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S c h ö ne t h c i s s u A
Dankeschön an Tracina-man Acciuga L´Uomo della Pioggia Elefantigel Giralupo und Wolken-Oma
Eine Erzählung von Gerd Wolf Illustrationen: Marta Torretta Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar ISBN 978-3-95954-115-2 Alle Rechte vorbehalten Verlag Jörg Mitzkat Holzminden 2021 www.mitzkat.de
e n ö Sch t h c i s s u A Gerd Wolf Marta Torretta Verlag Jörg Mitzkat
Ole Oblau war ein komischer Kerl. Lange hatte er auf einem Schiff gearbeitet und war über das große Meer gefahren. Bananen von Costa Rica nach Hamburg und Container mit Werkzeug zurück. Das war seine Route. Dann war ihm das Leben auf See zu einsam geworden und er zog zurück in sein rotes Haus im Dorf an der Weser. „Der Fluss ist fast wie das Meer“, sagte er manchmal, wie um sich zu trösten. „Und
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er fließt dorthin.“ Ole Oblau war als ruhiger Typ bekannt, der seine eigenen Wege ging. Über seinem grauen Vollbart blitzten zwei freundliche Augen. Er trug eigentlich immer eine Pudelmütze, die in verschiedenen Streifen rot, gelb und grün gestrickt war. Ach ja, und meist einen blauen Rollkragenpullover. Auch im Sommer. Nachdem seine Frau gestorben war, lebte er allein mit seinen beiden Katzen, Ernesto und Kalinka. Er reparierte für sein Leben gern Fahrräder und verdiente so sein Geld. Das war mein Großvater. Einfach Opa Ole.
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In seinem Haus gab es keine Bilder, nur Fenster. Jedes Fenster war für ihn ein Gemälde. Sein Lieblingsbild war das große Küchenfenster. Davor stand ein Tisch mit Stühlen. Dort saß er am liebsten, und das manchmal stundenlang. Er beobachtete den Fluss und vor allem den Himmel.
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„Warum sollte ich mir Bilder aufhängen?“, sagte Opa Ole, „wo ich doch jeden Tag durch mein Küchenfenster etwas Neues geschenkt bekomme: Gemälde, Fotos, Anblicke, Aufnahmen, Darstellungen, Spiegelungen, Eindrücke und Aussichten. Das ist einfach himmlisch!“ Er war manchmal etwas überschwänglich.
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Als Opa Ole an den Fluss zog, kam ich gerade zur Schule in der großen Stadt im Süden, wo meine Familie wohnte. Wir besuchten ihn selten, weil es so weit war. Opa Ole mochte den Süden nicht. Aber ich mochte Opa Ole. Und dann kamen die Ferien und ich durfte sie das erste Mal allein bei Opa Ole verbringen. Das fühlte sich wunderbar warm an.
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Opa Ole kochte für uns und ich spielte den ganzen Tag mit Ernesto und Kalinka. Und an den langen Nachmittagen saßen wir oft am Küchentisch. Wir machten es uns gemütlich und tranken Getreidekaffee. Mit Honig, natürlich. Bei Opa war Honig immer dabei, sogar im Salat. Sein liebstes Gewürz. Dann begann Opas „Vorlesestunde“, wie er es nannte. Opa Ole konnte wunderbar vorlesen und erzählen. Mit einer Stimme, die ein wenig wie die Bassgeige klang. Im Schulorchester. Er fand immer wieder neue Geschichten. Geschichten, die in keinem Buch standen. Geschichten, die man nicht im Laden kaufen konnte. Geschichten, die einfach zu ihm kamen, als er aus dem Fenster guckte.
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