Der Ausdruck des Wesentlichen

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Der Ausdruck des Wesentlichen Porzellan und Keramik von Siegfried Mรถller (1896-1970)


Für die freundliche Überlassung von Exponaten und Abbildungen für die Ausstellung sowie die persönliche fachliche Unterstützung danken wir den folgenden Institutionen und ihren Mitarbeitern: Focke-Museum - Bremer Landesmuseum für Kunst- und Kulturgeschichte Museum Kellinghusen und den privaten Leihgebern, die ungenannt bleiben möchten. Für vielfältigen Rat und Unterstützung danken wir: Hans-Georg Bluhm, Kellinghusen Dieter Högermann, Berlin Michael Kossow, Berlin Christine Krueger, Alfeld Friederike und Andreas Strnad, Stade Heinz-Joachim Theis, Keramik-Museum Berlin Volker Zelinsky, Hamburg sowie dem Museumsteam des Museums im Schloss, Porzellanmanufaktur FÜRSTENBERG Idee, Recherche, Konzeption: Thomas Krueger, Museum im Schloss, Porzellanmanufaktur FÜRSTENBERG Grafik, Ausstellungsbroschüre: Verlag Jörg Mitzkat, Holzminden Flyer: B:Sign, Hannover Fotografie: Andreas Krukemeyer, Boffzen Sigrid Sternebeck, Focke-Museum Bremen Bernd Muff, Fürstenberg Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar ISBN 978-3-940751-56-0 © Copyright bei den Autoren. Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie oder einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung der vorgenannten Rechteinhaber reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet werden. © der Abbildungen bei den jeweiligen Bildgebern Verlag Jörg Mitzkat, Holzminden, 2012, www.mitzkat.de

Titelbild: wie Abb. 58


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Inhaltsverzeichnis

Vorwort ....................................................................................................................................................................

Seite 7

Siegfried Möller .......................................................................................................................................................... Seite 9 von Thomas Krueger

Der ,Wanderkünstler’ Siegfried Möller ..................................................................................................................... Seite 13 von Volker Zelinsky

Selbstständiger Töpfermeister und Professor ............................................................................................................ Seite 31 von Thomas Krueger

Anhang Modelle und Dekore Siegfried Möllers für die Porzellanmanufaktur FÜRSTENBERG ....................................... Seite 58 Bildnachweis ............................................................................................................................................................. Seite 63

Abb. 1: siehe Abb. 6

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Vorwor t


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gleitpublikation herauszugeben. So können zum einen die Forschungsergebnisse der letzten Jahre zu Möllers Wirken für die Porzellanmanufaktur FÜRSTENBERG, die erstmals im Kellinghuser Katalog - notgedrungen unvollständig - von mir zusammengestellt worden waren, erheblich erweitert dargestellt werden, zum anderen wurde es Volker Zelinsky ermöglicht, seine umfangreichen Forschungen zu den frühen Keramikarbeiten Möllers zu publizieren. Das Museum im Schloss ist das Unternehmensmuseum der Porzellanmanufaktur FÜRSTENBERG GmbH. Die Ausstellung dokumentiert daher einmal mehr, welch hohen Stellenwert die Manufaktur der Pflege ihres Erbes, ihrer Tradition und genauso ihren Produkten und ihren Gestaltern aus vergangenen Zeiten beimisst, aber auch ihre Aktualität pflegt. Siegfried Möller gehört zweifellos seit langem dazu. Mit Porzellan begann Möller ab 1937 zu arbeiten, als er eine Kooperation mit der Porzellanmanufaktur FÜRSTENBERG einging. Bis zu seinem Tode 1970 entwarf Möller zahlreiche Zierartikel für FÜRSTENBERG sowie vier Geschirrformen. Seine Gestaltungskunst und Fabulierfreude äußerte sich dazu in ganz eigenwilligen, ja witzigen Dekoren und Reliefs auf Porzellan. Einige seiner Vasenformen von 1938 blieben bis heute in der Kollektion. Wie zeitlos und zugleich aktuell die Formgestaltungen Siegfried Möllers noch immer sind zeigt, dass FÜRSTENBERG im Herbst 2010 erstmals Möller-Vasen mit Kristallglasuren präsentierte; im Frühjahr 2012 stellte die Manufaktur die „Edition MÖLLER“ mit leuchtenden Farbfonds von Peter Kempe auf sieben Vasen und zwei Dosen vor. Ermöglicht wurden Ausstellung und Buch nicht zuletzt durch vielfältigen Rat, Hilfe und Leihgaben von Heinrich Averwerser, Uta Bernsmeier und dem Focke-Museum Bremen, Hans-Georg Bluhm vom Museum Kellinghusen, Wilfried Funke, Dieter Högermann, Stephan Hofmann, Michael Kossow, Friederike und Andreas Strnad, Heinz-J. Theis, Volker Zelinsky und anderen mehr. Ihnen sowie dem Freundeskreis Fürstenberger Porzellan, der Porzellanmanufaktur FÜRSTENBERG GmbH und ihrem Museumsteam und besonders Jörg Mitzkat gilt daher mein großer Dank!

iegfried Möller war einer der vielseitigsten Keramikgestalter im 20. Jahrhundert. Sein rastloser und umtriebiger Charakter führte ihn immer wieder auf neue Wege der Keramikgestaltung. Alte Techniken neu interpretieren, Neues ausprobieren und mit viel Witz und Ironie in und auf Steinzeug und Porzellan umsetzen - das zeichnet seine perfekten Gestaltungen aus. Form und Dekor bestimmten gleichermaßen sein Wirken, das seit einigen Jahren wiederentdeckt wird. Seine Formgestaltungen der 1920-er Jahre, seine witzigen Fabelwesen in Malerei und Relief in der von ihm weiterentwickelten Sgraffito-Technik in den 1930-er und 1940-er Jahren oder in Farbe oder Gold auf seinen Formen in Steinzeug und Porzellan gemalt, gepudert und mit Achat poliert oder im Umdruckverfahren vervielfältigt und anschließend handausgemalt… – Seine herausragenden Gestaltungen entsprangen einer sprühenden Phantasie und exakten Naturbeobachtung ebenso wie einer perfekten Beherrschung von Material und Technik. Nach einer Ausstellung 2003 im Museum Kellinghusen und einer zweiten im Keramik-Museum Berlin 2010 folgt nun 2012 im Museum im Schloss der Porzellanmanufaktur FÜRSTENBERG die dritte Ausstellung, die sich in jüngster Zeit ausschließlich dem Werk Siegfried Möllers widmet. Jede dieser Ausstellungen hatte und hat eigene Schwerpunkte. Der Auftakt in Kellinghusen war wohl die überhaupt erste Werkschau, die Begleitbroschüre von Hans-Georg Bluhm die erste eigenständige Publikation zu Möllers Schaffen. Mit dem Beitrag von Frank Trende wurde hier erstmals auch das frühe bildhauerische Wirken des jungen Möller gewürdigt. Die Berliner Ausstellung zeigte viele bis dahin unbekannte Werke Möllers und widmete sich auch den Arbeiten seiner Schülerinnen und Schüler; eine Begleitpublikation konnte jedoch leider nicht erstellt werden. Die Ausstellung in Fürstenberg 2012 nimmt den Faden auf und spinnt ihn mit zahlreichen neuen Werken Möllers aus privaten Sammlungen und - Dank der großzügigen Mithilfe der Tochter Möllers, Friederike Strnad – aus dem Nachlass der Plöner Werkstatt wieder auf. Dank der großzügigen Förderung des Freundeskreis Fürstenberger Porzellan war es möglich, in der Schriftenreihe des Freundeskreises diese Be-

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Abb. 2: Die Vase 1044/3 (H=20 cm), von Siegfried Möller 1938 für FÜRSTENBERG gestaltet; links in weiß (1938), Mitte eigener Dekor von Möller, signiert Plön 1958, rechts mit Fond „Signalgelb“ Nr. 6078/5 von Peter Kempe, Edition MÖLLER von 2012.

Fürstenberg im August 2012

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Thomas Krueger Leiter Museum im Schloss


Siegfried Mรถller

von Thomas Krueger


 erkschau und Begleitbuch versuchen einen Überblick zu geben, sie wollen und können aber keinesfalls das Werk Siegfried Möllers allumfassend präsentieren. In diesem Überblick wird zunächst der Werdegang Möllers bis zum Beginn seiner Tätigkeit als Entwurfskeramiker in den unterschiedlichen Werkstätten der 1920-er und frühen 1930-er Jahre vorgestellt, der dann der Beitrag von Volker Zelinsky gewidmet ist. Wie gerade Zelinskys Beitrag zeigt, gibt es zu Möllers Werk immer wieder Neues zu entdecken, vieles ist aber noch ungeklärt und bleibt zu erforschen: „Die Dokumentenlage zu Möllers Entwürfen […] ist schmal,“ stellt er zu Recht fest: Die Zuweisung von Werkstücken aus Möllers Händen ist schwierig, sofern sie nicht von ihm selbst gemarkt wurden, wie nur wenige seiner Entwürfe für die unterschiedlichen Werkstätten, oder wenn sie nicht nach den Berichten in den zeitgenössischen Fachzeitschriften in Wort und Bild belegt werden können. Auch für ein Markenverzeichnis scheint es noch zu früh zu sein, weil dazu noch systematischer nach Möllers Arbeiten gesucht werden müsste, weshalb hier auch

eines fehlt. Zu achten ist zudem darauf, dass viele von Möllers Formentwürfen Dekore und Glasuren von anderer Hand tragen. Nur teilweise gelingt eine eindeutige Zuweisung, wie etwa um 1930 bei der fruchtbaren Zusammenarbeit von Siegfried Möller: Form, Ursula Feska: Dekor und Franz Eggert: Glasur in der Steingutfabrik Elsterwerda (Abb. 4).1 Der in Familienbesitz befindliche Nachlass verspricht aber in Zukunft weitere Erkenntnisse zu Biographie und Werk Möllers. Zahlreiche Entwurfszeichnungen und Vorlagen erlauben dann einen tieferen Einblick in seinen künstlerischen Werdegang. Der zweite Teil dieser Darstellung ist dem weiteren Wirken Möllers von seiner Zeit als selbstständiger Töpfer, Lehrer und Professor der 1930-er und 1940-er Jahre an den Kunstgewerbeschulen in Bremen, Hamburg und Kiel, vor allem aber seiner Zusammenarbeit mit der Porzellanmanufaktur FÜRSTENBERG im Weserbergland gewidmet. Die Porzellanarbeiten Möllers, die er ab 1938 für FÜRSTENBERG gestaltete, werden schließlich im Anhang nach den Modellbüchern vollständig tabellarisch aufgelistet. Von Möl-

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Abb. 4: Teegeschirr Form 356, Steingutfabrik Elsterwerda, 1929/30. Abb. 3: Vase Nr. 3105, Uffrecht um 1928. Die Vase steht auf einem „Möllerfuß“, einer Basis aus zwei übereinander applizierten Scheiben, die für viele Objekte von Möller der 1920-er Jahre charakteristisch sind.

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 Taufpaten Siegfrieds. Zu dieser Werkstatt gehörte noch ein Kunstgewerbe- und Antiquitätenladen. Seine Mutter (18671956) sollte 1907/08 einen Webkurs bei Elisabeth Lindemann besuchen und 1908 eine eigene Werkstatt in Altona eröffnen.3 Nach Abschluss der Mittelschule lernte Möller von 19111915 Zeichnen, Modellieren, Holzschnitzen und Metalltreiben an der Altonaer Handwerker- und Kunstgewerbeschule. Im I. Weltkrieg erhielt Möller am 23. Mai 1917 „für seine Verdienste im gegenwärtigen Kriege das Hamburgische Hanseatenkreuz verliehen“4, mündlicher Überlieferung nach desertierte er jedoch Anfang 1918, wurde zum Tode verurteilt, begnadigt und in ein Strafgefangenenlager verbracht. Nach dem Kriege kehrte er an die Altonaer Kunstgewerbeschule zurück, wo er 1919/20 seine Ausbildung in der Klasse für Holz- und Steinbildhauerei abschloss. Er eröffnete eine eigene Bildhauerwerkstatt,5 besuchte aber 1922-23 Kurse für Plastik und Keramik an der Hamburger Kunstgewerbeschule.6 Nach dieser breiten Ausbildung sammelte er technische und gestalterische Erfahrungen in zahlreichen Feinsteinzeug- Werkstätten vor allem des Carstens-Konzern, bis er sich Mitte der 1930er Jahre selbstständig machte. Der Kunstkeramiker Siegfried Möller dieser Jahre ist nicht so bekannt und berühmt geworden wie seine Altersgenossen Otto Lindig (1895-1966) oder Theodor Bogler (1897-1968) und viele seiner Entwürfe sind gestalterisch dem Zeitgeschmack entlehnt. So erinnert Möllers Uffrechter Wasserpfeife von 1928 (Abb. 15) formal stark an die Kombinationsteekanne L1 mit exzentrischer Eingussöffnung von Theodor Bogler, die Bogler 1923 zur programmatischen Bauhaus-Ausstellung als Geselle der keramischen Werkstatt entwarf. Aber Volker Zelinsky legt überzeugend dar, dass der „Wanderkünstler“ Möller in seinen frühen Jahren als Keramiker „An allen Wirkungsstätten, vor allem in Rheinsberg, J.Uffrecht & Co und Elmshorn […] hochproduktiv“ und gestalterisch innovativ war. Dem Fachpublikum war Möller ebenfalls ein Begriff. Mit seinem Wirken als „Wanderkünstler“ in den Werkstätten für Kunstkeramik der 1920-er Jahre hatte er sich mit seinen eigenständigen Kreationen bereits große Anerkennung erworben. Einen „Ausdruck des Notwendigen, des Wesentlichen,“ einen

Abb. 5: Siegfried Möller, um 1940.

lers Dekoren für FÜRSTENBERG werden die Entwürfe aus einem eigens unter seinem Namen angelegten Dekorbuch angeführt, wie der Dekor M 017 „Cerberus“, von dem die hier die Seitenzahlen begleitenden Hunde stammen. Noch offen bleibt eine Auswertung auf Möller-Entwürfe der übrigen erhaltenen Dekorbücher der Manufaktur.2 Siegfried Möller wuchs in einem handwerklich und künstlerisch geprägten Elternhause auf. Er wurde am 1. Februar 1896 als Sohn der Bertha Möller, geb. Schmarje und des Heinrich Adolph Möller in Altona bei Hamburg, damals noch Schleswig-Holstein, geboren. Sein Vater (1866-1943) war Maler und Illustrator, der nach einer Ausbildung an Kunstgewerbeschulen in Leipzig, München und Berlin seit 1893 als Dekorationsmaler in der Hamburger Malerwerkstatt seines Schwagers Otto Schmarjes arbeitete, einem der

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