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Vorwort

Der Löwe ist in Lauenförde nicht nur als Namensgeber1 und im Wappen des Ortes allgegenwärtig. Ein Löwe, Symboltier des Evangelisten Markus, findet sich auch im Grundstein von 1569 an der südlichen Außenmauer der Lauenförder St. Markus-Kirche, deren Taufbecken wiederum von vier steinernen Löwen getragen wird. Ein weiterer steinerner Löwe schmückt den Brunnen auf dem heutigen Löwenherzplatz.

Der frühere Mittelpunkt der Gemeinde, der Dorfplatz, wurde 2015 in „Löwenherzplatz“ umbenannt, um eine außergewöhnliche Familie wegen ihrer Verdienste um den Ort zu würdigen, in deren Familiennamen – es mag ein Zufall sein – ebenfalls das Wort „Löwe“ enthalten ist.

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Die jüdische Familie Löwenherz ließ sich wohl gegen Ende des 17. Jahrhunderts in Lauenförde nieder, um dort Handel zu treiben. Als Juden waren sie dabei starken Einschränkungen ausgesetzt. David Löwenherz fand schließlich im Verkauf von Tierfellen, Sandsteinen und Baumstämmen eine Nische, die das Überleben der Familie sicherte. Nach der Aufhebung der Handelsbeschränkungen für Juden begann sein Sohn Herz mit wachsendem Erfolg, Kinder- und Gartenmöbel herzustellen. Die Aufnahme der industriellen Fertigung von Möbeln brachte dem Ort schließlich viele Arbeitsplätze und Wohlstand, der Familie Löwenherz Reichtum, an dem sie ihre Mitarbeiter und die Einwohner Lauenfördes stets teilhaben ließ. Ehrenamtliches Engagement im politischen, wirtschaftlichen und sozialen Bereich und Wohltätigkeit gegenüber Ärmeren zeichneten Hermann Löwenherz und seine Frau Toni aus. Das Markenzeichen HERLAG der Hermann Löwenherz AG machte die Erzeugnisse des Unternehmens und den Namen Lauenfördes weit über Deutschlands Grenzen hinaus bekannt.

Der frühe Tod Hermann Löwenherz‘, die wirtschaftlichen Folgen des Ersten Weltkriegs und der Inflationszeit brachten für das Unternehmen und die Familie große Veränderungen mit sich. Den größten Einschnitt bedeutete schließlich der Verlust des Unternehmens infolge von Erbauseinandersetzungen. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten führte zur Beschlagnahme des der Familie noch verbliebenen Besitzes in Lauenförde, zu Demütigungen und der Vertreibung Toni Löwenherz‘ aus Lauenförde. Kurz vor ihrer Deportation wählte sie in ihrem Haus in Göttingen den Freitod.

Für viele Jahre senkte sich danach über Lauenförde der Schleier des Vergessens der Ereignisse, die zur Vertreibung der Familie Löwenherz und der Deportation der Familie

1 Leuwenfurt – Löwenfurt – Lauenförde.

Kohlberg geführt hatten, bis die Villa Löwenherz auf wundersame Weise 1978 wiederbelebt wurde.

Die Suche nach Spuren der Familie Löwenherz gestaltete sich aufgrund nur weniger Archivunterlagen und erhalten gebliebener persönlicher Aufzeichnungen recht schwierig und aufwändig. Infolge Flucht und Emigration in der NS-Zeit gingen viele Familiendokumente unwiederbringlich verloren. Die Ausgaben der regionalen Tageszeitungen, vor allem der „Sollinger Nachrichten“ und des evangelischen Gemeindeblatts „Heimatglocken“ erwiesen sich als eine unerwartet reichhaltige Fundgrube mit Berichten über das Leben und Wirken der Familie.

In dankenswerter Weise stellten mir darüber hinaus engagierte Lauenförder Einwohner aus ihren historischen Sammlungen zahlreiche bisher unbekannte Unterlagen und Fotos zur Verfügung, ohne die das Buch in diesem Umfang nicht hätte erscheinen können.

Dr. Helmut Pieper, Berlin, verdanke ich den Hinweis auf eine Hermann Löwenherz betreffende Akte im ehemaligen Geheimen Preußischen Staatsarchiv, Heiner Gerken

für den Hinweis auf die „Gritlibriefe“ Franz Rosenzweigs und Nurit Wenger-Varga für die Überlassung bisher unveröffentlichter Dokumente der Familie Ernst Rose.

Herzlichen Dank schulde ich Peter Siebert und Erich Gauding für die die engagierte Unterstützung dieses Buchprojekts, Annegret Gauding für die nicht immer leichte Bearbeitung der historischen Bildvorlagen, Jutta Falckenberg und Charlotte Rebmann für die kritische Durchsicht des Manuskripts und Ralf König für die fotografische Dokumentation der Grabsteine der Familie Löwenherz auf dem jüdischen Friedhof. Besonderer Dank gilt Werner Filmer für seine kritische und sachkundige Begleitung meiner Arbeit am Manuskript und die Überlassung zahlreicher historischer Aufnahmen zur Veröffentlichung.

Das Ergebnis meiner Spurensuche zeichnet Lebensstationen mehrerer Generationen einer jüdischen Kaufmanns- und Unternehmerfamilie aus dem Weserbergland nach, erhebt aber verständlicherweise keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Nun freue ich mich, für Sie das ehrwürdige schmiedeeiserne Tor zur Villa Löwenherz zu öffnen und Sie zu einer spannenden und auch nachdenklich stimmenden Zeitreise in die fast dreihundertjährige Geschichte der Familie Löwenherz in Lauenförde einzuladen.

Im Juni 2021 Detlev Herbst

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