Gefördert von:
Herausgegeben vom Heimat- und Geschichtsverein für Landkreis und Stadt Holzminden e.V.
Vorlage: Kommunalarchiv Holzminden, KommA HOL Archivbibliothek 7 /STG/3145
Stern, Gerson: Stille Wege: Verse (Edition Dr. Peter Freund, No. 28), Masch.schr. Jerusalem 1945
Zusatzinformation:
„Diese Gedichte wurden als Privatdruck in einer Interimsausgabe Juli 1945 herausgegeben. Oktober 1945 erschien die um den Vorspruch ergaenzte zweite Auflage.“
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.
ISBN 978-3-95954-163-3
Alle Rechte vorbehalten.
Gestaltung: Verlag Jörg Mitzkat Umschlagfoto: Jörg Mitzkat
Verlag Jörg Mitzkat · Holzminden, 2024 · www.mitzkat.de
Der Zyklus von Identität und �unst:
Von Gerson Sterns Lyrik zu Jean Goldenbaums Musik und ihre Verbindung zu Holzminden und dem Judentum in Deutschland
Dieses Projekt verbindet zwei Künstler verschiedener Generationen, die mit der Stadt Holzminden und ihrer Geschichte verbunden sind: der Schriftsteller und Dichter Gerson Stern (1874-1956), der in dieser Stadt geboren wurde und dort seine Kindheit verbrachte; und der Komponist und Musikwissenschaftler Dr. Jean Goldenbaum (*1982), der diese Stadt 2021 zu seinem Wohnort wählte.
Die biografischen Parallelen dieser beiden Künstler weben die Grundlage für das Projekt: beide Juden, beide Einwanderer, beide mit Holzminden und Israel verbunden. 1937 wanderte Stern auf der Flucht vor dem Nazi-Regime in die Region Israel (damals britisches Völkerbundsmandat für Palästina) aus. Im selben Jahr wurde Goldenbaums Großmutter väterlicherseits geboren: Eine Jüdin aus der Stadt Alexandria in Ägypten. 1955 musste sie wegen des Aufstiegs einer arabischen ultranationalistischen Regierung aus diesem Land fliehen und kam in Jerusalem an, schwanger mit Goldenbaums Vater. Und dieser wurde 1956 in Jerusalem geboren. In derselben Stadt, in der Stern wenige Wochen später starb. Die Familie Goldenbaum emigrierte dann nach Brasilien, wo Jean 1982 geboren wurde. Jean Goldenbaum war sich der Wurzeln seiner Familie in Deutschland bewusst. Deshalb wanderte er 2005 auf der Suche nach diesen Wurzeln nach Deutschland aus, das Land seiner Großeltern mütterlicherseits.
Dieser Zyklus, der mit der Geburt von Gerson Stern in Holzminden beginnt und dem gleichzeitigen Tod von Stern und der Geburt von Goldenbaums Vater in Jerusalem weitergeführt wird, endet mit der Ansiedlung von Goldenbaum in Holzminden. Die Klänge auf stillen Wegen bezeichnen die Rückkehr eines jüdischen Künstlers in die Stadt Holzminden 84 Jahre nach der Abreise eines anderen und bieten somit eine versöhnende Symbolik für die Fortführung jüdischen Lebens und vom Judentum geprägter Kultur in Deutschland.
Abstammung, Verbindung mit dem Weg anderer Juden, Fragen des Judentums in Deutschland sind wesentliche Themen in Goldenbaums Leben und Werk. Mit diesen
Themen setzt sich Jean Goldenbaum seit vielen Jahren auseinander. Seitdem er musikalische Kompositionen erschafft, fließen seine Gedanken und Erlebnisse dazu in seine Musik ein. So entstand bei Jean Goldenbaum, als er die Existenz und das Werk von Gerson Stern entdeckt hatte, spontan der Wunsch, diese Geschichte mit ihren Parallelen zu erzählen. Eine Geschichte, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft umfasst.
Aber Jean Goldenbaum will nicht nur mit Worten berichten, sondern mit dem professionellen Werkzeug, das er mit Stern gemeinsam hat: Kunst. Denn die Kunst bietet – nach Goldenbaums Auffassung – die fantastische Möglichkeit, Künstler partnerschaftlich zu vereinen, auch wenn sie nicht gleichzeitig die Erde bewohnen. Dabei verbindet Stern und Goldenbaum in ihrem Schaffen genau diese zyklische und generationsübergreifende Frage.
Für dieses Projekt hat Jean Goldenbaum sieben Gedichte von Gerson Stern vertont. Unter dem Titel „Stille Wege“ sind diese Gedichte Sterns bisher nur als Privatdruck erschienen. Neben den sieben Vertonungen werden auch die anderen 30 Gedichte aus diesem Zyklus hier erstmals publiziert.
Im Jahr 2024 jährt sich der Geburtstag von Gerson Stern zum 150. Mal. Dieses Jubiläum ist für den Künstler Jean Goldenbaum und für den Heimat- und Geschichtsverein der ideale Anlass für die Realisierung dieses Projektes.
Stille Wege
Verse von Gerson Stern
Klänge
Musik von Jean Goldenbaum
Was ich hier still bekunde, es wurde nicht erdacht. Es kam zu guter Stunde Und hat sich selbst gebracht.
Ich bin nur mitgegangen und wurde wandelnd Klang und hab mich empfangen und – Dich in meinem Sang.
Klang
WIDMUNG
Es will Dein Blick um mein Erfühlen fließen, Wie Lächeln sich auf eine Landschaft legt, Daß offenbarer Dinge sich erschließen, Die gleiches Regen wegeweit bewegt.
Und da sich nähern unsres Wesens Wellen, Formt sich das Wort, das diese Blätter prägt, Und wird die Fülle der Gesichte hellen, Die unser beider Einklang weisend wägt.
An dem himmelhohen Baume
In der blauen Lüfte Bangen Schwingt ein Lied. Und im weißen Morgentraume Lebte schwellend ein Verlangen In dem Lied.
Es erglühen seine Wangen Und erblühen immer wieder In dem Lied.
Just bin ich des Wegs gegangen. Und es sang das Lied der Lieder In dem Lied.
Just bin ich des Wegs gegangen Wie an eines Schicksals Wende In dem Lied.
Und ich selbst im Traum befangen Hob der Sehnsucht wache Hände Zu dem Lied.
Und so habe ich empfangen Mitten in mein junges Leben Dieses Lied.
Alle meine Tage sangen, Alle meine Schritte klangen, Um mein Wandern hin zu heben Zu dem Lied.