Außerhalb der "Volksgemeinschaft" Formen der Verfolgung während des Nationsalsozialismus im Kreis Hx

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Gefördert durch:

Stadt Holzminden Kulturstiftung des Landkreises Holzminden

Heimat- und Geschichtsverein für Landkreis und Stadt Holzminden e.V.

Titelbild: Gisela Kümmel, s.S. 407

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 978-3-95954-081-0 Alle Rechte vorbehalten Holzminden 2020


Klaus Kieckbusch

Außerhalb der „Volksgemeinschaft“ Formen der Verfolgung während des Nationalsozialismus im Kreis Holzminden

Herausgegeben vom Heimat- und Geschichtsverein für Landkreis und Stadt Holzminden e.V. Holzminden 2020

Verlag Jörg Mitzkat


Inhalt Grußwort 7 1 Einleitung 2

Verlust der Arbeit, Verlust eines Amts oder berufliche Zurücksetzung 2.1 Vorbemerkung 2.2 Einzelfälle als Beispiele für den Verlust beruflicher Chancen

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3 Zeit der Rache an den Gegnern der NSDAP im Frühjahr 1933. 33 3.1 Einsätze der „Hilfspolizei“ nach zwei Schadenfeuern von Anfang März 33 3.1.1 Vorbemerkung zu Zeit und Umständen 33 3.1.2 Die Holzmindener „Hilfspolizei“ 35 3.1.3 Der Großbrand vom 1. März 1933 und die folgenden Verhaftungen 39 3.1.3.1 Anlaß für eine Verhaftungswelle 39 3.1.3.2 Die nach dem Brand der Sperrholzwerke Verhafteten 41 3.1.3.3 Sonderfall Coppengrave 43 3.1.4 Ein Schadenfeuer in Golmbach und die folgenden Verhaftungen 45 3.1.4.1 Situation in Golmbach 45 3.1.4.2 Golmbacher in Haft 46 3.1.4.3 35 Häftlinge im Lastwagen ins Stadtoldendorfer Gefängnis 49 3.1.4.4 Bei einigen Golmbachern Haftzeit bis in den Mai 53 3.1.5 Der März 1933 in Grünenplan 55 3.1.6 Fohlenplacken und Neuhaus als Beispiele aus weiteren Dörfern 58 3.1.7 Übersicht zu den „Hilfspolizei“-Überfällen in den Dörfern und zu einigen Funden 59 3.1.8 Waffen in der alten Schleifmühle bei Lobach – Vorgänge bis zum Herbst 1933 61 3.2 Höhepunkte der erreichten Willkür 65 3.2.1 Vorbemerkung 65 3.2.2 Opfer der Brutalitätsorgien der „Hilfspolizei“ um den 21. März 1933 herum 68 3.2.3 Skizzen zu einzelnen der Häftlinge aus den Prügel-Orgien der „Hilfspolizei“ 73 3.2.4 Sonderfall Waldemar Wnukow 95 3.3 Organisationsversuche der KPD und spätere Aktivitäten der „Hilfspolizei“ 96 3.3.1 Vorbemerkung 96 3.3.2 Zum ersten Geheimtreffen 97 3.3.3 Ein zweites Geheimtreffen im Schießhäuser Tal 99 3.3.4 Zwei Brüder als Verfolgte und als Opfer des NS-Regimes 110 3.4 Auflösung der „Hilfspolizei“ 128 3.5 Drohende Verfahren wegen der Illegalität der „Hilfspolizei“ im Jahr 1934 130 4 Verfolgte in Schutzhaft 1933/34 bis 1939 und lokale Gruppen in Bodenwerder und Kemnade 4.1 Vorbemerkung zu Zeit und Umständen

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Inhalt 4.2 Schutzhaft ab Sommer 1933 unter der Verantwortung der Holzmindener Kreisdirektoren 4.3 Schutzhaft ohne Beteiligung der Holzmindener Kreisdirektoren 4.4 Einwohner aus Bodenwerder als Schutzhäftlinge des Jahres 1933 4.5 Verhaftung einer vermutlich zusammengehörigen Gruppe aus Kemnade und Lauenstein im Juli 1933 4.6 Hinweise auf die Lager in den Emslandmooren

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5 Die Ernsten Bibelforscher oder Zeugen Jehovas als Verfolgte 5.1 Vorbemerkung über Ernste Bibelforscher allgemein und besonders im Kreis Holzminden 5.2 Die sieben Verurteilten des 9. Februar 1935 5.3 Weitere betroffene Bibelforscher aus der Region Holzminden 5.4 Bibelforscher unter den Heimatvertriebenen

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Einweisungen in sogenannte Arbeitserziehungslager 6.1 Vorbemerkung zur Einrichtung der Arbeitserziehungslager 6.2 Verfolgte im Lager Liebenau 6.3 Verfolgte im Lager Lahde 6.4 Verfolgte im „Lager 21“ (Watenstedt-Hallendorf)

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7 Verfahren vor dem Sondergericht 7.1 Vorbemerkung zur Einrichtung der politischen Gerichte 7.2 „Heimtücke“: Vom Witze-Erzählen bis zur bewußten Gegnerschaft 7.3 Hochverratsversuche, Feindsenderhören, Umgang mit Ausländern und weitere Vorwürfe 7.4 Urteile anderer Sondergerichte, besonders des Gerichts in Hannover

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8 Gerichtsurteile mit teils langer Strafhaft, Verfahren außerhalb der Sondergerichte 8.1 Vorbemerkung 8.2 Die individuellen Fälle

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9 Vorgehensweisen gegenüber Soldaten der Wehrmacht 9.1 Vorbemerkung 9.2 Im zivilen Leben politisch Verurteilte als spätere Soldaten 9.3 Soldaten als Straftäter oder Strafgefangene in Bewährungs-Einheiten (500er), fragliche Fälle

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10 Konzentrationslager 10.1 Vorbemerkungen 10.2 Ergänzung zum KZ-Ort Moringen 10.3 Politische Häftlinge

301 301 304 307

234 259

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Inhalt

10.4 KZ-Haft nach weiteren SS-Kategorien ohne politische Begründung 10.5 Die Aktion „Gitter“ oder „Gewitter“ im August 1944

333 350

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Otto Hintze und Otto Schrader 11.1 Vermessungsrat Otto Hintze – sein Tod im April 1945 11.2 Leutnant Otto Schrader – erschossen im Januar1945 11.3 Erinnerung an weitere Tote

353 353 366 373

12 Das erschreckende Schicksal der Holzmindener Sinti 12.1 Einleitung 12.2 Die Familie Adler 12.3 Die Familie Pohl 12.4 Der Namensgeber Mai und die Familie Schmidt 12.5 Die Familien Stein und Lange 12.6 Die Familie Kümmel 12.7 Die Familie Gerste aus Bad Salzuflen 12.8 Die Familie Gerste aus Nordhausen 12.9 Die Familien Kressig, Seidel und Laubinger 12.10 Zwei Familien Reinhardt (mit Rosenbach) 12.11 Familie Weiß und Einzelpersonen Weiß

377 377 390 392 396 401 406 410 414 425 431 436

Anhang 443 Der Weg des Louis Tronnier 443 Register der Personennamen 449 Literatur 460

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Grußwort

Grußwort Die Nationalsozialisten schufen zwischen 1933 und 1945 eine radikal rassistisch organisierte Gesellschaftsordnung, die zwischen angeblich wertvollen deutschen „Volksgenossen“ auf der einen und „Gemeinschaftsfremden“ auf der anderen Seite unterschied. Wer als „gemeinschaftsfremd“ und „unwert“ galt, wurde ausgegrenzt, abgesondert und am Ende auch in vielen Fällen ermordet. Segregation und Selektion entschieden über das Schicksal der Ausgegrenzten. Zu ihnen gehörten rassistisch Verfolgte wie Juden sowie Sinti und Roma, politische Gegner der Nationalsozialisten, Homosexuelle, als „Asoziale“ oder „Berufsverbrecher“ Verfolgte, Wehrdienstverweigerer, Zeugen Jehovas, Kranke und alle Ausländer/innen, die als nicht „deutschblütig“ galten. Ihrem Schicksal widmet sich Klaus Kieckbusch im vorliegenden Buch in lokal- und regionalgeschichtlicher Perspektive: Wie erging es den Ausgegrenzten und Verfolgten in Stadt und Kreis Holzminden? Nicht thematisiert sind die jüdischen Verfolgten aus der Region, da ihr Schicksal bereits in anderen Publikationen von Klaus Kieckbusch umfassend dargestellt wurde. Ausgenommen sind ferner die in die Region verschleppten ausländischen Arbeitskräfte (darüber haben Detlef Creydt und andere bereits in den 1990er Jahren mehrere Bände vorgelegt) und – aufgrund der unsicheren Quellenlage – die im Rahmen der „Euthanasie“ ermordeten Kranken aus dem Kreis Holzminden. Klaus Kieckbusch kann für die vorliegende Arbeit nicht genug gedankt werden. In jahrelanger Arbeit hat er akribisch die Bestände aller einschlägigen Archive (insbesondere im Kreisarchiv Holzminden und im Niedersächsischen Landesarchiv) und zahlreicher Privatsammlungen ausgewertet, Zeitzeuginnen und Zeitzeugen befragt und sich mit geradezu kriminalistischem Gespür vor Ort auf Spurensuche begeben – und das alles ehrenamtlich, ohne jegliche Bezahlung. Herausgekommen ist ein biographisches Kompendium der NS-Verfolgung in der Region Holzminden, das erschreckend deutlich macht, wie weit der nationalsozialistische Repressionsapparat bis in den letzten Winkel Deutschlands hineinreichte – und wie stark die deutsche Gesellschaft von der nationalsozialistischen Ideologie und ihrer Herrschaftspraxis durchdrungen war, was sich nicht zuletzt am Massenphänomen der Denunziationen zeigte. Die Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Verbrechen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie kann nicht an zentrale Orte wie etwa große KZ-Gedenkstätten delegiert werden. Ansatzweise fassbar werden die NS-Verbrechen erst beim Blick auf das lokale Geschehen vor Ort. Die Verbrechen fanden eben nicht nur hinter Wäldern und Bergen versteckt in scheinbar isolierten Lagern statt oder irgendwo im diffusen „Osten“, sondern im wahrsten Sinne des Wortes vor der eigenen Haustür. Es waren öffentliche Verbrechen, begangen nicht nur von sadistischen SS-Schlägern und ideologisch überzeugten Schreibtischtätern, sondern vielfach von ganz normalen Deutschen, die ihren Mitbürgen das Recht absprachen, zur propagierten „Volksgemeinschaft“ zu gehören.

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Grußwort Vielfach, insbesondere hinsichtlich der Sinti und Roma, endeten die Ausgrenzungsdiskurse und -praktiken nach 1945 nicht, sondern bestanden fort, wenn auch abgemildert. Auch dies zeigt Klaus Kieckbusch in erschreckender Deutlichkeit. Es gab eben keine „Stunde Null“, sondern viele Kontinuitäten über den April/Mai 1945 hinaus. Dazu zählt auch, dass viele Opfer der NS-Verfolgung über Jahrzehnte gesellschaftlich und politisch nicht gewürdigt wurden, was sicherlich auch durch die Präsenz der vormaligen Täter/innen und Mittäter/ innen in der Öffentlichkeit bedingt war. Gerade in dörflichen und kleinstädtischen Milieus prägten vielfach sie, und nicht die Opfer, den öffentlichen Blick auf die NS-Geschichte. So entstanden auch im Kreis Holzminden Leerstellen in der Geschichtsschreibung und in der Erinnerung sowie in der Würdigung der NS-Verfolgten – Leerstellen, die Klaus Kieckbusch mit dem vorliegenden Buch gefüllt hat. Dafür gebührt ihm Dank und Anerkennung. Dr. Jens-Christian Wagner Geschäftsführer der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten

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Einleitung

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Einleitung

Die Vielzahl der Publikationen über die Zeit des „Dritten Reichs“ ist nicht mehr zu überschauen. Die historische Entwicklung hin zum Jahre 1933 und während der zwölf Jahre, die dann folgten, ist durch die Fülle an zugänglichen Informationen im Blick auf das große Ganze seit langem behandelt. Die Eckpunkte der Entwicklung sind klar, die Instrumente der Macht bekannt, die benutzten Gesetze nachlesbar, die Medien, besonders das Internet, bieten eine Fülle an Material. Das Fernsehen als Medium kann Persönlichkeiten und Ereignisse ins Bild setzen. Vorgelegt wird aber eine sehr konkrete Übersicht aus dem lokalen Bereich, hier aus dem eines niedersächsischen Landkreises, dem Kreis Holzminden. Die heutigen Grenzen dieses Kreises decken sich noch in etwa mit dem der Zeit des „Dritten Reichs“. Den Verfasser trieb bei seinen Recherchen die Idee an, zu zeigen, und zwar möglichst konkret zu zeigen, wie die NS-Herrschaft auch im besser bekannten Umfeld, im Bereich eigenen, zuweilen nachbarschaftlichen Lebens der damaligen Einwohner Macht ausübte, wie sie dabei Willkür walten ließ oder auch „nur“ Angst vor Willkür verbreitete. Das von den Nationalsozialisten geschaffene und benutzte System als eins des Mißbrauchs von Macht und des Unrechts soll mit dieser Arbeit sichtbar und durch die Nähe zu betroffenen Menschen greifbar werden. Absicht ist es ebenso, durch eine Vielzahl von festgehaltenen Details aus den dargestellten Vorgängen auch Bedingungen des Lebens jener Zeit sichtbar werden zu lassen. Bei einer Konferenz regionaler Forscher unter dem Titel „Gemeinsam einstehen für die Geschichte“ am 31. 10. 2015 in Hann. Münden äußerte ein Teilnehmer einleitend: „Erkenntnisse über lokale Ereignisse können helfen, die größeren, allgemeineren Entwicklungen besser zu durchdringen, sie also mit dem Verstand aufzunehmen.“ Diese Überzeugung steht auch hinter den Ergebnissen der vorliegenden Darstellung. Wie unterschiedlich Menschen handeln, wie weit die Spanne zwischen Naivität, Mitmachertum, sehr simplen oder gar niedrigen Beweggründen im Handeln einerseits und Ungebeugtheit im Denken und im ehrenhaften Tun andererseits ist, sollte herauszulesen sein. Vielleicht stärkt der Text hin und wieder auch das Mitgefühl für jene, die sich nicht auf der Seite der nach 1933 Mächtigen befanden. In einem Punkte aber darf sich der erhoffte Leser nicht vertun: Die unmenschliche Diskriminierung der Juden, die Ermordung von Millionen Juden, die Ausstoßung vieler anderer aus ihrem Lebensbereich, sofern sie Deutschland verlassen konnten, werden in dieser Schrift nicht gegen den Nachweis, daß auch Nichtjuden verfolgt wurden, aufgerechnet. Es geht vielmehr darum, daß beide historische Erscheinungen auf das Konto eines Systems gehen, das alle Grenzen verwarf, die durch christliches Denken oder durch die Lehren der Aufklärungszeit in unserer Welt gesetzt schienen. Der für die nun vorgelegte Publikation gewählte Titel kann auf die anzusprechenden Fragen nicht genau genug hinweisen. Dazu ist die Sachlage zu komplex. Auf der einen Seite wurde 1998 im Buch über die jüdische Geschichte Holzmindens1 ein wesentlicher Teil der 1 Klaus Kieckbusch: Von Juden und Christen in Holzminden 1557 – 1945. Ein Geschichts- und Gedenkbuch. Holzminden 1998.

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Einleitung NS-Ideologie und der daraus resultierenden Verfolgung dargestellt: Der Mord an den Juden als Teil der im Dritten Reich betriebenen rassischen Verfolgung. In der vorliegenden Schrift wird nunmehr über jüdische Familien nur gesprochen, wenn politische Gründe zur Verfolgung führten. Das gilt auch für nichtjüdische Ehepartner und für Abkömmlinge aus Ehen zwischen Juden und Nichtjuden. Auf der anderen Seite soll dieses Buch nun endlich das Schicksal der Sinti und Roma im Kreis Holzminden ansprechen. Deren Verfolgung ist prinzipiell ebenfalls als rassisch begründet anzusehen. Von „Volksgenossen“ hätte ein NS-Ideologe im Blick auf die „Zigeuner“ gewiß nicht gesprochen. Somit behält das Kapitel über Sinti und Roma eine Eigenheit, die der gewählte Titel höchstens andeuten kann. Bei allen übrigen hingegen, deren in diesem Buche gedacht wird, geht es um „Arier“ im Sinne der NS-Rassenideologie: Sie gerieten also nicht aus rassischen, sondern aus politischen oder religiösen Gründen in die Hände des 1933 an die Macht gekommenen Regimes. Auch die Kurzformel vom „Kreis Holzminden“ als dem behandelten Bereich verdient eine Präzisierung: Soweit Menschen, die aus Gebieten im Osten vertrieben wurden und bald nach dem Ende des Krieges im hiesigen Kreis seßhaft wurden, von religiöser oder politischer Verfolgung berichteten, werden deren Schicksale mit aufgenommen. Wo sonst sollte dies wohl geschehen? Die ehemaligen Wohnorte haben meist keine Stimme mehr. Im übrigen leben diese Texte weitgehend von Nachkriegsakten, in denen Vertriebene so auftreten wie Einheimische. Leider brachten die Umstände der Flucht oder der Vertreibung meist den Verlust persönlicher Papiere mit sich. So ist die Zahl derer, die als Verfolgte bei Hilfsanträgen im Nachkriegsdeutschland eine Ablehnung erfuhren, unter Heimatvertriebenen höher als unter Alteingesessenen. Zudem ist der Umfang dessen, was als nationalsozialistische Verfolgung angesprochen werden könnte, recht weit. Kraft, Zeit und Druckseiten reichen nicht, um Vollständigkeit auf allen Gebieten zu erreichen. Daher bleiben zum Beispiel die Euthanasiemorde oder die durch das Regime angeordnete Sterilisierung von Frauen und Männern im Prinzip unbehandelt. Die Entscheidung dazu fiel auch deswegen, weil eine entsprechende Recherche eher Fachleuten zu überlassen wäre. Aus dem Bereich der beruflichen Schädigung werden nur wenige Fälle als Beispiele vorgestellt, weil viele Vorgänge nicht in Akten greifbar werden, während die Zahl der Betroffenen recht hoch sein muß. Es handelt sich dabei um Menschen, die im Denken selbständig blieben, die sich erkennbar nicht ohne weiteres in die „Volksgemeinschaft“ einordnen oder in ihr „gleichschalten“ ließen und deswegen ihre Stellung oder die Chance zu einem beruflichen Aufstieg verloren. In ihnen vermutete der NS-Staat, die Partei oder die Geheimpolizei eine potentielle Gegnerschaft – zu Recht oder auch zu Unrecht. Ob ich Fälle von Todesurteilen wegen „Fahnenflucht“ aufgreife oder nicht, würde an und für sich eine grundsätzliche, ethische Diskussion zur Bewertung solchen Verhaltens voraussetzen. Dazu reicht aber der Platz nicht aus. Falls sich Material findet, um die Gründe für eine Fahnenflucht einigermaßen zu verstehen, soll darauf eingegangen werden. Es entspricht der Anlage der Niederschrift, daß Angaben zu Denunzianten, sofern sie auftauchen, nicht einfach unterdrückt werden. Denunziation geschah nach den Aussagen

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Einleitung vieler Gestapomitarbeiter alltäglich. Sie zählte zu den Erscheinungen, die das Leben im NS-Deutschland mitbestimmten. Deswegen wird gegebenenfalls auch von ihr berichtet. Während der Untersuchungen in den Sonderhilfsausschüssen der frühen Nachkriegsjahre und in Fragebögen wurde nach Denunzianten gezielt gesucht – in jenen Jahren eine virulente Sache. Manches ließ sich nicht ohne das Gefühl niederschreiben, daß sich in einigen Fällen weiteres, die Sache erhellendes Material finden ließe, wenn man den Suchradius weiter ausdehnte. Das müßte anderen überlassen bleiben. Ein erster Teil des für dieses Buch zusammengetragenen und benutzten Materials war vor über zehn Jahren im Archiv des Landkreises gefunden und festgehalten worden: Papiere eines im Kreisgebiet tätigen Ausschusses der frühen Nachkriegsjahre, geschaffen für Verfolgte der NS-Zeit. Die damals entstandene Liste von betroffenen Menschen mit rund 450 Namen wirkte schließlich zu komplex und daher entmutigend: Das Vorhaben, daraus etwas Lesbares zu machen, schien zu schwierig. Das Liegenlassen bot sich an. Jedoch später sprachen schließlich zwei Argumente dagegen: Das vor Jahren aufgefundene Material hatte sein Gewicht, und es wuchs die Überzeugung, daß wohl kein anderer sich darum kümmern würde. Ein sehr konkreter Anstoß kam hinzu: Es wurde Antwort auf die Frage erbeten, ob ein nicht-jüdischer Holzmindener, der im Verlauf politischer Verfolgung zu Tode kam, denn wohl einen Stolperstein verdiene. Jede mögliche Antwort darauf setzte eine Klärung darüber voraus, was sich über Verfolgung und über Verfolgte im Bereich Holzminden überhaupt feststellen ließ. Das war ein überzeugender Gedanke, auch, weil er dem Prinzip der Gerechtigkeit entsprach. In besonderem Maße prüfenswert waren neben den vor vielen Jahren gesichteten Aktenbeständen aus dem Landkreis die frühere Kartei des Holzmindener Meldeamts sowie mehrere gut definierbare Bestände in den staatlichen niedersächsischen Archiven in Wolfenbüttel und Hannover beziehungsweise in Hannovers Außenstelle Pattensen, welche die NS-Verfolgung besonders intensiv und umfangreich nachweisen. Allen Archivmitarbeitern gilt mein herzlicher Dank für eine fortwährend gute Betreuung. Hervorzuheben ist hierbei der Holzmindener Stadtarchivar, Dr. Matthias Seeliger, der nicht nur seine Bestände immer wieder zu durchforsten half, sondern auch dabei, die vielen benötigten Bücher auf dem Wege der Fernleihe zu besorgen. Im Archiv des Landkreises umfaßten die vor Jahren bearbeiteten Akten das Material des „Kreissonderhilfsausschusses“. Dieser Ausschuß der Zeit ab Anfang 1946 sollte Menschen helfen, die politisch, religiös oder rassisch verfolgt worden waren. Die Geschichte dieses Kreisausschusses soll mit einigen Worten skizziert werden: Den äußeren Rahmen dafür stellte ein „Bezirksfürsorgeverband“ dar, im engeren Bereich der entsprechende Kreisverband. Dessen Akten lieferten vor Jahren die „Protokolle des Sonderhilfsausschusses für ehemalige politische Häftlinge in Holzminden“. Am 29. April 1946 führte Oberkreisdirektor Dr. von Klitzing den Ausschuß in dessen Geschäfte ein. Dessen Vorsitz übernahm Verwaltungsgerichtsdirektor a. D. Dr. Simon, Stadtoldendorf. Zu den ersten besprochenen Hilfen zählte ein Möbelkauf für das aus Theresienstadt zurückgekehrte Ehepaar Feldheim. Eine erste reine

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Einleitung Arbeitssitzung ist für den 25. Mai 1946 nachgewiesen. Der Vorsitzende wie auch die Mitglieder des Ausschusses wechselten im Lauf der Jahre. Den Holzmindener Ausschuß bildeten überwiegend solche Mitglieder, die selbst Verfolgung erlebt hatten; als deren Vertreter seien Bürgermeister Wilhelm Grobe und Landrat Karl Poth oder der Angestellte Hermann Glöggler genannt. Es wirkte anscheinend immer ein „Beauftragter des Öffentlichen Interesses“ mit, der offenbar mißbräuchlichen Entscheidungen entgegentreten oder vielleicht auch notwendige Sparsamkeit verfechten sollte. Als solcher trat meist der Kreisdirektor auf. Der KSHA-Ausschuß bestand im Februar 1950 aus Dr. Simon als Vorsitzendem, den Herren Poth und Glöggler als Beisitzenden, dem Kreisdirektor Stitz und dem Schriftführer Martin. Die letzte Sitzung des Ausschusses fand am 14. Mai 1952 statt. Geschaffen wurden die Sonderhilfsausschüsse durch eine „Zonenpolitikanweisung“ der Britischen Militärregierung vom 4. Dezember 1945, die „ZPA 20“. Sie wurde Anfang Februar des folgenden Jahres bekanntgegeben. Die Ausschüsse wurden laut Anweisung dem Landrat unterstellt; später wird sich ein übergeordneter Landesausschuß formieren. Anträge auf Hilfe können prinzipiell nur deutsche Staatsangehörige stellen. Die Förderung der NS-Politik, zum Beispiel durch eine Mitgliedschaft in der SA oder der NSDAP, schließt von vornherein das Recht auf Hilfen durch diese Ausschüsse aus, der Betroffene ist einer Hilfe „unwürdig“. Mitwirkung in der SA oder der Partei unter Druck oder zum Selbstschutz kann im Holzmindener Ausschuß auch differenzierend behandelt werden. Die Institution soll sich, so die frühe Anweisung, besonders um arbeitslose, wohnungslose, ungenügend ernährte oder finanziell schwache vormals Verfolgte kümmern. Gegen Entscheidungen kann der bereits genannte „Beauftragte des Öffentlichen Interesses“ Einwände erheben. In engem Zusammenhang mit den Hilfen, welche die „ZPA 20“ möglich machte, wurde in Holzminden - vermutlich kreisweit - noch 1945 oder sonst 1946 zugunsten von KZ-Opfern Geld gesammelt. Die Sammlung erbrachte 35.990 Reichsmark. Das Geld wurde zunächst vom „Komitee ehemaliger politischer Gefangener“ verwaltet. Das Komitee hat auch Ausgabenlisten mit Namen hinterlassen. Stadtrat Grosse erhielt zwar später die Verfügung über das Geld (dann noch 25.802 RM); es wurde aber geklagt, daß keine Übersicht über Ausgaben mehr vorläge.2 Der KSHA berät und beschließt ab September 1948 auch über Gewährung von Soforthilfe bei körperlichen Schäden - Schäden an Leib und Leben -, die durch NS-Gewaltmaßnahmen hervorgerufen wurden.3 Das neue Sonderhilfegesetz löst die „ZPA20“ praktisch ab. Hierdurch werden nun auch Geldrenten für Opfer selbst oder für Hinterbliebene, Heilfürsorge, Ausbildungshilfen und Darlehen für die Schaffung eigenständiger Betriebe möglich. Da Mitte 1949 im niedersächsischen Landtag auch ein Gesetz über Haftentschädigungen beschlossen wird, können endlich auch Haftzeiten im Kreissonderhilfsausschuß mit dem Ziel, Entschädigungen zu gewähren, besprochen und festgehalten werden. Für jeden Haftmonat werden 150.- DM ausgezahlt. Auch Zeiten in Bewährungs- und Strafbataillonen wer2 Vgl. auch KrAHol 1761 (falsch: „1764“): KZ-Angelegenheiten 1946–1955. 3 22. 9. 1948: Nds. Gesetz über Gewährung von Soforthilfe für Verfolgte der NS-Gewaltherrschaft (Personenschaden). Dieses Gesetz läuft bis zum 1. 5. 1952. In einen „Beratenden Ausschuß“ beim Regierungspräsidenten in Hildesheim werden die Holzmindener Otto Langer und Otto Schmidtmann, beide NS-Opfer, berufen.

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Einleitung den einbezogen, ebenso Zeiten illegalen Lebens. Wenn der oder die Verfolgte umkam, kann die Entschädigung vererbt werden.4 Sinti und Roma blieben allem Anschein nach in Bezug auf die Sonderhilfsausschüsse und deren Arbeit mindestens bis 1949 ganz ausgegrenzt. Das mag zum Teil auch daran gelegen haben, daß für sie keine organisierte Vertretung entstand. Der Trend zu ihrer Ausgrenzung zieht sich sogar bis in die Zeit des Bundesentschädigungsgesetzes von 1956. In der Bezirksregierung Hildesheim wird im August 1951 über eine Auflösung der Kreissonderhilfsausschüsse im folgenden Monat gesprochen. Alle Akten seien „abzulegen“. Der Kreis verliert seine Funktion in diesem Bereich, der Regierungspräsident in Hildesheim behandelt - wohl bereits ab 1. Oktober 1951 - alle Ansprüche von NS-Verfolgten, auch hier mit Sonderhilfsausschüssen.5 Der Holzmindener Kreissonderhilfsausschuß tagt, wie gesagt, am 19. Mai 1952 zum letzten Mal. Schon 1953 aber wird der Innenminister des Landes Niedersachsen für alle Entschädigungsfragen zuständig. Als wichtige Bundesgesetze in Entschädigungsfragen gelten ein „Bundesergänzungsgesetz“ von 1953, vor allem aber das umfassende „Bundesgesetz zur Entschädigung für Opfer nationalsozialistischer Verfolgung“, das am 29. Juni 1956 verabschiedet wurde, aber rückwirkend zum 1. Oktober 1953 in Kraft trat. Das seinerzeit im Archivkeller des Landkreises in sich geschlossen liegende und dort eingesehene Aktenmaterial wurde in der Folge der eingetretenen Entwicklungen an Landesbehörden abgegeben. In Niedersachsen kamen die Papiere schließlich 1976 in die Hände des Landesverwaltungsamts. Lange Listen über diese Abgabe der Papiere existieren weiterhin im Kreisarchiv, davor während der Bearbeitung festgestellte und notierte Signaturen gibt es aber leider nicht mehr! Die KSHA-Akten wurden so in neue Zusammenhänge (Entschädigung, Wiedergutmachung) gebracht und mit neuen eigenen Signaturen versehen. Sie sind also mit den Signaturen, wie sie dem Verfasser im Kreisarchiv begegnet waren, nicht mehr wiederzufinden. Die Papiere begegnen einem oft von neuem in dem riesigen Bestand „Nds. 110 W“ des Landesarchivs in Hannover, wo „W“ für Wiedergutmachung steht und sämtliche hinzugehörige Anträge in individuellen Akten abgelegt sind; hier können diese frühen Holzmindener Papiere einen Teilbestand innerhalb einer weiterführenden Akte bilden. Eine systematische Suche nach ihnen hat sich hingegen als schwierig bis unmöglich erwiesen. Hinzu kommt: Wer nicht mehr in Niedersachsen lebt, dessen Akten wären nur noch in einem anderen Bundesland zu finden: Die Suche nach solchen Akten von Weggezogenen wäre gar zu aufwendig und unterblieb. Der Bestand „Nds 110 W“ im Landesarchiv Hannover als Quelle ist selbstverständlich hoch ergiebig und wurde intensiv genutzt. Für manche eigentlich noch gesperrte Teile mußte eine Freigabe bewirkt werden. Zu den wichtigeren der benutzten Quellen zählen Samm4 31. 7. 1949: Nds. „Gesetz über die Entschädigung für Freiheitsentziehung durch Maßnahmen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft (Haftentschädigungsgesetz)“. - Auch ein zentraler „Hauptausschuß ehemaliger politischer Häftlinge“, der privat geschaffene örtliche Komitees von Verfolgten ablöste, betreute in Niedersachsen von 1945 bis 1950 Überlebende der NS-Verfolgung. 5 KrAHol 3699. Ein nds. Gesetz vom 16. 5. 1952 regelt die Arbeit der Sonderhilfsausschüsse im Regierungspräsidium.

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Einleitung lungen von Gerichtsverfahren oder Gerichtsurteilen. Besonderes Gewicht hat hier der Bestand 42 B Neu im Niedersächsischen Landesarchiv Wolfenbüttel: Er vermittelt Material der Staatsanwaltschaften des Landes Braunschweig – das heißt aber vor allem: des Sondergerichts der NS-Zeit. Allein das Findbuch 7 liefert über 1.500 Vorgänge. Viele Haft-Datierungen sind dem „Kerkerbuch“, dem Gefangenenregister, des Amtsgerichts Holzminden entnommen (im Wolfenbütteler Bestand 40 Neu 10, Findbuch 6, zum Amtsgericht Holzminden). Die in dieser Darstellung erlangte Übersicht über NS-Verfolgte mag umfangreich sein, kann jedoch nicht sämtliche möglicherweise Betroffenen im Kreis Holzminden mit Sicherheit berühren. Es wäre illusorisch, eine solche Form von Vollständigkeit beim vorliegenden Thema zu erwarten. Für vergleichbare Arbeiten gilt es längst als anerkannt, daß der Aktenschwund im Bereich der NS-Verfolgung überaus groß ist.6 Andererseits ist auch die Zahl der individuell zutage getretenen Fakten sehr unterschiedlich. Da möglichst wenig von dem, was die Art der Verfolgung beleuchten kann, unterschlagen werden soll, ist von den einzelnen Verfolgten unterschiedlich viel zu berichten. Daher werden Beispielfälle umfangreicher ausgearbeitet: siehe die Ausführungen zum Leiter des Holzmindener Katasteramts, Otto Hintze, oder zu Georg Meyer aus Stadtoldendorf, KZ-Häftling und SS-Soldat, oder zu den Brüdern Otto und Wilhelm Spormann. Die Absicht, in den Aussagen soweit komplett zu bleiben, wie es geht, schließt jedoch nicht aus, daß auch Listen aufzustellen waren; dies gilt vor allem für die hohen Zahlen von Verhaftungen im ersten Halbjahr 1933. Von Widerstandsgruppen im Sinne organisierter politischer Widerstandsarbeit oder dergleichen nach dem Jahre 1933 ist im Kreis Holzminden so gut wie keine Rede. Das Vorgehen des Staates gegen die Ernsten Bibelforscher ist hier nicht gemeint. Demzufolge ist von besonders schwerem Leiden oder dem Verlust des Lebens wegen politischer Widerständigkeit nur in wenigen Fällen zu sprechen. Die Abneigung, sich dem Tun der Nationalsozialisten ganz zu unterwerfen oder sich ihm anzuschließen, blieb im allgemeinen dem Einzelnen vorbehalten und blieb insofern wohl auch bei vielen Menschen unentdeckt. Viele der zu besprechenden Anklagen oder Urteile führten zu kurzen Haftzeiten, dies gilt sogar für Verfahren vor dem Sondergericht. Wen allerdings nach einer relativ kurzen Haft die Willkür der Gestapo insofern traf, daß sie die geradezu unheimliche „Überhaft“ über ihn verhängte, der mußte tatsächlich als Insasse eines Konzentrationslagers um sein Leben fürchten. Die Verhandlungen um eine Entschädigung für Haftzeiten, für die erlittenen Leiden, für deren manchmal lange anhaltenden Folgen und für erlittene Verluste machen im allgemeinen das Hauptthema der benutzten großen Aktensammlungen aus. Diese oft mühsamen und langwierigen Verhandlungen und ihre Ergebnisse bilden an sich jedoch generell keinen Teil dieser Untersuchung. Nur in besonderen Fällen soll eine zugestandene „Entschädigung“ in eine Beziehung zu dem gebracht werden, was die Menschen durchgemacht haben. Im Grunde folgt der Gang der Darstellung grob der Chronologie der Jahre von 1933 bis 1945. Wo immer es sich von der Sache her anbietet, werden Vorgänge aus ganz ver6 Vgl. Raim, Justiz zwischen Diktatur und Demokratie, S. 14.

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Einleitung schiedenen Jahren zu einem oder in einem Kapitel zusammengerückt, so zum Beispiel im Kapitel über das Braunschweiger Sondergericht. In dieser Hinsicht muß ohne Zweifel auf das gewichtig gewordene Kapitel über die Verfolgung der Holzmindener Sinti und Roma hingewiesen werden. Bei der Arbeit gerade an diesem Kapitel stellte sich mehrfach die stille Frage, ob vielleicht doch besser ein ganz eigener, selbständiger Titel dem entspräche, was diesen Menschen angetan wurde. Bis in die Endredaktion hinein blieb die Frage offen, ob von allen Menschen, die durch Verfolgung ihr Leben verloren, in einem eigenen Teil gesprochen werden sollte. Der Leser wird feststellen, daß die Frage im großen und ganzen verneint wurde – daß die Mehrzahl der Toten jeweils innerhalb eines bestimmten Kapitels besprochen wird. Der Öffentlichkeit soll die Frage überlassen bleiben, wie der Toten in Zukunft gedacht werden kann.

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