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[New] VERLAGSGRUPPE WIEDERSPAHN

mitMixedMediaKonzepts

Biebricher Allee 11 b | 65187 Wiesbaden | Tel.: +49/611/98 12 920 | Fax: +49/611/80 12 52 kontakt@verlagsgruppewiederspahn.de www.verlagsgruppewiederspahn.de | www.mixedmedia-konzepts.de | www.symposium-brueckenbau.de

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Zur Frage der Wahrnehmung von Qualitäten und Kontext (Andauernde) Aufmerksamkeit als Ansporn

von

Wiederspahn

»Übrigens gibt es keine Referenzen mehr. Sie sind gewissermaßen zu etwas Augenblicklichem geworden. Die jungen Künstler kennen sich in der Geschichte nicht mehr aus. Sie leben im Alltag, in der fortwährenden Gegenwart, in der journalistischen Fußnote; sie leiden alle an Amnesie. Für sie ist Cézanne ein alter Hut. Sie gehen nicht mehr ins Museum, sie lesen nicht mehr. Ein einschlägig spezialisierter Buchhändler unweit der École des Beaux-Arts in Paris hat seit zehn Jahren keinen einzigen Studenten über seine Türschwelle treten sehen. Ich erkenne darin ein frappierendes Zeichen für den Wandel des Klimas. Die höchste Referenz für einen jungen Menschen, der über ein Minimum an Kenntnissen verfügt, ist heutzutage Beuys oder bestenfalls Warhol. Sonst ist es die letzte Biennale in Venedig oder die letzte Documenta in Kassel. Es gibt tatsächlich eine vollständige Abkoppelung des kulturellen Korpus von seiner ›Disziplin‹.«

In dieser (vermeintlich) äußerst schnelllebigen Zeit, in der zahllose Kommunikationsmedien und -mittel zur Verfügung stehen und für einen nachgerade unaufhörlich anmutenden Informationsfluss sorgen, fällt es per se nicht ganz leicht, den Überblick zu bewahren und (wenigstens) zwischen wichtigeren und in toto belanglosen Nachrichten zu unterscheiden. Um in der Flut an ununterbrochen »aufploppenden« Meldungen nicht unterzugehen, bedarf es freilich des Willens wie der Fähigkeit zu differenzieren: Beides ist nicht immer vorhanden oder uneingeschränkt vorzufinden, Letzteres bedingt zudem ein Minimum an Vorbildung, gepaart mit der Freude am Nachdenken – zwei Prämissen, die einer und einem überhaupt erst erlauben, die Aussagekraft vieler Verlautbarungen zu be- und durchleuchten, sie also im besten Sinne zu relativieren und in einen oder den (historischen) Kontext einzuordnen. Eine durchaus zutreffende Beschreibung für den inzwischen leider arg verbreiteten Mangel an Geschichtsbewusstsein und die (offensichtlich) fehlende Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit Zusammenhängen, die nachzuvollziehen und damit zu begreifen zweifelsohne ein bisschen Anstrengung kostet, liefern nun die einleitend zitierten Zeilen aus einem kleinen und dennoch sehr feinen Buch von Jean Clair, dessen Lektüre hier, den winterlichen Temperaturen entsprechend, wärmstens empfohlen sei. Dass sich die (intensivere) Beschäftigung mit »Eine kurze Geschichte der modernen Kunst« generell lohnt, ist im Übrigen recht einfach zu begründen, bieten die in Summe knapp 70 Seiten doch eine höchst lehrreiche, ja eine ebenso kundige wie komprimierte Darstellung des 20. Jahrhunderts, die von vorne bis hinten zu lesen (zugleich) stetes Vergnügen bedeutet, was selbstredend auch für jene Abschnitte gilt, die mit eher überpointiert klingenden Einschätzungen aufwarten. Darüber hinaus verweisen Jean Clairs Ausführungen, nicht nur en passant, auf ein weiteres Phänomen und insofern auf ein Problem, das signifikante Konsequenzen zeitigt – nämlich die allerorten grassierende Fixierung auf (angebliche) Großereignisse und Tagesaktualitäten, die sich bequem und möglichst aus der Ferne goutieren lassen.

So wird ein unbefangener Nutzer von Bahn oder Bus heute fast unweigerlich mit dem Faktum konfrontiert, dass die meisten Menschen sich weder in irgendeine Form der Literatur vertiefen noch aus dem Fenster schauen oder gar mit ihren Mitreisenden reden, sondern stattdessen auf das (winzige) Display ihres Smartphones starren. Welchem Zweck ihr Verhalten dient, ob sie einen der oft und gerne als epochal angepriesenen »Posts« aufzusaugen pflegen, sich um einen virtuellen Austausch via sozialem (!) Netzwerk bemühen oder sich lediglich als sogenannte Gamer zu betätigen versuchen, spielt dabei keine wesentliche Rolle: Ihr reales Umfeld scheint sie nicht (mehr) zu interessieren. Wer aber seine Umwelt und deren Veränderungen nicht wahrnimmt, wird (auch) keine Erfahrungen sammeln und keine Erkenntnisse gewinnen – und infolgedessen nicht in der Lage sein, Ursache und Wirkung auseinanderzudividieren, (gegenwärtige) Qualitäten zu erfassen und zu beurteilen oder Alternativen für die Zukunft zu entwickeln. Die Perspektive, sich eine eigene Meinung bilden, kompetent argumentieren und ausgezeichnete Lösungen erzielen zu können, sollte deshalb Ansporn genug sein, um auf Dauer aufmerksam zu bleiben, natürlich ohne sich in Banalitäten oder auf Nebenschauplätzen zu verlieren.

Die Herausforderung, eine exemplarische Auswahl an (baulich) überzeugenden Resultaten zu dokumentieren, erfüllt wiederum der »Brückenbau«, wie das (hier) vorliegende Heft erneut mit Nachdruck bestätigt.

Obwohl es Anfang Dezember eigentlich noch ein klein bisschen zu früh dafür ist, bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen: sämtlichen Autoren und Anzeigenkunden, Abonnenten und (sonstigen) Lesern für die immer wohlmeinende Mitwirkung – und wünschen Ihnen alles Gute, eine große Portion Glück, Erfolg und insbesondere Gesundheit sowie einen recht schwungvollen Start in das Jahr 2023, in dem Sie unsere Zeitschrift »Brückenbau« wiederum mit mannigfaltigen Informationen, nutzbringenden Exkursen und essentiellen Anregungen unterstützen und begleiten wird.

Lesen Sie – wann und wo immer Sie wollen!

Der BRÜCKENBAU stand und steht auch online zur Verfügung.

Die jeweils aktuelle Ausgabe finden Sie auf unserer Website: www.verlagsgruppewiederspahn.de Ältere Hefte, alle weiteren Zeitschriften und sämtliche Tagungsbände sind unter folgendem Link abrufbar: www.issuu.com mitMixedMediaKonzepts VERLAGSGRUPPE WIEDERSPAHN

Die Lektüre via Smartphone, Tablet oder Laptop ist also jederzeit möglich. Dieses »digitale« Angebot war und bleibt kostenlos.

(Sämtliche Texte und Abbildungen sind natürlich urheberrechtlich geschützt.)

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Editorial

(Andauernde) Aufmerksamkeit als Ansporn Michael Wiederspahn Brückenbauwerke

Singelpark footbridges in Leiden Laurent Ney

Geh- und Radwegbrücke unter der Pont Adolphe in Luxemburg Christian Bauer, Louis Edmond Nicolas, Sascha Reinert, Andrea De Cillia

Innerstädtische Brückeninstandsetzung in Bad Reichenhall Joachim Schneider

The connecting feature of a new area Singelpark footbridges in Leiden

by Laurent Ney

The brief of the municipality to design five pedestrian bridges in a park was exceptional. The bridges for the Singelpark form a circle around the city. They fulfill their classic role as connecting elements, but also have to be more than just that. They carry the identity of the park in a natural way. The challenge was to design a family of bridges that could provide an answer to all situations to form one apparent geometrical, architectural and structural response for the specificity of each place. The five bridges –all with a different length – are constructed by U-shaped transversal elements from weathering steel, which have both the function of parapet and of transversal stiffener. The U-shaped elements are connected by a series of stainless steel spheres that form a structural arch in the parapet.

1 Varying identity

The commission from the Dutch city of Leiden is unusual enough to merit some explanation. Dating from the Middle Ages, the city has retained a coherent set of buildings in the historic centre surrounded by the Singel (»moat« in Dutch), a canal that literally encircles the town.

Originally built for defence, its banks have not been extensively developed and form a green fringe around the town. Today, the green spaces are only partially accessible to the public as the city council plans to connect them to form a continuous park: a park without a beginning or an end, an endless park running around the city.

To achieve this, a sense of continuity and identity must be created between the distinct areas along the way: parks, cemeteries, buildings and abandoned factories, the most significant feature is the »Hortus«, the oldest botanical garden in the Netherlands, associated with the University of Leiden and established in 1590.

And of course, as we’re in the Netherlands, there are plenty of »Grachten« (canals), as well as the Old and the New Rhine, dividing up these green spaces. Five areas have been identified where footbridges are needed to make the park continuous and accessible throughout: five completely different areas in terms of context, scope and requirements!

2 Main challenges

One of the main challenges of this project was to give the entire park an identity, despite the fact that it is not a continuous, uniform area but a string of areas with different identities split up by buildings and water. The new Singelpark bridges must be the connecting feature of the new park, thanks to their own identity, and must be intellectually and unambiguously associated with the concept of the Singelpark. The concept, though simple, is far from obvious. It can be summed up thus: a pedestrian on a bridge has to know if it’s a Singelpark bridge or one of the town’s other bridges. We approached this from different angles:

– The symbolic aspect of the shape of the park and its close relationship with the Hortus botanical gardens.

– A distinct, easily identifiable material form for the new bridges.

– A construction method adaptable to different situations in terms of span and geometry.

The aim was to achieve a strong identity within a variety of settings.

The overall salient feature of the Singelpark is its shape: conceptually, it is, as its name suggests, a circle.

It is interesting to note the close relationship between Leiden and Nagasaki, in particular the island of Dejima. In 1823, the German doctor and naturalist Philipp Franz von Siebold arrived in Dejima and stayed for six years. In 1830 he came back to Leiden with a large collection of plants, that he donated to the Hortus Botanicus, and wrote books including Flora Japonica, a reference work on Japanese flora. These close links between Leiden and Nagasaki were formalised when the cities were twinned in 2012.

The key symbol is not only a circle but also a sphere, as the Hortus collection reflects the botanical diversity of our entire planet. The sphere is a symbol of the planet and a symbolic representation of the Singelpark: a polished stainless steel sphere whose surface also reflects the world.

3 Principle of construction

The second element is the principle of construction: how to give structural meaning to these simple spheres? In short, how to make a bridge out of them?

The idea is based on a string of beads. If you hold both ends of a string of beads, it will form a curve whose amplitude depends on the horizontal force you apply to the ends. The shape is the result of the state of balance achieved by the beads and the stretched thread that connects them. This is the principle of the suspension bridge, and it is theoretically valid when the curve goes upwards instead of downwards. It is also the principle of arched bridges: in this case, the forces result from compression rather than tension. But whereas with tension the system is stable, with compression it is potentially unstable and you need »help« to keep it balanced. This can entail a degree of stiffness, as with most arched bridges, or a stabilisation system such as a brace.

For the Leiden bridges, the arch is formed by a series of polished stainless steel spheres 100 mm in diameter: the arch is the load-bearing structure of the bridge, which is highlighted in a visually expressive way. The spheres are stabilised by a series of U-shaped porticoes that play a number of roles. The vertical arms of the U transfer the force from the deck to the spheres, providing transverse stability. At the same time, they form the guardrail of the bridge. This second element, the U, is made of weathering steel. Its »rusty« appearance, close to the natural, stable state of iron, contrasts with the shiny stainless steel, which is iron in its unstable state. This is close to the vocabulary required by a park; raw, natural materials that can age and develop a variable patina that changes over time. In addition to these two materials, brick inserts are in the deck, resulting in a surface that softens the invasive feel of a deck made only of steel. This trilogy of materials requires no maintenance and accepts the ageing process; indeed it uses that process to establish a dialogue with the omnipresent natural environment of the park.

4 A formal frivolity

The Leiden bridges have no hard-andfast design; instead, they are a potential »system« that makes it possible to adapt to different situations. The variations and adaptations are infinite and also make it possible to use the vertical struts in a purely formal, decorative way. We unselfconsciously embrace this formal frivolity, which is in keeping with the recreational purpose of a park. Almost all types of situations can be dealt with, and each bridge, while retaining its specific character, is immediately recognisable as a Singelpark bridge.

There is, however, one exception, the Zijlpoort moveable bridge, which is an important bridge forming the entrance to the city on the old Rhine. A moveable bridge cannot be treated in the same way as a fixed bridge, and it was impossible to adopt the same principle here; this time, it is the materials, stainless and weathering steel, that maintain its identity as a Singelpark bridge.

Author: Laurent Ney

Ney & Partners BXL n.v., Brussels, Belgium

Note

This release is an extract of the publication Lemoine B.; Ney L.: Bridging. By Foot and Bicycle. Ney & Partners, Archibooks, Sautereau Editeurs, Ney & Partners, Paris, 2019. Client City of Leiden, Netherlands

Design and Engineering Ney & Partners BXL n.v., Brussels, Belgium

General contractor

Dura Vermeer Groep NV, Rotterdam, Netherlands

Steel contractor

Van der Zalm Metaalindustrie BV, Brakel, Netherlands

Execution studies

PT Structural design & analysis bv, Ridderkerk, Netherlands

Execution plans

Vroba Engineering & Consultancy, Waalwijk, Netherlands

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