSSTIMMUNG

ENDE DER WELT DIE

ÜBERNÄCHSTEN

TERMINE

2013: Rasputins Prophezeihungen wurden vom KGB lange Zeit unter Verschluss gehalten. Ihm zufolge ergreifen Fundamentalisten die politische Macht sowohl im Osten als auch im Westen, der Weltuntergang steht 2013 bevor. 2017: Der amerikanischen „Sword of God“-Bruderschaft flüsterte Erzengel Gabriel ein, zu diesem Zeitpunkt sei jeder im Höllenfeuer verloren („perish in hellfire“)

DAS WELTBILD

DER

MAYA

Quelle: literaturaymundomaya.blogspot.com

hatte in etwa die Größe Deutschlands. Die Mayas gelten als herausragende Astronomen und Mathematiker - die vollständige Entschlüsselung ihres ausgefeilten Schrift- und Zahlensystems ist bis heute nicht endgültig gelungen. Um 900 unserer Zeitrechnung muss jedoch ein bislang in der Finsternis der Historie verborgener Umstand KRISTALL-SCHÄDEL

eingetreten sein, der die Maya dazu veranlasste, ihre Städte nach und nach aufzugeben. Was genau die Maya vertrieben hat, bleibt bis heute im Dunkel der Geschichte verborgen, wenn auch immer neue Funde die Hoffnung leben lassen, die Hochkultur der Maya und ihr plötzliches, rätselhaftes Verschwinden eines Tages ergründen zu können.

Die Mayas waren nicht nur ausgezeichnete Astronomen und Mathematiker, sondern schufen auch einzigartige und faszinierende Kunstwerke

2019: Falls der Asteroid „2002 NT7“ die Erde verfehlt, haben wir weitere 60 Jahre bis zu seiner Wiederkunft Zeit, neue Weltuntergangstermine festzulegen. 2020: Für den 28. September kündigt George Madray die „Zweite Wiederkehr“ (Yom Kippur Parousia) an. 2021: Floyd Hand, Prediger der „The Star People“ verschob seinen Termin des Weltendes auf 2020 nach einer Folge von Fluten, Erdbeben und ähnlichen Naturkatastrophen. 2023: Ian Gurney deckt in seinem buch „The Cassandra Prophecy“ neben den „größten Geheimnissen der Bibel“ unter anderem den Termin für Gottes Jüngstes Gericht auf. 2025: Der Pyramidologist Max Toth meint, die Zeit zwischen 1995 und 2025 würde ein „Zeitalter des Geistes“ einläuten. 2026: 1960 errechnete das „Science magazine“ die absolute Überbevölkerung. Ab 2026 ist das Boot also engültig voll. 2029: 2.000ster Jahrestag der Kreuzigung Christi. Könnte auch erst 2033 sein...

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WELTUNTERGANGSSTIMMUNG

E

ine der faszinierenden Hinterlassenschaften der Mayas ist ihr Kalender. Genau genommen handelt es sich nicht nur um einen einzigen, sondern um drei verschiedene Systeme, die kombiniert wurden. Der „Haab“-Kalender teilte das Sonnenjahr in 365 Tage auf, gegliedert in 18 Monate zu jeweils 20 Tagen . Um die durch diese Zählung entstandene Lücke zu füllen und zu einem 365-tägigen Jahr zu gelangen, wurden nicht näher bezeichnete Tage hinzugefügt. Dieser Kalender kann mit unserem heutigen Kalender verglichen werden. Der 260 Tage dauernde „Tzolkin“Kalender gliederte das Jahr in 20 Monate auf, die aus jeweils 13 Tagen bestanden und wurde wohl genutzt, um alle rituellen und religiösen Begebenheiten festzuhalten. DAS KALENDER-RAD

DER

tinuierlich beziffert. Warum die Maya mit ihren kalendarischen Aufzeichnungen ausgerechnet an diesem 1. August begannen, ist genauso wenig nachzuvollziehen wie die Tatsache, dass dieser Kalender am 21. Dezember 2012 endet und nicht mehr fortgeführt wird. Mit verschiedenen Methoden gelang es den Maya, Sonnenwenden exakt zu berechnen und die Planetenlaufbahnen so erstaunlich genau darzustellen, dass die Wissenschaftler heute fasziniert davon sind. Die diesjährige Wintersonnenwende war für die Maya der Tag, an dem die Gottheit „One Hunahpu“ - der „Erste Vater“ - wiedergeboren werden und den Beginn eines neuen Weltzeitalters einläuten sollte, was mehr für einen Neubeginn als für das Ende der Welt

MAYA

ist eines der vielen Beispiel der hochentwickelten Begabungen der Maya

A

m 1. Januar 1999 wurde, zunächst als Buchgeld, drei Jahre später auch als Bargeld, ein in den 17 Staaten der EU sowie in drei weiteren dieses offizielle Zahlungsmittel assoziierend nutzenden Staaten ein gemeinsame Währung eingeführt: Der Euro. Bereits 1970 im sogenannten „Werner-Plan“ konkretisiert, wurden nach dem Fall der Mauer zwischen Ost- und Westdeutschland in der Wiedervereinigungseuphorie konkrete Umsetzungschritte dazu eingeleitet. Heute, gut 10 Jahre nach seiner Einführung, scheint der Euro am Ende zu sein. Der Begriff „Eurokrise“ wurde in den letzten Monaten zu einem geflügelten Wort in den Staaten des Euro-Systems und sogar zum „Wort des Jahres 2011“ gewählt. Ranking-Agenturen haben sich auf Europa eingeschossen, „Daumen runter“ bedroht auch Österreich. Dabei überstürzen sich die Ereignisse - haben wir vor wenigen Wochen noch knapp die Kurve gekratzt, baumelt aktuell das Damokles-Schwert des Tripple-AVerlusts wieder in Reichweite über unseren Köpfen. Dass es sich bei den knurrenden Rating-Agenturen fast nur um Amerikanische handelt, heizt Verschwörungstheorien an. Scheitert jetzt das Euro-System tatsächlich? Oder ist gar der Kapitalismus am Ende?

DER PRÄZESSIONSZYKLUS

Grundlage für die Prophezeihungen des Weltuntergangs am 21. Dezember dieses Jahres ist jedoch das dritte Kalendersystem der Mayas, das auf einer endgültigen Zählung beruht und nicht wie in den beiden anderen Systemen auf einer Gliederung in Tage, Wochen und Monate. Ausgehend von einem Anfangspunkt, der auf den 1. August im Jahr 3114 v. Chr. zurückverfolgt werden konnte, wird jeder nachfolgende Tag kon-

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steht. Betrachten wir jedoch - unabhängig irgendwelcher Verschwörungstheorien - die wirtschaftlichen und politischen Geschehnisse der vergangenen Monate, allen voran die sogenannte „Euro-Krise“, die nach Griechenland und Italien nun auch Österreich zu erfassen droht, scheint - wenn schon - zumindest ein Ende gekommen zu sein: das der Welt- und Machtordnung, wie wir sie gewohnt sind. (ft)

Etwa 25800 Jahre dauert es, wenn unser Sonnensystem die Sterngruppen der Plejaden umrundet. Dann hat sich die taumelnde Erdachse einmal im Kreis gedreht. Damit endet der auch als das „platonische Jahr“ bezeichnete „Große Zyklus“. Die in der Milchstraße angesiedelten Plejaden – auch „Siebengestirn“ genannt – sind dann mit bloßem Auge zu erkennen. Das Ende dieses Zyklus haben die Maya auf den 21. Dezember 2012 datiert.


WIR SIND 99%

WIR SIND WÜTEND IST

DER

KAPITALISMUS

AM

ENDE?

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ass das Geld an allen Ecken und Enden fehlt, spürt nun nicht mehr nur Otto Normalverbraucher. Hartnäckig krallt sich der Pleitegeier auch in den Häuptern der Staatseliten fest. Als Konsequenz spannen die Regierungen „Rettungsschirme“ auf und steigen auf die „Schuldenbremse“. Betroffen sind von diesen Maßnahmen in erster Linie wieder einmal jene, die ohnehin bereits am Hungertuch nagen oder sich eben das letzte Hemd über den Kopf ziehen: Bildung, Soziales, Kunst und Kultur. Doch es regt sich Widerstand. Die Basis des westlichen, kapitalistisch

orientierten Weltsystems schreit auf, mobilisiert, okkupiert. Die Wut richtet sich gegen „die da oben“, gegen Reiche und Mächtige - gegen das eine Prozent. Was aber nützt das Aufbegehren des einfachen Fußvolkes? Ist es nicht bereits zu spät, sich aufzulehnen? Haben sich die Machtstrukturen nicht schon so unzerstörbar manifestiert, dass sie wie die Flaktürme in Wien im Alltag eingebunden weithin sichtbar, aber nicht mehr auslöschbar sind? Ist es nicht so, dass jedes Aufbäumen gegen diese Strukturen ohnmächtig und lächerlich erscheint, angesichts der Tatsache, dass wir, die

99%, jeden Tag mehr oder weniger gezwungen sind, dem Konsumdiktat zu folgen - und damit wieder genau jene stärken, die wir stürzen wollen? Schließlich diktiert uns die Werbewirtschaft seit Jahren erfolgreich das Glück und wir Konsumlemminge folgen blind dem Ruf der Verführungen, stürmen die Kaufhäuser und reißen uns um Gadgets und Illusionstransporter. Kein Mensch braucht Smartphones und 3D-Flatscreens. Aber sie machen uns glücklich - angeblich - zumindest vorübergehend. Spätestens nächstes Weihnachten ist der Kick abgeflaut und wir Kaufrausch-Junkies drängeln uns erneut auf Rolltreppen und raffen gierig ver-

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WIR SIND 99%

meintliche Sonderangebote. Alles auf Pump, selbstverständlich. Die Großen machen es uns vor, wir üben diese Praxis im Kleinen. Was aber IST diese Krise, welche uns die Massenmedien mit einem tagtäglichen Bombardement immer neuer, zum schrecklich Bedrohlichen aufstilisierten und mehr an Kriegsberichte als an Wirtschaftsmeldungen erinnernden Beiträgen in das Bewußtsein hämmern? Und wo liegen ihre Ursprünge tatsächlich, wenn man mit Recht daran zweifeln will, dass exemplarisch herausgepickte gescheiterte Spekulanten als allgemeingültige Sündenböcke angeprangert werden? Sozialwissenschaftler betrachten wirtschaftliche und soziale Entwicklungen als zyklische Verläufe. Die Theorien dazu sind unterschiedlich, gemeinsam ist ihnen jedoch die Abfolge längerer und kürzerer Wellen von Auf- und Abschwüngen. Diese Konjunkturzyklen als Produktions- und Akkumulationswellen beschreibenden Theorien gehen von circa 25-jährigen Phasen aus, in denen ein wirtschaftlicher Auf- beziehungsweise Abschwung stattfindet. Im Aufschwung steigen Produktion und Nachfrage, während der Abschwung in eine Rezession führt, die durch Profit- und Produktionskrise gekennzeichnet und um Kostenreduktion und Rationalisierungen bemüht und von einem harten Konkurrenzkampf geprägt ist, der idealerweise zu einem neuen Aufschwung führt.

tentielle Konkurrenten am Weltmarkt zu beseitigen. Zu Beginn der 1980er Jahre pumpte die militärische Aufrüstung der NATO Milliarden in die Rüstungsindustrie, was das Ende des Warschauer Pakts 1991 aus ökonomischen Faktoren heraus erklärbar macht. Gleichzeitig wurden soziale Bewegungen verstärkt zurückgedrängt oder zerschlagen wie zum Beispiel die britische Bergarbeitergewerkschaft. Dem von Amerika aus dominierten Aufschwung wurde bereits mehrmals das nahe Ende vorhergesagt: mit dem 1. Irak-Krieg Ende der 1980er Jahre, mit dem Einsturz des World Trade Centers und jüngst anlässlich der Immobilien- und der daraus resultierenden Wirtschaftskrise ab 2007. Tatsächlich zeigen sich Anzeichen eines Wandels der wirtschaftlichen Vorherrschaft weg von den USA hin in Richtung Südostasien. China treibt seit Mitte der 1980er Jahre mit seiner staatlich angetriebenen Produktivität alle anderen Konkurrenten vor sich her. Sein Wachstum ist mehr oder minder direkt für die Expansionspläne der USA als auch für die EU-Osterweiterung verantwortlich. Bislang gelang es dabei jedoch immer, die Stabilität der Währungen zu bewahren. Was aber, wenn nun tatsächlich der Euro als zweitwichtigste Reservewährung in die Knie geht?

Der Beginn der Weltwirtschaftskrise 2007 kam nicht unvorhersehbar. Nach den umfassenden Zerstörungen während des II. Weltkrieges schienen für neue Investitionen zunächst schier grenzenlose Möglichkeiten zu existieren. Die Wirtschaft Europas lag ebenso in Trümmern wie der Großteil der europäischen Städte und Absatzmärkte mussten erst wieder errichtet werden. Wirtschaftsbelebende Konkurrenz schien für Jahrzehnte kein Thema zu sein. Dies nutzten die USA via Marshallplan, um scheinbar unbegrenzte Absatzmärkte in Europa zu akquirieren. Die Teilung Europas durch den Eisernen Vorhang in den kommunistischen Osten und den kapitalistisch orientierten Westen und das Embargo der kommunistischen Länder durch die USA führte zu einem Bruch der traditionellen Wirtschaftsbeziehungen zwischen West- und Osteuropa. Aus dem Tief der traditionellen Industrie Mitte der 1970er Jahre führte eine neue Leitbranche zum Aufschwung: Informations- und Biotechnologien. Die Folge war mit dem Entstehen von Global Playern die sogenannte Globalisierung. Betriebswirtschaftliche Rationalisierungen fanden im großen Stil statt. Der Einsatz der digitalen Technologie führte zu einer wirtschaftlichen und auch gesellschaftlichen Umformung. Neue Waffensysteme und Militärstrategien machten Kriege als politische Mittel leichter führ- und kontrollierbar. Die USA starteten Angriffe auf arabisch-islamische Nationen (Irak-Krieg), die Europäische Gemeinschaft drängte ihre Fühler in den osteuropäischen Raum, um Absatzmärkte ihrer Unternehmen zu vergrößern und po-

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as Proletariat wird seine politische Herrschaft dazu benutzen, der Bourgeoisie nach und nach alles Kapital zu entreißen, alle Produktionsinstrumente in den Händen des Staats, d. h. des als herrschende Klasse organisierten Proletariats, zu zentralisieren und die Masse der Produktionskräfte möglichst rasch zu vermehren. Karl Marx


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Der gebürtige Linzer und erfolgreiche Hongkonger Reeder Helmut Sohmen hat bereits vor 20 Jahren Studenten geraten: „Go east, young man“. Er verweist auf die im pessimistischen Glauben, am Ende angelangt zu sein, begründete europäische Haltung, wie ein geschlagener Hund zum aus der Krise profitierenden China aufzublicken. Der Politologe und Otto-Wolff-Direktor des Forschungsinstitutes der „Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik“ (DGAP), Eberhard Sandschneider, Inhaber des Lehrstuhls für Politik Chinas und Internationale Beziehungen an der Freien Universität Berlin, beschäftigt sich in seinem aktuellen Buch mit einem erfolgreichen Abstieg Europas. Er fordert mehr Effizienz statt Besserwisserei und die Einsicht, dass neue Denkmuster gefragt sind. Abschauen könne sich Europa dabei viel von China. Es ist also nicht mehr nur die kommunistische Linke, die ein Scheitern des Kapitalismus prophezeit und hoffnungsvoll in Richtung Sonnenaufgang blickt. Stößt der Kapitalismus als Folge gesättigter Märkte, die Kapital, Waren, Dienstleistungen und Arbeitskraft nicht mehr unbegrenzt aufnehmen können, an seine Kapazitätsgrenze? Bricht nun ein als alternativlos betrachtetes Gesellschaftssystem in sich zusammen? Erwartet uns eine soziale / sozialistische / Revolution? Immanuel Wallerstein weist in seinem Buch „Utopistik“ darauf hin, dass jenseits kapitalistischer Verwertungsrationalität nicht nur emanzipative Logik, sondern auch fundamentalistische Antworten gefunden werden. Inwieweit solche unsere Zukunft bestimmen, ist Teil unserer eigenen Verantwortung. Der gegenwärtig europaweit zu beobachtende populistische Rechtsruck der Politik ist trotz aller Bedenklichkeit eher harmlos und keinesfalls mit den Anfängen der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft gleichsetzbar. Mit größerer Sorge sind da schon die sozialen Aufbruchsbewegungen zum Beispiel in der islamistischen Welt zu betrachten, weil die sozial motivierte, jedoch religös dominierte und hierin rückwärts gerichtete Weltsicht eine fortschrittliche Entwicklung im Keim erstickt. Das „aufgeklärte“ Europa wird - allen rechtspopulistischen Unkenrufen zum Trotz - von einer „Islamisierung“ nicht weiter berührt werden, allein schon, weil die christliche Kirche ihre Interessen in wirtschaftlich benachteiligte Weltregionen verlagert hat und die hier lebenden Muslime mehr wirtschaftliche Interessen denn Missionarische verfolgen - sich Religion als Machtmotivation hierzulande ganz einfach totgelaufen hat. Widerstandsformationen wie jene der globalen „Occupy“Bewegung sind eher als Tumult und Protest denn als soziale Bewegung zu betrachten und wenig geeignet, zu einer tatsächlichen Wende, einer sozialen Revolution, zu führen. Auch das Zündpotenzial der antikapitalistischen Auflehnung suburbaner Milieus in Städten wie Paris, Rom, Athen oder Barcelona, wo die Angst vor einer ungewissen Zukunft die Jugend auf die Brutalität der Exekutive dermaßen aggresiv begegnen lässt, dass sie die

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Staatsgewalt zumindest vorübergehend außer Kraft setzt, ist nicht mehr als ein temporäres Aufflackern von Wut und Verzweiflung. Es verbleiben also eher theoretische linke Strömungen wie solche, die von der Erkenntnis ausgehen, dass sich soziale Fragen in Fundamentalismen und Ethnisierungen spiegeln, was unter bestimmten Bedingungen Ausgangspunkt für eine emanzipative Politik sein könnte. Gerne wird immer wieder über ein der Einkommensschere Entgegenwirken diskutiert, genau so gerne darüber, soziale Benachteiligungen etwa durch ein bedingungsloses Grundeinkommen aufzuheben. Was sich in der Theorie verlockend anhören möchte, bleibt in der Realität bislang unumsetzbar. Die etablierten Machtmonopole versuchen solche Entwicklungen vorerst erfolgreich zu verhindern, indem demokratische Elemente immer mehr ausgehöhlt und unterspült werden: siehe beispielhaft die Sammlung persönlicher Daten Flugreisender, die als Vorratsdatenspeicherung bezeichnete Protokollierung von Telefonaten, Emails, des Internet-Surfverhaltens, die zunehmend sich totalisierende Videoüberwachung und so fort. Der Diktatur des Kapitals könnte so eine politische Diktatur folgen, vergleichbar mit jener in den Staaten des ehemaligen Ostblocks. Folgt man den Ideen von Joseph Schumpeter, der sich bereits 1942 in seinem Werk „Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie“ mit dem Niedergang des kapitalistischen Systems auseinander setzt, endet dieser aber nicht wie bei Karl Marx in einer sozialistischen Weltrevolution, sondern geht in einer sanften Wende in ein sozialistisches System über. Ausgelöst wird dieser Umschwung laut Schumpeter durch Intellektuelle, die ihre Unzufriedenheit auf ihre Mitmenschen zu übertragen versuchen und eine gegenüber dem System feindselig eingestellte Atmosphäre schaffen. Unter diesen Blickwinkeln stellt sich nun wirklich die Frage, ob die Zukunft Europas in den Händen des Sozialismus liegt, wie er in China praktiziert wird, von dem sich laut Sandschneider, Sohmen und anderen Europa einiges abschauen könne. Doch wie stehen wir der Aussicht gegenüber, uns einem System zu unterwerfen, in dem die Kontrolle über Produktivität und Preis einer zentralen Behörde unterworfen ist? Tatsache ist, dass es weder Kapitalismus noch Sozialismus bisher gelungen ist, Probleme wie Armut, Ausbeutung, Unterdrückung, Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen und reale Teilhabe an Demokratie zu lösen. Liegt die Lösung in Heinz Dieterichs Idee vom „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“, die im wirtschaftlich aufstrebenden Lateinamerika als wegweisendes Standardwerk gilt und vom venezuelanischen Präsidenten Hugo Chavez begeistert zur Lektüre empfohlen wird, Ob Europas Zukunft in dieser Weiterentwicklung bisheriger repräsentativer Demokratie liegt, bleibt abzuwarten. Vielleicht erübrigt sich aber auch alles mit dem 21. Dezember 2012. (ft)

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FREIRAUM

ZU GAST IM FREIRAUM BRIGITTE WOETZEL

bitte verschenkt mein fahrrad es ist mir zu groß! von mir aus könnt ihr es auch VERKAUFEN nur will ich nicht, dass es im keller verstaubt und platz beansprucht, wo kein platz ist

bitte verlasst mein denken es ist euch zu groß! von mir aus könnt ihr es auch VERSAUFEN nur will ich nicht, dass ich im keller verstaub und leere fühle, wo keine lehre ist

bitte versteht mein handeln es ist, wie es ist! von mir aus könnt ich mich auch VERLAUFEN doch will ER nicht, dass ich im keller verstaub wo mein platz in der wüste ist

Das Kochen war vergangen der Hunger zeitlos still Da küss ich Deine Wangen weil ich nicht sterben will

Das Blut, das ging verloren das Essen lag im Klo Doch bin ich neu geboren bin ich auch wieder froh

Die Wut, die war verflogen verzogen in den Rauch Da bin ich abgebogen weil ich Dich nicht mehr brauch

Ich tröste meine Tränen bedauere den Schaum Doch will ich noch erwähnen es bleibt zurück: ein Traum

Doch weil ich nicht kann warten gebrochen hab ich viel Da ging ich in den Garten zum allerletzten Spiel

Der Traum vom letzten Winter der Winter nicht mehr ist und ist er fort, so spinnt er ins Wasser! das dann fließt

Zerpflücket warn die Rosen die Lilien verblüht da stopf ich rote Hosen ins Feuer, das dann glüht Ich denke, also bin ich bescheuert! ganz bestimmt. Und schenk ich, dann verlier ich das Blut, das von mir schwimmt

Mein Hoffen war versponnen die Liebe fest verstrickt die Sehnsucht ist zerronnen der Schneemann, der erschrickt Denn fort war alle Liebe ein Spiegel, wie der Mond gebrochen alle Triebe ich habe nie gewohnt.

FREIRAUM FÜR DEIN STATEMENT! Das VERBALE MAGAZIN bietet Platz zur Publikation - egal, ob Lyrik, Prosa oder freie Meinungsäußerung. Jeder ist eingeladen, seinen Beitrag einzureichen! Die Veröffentlichung erfolgt garantiert unzensiert nach dem Zufallsprinzip. Zusendungen mit Foto und kurzem Lebenslauf bitte per Email an freiraum@verbale.org.

Einsendungen mit rassistischen, verhetzenden oder anderen gegen geltendes Recht und gute Sitten verstoßenden Inhalten sind von der Teilnahme ausgenommen. Die Zustimmung zum Abdruck auf eigene Verantwortung und die Übertragung aller Vewertungsrechte gilt mit der Zusendung erteilt. Eine Abgeltung und Retournierung eingesandter oder veröffentlichter Zusendungen ist nicht möglich.

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C.H. HUBER

C.H. HUBER

SPÄTBERUFENE WORTGEWANDTHEIT

nicht wird gespart an gekläff vom halsbandengerschnallenmüssen des antiken krätzigen schuldigen köters verprasst dazu auf großen congressen was arme hunde jährlich verdrücken skrupellos werden fänger gehetzt auf beller aus allerletzten löchern vom mist in heimischen hundehütten lenkt gewollte entscheidungsschwäche ab wider besseres wissen wird in eigene präpotent populistisch aufgestellte schwänze gebissen vollidiotisch vollmundig vermutlich zerrissen vision und union

pythia 20. juni 2011

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C.H. HUBER

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ine Spätberufene sei sie, meint C.H. Huber, weil sie erst mit 45 Jahren zu schreiben begann - und dies zunächst „nur für die Schublade, für mich selbst - weil Lyrik eine schöne Form ist, sich auszudrücken“. Obwohl es in ihrem Elternhaus kaum Bücher gab, habe sie als Kind alles gelesen, was ihr in die Finger kam, auch Krimis wie Jerry Cotton, Wildwest- und Liebesromane - die ganze schnell verfügbare Schundliteratur eben, und davon geträumt, einmal selbst ein Buch zu schreiben. In Deutsch sei sie ja immer sehr gut gewesen, erinnert sie sich zurück, und hätte zwei mal in das Heft ihrer Lehrerin, die darin die besten Aufsätze ihrer Klassen sammelte, schreiben dürfen. Doch vorerst blieb ihr Kontakt mit der Literatur passiv. Sich selbst schreibend auszudrücken begann sie inspiriert durch ein Gedicht, das sie in der Tiroler Tageszeitung fand, die damals noch Platz für Lyrik und mehr Platz für Kultur übrig hatte. Irgendwann einmal konnte sie sich dazu durchringen, ihre Gedichte einer Freundin zu zeigen, die „natürlich begeistert war, weil sie wie damals auch ich von der ganzen Materie denkbar wenig Ahnung hatte“, schmunzelt sie. Ihre Anfänge waren ähnlich denen so mancher heute erfolgreicher LiteratInnen, die aus dem Hobby heraus ihre Leidenschaft zum Beruf machen konnten. und wird salutiert rapportiert auf helden und sonstigen plätzen militärtechnik lockt verziert den schleim aus obrigkeitsmündern marschieren werden wenn die kleinen kanonieren krepieren ohne zu murren

national.tag.feier.

Schließlich schloß sie sich der Literatur-Initiative „Turmbund“ an und bekam von deren langjährigem Leiter Roland Jordan eine Lesung im Rahmen einer der Sonntagsmatineen angeboten, die damals noch im alten Cafe im Hofgarten stattfanden. Zunächst zögerte sie, denn sie habe immer recht freche Texte verfasst und war sich nicht sicher, ob der als konservativ geltende Turmbund der geeignete Rahmen dafür wäre. Es hätten sich auch drei ältere Damen über die schließlich vorgetragenen Texte empört und den Raum verlassen, doch Roland und seine Frau Margit Jordan sowie andere Mitglieder der Initiative hätten sie verteidigt und ihr weitere Lesungen ermöglicht. In Schreibseminaren, unter anderem unter Raoul Schrott, Julian Schutting, Irene Prugger, E.A. Prantl oder Ch. W. Bauer, lernte sie das literarische Handwerk und ihren Ausdruck zu verfeinern. Von Anfang an versuchte sie, ihre eigene Sprache zu finden. Texte überarbeitet sie immer wieder, bis sie als selbstkritische und gestrenge Kritikerin zufrieden mit dem Ergebnis ist. „Schreiben ist harte Arbeit! Selten gelingt ein Gedicht auf einen Streich, wie viele glauben, und auch bei Prosa feilt man an Texten, Sätzen, einzelnen Wörtern lange herum, bis alles in sich stimmig ist.“ An ihre Anfänge im Turmbund erinnert sie, die heute Mitglied der IG

Autorinnen und Autoren, der Grazer Autorinnen Autoren Versammlung und des Österreichischen Schriftstellerverbandes ist, sich gerne zurück: sie betrachtet die Mitglieder dieser Initiative als ihre Geburtshelfer im literarischen Sinne. Inzwischen etabliert hat sich das Schreiben zum Inhalt ihres Lebens, das die ehemals kaufmännische Angestellte und Großfamilien-Managerin - „1 Mann, 5einhalb Kinder, 2 Hunde, Blumen- und Gemüsegarten und und und...“ in ihrer Heimat Österreich und in ihrer „Herzensheimat“ Griechenland verbringt. Überhaupt ist Reisen eine ihrer großen Leidenschaften, und so kommt es ihr gelegen, daß sie zu Lesungen auch im Ausland eingeladen wird. „Du bist doch sonst ein so netter Mensch, wie kannst Du nur so etwas schreiben?“, wurde sie, die einst auch als „Bukowski des Turmbunds“ bezeichnet wurde, anlässlich einer Lesung ihrer oft sehr anspruchsvollen und kritischen Texte gefragt. Warum auch nicht, meint sie. Lyrik hat nicht einlullend und schönmalerisch zu sein, wie weit verbreitet geglaubt wird. Auch wenn C.H. Huber oft harte Worte findet für das, was sie anspricht, kommen auch Satire und Humor nicht zu kurz, genauso wenig Eros und Thanatos. Ihre Themen sind neben Beziehungen - nicht nur zwischenmenschlichen - auch Gesellschaftskritische und Politische.

rot röter denn je die untergehende sonne von jungen leuten aus braunau heute zerradelt nicht musst du jenen ort heimat nennen stellst du einmal mehr zufrieden fest beim blick in die beflissenen pimpfgesichter beinahe tun sie dir leid obwohl du weißt dass es sie überall gibt dein mitleid mit dem schwarzen am tisch gegenüber bleibt /aber gering/ hättest gerne geredet mit ihm doch schon zog er leine denn seinen fordernden augen hast du no chance gegeben ein kleiner blondschopf läuft dir vor die linsen und unermüdlich durchs lokal ihn lächelt als einzigen ein raffiniert zurückhaltender an und beendet seine briefe ziemlich verrückt sieht der aus der wäsche denkst du wär also fähig dein eigenes narrsein zu wecken bliebest du länger wärest du jünger riskiertest du immer noch alles für einen wie ihn?

lentas/dytiko XXI

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C.H. HUBER

Angesprochen auf die aktuelle Wirtschaftskrise Griechenlands meint sie, dass die Griechen daran nicht unschuldig seien. Sie seien „in diesem Sinn noch nicht ganz in der EU angekommen“, hätten sich „mit dem Wissen der anderen Staaten hineingeschmuggelt“. Sicher habe Griechenland diesbezüglich große Fortschritte gemacht - die nicht immer zu ihrer Freude ausfielen: verdränge doch insbesondere die touristische Vermarktung jene Stille und Beschaulichkeit an Stränden und in Landstrichen, die sie so schätze. Und sie fürchtet, daß die Situation der wirklich schwer unter den wirtschaftlichen Bedingungen leidenden und „im Bürgerkrieg geübten“ Griechen eskaliert. Es wird vieles „brennen, auch weiterhin. Man sieht ja auch an den arabischen Staaten, daß manches, dort das demokratische System, nicht plötzlich aufgestempelt werden kann.“ Die Gefahr, dass radikale Gruppen die Situation für sich nutzen und in „Salami-Taktik“ die Macht an sich reißen, dass Demokratie an sich dadurch ad absurdum geführt werden könnte, dass Europa - zumindest aber der Euro - zu Fall kommen könnten, sehe sie als eine Dominante. Schon zu Beginn der Krise fand sie, es wurde zu zögerlich in Sachen Hilfe für Griechenland reagiert, und die EU habe sich damit ins eigene Fleisch geschnitten. Ein Thema, das sie bereits vor einem halben Jahr in einem Gedicht verarbeitet hat, das wir freundlicherweise zur Einleitung dieses Portraits abdrucken dürfen. Zu schnell verrinnt die Zeit im Gespräch, und schon heißt es, sich von der sympathischen Schrifstellerin zu verabschieden. Abschließend dürfen wir C.H. Huber noch herzlichst zu dem jüngsten Preis in einer inzwischen beachtlich langen Liste von Auszeichnungen gratulieren, den sie für ihre Lyrik in Feldkirch empfangen hat. Aus über 500 Einsendungen, nicht nur aus dem deutschsprachigen Raum, wählte die Jury sie an die zweite Stelle. Auch wenn „es wieder mal kein 1. Preis ist“, wie sie lächelnd bedauert, „aber das bietet ja die Möglichkeit, sich weiter zu steigern.“ (oh)

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C.H. HUBER EINZELBÄNDE 1999 „unter tag“, TAK Innsbruck 2000 „gedankenhorden“, Edition Doppelpunkt, Wien 2005 „Kurze Schnitte“, TAK Innsbruck 2008 „wohin und zurück“, TAK Innsbruck 2011 „die poesie der waschstraße“, SKARABAEUS Innsbruck-Bozen-Wien PREISE 1995 Anerkennungspreis Wasserpreis Vomp/Tirol 1997 Gewinnerin des 1. Poetry-Slam, Theater der Provinz, Innsbruck 1998 Anerkennungspreis Großer Österr. Haiku-Preis der NIPPON-Österr.Jap.-Ges., Wien 1998 3. Preis Silbersommer-Prosapreis, Schwaz/Tirol 2002 2. Preis Lyrik Wasserworte Algund/Meran/Italien 2003 3. Preis Silbersommer-Prosapreis, Schwaz/Tirol 2003 Anerkennungspreis Lyrik Stauffacher Buchhandlungen, Bern 2005 Anerkennungspreis Prosa beim Wettbewerb des Freien Deutschen Autorenverbandes, Leipzig (1800 Teilnehmer) 2005 3. Preis Silbersommer-Prosapreis, Schwaz/Tirol 2007 Preisträgerin bei Innsbruck liest 2007 2011 2. preis beim feldkircher lyrikpreis ANTHOLOGIEN UND BETEILIGUNGEN (AUSZUGSWEISE) 1994 Realtragödie: Gift, Erstfassung in Zusammenarbeit mit Günter Kreidl, von C. H. H. neu überarbeitet (unveröffentlicht) 1995 Lyrik-Zyklus herzatem, Band 1 der Neuen Turmbundreihe: Fliehende Ziele ISBN 3-85185-0149 1996 Ausstellung: Mann Dialog? Frau, Lyriktexte in Verbindung mit Werken von J.M. Dialer, Schloss Büchsenhausen, Ibk. 1998 Kurzprosa, Anthologie: Frechheiten, Verlag Wort und Mensch, Köln ISBN 3-9802860-8-8 1998 Lyrik in: Der Mongole wartet, Literaturzeitschrift, Bochum 1999 Prosa, Anthologie: Ausblicke, Turmbund Innsbruck ISBN3-85185017-3 2000 Haiku in der österr. Literaturzeitschrift: Literatur und Kritik 2001 Lyrik in zeitzoo, Literaturzeitschrift, Wien 2002 Szenische Lesung des Dramoletts Zwischen Tür und Angel mit Josef Hader, 1. Wiener Lesetheater, LiteraturhausWien 2002 Lyrik in: Orte, Schweizer Literaturzeitschrift 2003 Lyrik, Anthologie der Brentano-Ges., Frankfurter Biblioth. d. zeitgen. Gedichts 2004 Prosa, Anthologie: Erzpoet und Eulenspiegel, Verlag Jörg Mitzkat, D-Holzminden, ISBN 3-931656-72-1 2005 Lyrik, Anthologie der Brentano-Ges., Frankfurter Biblioth. d. zeitgen. Gedichts 2006 Prosa, Anthologie: Fluchträume, Turmbund Innsbruck ISBN-10: 3-85185-022-X 2007 Lyrik in: Lichtungen, Literaturzeitschrift, Graz 2007 Kurzprosa in: freibord nr. 139, Literaturzeitschrift, Wien 2008 Kurzprosa Schönbrunnmonolog, in der Broschüre Literatur in Aktion 2009 November, Anthologie zum Feldkircher Lyrikpreis 09 Lyrik der Gegenwart³, Edition Art Science ISBN 978-3 902157-58-4 2010 Dezember, Kurzprosa in der Anthologie Tiroler Identitäten/Turmbund Innsbruck, ISBN 978-3-90000-75-5 Kyrene Verlag Innsbruck 2011 Anthologie zum feldkircher lyrikpreis, lyrik der gegenwart14, edition art science, ISBN 978-3-902157-96-6


SZENE

FLAGGE ZEIGEN - RAUM GREIFEN 1. INNSBRUCKER KUNST & DEMOKRATIE-FESTIVAL

Am Nationalfeiertag, dem 26. Oktober 2011, fand im VERBALE FORUM in der Innstrasse 55 in Innsbruck das erste Innsbrucker Kunst & Demokratie-Festival statt. Die Organisatoren waren 端berrascht 端ber die unerwartet hohe Beteiligung aus dem Publikum, das mit zahlreichen Wortmeldungen die Beitr辰ge der teilnehmenden K端nstler ungemein bereicherte.

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RHYTHM & MORE

ALLES IM TAKT IM ZUR ERÖFFNUNG

DER ERSTEN

L

aut her geht es in der sogenannten „Bogen-Meile“ in der Innsbrucker Ing.-Etzel-Strasse schon seit Jahren. Doch seit wenigen Monaten zeichnet sich dort ein neuer Trend ab, der wegführt vom Lärm pöbelnder Betrunkener vor den Türen der unzähligen Clubs, Pubs und Bars. Langsam scheinen sich dort rund um die etablierte PMK nach und nach weitere Kulturbetriebe anzusiedeln.

Alles andere als stupide Krachmacher sind auch Louis Goldblum und Mario Kofler, die es sich vor wenigen Monaten zur Lebensaufgabe gemacht haben, dem Tiroler Bergvolk mehr Taktgefühl zu vermitteln. Doch keine Angst, im Bogen 31 in der Ing. Etzelstrasse nahe der Messe Innsbruck wird nicht Benehmen á la Knigge unterrichtet. Mit der ersten privaten RhythmusSchule „Rhythm & More“ füllen Goldblum und Kofler die Lücke zwischen notorischen „Do-it-yourself“-Drummern, die im Hobbykeller Schlagzeug wie Nachbarsohren gleichermaßen malträtieren, und dem akademisch orientierten Unterrichtsangebot an öffentlichen Musikschulen. Daß ihr Prinzip des praxisnahen Unterrichts gut ankommt, beweisen nahezu täglich neue Anfragen und eine für die kurze Zeit des Bestehens beachtliche Schülerzahl.

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RHYTHM & MORE

„RHYTHM & MORE“ INNSBRUCKER RHYTHMUS-SCHULE

Wer sich unter die Fittiche der beiden Musiker begibt, hat es mit Profis zu tun. Mario Kofler - links im Bild wurde 1963 in Hall i.Tirol geboren, besuchte zunächst die Musikschule Innsbruck und studierte anschließend am Landeskonservatorium Klagenfurt bei Prof. Erich Bachträgl, wo er mit dem Jazzdiplom abschloss. Ausreichend Unterrichtserfahrung sammelte er während seiner Lehrtätigkeit an der Landesmusikschule Kärnten, am Ingeborg Bachmann Gymnasium und auch im „Verein zur Förderung integrativer Musik“, wo er Menschen mit besonderen Bedürfnissen unterrichtete. Die Liste seiner Bandund Studio-Referenzen ist lang: Naked Lunch, Monta, Grind 6, Lee Harper, Ana Bezjak, Unkraut, Fuzzman, Michael Erian, Florian Bramböck, The Bluesbreakers, Thad Beckman Trio, Primus Sitter, Karen Asatrian Ali Gaggl, Tonc´ Feinig und viele mehr. Auch wirkte er an diversen Studio- und Theaterproduktionen sowie an der Filmmusik

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RHYTHM & MORE

für „Love and other crimes“ mit. Louis Glodblum - auf der vorhergehenden Seite rechts im Bild - wurde 1967 in Port Elizabeth, Südafrika, geboren und entdeckte seine Liebe zum Schlagzeug durch seinen Vater, der dort in einer Scottish PipeBand spielte. Schon im Alter von 3 Jahren bekam er seine ersten Sticks geschenkt und eiferte den SnareDrummern dieser Dudelsack-Band nach. 1979 stieg er als fixes Mitglied in die Port Elizabeth Caledonien Pipe Band ein und absolvierte eine Ausbildung zum Snare Drummer, gefolgt vom späteren Aufstieg zum Lead Drummer. Klar, daß auch er in der Pubertät Pop und Rock für sich entdeckte. Seit seinem 17. Lebensjahr ist er als Schlagzeuger in diversen Bands mit Tourneen durch Südafrika und Europa und als Studiomusiker tätig. 1987 immigrierte er nach Österreich und spielte dort während der ersten Jahre für Musiker wie Andy Baum und Dominik Plangger sowie in Bands wie Joni Madden, Mo & the Gansters von Günter Mokesch, Marc Hess Company, Die Trenkwal-

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der, Tintenfisch, Stringdoctors. Die Liste ließe sich noch die nächsten Seiten fortsetzen. Beide haben also quer durch alle Musikstile unendlich viel Erfahrung im Studio und auf der Bühne - und genau diese möchten sie im Unterricht weitergeben. Mit ihrem Unterrichtskonzept sehen sie sich nicht als Alternative oder im Mitbewerb zu institutionellen Schulen wie Landesmusikschule, Konservatorium oder Mozarteum. Wer eine akademische Ausbildung zum Schlagwerker anstrebt, ist dort besser aufgehoben. Wenn jedoch „einer in einer PunkBand spielen will, hat der wenig von Übungen an der Pauke“, meinen Kofler und Goldblum. Sie bieten praxisbezogenen und individuell auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Schülers abgestimmten Unterricht an - ohne Altersbeschränkung oder Anforderungen an ein bestimmtes Vorbildungsniveau.

„Es ist klar, wenn man ein Instrument lernen möchte, kommt man

um bestimmte technische Grundlagen nicht herum. Doch diese Theorie lässt sich durchaus spielerisch so in den Unterricht verpacken, daß man sie sozusagen nebenher mitnimmt.“ Angeboten wird aber nicht nur Schlagzeugunterricht in der gesammten Palette der Stilrichtungen, wie zum Beispiel Pop, Rock, Jazz, Latin, Funk und Soul. Unter der Bezeichung „Rhythm & Reading“ wird Rhythmus auch für andere Instrumentalisten und Vokalisten angeboten. Dieses Fach bezieht sich im Besonderen auf Notenlesen, Phrasierung, Rhythm Patterns (rhythmische Figuren) & Timing (rhythmische Genauigkeit). Wer sich hingegen auf Studioaufnahmen vorbereiten will, ist dank des technischen Equipments vor Ort, das unter anderem elektronische Schlagzeuge und Aufnahmegeräte umfasst, bei „Rhythm & More“ ebenfalls bestens aufgehoben. Mario Kofler und Louis Goldblum unterrichten aus Liebe zu ihrem In-


RHYTHM & MORE

strument heraus und legen so auch großen Wert auf das musikalische Interesse ihrer Schüler daran. Ohne Wille geht also gar nichts. Welche Aufnahmebedingungen gibt es sonst? Innerhalb welcher Altersgrenzen werden überhaupt Schüler aufgenommen? Und was erwartet eine „talentlose musikalische Wildsau“, die ihren Weg in den Bogen 31 findet?

„Also, eine Altersgrenze, um Schlagzeug zu lernen, gibt es nicht, glaube ich. Wenn das Interesse vom Kind aus geht, kann es kaum zu jung sein. Unser jüngster Schüler ist 5 Jahre alt und unser ältester schon lange in Pension. Also wenn es jemandem taugt, geht´s immer. Sicher lassen die motorischen Fähigkeiten mit dem Alter nach und man tut sich einfach schwerer. Aber bei uns steht ja der Spaß und die Freude im Vordergrund. Deswegen nehmen wir uns auch für jene Zeit, die vielleicht musikalisch weniger talentiert sind und an einer herkömmlichen Schule nie eine Chance bekämen, aber trotzdem einfach zu ihrem Vergnügen Schlagzeug spielen wollen.“ Stationiert ist die Schule mitten im Zentrum von Innsbruck in einem akkustisch bestens ausgebauten Viaduktbogen. Haltestellen der öffentlichen Verkehrsmittel sowie Parkplätze liegen direkt vor der Tür, somit ist die erste private RhythmusSchule für jeden leicht zu erreichen. Ausgestattet ist die Schule mit drei kompletten Drumsets, mehreren Snares, div. Cymbals, Computer, Recording-Software und vielem mehr. Somit bietet sich auch die Möglichkeit, zu Playalongs (Playbacks) jeder Musikrichtung zu spielen. Zusätzlich kann das Spiel aufgenommen und später gemeinsam angehört und analysiert werden. Auch preislich ist das Unterrichtsangebot moderat gestaltet, wie die nebenstehenden Infos zeigen. Kein Grund also zu zögern - im Gegenteil: die zeitlichen Ressourcen sind begrenzt und eine frühe Anmeldung sichert eine fundierte und solide Ausbildung!

RHYTHM & MORE NOT JUST FOR DRUMMERS

Ing. Etzelstr. 31 A-6020 Innsbruck Tel.: +43 676 48 0 49 97 Email: rhythmandmore@gmx.at Internet: http://www.rhythmandmore.com

PREISE Stundentarif: 30 min. 45 min. -

25.- pro Einzelstunde 33.- pro Einzelstunde

Monatstarif: 30 min. 45 min. -

67.- pro Monat 95.- pro Monat

Semestertarif: 30 min. - 320.- pro Semester 45 min. - 460.- pro Semester

INFOS Der Unterricht findet einmal pro Woche, in der mit dem Schüler vereinbarten Form statt. In den Schulferien und an Feiertagen findet KEIN Unterricht statt. Wintersemester: Oktober bis Mitte Februar Sommersemester: Mitte Februar bis Anfang Juli

Es besteht natürlich auch die Möglichkeit, während eines laufenden Semesters mit dem Unterricht zu beginnen, unabhängig von der jeweiligen Tarifform.

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BARBARA FUCHS

GEDRUCKT & GEBUNDEN BARBARA FUCHS

liegt - weil sie, wie sie sagt, „Angst vor der Farbe“ hat. Im Künstlerkollektiv „Gruppe 84“ rund um Prof. Siegfried Norbert Amerstorfer, den sie immer wieder als ihren Hauptmentor erwähnt, kam sie schließlich mit Gleichgesinnten in Kontakt. Als Jüngste fühlte sie, das „Nesthäckchen“, sich dort sehr wohlwollend aufgenommen und unterstützt in ihrem Bestreben, Künstlerin zu werden. Mitglieder dieser Gruppe führten sie schließlich an das Fachgebiet der Radierung heran, an dem sie sofort großen Gefallen fand.

„Mein Gott, das ist alles so ewig her! Damals war ich noch keine 20 - und heute bin ich keine 20 mehr, und

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erliefe das Leben immer nach Wunsch, würde ich mich nicht erst am Abend nach Dienstschluss ihrem Feierabend - mit der Künstlerin Barbara Fuchs zum Interview treffen. Verliefe das Leben nach Plan, könnte sie bereits ausschließlich von ihrer Kunst leben und wäre nicht hauptberuflich Bedienstete der Bundesmuseen. Doch es kommt eben meist anders, und so musste auch die talentierte Künstlerin vor zwanzig Jahren ihre Prioritäten anders setzen. Dabei hatte sie schon als kleines Mädchen lediglich zwei Berufswünsche: entweder würde sie Künstlerin werden - oder wenn sich dies nicht machen ließe - Indianerin. Beide könnten näm-

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lich immer lange ausschlafen... Tatsächlich hat sich für sie bereits sehr früh der Beruf der Bildhauerin herauskristallisiert, weswegen sie nach dem erfolgreichen Abschluß der Glasfachschule in Kramsach auch unmittelbar die Fachschule für Bildhauerei anschloß. Dort entdeckte Prof. Mag. Siegfried Parth ihr Talent und förderte sie maßgeblich, indem er sie zu Aktzeichenkursen einlud und sie das zeichnerische Handwerk lehrte. Begleitend verfeinerte sie ihre Fertigkeiten in zahlreichen Kursen wie zum Beispiel an der Sommerakademie art.didakta und diversen internationalen Symposien. Hier erkannte sie auch, daß ihr die Malerei weniger

auch keine 30...“, lacht sie. Damals, als 20-Jährige, hätte sie die Möglichkeit gehabt, als Glasgraveurin nach Amerika zu gehen. Um sich auf diesen ihr Leben entscheidend verändernden Schritt vorzubereiten und ihre Sprachkenntnisse zu vertiefen, ging sie für ein halbes Jahr als Au Pair Mädchen nach England. Doch bei ihrer Rückkehr fand sie ein Absageschreiben auf ihrem Schreibtisch vor: der Traum von der Reise über den Ozean war geplatzt. Es folgten gesundheitliche Probleme und ein wenig unerwartet die Schwangerschaft mit ihrem Sohn. Diese war auch der Grund, warum sie zunächst aufhörte, sich ihrer liebsten Ausdrucksform, der Radie-


BARBARA FUCHS

rung, zu widmen: „Die ganzen doch recht aggressiven Chemikalien, die sind schon für einen Erwachsenen ungesund. Ganz zu schweigen von den möglichen Einflüssen auf ein ungeborenes Kind!“ Barbara Fuchs setzte sich stattdessen intensiv mit der Farbenlehre auseinander und überwand damit wohl auch ihre „Angst vor der Farbe“, die man ihren Arbeiten heute nur schwer anmerkt. Ein möglicher Mangel an Farbigkeit - sollte man ihr einen solchen vorwerfen wollen - liegt in der Technik selbst, wird doch bei Radierungen wie bei allen anderen drucktechnischen Verfahren für jede Farbe eine eigene Druckplatte benötigt,

was zu dementsprechend viel Aufwand und potentiellen Fehlern führt. Bemerkenswert sind ihre collagierten Radierungen: Drucke, bei denen Sie Ausschnitte aus Zeitschriften in ihre Arbeit einbettet und überdruckt. Die besondere Herausfordeung liegt darin, dass es sich beim CollageMaterial und dem Trägermaterial um zwei völlig verschiedene Papiersorten handelt, die im Druckvorgang miteinander verklebt werden sollen. Das weitaus dünnere Zeitschriftenpapier weist ein anderes Verhalten bezüglich der zum Drucken notwendigen Feuchtigkeit auf und der Moment des eigentlichen Druckvorgangs muss exakt abgestimmt sein. Nur so lässt

sich ein Reißen, Wellen oder Knittern der unterschiedlichen Papiere vermeiden, wenn sie mit 1,7 bis 2 Tonnen Druck miteinander verbunden werden. Diesen „richigen Zeitpunkt“ müsse man sich durch Versuch und Fehlschlag hart erarbeiten. Dies sei aber ganz nach ihrem Geschmack, denn hier könne sie „tüfteln und ausprobieren. Durch die variable Platzierung ein und derselben Platte über dem Collage-Material lassen sich verschiedenste Wirkungen erzeugen, und durch diese Technik wird jeder Druck - der ja eigentlich für die Serienproduktion bestimmt ist - zu einem Unikat!“ Ebenso auffallend ist ihre Neigung zu experimentellen Materialen bei der

Herstellung ihrer Druckplatten. So ist sie bislang die einzige Österreicherin, die Plexiglasplatten für Radierungen verwendet. „Wegen meiner ständigen Sehnenprobleme bietet sich so ein weiches Material sehr an, doch es hat im Gegensatz zu den üblicherweise verwendeten Kupfer- oder Zinkplatten ein ganz herausstechendes Manko: es lässt sich darin keine für den Druck geeignete Fläche ätzen.“ So verletzt sie die Oberfläche zum Beispiel mit Schmirgelpapier verschiedener Körnungen, um vibrierende und interessante flächige Rhythmen zu erzeugen. Barbara Fuchs ist keine Künstlerin, die „oberflächlich irgend etwas da-

Radierung (von lateinisch radere = kratzen, wegnehmen, entfernen) bezeichnet ein Tiefdruckverfahren der künstlerischen Druckgrafik, wobei der glatten Oberfläche der Druckplatte Verletzungen in Form von Linien oder Punkten zugefügt werden. Man unterscheidet die Kaltnadelradierung, bei der die Zeichnung mit einer Radiernadel auf der Druckplatte ausgeführt wird und dabei von zartesten Linien bis zu stärkeren Furchen mit aufgeworfenen Rändern, die viel Farbe aufnehmen, verschiedene Grade von Schwärzung erzeugen kann, sowie der Ätzradierung, bei der die Zeichnung in eine relativ weiche Abdeckschicht gekratzt und anschließend in die Platte geätzt wird, wobei nur die nicht abgedeckten Stellen angegriffen werden. Die bei der Verletzung entstandenen Vertiefungen der Platte können Druckfarbe aufnehmen. Durch Aufpressen eines angefeuchteten Papiers wird die Farbe aus den Vertiefungen und Rillen wieder herausgesaugt und erscheint auf dem Druckpapier. Im Gegensatz zu den Hochdruckverfahren setzt der Tiefdruck die Benutzung einer Walzendruckpresse voraus.

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BARBARA FUCHS TITLE, KOLLAGIERTE RADIERUNG,


BARBARA FUCHS

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Sprache verstehen. Barbara Fuchs macht es uns mit ihrem parodistischen Ansatz nicht schwer.“

hinschustert“, sondern sich ganz in ihre Arbeit hinein steigert. So auch in ihr jüngstes Steckenpferd, die Kunst des Buchbindens. Auslöser dafür sei der Wunsch gewesen, eine Auswahl ihrer Radierungen für ein Ausstellungsprojekt in Wien zu einem Buch zu binden und somit in eine besondere Präsentationsform zu bringen. Doch sie wollte dies nicht einfach durch einen Buchbinder erledigen lassen. „Aber man muss erst wissen, wie etwas funktioniert, bevor man damit arbeiten kann!“ So ließ sie sich das Handwerk zeigen,

in abgewandelter Form aufgenommen und aktualisiert. Ein Jahr lang hat sie Zeitungsausschnitte, Kommentare und Fotomaterial gesammelt. So entstand ein Sammelsurium von Text- und Bildzitaten, eine Sammlung banaler Headlines, ein Spiegel unserer schnelllebigen Zeit persifliert, illustriert, koloriert. [...] Jede Seite des Buches steckt voller Überraschungen [...] immer wieder werden Schlagzeilen in den Dialog mit Illustrationen oder mit anderen Texten gestellt. So entsteht eine Vielschichtigkeit neuer Auslegungs-

Für Fuchs sind Künstlerbücher mehr als nur eine Form der Präsentation von Grafik, sie verweist hierzu auf den aktuellen Aufschwung, den Künstlerbücher in den USA als Sammlerobjekte erfahren. Auch in der Druckgrafik allgemein sieht sie besonders für Einsteiger einen kostengünstigen Einstieg in das Sammeln von Kunst und erinnert an die 1970er Jahre, in denen Druckgrafik groß in Mode war.

unter anderem bei Elisabeth Parth, die sich ihrerseits in Japan mit der Kunst des Buchbindens auseinander gesetzt hat. Daraufhin angesprochen bemerkt auch Barbara Fuchs, daß das Buch als Solches sie schon länger beschäftigt - mir ist sie nämlich schon anlässlich des Tiroler Jubilaeumsjahres 2009 mit ihrem Kollagenbuch „Bedenkliches Tirol“ aufgefallen, zu dem Prof. Oswald Köberl in seiner Laudatio meinte: „Die in der Renaissance dokumentierte Tradition des papierenen Klebebuches wird von Barbara Fuchs

varianten, die Stoff für ernsthafte Seminararbeiten liefern könnten. [...] Aber die Arbeit von Barbara Fuchs zielt nicht darauf ab, Denkmäler zu stürzen oder selbstlosen Mut und innere Überzeugungen zu verspotten. Im Gegenteil. Es geht um die Ehrlichkeit unseres Umgangs mit der Geschichte, um die Hellhörigkeit für falsche Töne und um die Einordnung in größere Zusammenhänge: Künstler haben meist ein feines Gespür für Proportionen und fungieren deshalb nicht selten als Warner. Wir müssen nur ihre

Als Künstlerin wünscht sie sich mehr Austausch untereinander und insbesondere in ihrer Heimat Tirol mehr Ausstellungen von großartigen Künstlern, zu denen sie „aufblicken und sich messen kann“. Aber auch mehr Chancen für junge Künstler, die auszustellen sich Galeristen anscheinend nicht leisten können oder wollen wie zum Beispiel den Bildhauer Markus Strieder, dessen Arbeiten sie zuletzt in Stuttgart bewundern konnte, sehnt sie sich herbei. (ft)


KLANGSPUREN MOBIL

E

s ist acht Uhr in der Früh, und wie seinerzeit ruft uns die Pausenglocke zum Beginn der Schulstunde. Ich befinde mich in der Volksschule Axams und bin einen Vormittag lang Zuschauer bei den Damen des Klangspuren Mobil. Klangspuren Mobil, das ist ein grosses Auto voll mit Musikinstrumenten – von der grossen Tuba bis zur Flöte, vom Kontrabass bis hin zur Geige – unterwegs im Auftrag der Musik. Das Ziel sind Kinder und Jugendliche in Volks – und Hauptschulen oder aber auch Betreuungseinrichtungen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen.

BEWEGTE TÖNE KLAGSPUREN MOBIL

Wussten Sie, dass ein Saxophon zu der Familie der Holzblasinstrumenten gezählt wird? Das entscheidende Merkmal ist das Mundstück! Das Klangspuren Mobil bringt Kindern Musik und Instrumente nahe. Den Einfluss, den dieses Projekt auf die Kinder und Jugendlichen ausübt, hat ein Lehrer wunderbar auf den Punkt gebracht: „Das was ich in einem ganzen Jahr im Musikunterricht zu vermitteln versuche, schafft dieses Projekt an einem Tag.“ Text: Georg Rainalter

Kurz vor dem Beginn der ersten Unterrichtsstunde, die eine Spezielle für die Kinder werden wird, wurden die am Vortag in zwei verschiedenen Räumen aufgebauten Instrumente noch einmal gepflegt – insbesondere die Mundstücke der Blasinstrumente müssen natürlich ständig desinfiziert werden. Heute sind die Kinder einer dritten Volksschulklasse die Teilnehmer einer in ihrem Aufbau und von ihrer Herangehensweise her anderen Schulstunde. Die Schulkinder betreten wie zu meiner eigenen Schulzeit in einer Zweierreihe den Raum, und werden nach kurzer Erklärung in 2 Gruppen aufgeteilt. Getrennt nach Blas- und Saiteninstrumenten sollen die Kinder und Jugendlichen lustvoll selber erleben, selber entdecken wie Töne auf den verschiedenen Instrumenten entstehen, wie man diese streicht, bläst, pfeift oder schlägt. Die Instruktorinnen sind dabei nicht „Lehrer“, sondern „Helfer“. Sie unterstützen auf der Reise durch die Welt der Instrumente. Der wichtige, und wie man sehr schnell merkt, richtige Ansatz dabei ist: Es gibt kein Richtig, es gibt kein Falsch. Neugier und Mut sind ansteckend, die Kinder und Jugendlichen lernen voneinander. Und das mit einer Begeisterung die mich wohl am meisten überrascht hat. Die Kinder wollen sogar trotz der Pausenklingel die Instrumente nicht mehr aus der Hand legen und wohl am liebsten eine weitere Stunde Töne zaubern. Seit dem März 2010 tourt das

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KLANGSPUREN MOBIL

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Klangspuren Mobil unter dem Motto „Alles Anfassen, alles Ausprobieren“ durch Tirol. Dieses Projekt, welches am 17.02.2011 den Bank Austria Kunstpreis in der Kategorie Kunstvermittlung gewonnen hat, zeigt auf, was im Gegensatz zu der immer lauter und, was die Politik betrifft, immer hilfloser geführten Bildungsdiskussion, durch Eigeninitiative sinnund wertvolle Arbeit mit und für Kinder erreicht werden kann.

Es ist in der heutigen Zeit Eigeninitiative mehr denn je gefragt, nicht immer alles auf die Politik schiebbar - jeder hat zwei Hände und kann etwas machen. Der Frage „Wie erreiche ich möglichst viele (oder besser alle) Kinder und Jugendliche?“ stellte sich bald die Antwort, an die Schulen zu gehen, gegenüber. Seither ist das Klangspuren Mobil in ganz Tirol unterwegs.

Die Organisatoren der Klangspuren in Schwaz nehmen ihre Verantwortung als Musikveranstalter - im Fall von Klangspuren ein Festivals der zeitgenössischen Musik - diese auch zu vermitteln sehr ernst. Am Beginn stand eine Mitmach-Ausstellung in der Innsbrucker Hofburg, die unter dem Motto „Von Krach zu Bach“ die Möglichkeit bot, Instrumente nicht nur erklärt zu bekommen, sonder eben auch auszuprobieren. Diese Ausstellung wurde dann in einem derart hohen Masse angenommen, dass es sehr viele Schulen nicht mehr schafften, diese zu besuchen – der Beginn einer wunderbaren Idee.

Wer hat schon einmal in ein Waldhorn geblasen, oder in eine Tuba? Kennst du die kleine Schwester und den großen Bruder des Cellos? Und was ist ein Agogo? Jeder hat die Voraussetzungen mit zu machen, dazu sind keinerlei Vorkenntnisse oder Vorbereitungen nötig. Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre können dabei jedes Instrument angreifen und darauf spielen, bis sie entdecken wie der Ton entsteht. Musik wird be-greifbar und erlebbar. Endlich geht’s einmal nicht um Leistung, es geht ums untereinander und miteinander lernen, und zuzuhören - Integration eben dadurch, dass der Leistungsdruck wegfällt.

Nach der kurzen Erklärung, wie und warum ein Ton durch die Verwendung von hineingeblasener Luft entsteht, und wie Holzblas- von Blechblasinstrumenten unterschieden werden, hat jedes Kind die Möglichkeit alle Instrumente auszuprobieren. Unweigerlich erinnert mich dieses Durcheinander der verschiedenen Instrumente an eines der vielen Free-Jazz Konzerte, die ich schon erleben (musste) durfte. Es ist erstaunlich wie selbstverständlich und ohne jegliche Scheu die Kleinen innerhalb kurzer Zeit auch tatsächlich den Instrumenten Töne entlocken. Nach der ersten Stunde tauschen die zwei Gruppen die Räume, und damit die Blas- mit den Saiteninstrumenten – oder umgekehrt. Vom Kontrabass bis hin zur Harfe, von der Gitarre bis zur Geige lernen die Kinder, dass durch das Zusammenspiel des Schwingens einer Saite und dem Resonanzkörper des Instrumentes ein Ton entsteht. Das funktioniert natürlich am besten mit dem grossen Kontrabass, den eines der Kinder mit


KLANGSPUREN MOBIL

erkennbarem Stolz und in fachmännischer Weise hält – der Grössenunterschied vom Kontrabass zu einem Kind der 3 Volksschulklasse ist ja ein erheblicher. Der Unterschied zwischen Streich- und Zupfinstrumenten ist schnell erklärt, die Kinder schon ungeduldig, endlich selbst eine Geige oder ein Cello spielen zu dürfen. Hätten wir nicht alle als Kinder gerne einmal eine Geige in der Hand gehalten, noch dazu mit der Aufforderung sie nach eigenem Dünkel zu entdecken? Einfach die Augen schliessen, sich als berühmten Teufelsgeiger auf eine Bühne träumen – der schrägste Ton wird plötzlich zur Symphonie. In eindrücklicher Erinnerung wird mir wohl ein Bub bleiben, der mit einer Geige unter seinem Kinn begeistert ausruft: „Frau Lehrerin, Frau Lehrerin, schauen sie, ich spiele ohne hinschauen!!!!“ Nachdem die Kinder auf dem Cello, der Harfe oder dem Kontrabass ihre ersten Töne gezaubert haben, stellt Rebekka, eine der beiden Instruktorinnen vom Klangspuren-Mobil, ein Orchester zusammen. Ein Kind wird zum Dirigenten ernannt, und alle anderen schnappen sich ein Instrument.

Nun wird ein Konzert vom Anfang bis zum Ende, vom Auftritt des Dirigenten über Soloauftritten, bis hin zur Verbeugung danach durchgespielt – natürlich mit der von den Kindern auf wunderbare Art praktizierten Ernsthaftigkeit. Schüler die ev. Aussenseiter in ihren Klassen sind, werden so auf eine schöne und einfache Art und Weise, und ohne grossen Aufwand sofort integriert. Fast ein ganzes Jahr lang, also von März 2010 bis Februar 2011, ist es den Organisatoren der Klangspuren Schwaz gelungen dieses Projekt durch Spenden zu finanzieren, und der Gewinn des Bank Austria Kunstpreises hat es ermöglicht, das Klangspuren Mobil bis März 2012 zu sichern. Jedoch sind längst noch nicht alle Schulen besucht worden, und es kommen ja jedes Jahr neue Schüler nach. Sehr schnell war dieses Projekt ausgebucht, was den Beweis liefert wie gut es angenommen wird. Es gibt die Möglichkeit eine Patenschaft für eine angemeldete Schulklasse oder Kindergartengruppe zu übernehmen. Der Patenschaftsbetrag für einen zweistündigen Workshop mit dem KLANGSPUREN MO-

BIL beträgt pro Klasse oder Gruppe 100 Euro. Vielleicht möchten Sie den Besuch von KLANGSPUREN MOBIL in Ihrem Wohnort unterstützen. Auch über Hilfe in anderer Form freuen sich die Organisatoren, zum Beispiel wenn Sie etwa ein (altes) Musikinstrument zur Verfügung stellen oder einen kleinen Beitrag für Reparaturen und Verbrauchsmaterialen leisten. Auch können sich wieder Schulen ab März 2012 anmelden. Die freien Termine, sowie die Kontaktdaten sind über die Internetadresse www.klangspuren.at jederzeit abrufbar. Nach einem ganzen Vormittag, an dem ich zwei Klassen beim Musikmachen erleben durfte, fahre ich mit einem Lächeln im Gesicht nach Hause und nehme zwei Erkenntnisse mit: unsere Kinder sind musikalisch, und es gibt in Tirol Menschen, die sich abseits von Politik unserer Verantwortung für die Gesellschaft bewusst sind, und mit diesem Projekt ein leuchtendes Beispiel geben. Unsere Kinder sind die Zukunft, und Musik kann und soll helfen diese besser zu gestalten, als es uns in der heutigen Situation gelingt. Danke dafür.

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CREATIVISION PRESENTS “BLUE VELVET”

BLUE VELVET FIRST TIME LIVE

ON

STAGE

Fotos und Coverbild: Stefan Beyer, http://www.beyers.at

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CREATIVISION PRESENTS “BLUE VELVET”

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urch den gleichnamigen Song von Bobby Vinton inspiriert, entwickelte David Lynch eine Story, die hinter idyllischen Kleinstadt-Fassaden düstere Geheimnisse aufdeckt. Als der als surrealistischer Film Noir umgesetze Streifen 1986 erstmals öffentlich in den Kinos gezeigt wurde, konnte David Lynch nicht wissen, dass sein Film Kult-Status erlangen und bis heute halten würde. Nachdem man sich die Ohren von dem beschwingt poppigen Electronic-Sound hat schmeicheln lassen, möchte man eine solche Zukunft auch dem gleichnamigen Wiener Trio mit Salzburger Wurzeln wünschen: „Blue Velvet“. Lena, die ihre Kreativität auch als Art Direktorin für verschiedene österreichische Magazine unter Beweis stellt, und der mit detailverliebten Groove-Pflänzchen so manche Club-Nacht auffrischende Heinz Seidenbusch haben sich über gemeinsame Freunde kennen gelernt. Heinz hörte Lena eines Tages in ihrem Zimmer vor sich hin singen, wozu sie sich mit ihrer Gitarre selbst begleitete. Er überzeugte sie schließlich erfolgreich dazu, mit ihm und seinem langjährigen Musikerkollegen Martin zusammen zu arbeiten. Seither treffen sich die drei, meist Freitag abends, um an ihren Tracks basteln. Als einer der ersten Songs entstand übrigens eine Coverversion eines von Isabella Rosselilini interpretierten Lieds aus dem Film „Blue Velvet“, das dem Trio auch seinen Namen gab. Dass die Band bis heute keinen Live-Auftritt absolvierte, liegt definitiv nicht an der Qualität ihres Sounds, kann doch die Auszeichnung als „FM4 Soundpark-Band des Monats“ im September 2011 als entsprechendes Gütesiegel betrachtet werden. Eher noch findet sich der Grund in der schüchternen Zurückhaltung von Lena, die als Songwriterin und Sängerin unverkennbar das dominierende Element der Formation ist. Ein weiterer Grund ist wohl auch der Perfektionismus der drei Musiker, der sie immer weiter an ihren Tracks basteln lässt.

an Überzeugungskraft. Dabei liegen Pläne dazu, das beschwingte Trio aus dem Studio auf die Bühne zu bringen, längst in der Schublade - genau wie an die 80 Songs, die entweder nur noch veröffentlicht werden müssten oder sich noch im Prozess der Entwicklung befinden. Doch dieser ist einer der langwierigen Reifung. Zunächst komponiert Sonwriterin Lena basierend auf ihren Texten die Vorlage zu den Tracks ganz altmodisch auf der Gitarre. Mit ihren Lyrics weltliterarische Würfe zu landen, ist dabei nicht ihr Ziel. Vielmehr wollen „Blue Velvet“ tanzbare Musik produzieren. Dabei trifft sich klassisches Singer-/Songwriting mit schnellen Electronic PopBeats, die machmal ins Technoide schweifen. Lena lässt sich für ihre Songs vom Leben mit seinen Höhen und Tiefen inspirieren und reagiert schreibend auf Lebenssituationen, die sie für ihre Texte zu abstrahieren versucht. Dabei holt sie sich Inputs auch aus ihrem Freundeskreis. Stehen erst einmal Text und Komposition, wird in weiterer Folge ihr Gesang aufgenommen, wozu die restlichen Mitglieder schon einmal den Aufnahmeraum verlassen müssen, weil Lena ihre sanft rauchige Stimme am Besten in ungestörter Ruhe zu entfalten weiß. Anschließend werden die Instrumentalstimmen eingespielt und zuletzt am Computer alles oft mehrfach immer wieder neu arrangiert, bis schlußendlich ein Lied „so gut wie fertig“ ist. Wann so ein Song denn fertig sei, fragte einst die Moderatorin Alexandra Augustin im Interview für den Sender FM4. „Wenn er im Radio gespielt wird“, war die von einem Augenzwinkern begleitete Antwort. Definitiv fertig sind die Tracks, mit denen sich „Blue Velvet“ bei ihrem ersten Live Auftritt dem Publikum im VERBALE FORUM in der Innstrasse 55 in Innsbruck präsentieren werden. Wer noch vor dem 23. März 2012 einen ersten Eindruck davon gewinnen möchte, googelt einfach nach FM4 und Blue Velvet!

„Blue Velvet“ zu ihrem ersten Live-Auftritt im VERBALE FOin Innsbruck zu motivieren, kostete jedenfalls einiges

RUM

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ie Tiroler Electronic-Szene musste lange Zeit unter ihrer Absenz leiden. Mit Freude wird jetzt die frohe Botschaft vernommen: Nach ihren mehrjährigen Aufenthalten in München und zuletzt Wien kehrt DJane „She Shorty“ wieder zurück in die heimatlichen Gefilde und wird unter dem Label „creatiVision“ für die dringend benötigte Frischblut-Kur auf dem hiesigen Electronic-Tanzboden sorgen. Mit einem sechsten Sinn für innovative Musik hat sie in den vergangenen 10 Jahren immer wieder zielsicher musikalische Gusto-Stücke aufgespürt: Kenner erinnern sich

an Acts wie „Full Duplex“, die „She Shorty“ von Berlin ins Tiroler Gebirge lockte, oder die legendäre „Gedankensport Labelnight“, mit der sie Münchner Partyfeeling nach Innsbruck importierte. So wird sie auch am 23. März 2012 getreu dem Motto „Frischblut“ ein unüberhörbares Zeichen setzen. Anlässlich ihres Geburtstags organisiert sie den ersten Live-Auftritt der bislang nur über ihre großartigen Studio-Produktionen bekannten und von FM4 Soundpark als „Band des Monats September“ ausgezeichneten Wiener Formation „Blue Velvet“.

BLUE VELVET

23. März 2012, 20:00 Uhr VERBALE FORUM

Innstrasse 55, Innsbruck

FRISCHBLUT

23. März 2012, 23:00 Uhr PROJECT Ing. Etzel-Strasse 23, Innsbruck DJ HEINZ SEIDENBUSCH (SCHÖNBRUNNER PERLEN WIEN) | DJ REDPAT (ELECTRONIC HEATING MUNICH) | DJ MARIA MAGDALENA (ELECTROKRÄNZCHEN INNSBRUCK) | DJ SHE SHORTY (CREATIVISION INNSBRUCK) Eintritt frei - Spenden obligatorisch Anmeldung: bluevelvet@verbale.org

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MONIKA HAMMERLE

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as treibt eine hübsche, junge und erfolgreiche Frau dazu, ihre gut gehende Firma für ein dreiviertel Jahr zuzusperren und ein Buch zu schreiben? Ist das nackter Wahnsinn oder ein exzentrischer Fall von Alltagsflucht? Man kann diese Frage getrost mit einem Nein beantworten. Der einzige - und der einzig zulässige - Grund hierfür ist das Müssen.

MONIKA HAMMERLE DIE ANDERE - PORTRAIT

EINER

GENERATION

„Dieses vor allem: fragen Sie sich in der stillsten Stunde Ihrer Nacht: muß ich schreiben? Graben Sie in sich nach einer tiefen Antwort. Und wenn diese zustimmend lauten sollte, wenn Sie mit einem starken und einfachen ich muß dieser ernsten Frage begegnen dürfen, dann bauen Sie Ihr Leben nach dieser Notwendigkeit;“ Rainer Maria Rilke, aus „Briefe an einen jungen Dichter“

Das Schreiben ist für Monika Hammerle schon seit Kindertagen ein ständiger Begleiter und ging bereits

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MONIKA HAMMERLE

damals weit über das Führen eines Tagebuchs hinaus. Nach dem Studium eröffnet die Autorin ihre eigene Firma, die sich, um nicht ganz auf das geliebte geschriebene Wort verzichten zu müssen, als Werbetextfirma bald solide präsentiert. Im Jahr 2010 schreibt sie dann ihr erstes Theaterstück „Himmel“. Den tiefen, inneren Wunsch, ein Buch zu schreiben, verschiebt sie jeodch weit in ihr späteres Leben. Monika Hammerle beginnt dann aber doch - und hier erkennt man die Ernsthaftigkeit ihrer Berufung - mit den ersten Seiten ihres Romans. Schnell merkt sie aber, dass sich Selbständigkeit und ernsthafte Schriftstellerei nicht vereinen lassen und sie ihr Unternehmen eine Zeit lang schliessen muss, wenn sie ihr Buch fertigstellen möchte.

„Mit der Zeit habe ich gemerkt dass die Zeit fehlt, und der grosse Wunsch, das Buch fertig zu schreiben, ist so gross geworden. Das Gefühl, etwas für mich selber zu machen - dass dies für mich notwendig wurde. Eigentlich hatte ich gar keine andere Wahl und habe dann rigeros ein dreiviertel Jahr zugemacht und das Buch fertig geschrieben. Es war ein grosses Risiko, da ja danach alles (das Unternehmen) wieder neu aufgebaut werden musste.“ Ihr Buch „Die Andere“ ist nun fertig geschrieben und es beginnt die oftmals scheinbar hoffnungslose Suche nach einem geeigneten Verleger. Gerade in Österreich, aber auch in Deutschland, ist es im Moment sehr schwer, als Nachwuchsautor einen Verlag zu finden, der mit Mut und gelebter Nachwuchsarbeit Schriftstellern eine Einstiegsmöglichkeit bietet. Zwar bekommt sie immer wieder Bestätigungen in Form positiver Kritiken seitens der angeschriebenen Verlage, doch fühlen sich diese dem Druck seitens des internationalen Buchmarktes unterworfen und wagen kaum das finanzielle Risiko, unbekannte Autoren zu veröffentlichen. Ich halte ihr jedenfalls die Daumen, und da ich das Manuskript vorab lesen durfte, bin ich der Meinung, ihr

Erfolg kann nicht lange auf sich warten lassen. „Die Andere“ ist ein in der heutigen Zeit angesiedelter Roman und beschäftigt sich mit der Überforderung der Menschen und den daraus resultierenden psychischen Auswirkungen. Hammerle findet, dass die Psyche des Einzelnen durch die Anforderungen der heutigen Gesellschaft in vielerlei Hinsicht massiv gefährdet ist. Das Streben nach finanzieller Sicherheit und ihre Integration in die Gesellschaft ist den meisten Menschen so wichtig, dass sie Raubbau an sich selbst betreiben. Sicherheit ist auch der Hauptprotagonistin Alexa - nur eines der im Roman beschriebenen Lebensmodelle - sehr wichtig. Nicht aber im Stile eines vergangenen postfeministischen Modells - durch die Bindungen an einen Mann mit Geld - sondern vielmehr erzielt durch die eigene Karriere. In ihrem Streben ist sie darin dem Zwang unterworfen, den Gesetzen der Wirtschaft zu genügen. In der Konstellation mit zwei anderen Lebensmodellen - eines in Form des Stefan Stein, einer gescheiterten Beziehung, verbunden durch die Flucht vor den Wahrheiten ihres Lebens, und ein Modell in Form eines rebellischen Grafikdesigners und Hobbyfotografen, mit dem zusammen sie ein Leben zwischen den Welten lebt - spitzt sich der aus mehreren Handlungssträngen gewobene Roman zu einem überraschenden Ende zu. Es ist der Autorin ein Portrait einer ihren eigenen knechtenden Regeln unterworfenen Generation gelungen, die - gefesselt im unbarmherzigen System der Wirtschaftswelt unserer Zeit - sich zunehmend in virtueller Selbstdarstellung selbst isoliert. Einen ersten Vorgeschmack auf „Die Andere“ wird Monika Hammerle im Rahmen einer Lesung am 07.03.2012 im verbale forum in Innsbruck bieten. (jm)

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er Roman „DIE ANDERE“ beleuchtet mit ironisch-kritischem Unterton verschiedenste Lebensmodelle der modernen Gesellschaft und regt dabei sowohl zum Schmunzeln als auch zum Nachdenken an. Alexia Lohmann, Junior Agent einer Consulting Firma, und Demian Kaiser, rebellischer Grafikdesigner und Hobbyfotograf, leben ein Leben zwischen den Welten: Harte Business-Realität prallt auf esoterische Leidenschaften, virtuelle Selbstdarstellung auf düstere Wirklichkeit. Beide fliehen auf ihre Weise vor den Wahrheiten ihres Lebens. Alexia vor der gescheiterten Beziehung zu Stefan Stein, der in Lausanne ein undurchsichtiges Leben führt, und der Charakterlosigkeit ihrer Arbeitskollegen. Demian vor sich selbst und seiner Familiengeschichte, die in einer dunklen Vergangenheit liegt. An der Seite von falschen Freunden und unter dem Rad der Wirtschaft lernen sie verschiedenste Gesichter der modernen Welt kennen: esoterische Riten, Drogenexzesse, lieblose Affären, Leistungsdruck und zwischenmenschliche Eskapaden treiben sie an die Grenzen der Belastbarkeit. So lange, bis beide nur noch ein Ziel kennen: die geheimnisvolle Hannah Simon wiederzufinden.

Mag. Monika Maria Hammerle wurde 16.05.1984 in Tirol Landeck/ Zams geboren. Nach Arbeits- und Studienaufenthalten in Kanada, den Niederlanden, Großbritannien und der Schweiz und dem Abschluss ihres Management-Studiums gründete die Autorin das Unternehmen >>stilmittel – text & konzept monika hammerle<<. Seit 2006 arbeitet sie als Werbe- und Songtexterin. 2010 gründete sie das Unternehmen Audiobrand und verfasste das Theaterstück >>Himmel<< sowie ihren ersten Roman >>Die Andere<<. Sie lebt und arbeitet in Innsbruck, wo sie aktuell an ihrem zweiten Roman schreibt.

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BORIS FAUPEL

BORIS FAUPEL MUSIK

GANZHEITLICH ERFAHREN

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er Kälte des Einzug haltenden Winters sind wir entflohen und sitzen nun gemütlich zum Plaudern beisammen. Boris Faupel, geboren 1982 in Holzminden/Deutschland und aufgewachsen in Tettnang am Bodensee, ist selbstbewusst, aber bescheiden. Er weiß, was er kann und wo seine Grenzen liegen. Er weiß, was er noch lernen muss, um diese überwinden und den Radius seiner Fähigkeiten erweitern zu können. Seine Antworten sind überlegt. Man spürt, dass er immer wieder reflektiert und analysiert - wie der Philosoph, der er vielleicht noch wird (wenn er dieses Studium eines Tages wieder aufgreift und beendet). Vorerst aber ist es die ernste, klassische Musik, die ihn interessiert und die er ganzheitlich zu erfahren versucht. Die Gitarre ist sein Instrument, das er nicht nur spielt, sondern auch baut. Doch dazu später. Boris Faupel genoss bereits seit seinem fünften Lebensjahr musikalische Früherziehung. Später nahm er Trompetenunterricht und spielte lange Zeit im Tettnanger Jugendorchester. Nach seinem Zivildienst nahm er sich 2004 ein Jahr Auszeit, jedoch weniger, um einfach nur Urlaub zu machen. Ihn reizte es, seinen Horizont zu erweitern und etwas Neues zu lernen. Zum Beispiel eine Sprache, in der er nicht in der Schule unterrichtet wurde, wie Französisch. So

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BORIS FAUPEL

besorgte er sich ein One-Way-Ticket und brach auf nach Frankreich, wo er zunächst in Mont Pellier einen Sprachkurs belegte. Von dort aus führte ihn sein Weg nach Marseille, wo er seinen Lebensunterhalt als Koch in einem von einem ehemaligen Kunststudenten geführten Restaurant verdiente und in einer lebhaften Wohngemeinschaft lebte. In dieser WG hing auch eine Gitarre an der Wand. Aus Neugier, und weil seine Sprachkenntnisse noch zu gering waren, um sich aktiv und voll in die Gespräche und Diskussionen einbringen zu können, verbrachte er viel Zeit mit diesem Instrument. Anders als die Meisten jedoch versuchte er sich von Anfang an nicht in populärer Begleitmusik, sondern in der sogenannten klassischen Gitarrenmusik.

Sonne, und ich spürte sofort: Hier gefällt es mir!“. So inskribierte er 2007 am „Tiroler Landeskonservatorium“ in Innsbruck. War damit der Grundstein für eine Karriere als Musiker gelegt? „Was als Nächstes kommt, weiß ich noch nicht. Das lasse ich auf mich zukommen. Gut möglich, dass ich das Philosophie-Studium wieder aufgreife. Es war ohnehin so gedacht, dieses nur zu unterbrechen, um mich selbst kennen zu lernen, mir zunächst ein weiteres Standbein zu erarbeiten und erst einmal gelebt

verschiedener Instrumente. War es also eine logische Konsequenz für ihn, auch mit dem Gitarrenbau zu beginnen? „Wohl ja. Es ist immer der Versuch, das Ganze mitzunehmen, daran teilzuhaben und Neigierde zu stillen anstatt einfach nur zu konsumieren. Ich merkte schnell, dass man ab einer gewissen Klasse Instrumente nicht mehr nach qualitativen Kriterien unterscheiden kann, sondern nur noch nach ihrem Charakter.“ Zunächst als Autodidakt lernte er

„Die klassische Musik ist vielschichtiger, da tun sich Zusammenhänge auf. Alles ist weniger redundant, es liegt mehr Arbeit darin, sie bietet mir einfach mehr! Rein instrumental gesehen wäre Begleitmusik sicher einfacher gewesen, aber ich habe da eher einen analytischen Zugang zum Instrument, der seinen Ausdruck nur in der klassischen Musik findet.“ Wieder zurück in Deutschland begann er sein Studium der Philosophie und „verlegenheitshalber als Nebenfach“ der Allgemeinen Sprachwissenschaften. Weil er auch weiterhin viele Stunden täglich Gitarre spielte, sponserte ihm seine Mutter erste Unterrichtsstunden. Schon bald fragte sein Lehrer, der sein Talent erkannte, ob er denn nicht Musik studieren wolle. So begann sich Boris Faupel intensiv auf die Aufnahmeprüfung am Konservatorium vorzubereiten. Er bewarb sich in Feldkirch, Wien und Innsbruck. Bestanden hat er in Feldkirch den praktischen, in Wien den theoretischen und in Innsbruck sowohl praktischen als auch theoretischen Teil. „Das passte gut, denn Feldkirch wäre mir einfach zu eng, Wien hingegen zu poppig. Als ich zum ersten Mal in Innsbruck ankam, schien die

zu haben. Es drückt sich ja in allem, was man macht, deine Haltung aus, und man steht auf einem schiefen Bein, wenn der Unterbau - also die Erfahrung - fehlt.“ Boris Faupel möchte sich nicht in etwas verkopfen und dann feststellen müssen, dass dies nur die Reproduktion seiner eigenen Defizite darstellt. So hinterfragt er und forscht. Er möchte nicht das eine beherrschen und das andere ausklammern, sondern möglichst viele Aspekte berühren und erfassen. So erfasst er die Musik und sein Instrument ganzheitlich: das Auftreten, die geschichtlichen Hintergründe und Entwicklungen, und die Charakteristiken

den Gitarrenbau aus Büchern, später verfeinerte er seine Kenntnisse in Kursen, in Bälde tritt er ein Praktikum im Gitarrenbau an. Seine Erfahrungen mit öffentlichen Auftritten sind noch gering, auch wenn er bereits einige Lesungen musikalisch umrahmte und seit 2010 regelmäßig die Englische Messe in der Jesuitenkirche Innsbruck begleitet, wo er auch im Rahmen der „Langen Nacht der Kirchen“ in der Krypta auftrat. Er findet das Spielen vor Publikum sehr spannend: das Bewußtsein für den Augenblick, die Möglichkeit der Kommunikation: Er genießt es. Wir, das Publikum, auch! (oh)

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DER BUNTE HUND

ART FOR DUMMIES GRUNDWISSEN

FÜR

KUNSTKENNER

Vom Kunstfreund zum Kunstkenner führt sie dieser zweite Teil unserer nicht allzu ernst zu nehmenden Serie.

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enn Sie in den vergangenen Monaten die Verhaltensregeln aus dem ersten Teil unserer Serie „Art for Dummies“ folgsam angewendet haben, dürften Sie sich in der Zwischenzeit durch ihre häufige Anwesenheit bei Vernissagen in der Szene einen eindeutigen Ruf als Kunstliebhaber zugezogen haben. Überprüfen wir nun anhand einer einfachen Check-Liste Ihren gegenwärtigen Status, um festzustellen, ob Sie bereit für den logisch nächstfolgende n Schritt hin zum Kunstkenner sind: a) Ihr Hausarzt scheint an Tremor zu leiden, zumindest zittert sein warnender Zeigefinger angesichts Ihrer Leberwerte beängstigend, und auch sonst scheint sein Gesundheitszustand weit unter dem Niveau des Ihren zu liegen. Anders ist sein mit jedem Ihrer Besuche verzerrter und bleicher werdendes Antlitz nicht zu erklären. b) Durch den täglichen Austausch einer Stange Gitanes ohne Filter und Ihren neuesten Kenntnissen zur Affäre der betuchten, aber unbefriedigten Gattin des Generaldirektors Soundso zum talent- und mittellosen Maler Namlos kennen Sie Ihren Trafikanten inzwischen besser als ihre Familie. c) Ihre Kenntnisse über die umliegenden Galerien wären jedem Kunsträuber einen Sack voll Bares Wert und ihr Wissen über die Geheimnisse der lokalen Künstler und Vernissagen-Gäste ist im selben Maße gewachsen wie Ihr Bauch.

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Ihr Hüftumfang lässt übrigens unmittelbare Rückschlüsse auf Ihre Bedeutung in der regionalen Szene zu, schließlich ist daran eindeutig Ihr Fachwissen zu VernissagenBuffets zu erkennen. Konnten Sie mindestens zwei dieser Punkte nickend bestätigen, ist es an der Zeit, sich Fachwissen im Sachgebiet der Bildenden Kunst anzueignen. Noch einmal zur Wiederholung: Etwas über Kunst wissen nur Kunsthistoriker, Kunst verstehen können nur Künstler. Sie aber werden nun Kunst als Solche zu erkennen lernen. Absolvieren Sie auch diese Stufe mit Bravour, haben Sie die Aussicht, zum Kunstmäzen aufzusteigen und schließlich als Kunstsammler zum besten Freund aller Galeristen zu werden. Vereinfacht gesagt, lässt sich Kunst (wir beachten hier vorerst nur die Zentraleuropäische) in Klassische und Zeitgenössische einteilen. Alles, was nicht in diese Kategorien fällt, ist Kitsch und Ihrer zukünftig nicht mehr würdig. Machen Sie sich an dieser Stelle schon einmal darauf gefasst, die schick-bunte Mondrian-Tapete von der Wand reißen und sich von dem großformatigen Kunstdruck aus dem Einrichtungshaus über Ihrem Bett trennen zu müssen! Klassische Kunst ist im Grunde alles, was vor Erfindung der Fotografie entstanden und worin dementspre-

chend das, der oder die Abgebildete eindeutig wiedererkennbar ist. Die mehr oder minder stümperhaften Versuche der frühgeschichtlichen Kunstschaffenden, ihre Umgebung darzustellen, lassen wir hier ebenso außer Acht, wie jene vor der Renaissance. Erstere erinnern an die Kinderkritzeleien, die Ihren Kühlschrank verunstalten, letztere an den naiven Bauernkasten in der Stube – mit dem einzigen Unterschied, dass weniger Blumen, dafür umso mehr Engel dargestellt und Unmengen von Blattgold verkleistert wurden. Zeitgenössische Kunst bezeichnen Galeristen vielstrapaziert auch als „Contemporary Art“, schon aus dem simplen Grund, dass die Wenigsten mit diesem Fremdwort etwas anzufangen wissen. So lässt sich Omas Reisekoffer als einziges Objekt im 300m²-Ausstellungsraum ebenso als Kunstwerk definieren wie die bedeutende und die Kunstgeschichte revolutionierende Installation, von welcher der Künstler verschweigt, sie von der letzten Sperrmüllsammlung direkt hierher in die Galerie seines Vertrauens geschleppt zu haben. Wenigstens hat er ob seiner Mühen dabei Blut und Wasser geschwitzt, was einen gewissen Verkaufswert rechtfertigt. Als Kunstkenner benötigen Sie fundiertes Fachwissen im Sachgebiet der Bildenden Kunst, um nicht als Blender enttarnt zu werden. Dem


DER BUNTE HUND

vorzubeugen hilft der folgende CrashKurs. Künstler umgeben sich seit jeher mit dem Nimbus des Mystischen, des Erleuchteten und des von unbändiger Kreativität Getriebenen. Alles Schwachsinn: Einziger Beweggrund war und ist der schnöde Mammon! Schließlich sind Künstler auch nur Menschen, die sich von Zeit zu Zeit den Magen füllen müssen. So entstanden die meisten Werke der klassischen Kunst, weil irgendein vermögender Schnösel seine Forderung nach einem ihn möglichst beeindruckend darstellenden Portrait entweder mit einem Sack voll Knete unterstrich oder dem Künstler mit dem Verlust von Freiheit oder Gliedmaßen drohte. Im Gegensatz zu heute bestimmte damals übrigens die handwerkliche Leistung und der Materialverbauch den Wert eines Kunstwerks und ließ sich aus Breite mal Höhe der Leinwand mal dem Gewicht der darauf aufgebrachten Ölfarbe zuzüglich eines gewissen Stundensatzes berechnen – von kleinen Bonusbegünstigungen wie Wein, Weib oder einem Schlag in die Magengrube zu Motivationszwecken abgesehen. Hatte kein Potentat selbstdarstellerischen Bedarf, blieb den Künstlern nur die Rückbesinnung auf natürliche Triebe. Neben Macht war - und ist bis heute - Sex durchaus eine starke Antriebskraft künstlerischen Schaffens, auch wenn bis zur Erfindung der Pornografie die schönste Sache der Welt lediglich züchtig verklärt dargestellt wurde. Caravaggio zum Beispiel verprasste sein Geld in finsteren Spelunken, was in dramatisch schräg einfallendem, streuungsfreiem Schlaglicht in seinen ansonsten von Dunkelheit dominierten Szenen Niederschlag findet. Wenn er nicht gerade mit Malen beschäftigt war oder wegen unwesentlicher Delikte wie Zechprellerei oder Mord im Gefängnis saß, verbrachte er seine Zeit mit Lustknaben oder im Schoße stadtbekannter Dirnen. Praktischerweise portraitierte er diese gleich als griechische Feld-, Waldund Wiesen-Satyrs, um sie an die regionalen Voyeure zu verscherbeln.

Auch Rubens wusste genau, dass sein Publikum für kurvenreiche Fülligkeit zu begeistern war. Getarnt als mythische Szenarien schuf er monumentale Pinups, die wohl Vorlage für so manche Obszönität gewesen sein mögen. Eine den Verlauf der Kunstgeschichte einschneidend prägende Entdeckung hatte ihren Ursprung in den Experimenten des Joseph Nicéphore Niépce (1765-1833). Nach seiner Karriere als Offizier wurde er in den Beamtenstatus befördert, mit der Aufgabe, den Distrikt Nizza zu verwalten. In seiner berufsbedingt schier unerschöpflichen Freizeit versuchte er sich als Hobby-Chemiker. Der Sommer 1826 neigte sich dem Ende zu, als er mit der scheinbar abstrusen Mischung aus Asphalt und Lavendelöl experimentierend feststellte, damit Bilder dauerhaft auf Metallplatten bannen zu können. Dass Niépce vor seinen Schöpfer trat, ohne wirtschaftlichen Profit aus seiner Entdeckung schlagen zu können, ist ein Indiz für die Bedeutung seiner Entdeckung. Dem wollen wir hier aber keine weitere Beachtung schenken. Wichtiger ist vielmehr, dass die folgende Weiterentwicklung der Fotografie der malenden Zunft einen ordentlichen Genickschlag verpasste. Geplagt von tiefen Depressionen bedingt durch die offensichtliche Überflüssigkeit handwerklichen Könnens versanken die damaligen Maler in Alkohol- und Drogenräuschen, was sich eindeutig in ihrem Schaffen und Handeln abzeichnet. Nur die Wenigsten konnten ihre Arbeit zu Geld machen – ein Umstand, der bis heute unverändert geblieben ist – und starben verkannt und verarmt. Vinzent van Gogh, der sich in seinem Wahn sogar eines Ohres entledigte, ist eines der besten Beispiele dieser traurigen Epoche. Beeinflusst von der Fotografie begannen manche Maler zunächst, sich mehr oder minder erfolgreich mit ihrem Material - der Farbe - und folgerichtig dem Licht auseinander zu setzen. Allen voran Claude Monet, dessen Gemälde „Impression – soleil levant“ der Bewegung der Impressio-

nisten ihren Namen gab. Bezeichnenderweise fand deren erste Gruppenausstellung im Atelier des Fotografen Nadar statt. Während die Impressionisten malten, was sie zu sehen glaubten, standen ihnen gegenüber jene, die malten, was sie fühlten: die Expressionisten. Von da an ging es mit der Kunst bergab - und den meisten bildenden Künstlern ziemlich dreckig. Verzicht prägt die folgenden Stile: zunächst wird Farbe eingespart, im Zeitverlauf die Form, schlussendlich das Motiv. Auch bei der Namensgebung der Stilrichtungen macht sich Mangel – insbesondere an Fantasie – bemerkbar: Konstruktivismus, Surrealismus, Kubismus, Abstrakte Malerei,… vielleicht auch geprägt von den zahlreichen kriegerischen Auseinandersetzungen wie erster und zweiter Welt- sowie diverse Bürgerkriege wechseln in rascher Abfolge die Ausdrucksweisen. Das Chaos verdeutlicht Pablo Picassos „Guernica“ am Besten. Wie seine restlichen Werke sieht es aus wie der Versuch, IKEAMöbel ohne Anleitung zusammen zu bauen. Das Nazi-Regime dünnte die Riege der talentierten Kunstschaffenden spürbar aus. Wer nicht gigantomanische Heldenfiguren meißelte oder klassizistische Makellosigkeit pinselte, galt als entartet und musste um sein Leben fürchten oder auswandern. Meist nach Amerika, von wo aus Pop- und Minimal Art den vorwiegend europäischen Dada, Surrealismus und Tachismus aufmischten. Allen voran warf Andy Warhol mit Suppendosen und reihenweise anderen Siebdrucken nur so um sich. Mit dieser in der Herstellung billigen Technik ließ sich erstmals mit geringem Aufwand die große Kohle einfahren und das Künstlertum wurde um einen Mythos reicher: Wenig arbeiten, aber ordentlich absahnen. Einer ließ sich ja schon dazu hinreißen, einen Schädel mit Diamanten zu besetzen und einen Haifisch einzuwecken - für schlechte Zeiten, sozusagen. Heute bestimmt also der Marktwert eines Künstlers seine Bedeutung - worin auch der Schlüssel Ihres zukünftigen Erfolges als Kunstkenner liegt!

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ANDREA STEINLECHNER - WÜSTE

BIOGRAPHIE

DER

WÜSTE

LEIDENSCHAFT - DOKUMENT

EINER

ZEIT

Mit ihrem Lyrikzyklus thematisiert die Autorin Andrea Steinlechner die medialen Unwahrheiten über den Libyenkrieg. Ohne die Gräueltaten zu stärken oder zu visualisieren, vermittelt sie in psychologisch dichten Worten einen Eindruck vom Ausmaß des Krieges und der Atmosphäre des Terrors aus der Sicht vor Ort: Libyen. Eine Biographie der Leidenschaft, der Liebe und des Schmerzes, erzählt von einer Frau in den Wirren des arabischen Frühlings - eine paradoxe Verbindung von verhasstem Alltag und idealisiertem Traum.

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ANDREA STEINLECHNER - WÜSTE

MONTAG, DER ERSTE IM DEZEMBER 2010 Raus auf die Strasse Die Stadt durchstreifen Montagsgesichter mit ihrer Aura sehen Ein Wochenende in Begierde gelebt?

Ich nicht Kaufe Ton-10kg Für meinen Schreibtischphallus Eine Marktlücke hier in der Alpenfestung. Lautlos kommt eine Brieftaube geflogen Jetzt ist mir leichter. Pedro-Juan für viele Stunden gelesen Gestern, war gestern Sonntag? Welch animalische Begierde, die Kubaner So kann ich Wildnis in mir spüren. Schimmerndes Perlblond für mein Haar Das Verlangen nach Nackenbissen von meinem Wolf Das zärtliche Streicheln über mein Zimtsternbäuchlein Möse schreit nach dir! Jetzt gegen Mittag beiße ich Neun unschlüssigen Rosen den Kopf ab Ins Lustbäumchen damit Vier verbleiben in der Vase Wo ist nur mein Ritter? DER SCHAMHAFTE RITTER (18.Marz 2011) All die Zeit ohne Nachricht Hoch verehrt und doch nichts hören Kein Geschehnis ist hier Entschuldigung. Ein Schlachtfeld aus Trümmern Geröll und Schlamm Gewaltiger Erdrutsch Rutscht aus meinem Herzen Begräbt Häuser, Autos und Strassen. Begräbt diesen Ritter in meinem Herz. 5000 obdachlos Bolivien und du mitten drin. Der Revolution wegen um die Welt reisen Nordafrika Jetzt bist du nah. Marokko anheizen Kollektive Freiheit? – ein verlogenes Schlagwort! Freiheit selbst bestimmen? - ein schweigendes Kreuz: Ja oder Nein. Selbstbestimmung ? nur die eignen Herrscher sein? Diese Selbstverwirklichung, jeder in seinem Krieg ? Soziale Verantwortung für die Gemeinschaft, welch ein Betrug. Diese Sehnsüchte in uns Oh, wie ich mich sehne nach dir! Wünsche ins Maul gestopft. Spuckt ihn aus! Diesen blutigen Sand.

Ziele und Entfaltung Diese Gleichberechtigung dieser Kern der Menschenwürde! Eine Rose erblüht mitten im Sturm Des eigenen Wesens wegen –Ich die lebendige FRAU. Du, ein Anarchist und mein Ritter Wie gefährlich für die bestehende Ordnung Ein gefährlicher Rebell ! Saudi Arabien schicken Truppen ins Nachbarland Geld fließt vom Vater der Revolution Verstehen es die Europäer? Can you here me now? Europa! Es droht ein Krieg Ein neuer Krieg ! In Libyen die Rebellion Al Qaida kennt keine Zivilisten Das Fundament von Feinden bedroht. Dein eigener Ärger mit der Heimatfront? Kein Kuss zu Frau und Kind Bist du kein Held ? Kein Ritter ? Nur das zu machen, was immer auch zur Notwendigkeit wird. Altruist wird Egoist. DIE WÜSTENROSE Vor der Türe Europas und du hast mich gar nicht besucht Ich habe dich gespürt, diese Hexe in mir Es ist so viel passiert mein Ritter Doch einmal kann ich erzählen, dort bei Dreizehnerlei rund um den Lobostisch. Hier in Europa sitze ich mitten unter Puppenspieler An Fäden gezogen und sie spielen wie Marionetten Nach der Dramaturgie der Wirtschaft.

Noch immer diese Blutspur auf deinem Hals? Blut durch Verrat Geleckt von einer Schuhverkäuferin in Managua Diese Stiefel die so viele Tränen kosten „Adios mi muchacha, Die madre dios wird dir einen neuen Guerrilla schicken“ Ich habe mit ihr geweint, reichliche Stunden Als müsste ich all den Schmerz der eroberten Frauen auf meinen Schultern tragen. Wir sind keine Weiber, hörst du die harten Stimmen der Frauen? El Capitano liegt im Fieber, bereit für das NEU! Weit Weit, weit fort Unendlich in mir. Das Genie , dieses Lustraubtier mein Nah Grönland nur über dem Fluss. Die Begierde gibt uns Kraft für das Morgen. Auf Leinen gearbeitet diese Bilder der Lust Gedichte des Winters , Reise der Lust

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ANDREA STEINLECHNER - WÜSTE

Lustreise Keiner will es wissen, keiner weiß davon Die größte Macht dieser Erde Ist die Begierde! Das entsetzliche Mittel der Trennung Die Trennung von meiner Familie verschafft mir Im Jetzt diesen freien Raum zum Denken Jetzt brauche ich meine eigene Luft um atmen zu können. Meine Söhne bleiben Wölflinge mein, viel habe ich zu richten

Viel Schuld trage ich in mir. Eine stahlharte Wölfin, die Bilanz? oh Hilfe! Nein, sie wird gut! Denn ich kann weinen Weinen das kann ich noch immer Niemals will ich die Tränen verlieren Niemals erhärten zur leblosen Denkerin. Umarmen will ich all meine Helden Küssen in manch lebloser Nacht.

WUNDER ÜBER WUNDER (3.APRIL 20119)

Kampfpause Brega ist eingenommen Brega das Tor zur Lüge ist geöffnet Franzosen bringen Munition ins Land Transport zum Töten in die Luft gesprengt. Luftangriffe seit Mitte März Die internationale Koalition

Dort an der Front kein ruhiger Sessel Und hier in Europa? Bevor die Wirkung eintritt Der Rausch selbst. Den Schreibtisch tauschen Munitionstransporte in die Luft sprengen.

Vom Westen unterstützt Unser Führer? Unter der Führung der Nato. Dein Adrenalin mein Ritter Fließt aus deinen Adern Müdigkeit bleischwer wie die Kugel Steigt wieder an Empor steigt der Liebreiz meiner Körperlichkeit Ein wunderschöner Teil vom Ganzen Vom ganzen ICH die Frau. Diese Frau mit der Herrlichkeit Genie und Wahnsinn, tief in mir.

Tränen aus den Augenwinkeln Wische deine Tränen um es zu sehen Das Schwert, das mich verteidigt Die Verteidigung vor Buscaderos Die ohne Rücksichtnahme mit ihrer Ehre beschäftigt sind. Der US- Präsident? nein kein Einzeltäter Die USA und die Franzosen Sie gieren nach dem Öl von Libyen Ein Tischgespräch, sonst NICHTS. Kein Angriff auf Jemen oder Ägypten Nein, auch Tunis nicht. Dort wo Imperialisten in den Nobel-KZ Sich tummeln zur Erholung. Für neue Schandtaten auf dieser Welt. Keine Stimme für diese Erde. Doch wir Wir haben nicht mehr die Stimmen der Mescalintrinker Kein halluzinogenes Denken, nein Uns bleibt die Übelkeit, das Erbrechen Uns ist zum Kotzen.

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Kein Traumbild Keine Vision Nur Unruhe Die innere Unruhe! Wenn Adrenalin verebbt Fest umschlossen von Bleierner Müdigkeit Tiefschlaf für das Morgen Mit dem Frühlingstraum. Von Wölfen im Wilden Von fliegenden Betten Von keuchendem Lustgeschrei.

Ein Wolf ?,nein zwei Ich vermag es ihnen Den Dolch zwischen die Rippen Zu stoßen, unbarmherzig. Um dann zu heulen Fürchterlich heulen über soviel Schmerz, Ich die Frau. Im Damenabend meine Anklage Der Gesellschaft. Südfrankreich im Vierbettenhotel Ein Löffel Honig Für die Stimme Was nun?


VERBALE FEIERT GEBURTSTAG

WALL OF FAME

HAPPY BIRTHDAY! DAS

VERBALE MAGAZIN FEIERT SEINEN

1. GEBURTSTAG

Sicherheitshalber feierten wir unseren 1. Geburtstag am 21. Dezember 2011, auch wenn offiziell der Startschuss vor einem Jahr eigentlich an einem anderen Tag fiel. Doch so haben wir im Fall der Fälle die Gelegenheit, unseren zweiten Geburtstag in einem rauschenden Fest untergehen zu lassen. So war auch bei der Party #01 das Motto „Nach uns die Sintflut“ und man genoss bei Torte (Der Wahnsinn, liebe Andrea!) und Punsch („Best Punsch in WeltStad(t)t“) die Erinnerungen an Anfänge, kleine Triumphe, Niederlagen, bewegende Momente und erheiternde Begebenheiten. Möge unser zweites Jahr gleich mit dem vorliegenden Heft die positive Aufwärtsentwicklung beibehalten und verbale magazin dicker, massiver und drängender werden lassen und seine Worte bis in die dunkelsten Winkel verbreiten. Auch auf das Programm an Ausstellungen, Lesungen, Konzerten und vielem mehr im verbale forum darf man sich 2012 ganz besonders freuen. Wenn sich nun auch noch die finanzielle Situation stabilisiert, steht gar einem dritten Jahr kaum mehr etwas entgegen. Die Hoffnung stirbt zuletzt, wir bleiben dran - mit Freude und viel Engagement!

Wir möchten uns an dieser Stelle herzlichst bei allen Künstlern und künstlerinnen bedanken, die uns im 1. Jahr tatkräftig begleitet haben.

HELMUT ORTNER WINFRIED PLATZGUMMER BERNHARD WITSCH RALF METZLER WERNER RICHTER ANDREA STEINLECHNER DANIELA MARIA SPAN GÜNTER LIERSCHOF HARISCHA MAGDALENA SCHWEIGER ANNA ROSSI FLORIAN TSCHÖRNER ALINE SCHENK BARBARA FUCHS RODERIK PISCHL CHRISTIAN „YETI“ BEIRER DJ MARIA MAGDALENA PAUL FÜLÖP NUDERSCHER/STEGMAYR REINHARD KOCZNAR HARRY TRIENDL RUDI VOGL DIETMAR RUMPOLD DANIEL SUCKERT C.H. HUBER DANIEL HUBER SEHER DEVRIM CAKIR BRIGITTE JAUFENTHALER HANS DANNER WOLFGANG HUNDEGGER FLORIAN HAIGL ELEONORE BÜRCHER CHRISTOF FINK PETER HUBER DJ SOUNDKNECHT BLUEMLING JÜRGEN SCHNEIDER MONKS IN WONDERLAND BORIS FAUPEL PEPI PITTL BERNHARD AICHNER ERICH LEDERSBERGER Selbstverständlich gilt unser Dank auch unserem treuen Publikum, das durch seine Anwesenheit unsere Kulturarbeit sinnvoll und durch seine Spenden überhaupt erst möglich machte.

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NEUES AUS KAKANIEN

SCHLUSS MIT LUSTIG? NEUES

AUS

KAKANIEN*

Kolumne von Erich Ledersberger

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der doch „Schluss mit Genuss“, wie es bei Josephine Mutzenbacher, diesem wüsten und pädaophilen Porno, so schön heißt? Und zwar am Ende eines Geschlechtsverkehrs? Felix Salten, der Autor von „Bambi“, soll das Buch geschrieben haben. Was wollte er uns damit sagen? Vielleicht, dass die Unterscheidung zwischen gut und böse gar nicht so einfach ist? Und viele Seelen in der Menschen Brüste wohnen? In Krisenzeiten ist wenig Raum für solche feinsinnigen Unterscheidungen. Jetzt trennen sich die Geister: Die einen fühlen den Weltuntergang nahen und werden fromm, die anderen vergnügen sich ein letztes Mal. Und so steigen Alkoholkonsum und Humorlosigkeit stetig an, manchmal getrennt, manchmal in einer Person vereinigt. Lachen zum Beispiel darf zwar weiterhin stattfinden, aber es muss das richtige Lachen sein. Moralisch wahrhaftig. Also wahr in meinem Sinn. Eine der wundersamsten Unterhaltungen, die ich bisher auf Facebook erlebt habe, kam folgendermaßen zustande: Susanne Scholl, pensionierte ORF-Korrespondentin und auch nicht mehr die Jüngste, stellte ein Poster auf ihre Pinnwand. Es handelt sich um ein gelbes Warnschild mit dem Text: „VORSICHT!!! Ständig verschwinden Senioren im Internet, da sie die Tasten ALT und ENTFERNEN

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gleichzeitig drücken. Bitte die älteren Menschen darauf hinweisen. Unterstützen Sie die Initiative SICHERES SURFEN FÜR SENIOREN!” Ich habe herzlich gelacht, aber das war moralisch falsch. Denn nun folgten auf Facebook eine Reihe empörter Hinweise, dass man bzw. frau „als Seniorin entsetzt” sei, als „verblödet” dargestellt werde und überhaupt sei das „nicht lustig”. Einige waren anderer Meinung und so ging ich unentschlossen ins Freie, um eine Zigarette zu rauchen. Lachen oder nicht lachen, das war jetzt die Frage. Humor muss ernst sein. Als Entscheidungshilfe fand ich auf einer anderen Facebook-Seite dasselbe Poster – auch dort herrschte bei einigen Postings das nackte Entsetzen! Ein Teilnehmer hatte die Diskussion eingeleitet und gleich auf die rassistische Brisanz des Witzes hingewiesen. „Es gibt Leute, die die Senioren durch andere Wörter, Rassen etc. ersetzen.” Dass mir das nicht sofort aufgefallen ist! Mein Restschmunzeln erstarrte. Scham überkam mich. Was ist bloß los mit mir, wenn ich über solche faschistoiden Witze lachen kann? Steckt ein Rassist in mir, den ich noch nicht kenne? Ein Antisemit gar, ein Stalinist, wo der Inhalt doch „an KZ und Gulags“ erinnert? Trost spendete mir erst die Nachricht eines anderen Teilnehmers. Er


NEUES AUS KAKANIEN

stellte die These auf, dass Betroffene sehr wohl Witze machen dürfen. Über sich und ausschließlich über diese. Konkret dürfen Juden seiner Meinung nach Witze über Juden machen und Frauen dürfen Blondinenwitze erzählen. Obwohl, dürfen auch brünette Frauen Blondinenwitze machen? Und darf ein liberaler Katholik schmunzeln, wenn Leon de Winter in seinem Buch „SuperTex“ sich über die unterschiedlichen Formen des Judentums lustig macht? Jener Schriftsteller übrigens, der den „Islamismus als Faschismus des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet? Und was mache ich in so einem Fall? Als, sagen wir mal, rothaariger Mann ohne Religionszugehörigkeit? Wo darf ich noch mitlachen? Mir kommt vor: nirgends. Ich muss mit ernstem Gesicht daneben sitzen, selbst wenn das unhöflich aussieht. Aber es ist moralisch richtig. Da ich selbst zur Seniorengruppe gehöre – ich habe neulich sogar die Zeitschrift „UG für Seniorinnen und Senioren” zugeschickt bekommen, sie allerdings noch nicht abonniert – , darf ich nun über dieses Warnschild lachen? Im Prinzip ja, aber es wurde von einer Frau auf Facebook gestellt! Und ich bin ein Mann. „Es ist alles sehr kompliziert“, meinte ein österreichischer Bundeskanzler einmal. Das war ein kluger Satz von einem klugen Mann, deshalb war er auch nicht lange Kanzler. Ich bin jedenfalls der Meinung – um einen anderen Kanzler zu zitieren – , dass wir die Forderung, niemand dürfe über eine Gruppe, der er nicht selbst angehört, Witze machen, ernst nehmen müssen. Logisch konsequent gehöre ich einer Gruppe an, die letztlich nur aus mir selbst besteht. Die Wirtschaft hat das längst erkannt und versucht mit Erfolg, das so genannte „direct mailing“ oder auch „direct marketing“ zu perfektionieren. Im Prinzip geht es dabei darum, nicht länger bloß nebulose Zielgruppen zu bewerben, etwa männlich und weiblich, Akademiker und Nicht-Akademiker, Krawattenträger und Nicht-Krawattenträger, das ist alles ein alter Hut. Die Wirtschaft will jeden Menschen individuell beraten, denn jede und jeder ist eine eigene Persönlichkeit. Was für die Wirtschaft gilt, muss selbstverständlich auch für den Humor gelten: Jede/r ist sich selbst eigen. Oder eigentümlich, je nach Geschmack. Auch ich bin individuell. Mich gibt es kein zweites Mal. Ein älterer Mann in den besten Jahren mit vielen Berufen, vom Hausmann über den Zettelverteiler bis hin zum Lehrer (Oberstudienrat!) und Schriftsteller. Außerdem Atheist mit katholischem Hintergrund und ehemaliger Sozialist – bis zur Umbennung zum Sozialdemokraten schaffte ich es nicht, da war ich schon aus der ehemal „Sozialistischen Partei Österreichs“ ausgetreten. Was also tun? Ich habe beschlossen, nur mehr Witze über mich zu machen. Weil die anderen Menschen anderen Individualgruppen angehören, dürfen sie über diese nicht lachen. Weil das wiederum extrem unbefriedigend

*) Kakanien nannte Robert Musil die untergehende kukMonarchie, jenes Reich, das sich selbst abschaffte. „Kakanien war der Staat, der sich selbst irgendwie nur noch mitmachte. Und darin war Kakanien, ohne dass die Welt es schon wusste, der fortgeschrittenste Staat.” Kakanien ist überall. Ein österreichisches Virus, gegen das keine Impfung hilft. Siehe auch: www.kakanien.eu

ist, mache ich keine Witze mehr. Und wenn, dann gehe ich in den Keller. Dort erzähle ich mir meine besten und geschmacklosesten Witze über mich und lache mich halb kaputt. Ist nicht wirklich unterhaltsam – wer lacht schon gerne allein? – , aber immerhin politisch korrekt! Fröhlich ist die Wirklichkeit! Zum Beispiel, wenn ein Banker laut heute.at eine Wurstsemmel nach Hatschi Strache wirft und dessen Leibwächter (= bodyguard auf Denglisch) den Mann daraufhin mit Fäusten attackiert. Gegen den Leibwächter wurde angeblich Anzeige erstattet, dabei hat er unseren zukünftigen Bundeskanzler bloß beschützen wollen. Manfred Deix und Gerhard Haderer hingegen freuen sich darauf, lustige Cartoons zu zeichnen. Darf darüber gelacht werden? Nur als FPÖ-Mitglied! Als solches hat man(n) bekanntlich ganz viel Humor. Ich freue mich, dass diese Herren und wenigen Damen sich am Boden kugeln vor Lachen. Ich hingegen, kein FPÖMitglied, darf leider nicht mitlachen. Das wäre nahezu gewaltverherrlichend. Pfui! Ernst sein ist alles, vor allem in Zeiten wie diesen. Nehmen wir uns ein Beispiel an Nordkorea. Dort ist nach dem Tod des „geliebten Führers Kim Jong Il“ das Lachen generell verboten, vorläufig zumindest für die offizielle Trauerzeit.

QUIZFRAGE

Was wurde im Mittelalter als „Sprachhus“ bezeichnet? Wer als erste/r die richtige Antwort an kakanien@live. de mailt, erhält das „Filzbuch 01“ mit echter Widmung des Autors Erich Ledersberger!

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ALTO ADIGE

SÜDTIROL SPECIAL VERBALE VERBINDET

S

elten genug, dass eine Kulturzeitschrift ohne jede Subvention bestehen kann. Seltener noch, dass es einer solchen Kulturzeitschrift gelingt, ihren Wirkungskreis über die Landesgrenzen hinaus ausdehnen zu können. schafft, worin die EU sich verbohrt, überwindet den Brenner und vereint Kunst und Kultur im Norden und Süden.

VERBALE MAGAZIN

Wo Bumser und Schützen an Staatseitelkeiten scheiterten, mag es der Kunst als Gelenk der grenzüberschreitenden Verständigung und ideellen Vereinigung gelingen: „Tirol isch lei oans!“ Herzlichst,

Florian Tschörner Gründungsherausgeber

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ALTO ADIGE

DER KULTUR-FILZ NICHT

NUR JENSEITS DES

BRENNER...

W

elcher Kunst- und Kulturschaffende kennt ihn nicht? Breit und bräsig besiedelt er die Gaue. Seit Urzeiten waltet und verwaltet er urzeit-ungeheuerlich das künstlerische Leben, das kulturelle sowieso. Er besteht aus einem Clan ehemaliger professioneller und/oder amateurialer Macher, die den Weg in die Politik gefunden haben, die sogenannte Kultur-politik. Oder ist es „Guldur“ mit „poly-dick“?

zu aufmüpfige Kunst machen oder zeigen, weil sonst sind die Zuschüsse schnell weg. Werden sozusagen strafweise einbehalten...

Da reichen sie sich die Hände und schanzen sich die Gelder zu. Da verkünden sie die Evangelien, 1) dass alles Kultur ist, 2) dass immer schon Kultur gewesen ist (man muss das Fressen und Saufen ja sozusagen „können“, Kunst kommt von Können!), 3) dass es Kultur braucht wie Wirtschaft und Abfallbeseitigung. Und 4) dass ein Land, das keine Kläranlagen hat, undenkbar ist, aber eines ohne Theater und Museen schon…

Und das Ergebnis: 1 Festivallleiter und Mehrfachfunktionär, 1 Stiftungspräsident und Großsponsor, 1 Stiftungsdirektor und Theaterdirektor, 1 Dirigent und Festspieldirektor, 1 Verlagsbesitzer und Handelskammer-Präsident, 1 Institutsdirektor und Gastspieleinkäufer, 1 Institutspräsident und Kulturbeirats-Mitglied, 1 Theaterleiter, 1 Kulturamtsleiter, 1 Verbandspräsidentin und Kulturbeiratsmitglied.

Oder doch nicht?! Drum läßt man Theater und Museen bauen (Kläranlagen und Feuerwehrhallen stehen ja schon überall), aber dann gibt man ihnen kein Budget (die sollen sich gefälligst selbst erhalten)! Na ja, manche kriegen dann schon ein paar Zuschüsse, besonders dann, wenn sie genehm sind, sozusagen staatstragend-fromm. Und wenn sie keine

Den Kulturfilz gibts überall, er wird universell gepflegt. Einige Länder tun sich da aber besonders hervor. Südtirol z.B.! Da gab es vor kurzem eine Untersuchung über die 10 mächtigsten (=einflußreichsten) Leute im Kulturbetrieb.

Parteinahe), sonst wirst du nix in diesem Land. Und unterhalb dieser „Spitze“? Eine ganze Pyramide von Lobbyisten, Zuarbeitern, Jury-Mitgliedern, Journalisten und anderen Ganz-Wichtigen, Halb-Wichtigen und Gar-nicht-Wichtigen, die die vielen vielen Hobby-Künstler und die handvoll professionellen Künstler regieren, bevormunden, speisen und abspeisen, fördern oder verhindern... Alles zum Wohl des Volkes natürlich. Denn es ist ja ein „einfaches“ Volk (wie es einmal ein Kultur-Landesrat ausdrückte...) Und dieses Volk darf ja selber auch Kultur machen! Darum tönt und trötet es landauf, landab, wird fleißig gepinselt und aquarelliert, und ein Schreib-Wettbewerb jagt den andern. Ja, die Politik kann schon stolz sein, herrlich leitbar und beherrschbar hat sie sich die Kultur und ihre „Schaffenden“ hergerichtet. Und darum lobt sie dann auch in den Sonntagsreden einfältig die sogenannte Vielfalt. Aber eigentlich lobt sie nur sich selbst: Amen!

Bumsti! So schauts aus: 2 „Italiener“, 8 „Deutsche“, gerade mal 1 Frau. Die „Deutschen“ sind natürlich alle Südtiroler Volkspartei-ler (Mitglieder oder

Aus: Lexikon seltener Tierarten (hrsg.v. R.J. Ausderaue), Merano (vissidarte), 2011

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BEKANNTE MEISTER - (UN)BEKANNTE MEISTERWERKE

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BEKANNTE MEISTER - (UN)BEKANNTE MEIISTERWERKE

BEKANNTE MEISTER (UN)BEKANNTE MEISTERWERKE OTTO DIX - DIE

SIEBEN

TODSÜNDEN

Autor: Mag. Helmut Ortner, Innsbruck

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tto Dix, einer der großen Vertreter der Neuen Sachlichkeit in Deutschland, schuf 1933 sein allegorisches Gemälde „Die sieben Todsünden“. Auf einer 179x129cm großen Holztafel (Staatliche Kunsthalle Karlsruhe) drängen sich vor eine ruinenhafte Architektur in einer weiten Landschaft die sieben Todsünden in Menschen- und Tiergestalt. Als Personifikation des Geizes schleicht am linken vorderen Bildrand eine gebückte Greisin auf ihrem Gehstock aus dem Bild. Auf ihrem Buckel sitzt der Neid in Form einer knabenhaften Figur. Er verbirgt sein Antlitz hinter einer schielenden Männermaske. Der kleine Schnauzbart, durch den die Figur eindeutig als Adolf Hitler charakterisiert ist, wurde von Dix erst nach dem Weltkrieg 1945 hinzugefügt. Hinter der Alten stürmt eine mumifizierte Gestalt im Kostüm des Todes, in der Rechten die Sense schwingend und die Linke einladend erhoben, nach vor. Dix zeigt in dieser Gestalt die Trägheit des Herzens; anstelle dieses klafft ein dunkles Loch. Die Wollust, eine junge Frau, gehüllt in ein farbenprächtiges Gewand, ihre rechte Brust darbietend und sich sinnlich die Lippen leckend, tänzelt hinter ihm.

Im rechten oberen Bildeck befindet sich die Allegorie des Hochmuts. Daneben reckt sich die Völlerei, gezeigt als fleischiger Glatzkopf gen den Himmel streckend. Einzig der Zorn ist in animalischer Gestalt, mit weit aufgerissenem Maul und die Rechte drohend erhoben, wiedergegeben. Ähnlich der Thematik des Fegefeuers waren die Sieben Todsünden von jeher ein wirkungsvolles Instrument der katholischen Kirche um den Menschen Gottesfurcht einzuflößen. Für Dix scheint der religiöse Aspekt hier nur sekundär. Primär übt er mit Hilfe dieses biblischen Themas harsche Kritik an der damaligen Gesellschaft, die den Boden für das Aufkommen des Nationalsozialismus mit all seinen schrecklichen, menschenverachtenden Folgen bildete. Kaum leserlich befindet sich auf der brüchigen Mauer im Hintergrund Nietzsches Spruch: „Die Wüste wächst, weh‘ dem, der Wüsten birgt.“ Damit meint und charakterisiert Dix nicht nur, das aufkeimende Böse, in einer noch vom 1. Weltkrieg erschütterten Welt, sondern auch die Infamie eines jeden Individuums. Der Mensch lebt in einer gottlosen Welt, scheint sich sogar selbst für Gott zu halten. Dix scheint eine gewisse gesellschaft-

liche Konstellation vorausgeahnt zu haben, die es erst ermöglichte das Böse so weit reichend zuzulassen. Dieses hatte er als Soldat selbst im ersten Weltkrieg hautnah miterlebt:

„Das musste ich alles ganz genau erleben. Ich bin so ein Realist. Wissen Sie, dass ich alles mit eigenen Augen sehen muss? Man muss den Mensch im entfesselten Zustand gesehen haben, um etwas über die Menschen zu wissen.“ Otto Dix

Dix hat in die dunkelsten Ecken der menschlichen Seele geschaut und dennoch stets an eine bessere Welt geglaubt. Indem er die Schwächen des Menschen graduell skurril und lächerlich darstellt, führt er das Ganze an sich ad absurdum und sein Bild ist nicht nur ein mahnendes Zeugnis, sondern zugleich ein Hoffnungsbild. Mit seiner Allegorie der Sieben Todsünden schuf Dix eines der wohl eindringlichsten Werke zu diesem Thema im 20. Jahrhundert. Er ruft im Betrachter die Auseinandersetzung mit den urmenschlichen Lastern hervor. Und übrigens: für jeden Künstler sollte Ignoranz die achte Todsünde sein.

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Nikolaus) Austria

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