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Diroximelfumarat – eine neue orale Behandlungsoption für die Multiple Sklerose
Tiefes und lang anhaltendes Ansprechen
Das Prinzip der BTK-Inhibition hat sich in der Behandlung von MW-Patienten bereits etabliert. Mit der Zulassung von Zanubrutinib steht nun ein BTK-Inhibitor (BTKi) der nächsten Generation mit hoher Wirksamkeit zur Verfügung, der zu tiefen und dauerhaften Remissionen führen kann und sehr gut verträglich ist. Dies belegen die Ergebnisse der zulassungsrelevanten ASPEN-Studie, in der Zanubrutinib mit Ibrutinib, einem BTKi der ersten Generation, verglichen wurde. In dieser Phase-IIIStudie erwies sich Zanubrutinib als hochwirksam, unabhängig von der Therapielinie (nicht vorbehandelt [TN], rezidiviert/refraktär [R/R]), dem Mutationsstatus (myeloid differentiation primary response 88 [MYD88], dem Chemokinrezeptor Typ 4 [CXCR4]), dem Alter oder den Komorbiditäten der Patienten. Darüber hinaus überzeugte Zanubrutinib aufgrund seiner hohen BTK-Selektivität und seines günstigen pharmakokinetischen/pharmakodynamischen Profils durch ein günstigeres Sicherheitsprofil und ein einfacheres Therapiemanagement im Vergleich zum BTKi der ersten Generation. Die empfohlene Tagesdosierung von Zanubrutinib beträgt 320mg (1× täglich 4 80-mg-Kapseln oder 2× täglich 2 80-mg-Kapseln). Aufgrund der besonderen molekularen Merkmale von Zanubrutinib sind eine flexible orale Dosierung sowie die gleichzeitige Einnahme mit säurereduzierenden Mitteln und die Einnahme mit oder ohne Nahrung möglich. Zanubrutinib kann auch bei Patienten mit Nieren- und Leberfunktionsstörung verabreicht werden.
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S. M.
Mit Diroximelfumarat (Vumerity™) wurde im November 2021 eine weitere orale Therapieoption für Patienten mit schubförmig remittierend verlaufender Multipler Sklerose (RRMS) in Europa zugelassen [1]. Grundlage für die Zulassung des Fumarats der nächsten Generation waren neben pharmakologischen Überbrückungsstudien [1] das Langzeit-Wirksamkeits- und -Sicherheitsprofil von Dimethylfumarat (DMF, Tecfidera®) sowie die Ergebnisse der Phase-III-Studie EVOLVE-MS-2. Sie zeigen, dass eine Therapie mit Diroximelfumarat mit einem günstigen gastrointestinalen Verträglichkeitsprofil einhergeht und zu niedrigen Therapieabbruchraten führt [1, 2]. Ein weiterer Vorteil ist, dass Vumerity™ unabhängig von einer Mahlzeit eingenommen werden kann [1].
Verbesserte gastrointestinale Verträglichkeit und Persistenz bei bewährter Wirksamkeit
Grundlage der Zulassung von Diroximelfumarat waren die Ergebnisse pharmakokinetischer Überbrückungsstudien, die zeigten, dass Diroximelfumarat und DMF in Bezug auf die Exposition gegenüber Monomethylfumarat und damit im Hinblick auf die Pharmakokinetik vergleichbar sind. Daher wird davon ausgegangen, dass die Wirksamkeitsprofile ähnlich sind [1]. Eine wichtige Rolle spielten zudem das Langzeit-Sicherheits- sowie das Wirksamkeitsprofil von DMF [1]. Mittlerweile liegen zu DMF Erfahrungen bei mehr als 500.000 Patienten über insgesamt mehr als eine Million Patientenjahre vor (Stand: 30. Juni 2021) [3]. Aktuelle Langzeitdaten der Studie ENDORSE zeigten bei Patienten, die bis zu 13 Jahre lang mit DMF behandelt wurden, eine anhaltend niedrige Schubrate: Bei den von Anfang an mit DMF therapierten Patienten lag die mittlere jährliche Schubrate bei 0,14 [4]. Zulassungsrelevant waren außerdem die Ergebnisse der Studie EVOLVE-MS-2, einer randomisierten, doppelblinden Phase-IIIStudie über 5 Wochen, in der die gastrointestinale Verträglichkeit von Diroximelfumarat im Vergleich zu DMF bei Patienten mit RRMS untersucht wurde [1, 2]. Unter Diroximelfumarat war die Rate gastrointestinaler unerwünschter Ereignisse mit 34,8% gegenüber 49,0% unter DMF geringer. Auch die Rate an durch Nebenwirkungen bedingten Therapieabbrüchen war mit 1,6% versus 5,6% niedriger [2]. Die Abbruchraten aufgrund von gastrointestinalen Nebenwirkungen betrugen unter Diroximelfumarat 0,8% und unter DMF
4,8%. Flushing trat bei 32,8% der mit Diroximelfumarat behandelten Patienten auf und bei 40,6% in der DMF-Gruppe. Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse in Bezug auf Flushing und Therapieabbrüche wegen Flushing wurden nicht verzeichnet [2]. Auch im Alltag sowie im Berufsleben zeigten sich die Vorteile von Diroximelfumarat: Es kam zu weniger Interferenzen der gastrointestinalen Symptome mit dem täglichen Leben (relative Reduktion um 67% [5]) und der Einfluss auf die Arbeitsproduktivität war geringer als unter DMF (relative Reduktion um 55% [5]). Dies wirkt sich positiv auf die Therapieadhärenz der Patienten aus, deren Sicherung insbesondere in der ersten Behandlungsphase bei gastorintestinalen Nebenwirkungen für Patient und Arzt eine Herausforderung ist. Sie gelingt deutlich besser, wenn der Alltag sowie das Berufsleben weniger beeinflusst werden und die Patienten merken, wie sich die Nebenwirkungen stetig verringern. Daher kann Diroximelfumarat sowohl für Therapie-naive Patienten mit mildem bzw. moderatem Krankheitsverlauf als auch für Patienten, die bei DMF im Therapieverlauf noch unter gastrointestinalen Beschwerden leiden, eine geeignete Behandlungsoption sein.
Diroximelfumarat und Familienplanung
Die Anwendung von Diroximelfumarat während der Schwangerschaft und bei Frauen im gebärfähigen Alter, die nicht zuverlässig verhüten, wird nicht empfohlen [1]. Diroximelfumarat sollte in der Schwangerschaft nur bei eindeutigem Bedarf angewendet werden, wenn der mögliche Nutzen das
Diroximelfumarat
Diroximelfumarat (Vumerity™) ist ein orales Fumarat, dessen chemische Struktur sich von der des Dimethylfumarats (Tecfidera®) unterscheidet. Vumerity™ ist zugelassen zur Behandlung von Erwachsenen mit schubförmig remittierender Multipler Sklerose. Nach der Aufnahme in den Körper wird Diroximelfumarat zu Monomethylfumarat umgewandelt, dem selben aktiven Metaboliten wie bei Dimethylfumarat. Vumerity™ verfügt daher über ein mit Tecfidera® vergleichbares Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil. Dimethylfumarat und Monomethylfumarat reduzierten in klinischen Studien signifikant die Immunzellaktivierung und die nachfolgende Freisetzung von entzündungsfördernden Zytokinen als Reaktion auf Entzündungsstimuli und wirkten sich darüber hinaus über eine Herunterregulierung entzündungsfördernder Zytokinprofile (TH1, TH17) und eine Förderung der Produktion entzündungshemmender Zytokine (TH2) auf die Lymphozyten-Phänotypen aus. In den Phase-III-Studien DEFINE, CONFIRM und ENDORSE verringerte sich bei den MS-Patienten unter der Behandlung mit Dimethylfumarat die mittlere Lymphozytenzahl im Durchschnitt um ca. 30 % des Ausgangswerts im Verlauf des ersten Jahres mit nachfolgendem Plateau [1].
potenzielle Risiko für den Fötus rechtfertigt [1]. Nach bisheriger Datenlage aus dem Schwangerschaftsregister TecGistry zu Dimethylfumarat lagen Fehlbildungs- und Abortrate auf dem Niveau der Allgemeinbevölkerung [3].
AMNOG-Verfahren für innovative Arzneimittel
Wie jedes innovative Arzneimittel soll Diroximelfumarat gemäß Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) überprüft werden. Das Verfahren dauert insgesamt 12 Monate. Diroximelfumarat ist zulassungsbedingt und ab Marktverfügbarkeit (03.01.2022) verordnungs-, abgabe- und erstattungsfähig zur Therapie erwachsener Patienten mit RRMS. Von der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) wurde Diroximelfumarat bereits im Oktober 2019 zugelassen [6]. Seit der Markteinführung in den USA gewonnene Real-World-Daten können die Erfahrungen aus klinischen Studien auch im Behandlungsalltag bestätigen [7]. Fabian Sandner, Nürnberg
Literatur
1 Fachinformation Vumerity™; Stand: November 2021 2 Drugs 2020;34:185-196 3 Hellwig K et al. ECTRIMS 2021;P175 4 Gold R et al. Mult Scler 2021 Sep1; 13524585211037909 5 Naismith RT et al. ECTRIMS-ACTRIMS 2020;P272 6 VUMERITY™ Summary of Product
Characteristics; Draft version 7 Liseno J et al. Neurol Ther 2021;10:349360