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Inhaltsverzeichnis Einleitung Worum es geht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Drei Grundgedanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Wer sind die Adressaten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Teil 1 Analyse der Lage Kapitel 1 Krisenphänomene und erste Erklärungsversuche . . . . 17 1.1 Krisenphänomene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1.2 Erste Erklärungsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Kapitel 2 Die Ordnung des Seins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2.1 Ethik und Wirtschaft in der europäischen Ideengeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2.2 Zum Fazit der Ideengeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2.3 Die Ordnung des Seins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Theologische Begründung der Ordnung des Seins · Ethische Begründungen · Zum Inhalt der Ordnung des Seins · Das ethische Kapital
2.4 Legitimität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Legitimität als Thema der Staatstheorie · Der umfassende Anspruch der Legitimität · Warum braucht der Mensch Ethik? · Das Kulturwesen Mensch · Robustheit als Überlebensstrategie · Fazit: Menschen und Gesellschaft brauchen die ethische Dimension
2.5 Das Maß als Inhalt der Ordnung des Seins . . . . . . . . . . . . 36 Maßhalten als Tugend · Der Verlust der Ordnung des Seins als eigentliche Ursache von Krisen
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Kapitel 3 Die Soziale Marktwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3.1 Die Grundidee der Sozialen Marktwirtschaft: Zusammenschau von Markt und Ethik . . . . . . . . . . . . . . . 41 Das Konzept von Müller-Armack
3.2 Markt und Ethik bei Wilhelm Röpke . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Kapitel 4 Abbruch der Beziehung zwischen Wirtschaft und Ordnung des Seins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 4.1 Das Erstarken des wirtschaftlichen Neoliberalismus . . . . . 48 Defekte des Marktes · Positive Leistungen des Marktes
4.2 Die Globalisierung der Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Fragliche Legitimität
4.3 Die Auflösung von Bindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Autonomie · Freiheit und Bindung · «Befreiungsbewegungen» · Verlust der Balance zwischen Freiheit und Bindung
4.4 Der Untergang der Sowjetunion bzw. des Ostblocks . . . . 59 Kapitel 5 Die Folgen der Abkoppelung der Wirtschaft von der Ordnung des Seins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 5.1 Maßlosigkeit als Ursache der Krisen . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Problematik des wirtschaftlichen Wachstums · Erklärungsversuche zur Transformation · Die Rolle des Geldes · Ideengeschichtliche Reminiszenzen zum Geld · Virtualität und Unbegrenztheit des Geldes
5.2 Das Ende der Legitimität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Massenelend · Die Verletzlichkeit der modernen Welt · Das Ende der Zivilisation
Kapitel 6 Überlegungen zur Wiederankoppelung der Wirtschaft an die Ordnung des Seins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 6.1 Dimensionen der Anarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Massenelend · Kriminalität · Natur · Wissenschaftlichtechnologische Entwicklung · Macht und Gewalt · Terrorismus · Globale Machtkonstellation
6.2 Eckpunkte strategischer Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . 78 Fragmentarische Lösungen · Praktische Handlungsmöglichkeiten · Verzicht auf Polemik · Stabilität · Idee der Selbstorganisation · Der Marktwert der Ethik steigt · Universalisierbarkeit · Universalisierbarkeit als Postulat in der globalisierten Welt · Chancen für die Idee der Universalisierbarkeit? · Ebene der Zivilgesellschaft · Neue Begründungen für die Zivilgesellschaft · Zum Verhältnis von Politik und Zivilgesellschaft
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Inhaltsverzeichnis
Teil 2 Leuchttürme für eine andere Welt Kapitel 7 Leuchtturm 1 – Das System «Ethische Marktwirtschaft» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 7.1 Wirtschaftliche Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Ethik-Research · Ethikmanagementsystem (EMS) · Umrisse einer ethischen Unternehmenskultur
7.2 Konsumentinnen und Konsumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 7.3 Investorinnen und Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 7.4 Staat und Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Kapitel 8 Leuchtturm 2 – Wirtschaft von unten . . . . . . . . . . . . . . 105 8.1 Subsistenzorientierte Landwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 108 8.2 Alternative Geldsysteme bzw. Komplementärwährungen . 110 8.3 Gemeinwesenorientierte Ökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 8.4 Genossenschaftsidee und Allmende . . . . . . . . . . . . . . . . 114 Kapitel 9 Leuchtturm 3 – Agenturen für elementare öffentliche Güter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 9.1 Was sind öffentliche Güter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 9.2 Zur Bedeutung der öffentlichen Güter . . . . . . . . . . . . . . . . 118 9.3 Zum Status der öffentlichen Güter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 9.4 Gefährdung der öffentlichen Güter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 9.5 Welches Konzept? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 9.6 Zwei Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 9.7 Umweltagentur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 9.8 Agentur für die Sicherung des Existenzminimums . . . . . . 127 9.9 Weitere Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 9.10 Zur Grundidee der Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 Kapitel 10 Leuchtturm 4 – Ideen, die selbständig fliegen . . . . . . . 133 10.1 Die Goldene Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 10.2 Niemandem schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 10.3 Das Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Zur Idee des Rechts · Die autonome Kraft des Rechts
10.4 Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Die Erfolgsgeschichte der Menschenrechtsidee
Inhaltsverzeichnis
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10.5 Nachhaltigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Erfolgreiche Karriere eines Begriffs
10.6 Freiwilliges Engagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Freiwilligkeit als condition humaine
10.7 Prävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 10.8 Respekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 10.9 Muße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 10.10 Hilfsbereitschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 10.11 Maß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 10.12 Schönheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 10.13 Ideen als Elemente eines Weltbürgerethos . . . . . . . . . . . 152 Kapitel 11 Leuchtturm 5 – Projekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 11.1 Grundsicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Umgekehrter Utilitarismus · Beispiel Share for Food · Beispiel arbeitsunabhängige Grundsicherung · Die ethische Begründung · Die republikanisch-liberale Begründung · Positive Folgen des Grundeinkommens
11.2 Ein neues Modell für die Arbeitsgesellschaft . . . . . . . . . . 162 Lösungsrichtungen · Freizeit · Monetarisierte Arbeitszeit · Eigenarbeitszeit · Freiwillige und obligatorische Sozialzeit · Ich-Zeit · Reproduktionszeit · Bildungszeit · Überlegungen zur Umsetzung
11.3 Sozialmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 11.4 Soziale Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 11.5 Obligatorischer Sozialdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Begründungen · Konzept
11.6 Ethische Selbstregulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 11.7 Werte für eine globalisierte Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Die Bedeutung der Sozialisation · Bedingungen für die Sozialisation · Akademie für die Förderung der Sozialisationsbedingungen · Sozialisation als Thema von Stiftungen · Olympische Bewegung als Sozialisationsfaktor · Universalistischer Ansatz der olympischen Idee · Inhalt der olympischen Idee · Fazit
Kapitel 12 Leuchtturm 6 – Demokratische Zivilgesellschaft . . . . 187 12.1 Legitimatorische Defizite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 12.2 Vielfalt der Demokratietheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 12.3 Konsumentinnen- und Anlegerdemokratie . . . . . . . . . . . 191
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Inhaltsverzeichnis
Kapitel 13 Schluss – Gibt es einen Lebensstil von unten? . . . . . . 195 13.1 Grundsätzliche Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 13.2 Konkrete Anregungen zum Handeln in der Perspektive einer Ordnung von unten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 Konsumentinnen und Konsumenten · Unternehmen · Bürgerinnen und Bürger
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Namensverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207
Inhaltsverzeichnis
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Einleitung
Worum es geht Gegenstand des vorliegenden Buches sind zunächst die seit 2007 dauernden Finanz- und Wirtschaftskrisen, deren Analyse hinsichtlich der Ursachen sowie die Skizzierung möglicher Auswege. Die wichtigsten Thesen bzw. Erkenntnisse dieser Untersuchung sind folgende: Die Weltwirtschaft befindet sich in einer permanenten Krise, einer Krisenlatenz. Die Hauptursache liegt im Verlust einer Werteorientierung, im Verlust der Ordnung des Seins und der Legitimität; als Folge wird die Anarchie zur faktischen Grundstruktur von Weltwirtschaft und Weltgesellschaft mit verheerenden Konsequenzen für Menschen und Umwelt. Diese Grundstruktur lässt sich so rasch nicht verändern, man muss mit ihr leben und einstweilen verhindern, dass die produktive Energie nicht in der Kritik und in der Klage über diese Lage verpufft. Vielmehr muss die anarchische Grundstruktur als Chance erkannt werden für den Aufbau von Nebenwelten, die sich an übergeordneten ethischen Werten orientieren. Eine mögliche Strategie nimmt also die Herausforderung durch marktwirtschaftliche Selbstorganisation und Anarchie an und versucht, diese in eine andere Richtung, nämlich hin zu einer lebenswerten und überlebensfähigen Wirtschaft bzw. Gesellschaft zu lenken. Zentrale Gesichtspunkte dieser Strategie sind die Wiederankoppelung des wirtschaftlichen Verhaltens an eine übergeordnete Werteordnung, die Verlagerung des Handlungsschwergewichts in die Zivilgesellschaft, die Per-
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spektive einer ethisch orientierten Selbstorganisation. Diese Strategie mündet in sechs konkrete Handlungsfelder: 왍 Das System «Ethische Marktwirtschaft»; 왍 Wirtschaft von unten; 왍 Agenturen für elementare öffentliche Güter; 왍 Ideen, die selbständig fliegen; 왍 Projekte; 왍 demokratische Zivilgesellschaft.
Drei Grundgedanken Auf einen einfachen Nenner gebracht, sind es drei Grundgedanken, welche die Strategie für den Ausweg aus der Krise bestimmen: Ordnung von unten; Autonomie bzw. SelbstAuf einen einfachen Nenner gebracht, sind es organisation; Orientierung an ethidrei Grundgedanken, welche die Strategie für schen Werten. den Ausweg aus der Krise bestimmen: Ordnung Ordnung von unten meint die von unten; Autonomie bzw. Selbstorganisation; Verlagerung des HandlungsschwerOrientierung an ethischen Werten. punkts auf die Zivilgesellschaft. Autonomie bzw. Selbstorganisation sind – nach dem Verlust der Regulierung von oben – Anforderungen an die wichtigsten funktionierenden Systeme. Orientierung an ethischen Werten meint die prinzipielle Notwendigkeit der ethischen Steuerung menschlichen Handelns und gesellschaftlicher Systeme. Dieser Ansatz intendiert so etwas wie einen Paradigmenwechsel in der Krisenbewältigung: Der Mainstream redet von Regulierung von oben, hier geht es um eine Ordnung von unten, die einen anderen Ausweg aus der Krise sucht. Die Hauptenergie wird nicht auf das Beklagen kommender Katastrophen und auch nicht auf das Postulieren staatlicher oder überstaatlicher Regulierungen gerichtet. Vielmehr geht es um ein zivilgesellschaftliches Engagement.
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Einleitung Worum es geht
Wer sind die Adressaten? Für wen ist dieses Buch geschrieben? Wer sind die Adressaten? Grundsätzlich will es Interpretationen und Orientierungen, aber auch Anstöße für Handlungsmöglichkeiten vermitteln. Der wichtigste Adressat ist der verantwortungsvolle und engagierte Mensch, der in einer ethischen Perspektive konkret, wirksam und rasch handeln will. Solche Menschen gibt es auf allen Ebenen des Systems: Politikerinnen und Politiker, Medienschaffende, Finanz- und Wirtschaftsfachleute, Akteure im Bildungs- und Forschungsbereich, Produzenten und Konsumenten, Verantwortliche im Alltag, Betroffene, Mutige und Entmutigte. Für diese Menschen will das Buch zu einer Vertiefung des Verständnisses des Weltgeschehens beitragen, vor allem aber zu sofortigen ersten Schritten ermutigen. Es gehört zu den Ambitionen des Buches, Aktionsgruppen aller Art auf der ganzen Welt Anstöße zur Schaffung eines Weltbürgerethos zu vermitteln. Eigentlicher Adressat ist damit die Zivilgesellschaft, entsprechend der Grundüberzeugung, dass Menschen heute ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen sollen.
Einleitung Worum es geht
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Teil 1
Analyse der Lage
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Kapitel 1
Krisenphänomene und erste Erklärungsversuche Während einer geheimen Diskussion der Friedrich-List-Gesellschaft im Zusammenhang mit der Weltwirtschaftskrise des beginnenden 20. Jahrhunderts diskutierten im Jahr 1931 hervorragende Ökonomen die Frage, ob die damalige Weltwirtschaftskrise eine normale oder eine außerordentliche Krise darstelle. Diese Frage können wir im Bezug auf die Gegenwart getrost eindeutig beantworten: Die Welt steckt in einer tiefen Finanz- und Wirtschaftskrise, vergleichbar mit nur wenigen Krisensituationen der letzten Jahrhunderte.
1.1
Krisenphänomene
Doch beginnen wir mit einer Beschreibung von Phänomenen der Krise, wozu allerdings eine Vorbemerkung nötig ist: Auch wenn der unmittelbare Anlass für grundsätzliche Die Krise 2008/2009 steht in einer Reihe Überlegungen die akute Finanzvon ähnlichen Krisen, und es ist zu erwarten, und Wirtschaftskrise der Jahre 2008 dass immer rascher neue, ähnliche, aber auch und 2009 ist, reden wir im Folgenandersartige Krisen – zum Beispiel im den nicht von einer Krise sondern Zusammenhang mit der Klimaveränderung von einer Krisenlatenz. Die Krise oder mit Rohstoffkonflikten – auftreten werden.
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2008/2009 steht in einer Reihe von ähnlichen Krisen, und es ist zu erwarten, dass immer rascher neue, ähnliche, aber auch andersartige Krisen – zum Beispiel im Zusammenhang mit der Klimaveränderung oder mit Rohstoffkonflikten – auftreten werden. Beispiele für zurückliegende Krisen gibt es genug: Der Börsencrash von 1987, die Schuldenkrise Südamerikas zu Beginn der Achtzigerjahre, die «Savings and Loan»-Krise in den USA, die sogenannte asiatische Finanzkrise, die New-Economy-Krise zu Beginn des 21. Jahrhunderts, die Krise nach 09/11. Im Hinblick auf die Lösung dieser Krisen standen stets Aktionen der Notenbanken im Vordergrund, die auf Senkung der Zinsen oder Erhöhung der Geldmenge bzw. der Liquidität aus waren. Einige Phänomene der Krise 2008/2009 bzw. der Krisenkonstellationen, die zu erwarten sind: 왍 der Zusammenbruch verschiedener Systeme, zum Beispiel des Finanzsystems; 왍 eine tiefgreifende Rezession in fast allen volkswirtschaftlichen Bereichen; 왍 eine großflächige, weltweite Arbeitslosigkeit; 왍 die Verarmung großer Teile der Bevölkerung, die zu sozialen Konflikten oder radikalen politischen Tendenzen führen kann; 왍 die sich immer weiter öffnende Schere zwischen Arm und Reich; 왍 das mögliche Überhandnehmen von Gewalt und Terror; 왍 der Anstieg technologischer Risiken; 왍 die Bedrohung durch den Klimawandel; 왍 die Zunahme von Kriminalität, Spekulation und Bestechung. Wann sprechen wir von Krisen? Im Vordergrund stehen erhebliche Verluste oder Verlusterwartungen in weiten Teilen der Bevölkerung, das heißt akute negative Erfahrungen. Zur Krise gehören große soziale Spannungen und soziale Konflikte. Wesentlich sind Gefühle wie Zukunftsangst, Unsicherheit, Ohnmacht, Orientierungslosigkeit und Befürchtungen hinsichtlich der Stabilität zentraler Systeme, nicht zuletzt des natürlichen, aber auch des wirtschaftlichen Systems.
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Teil 1 Analyse der Lage
1.2
Erste Erklärungsversuche
Zur Entstehung von Krisen gibt es verschiedene Theorien. Im Blick auf die Krise 2008/2009 überwiegen finanztechnische und ökonomische Erklärungsmuster: 왍 Lockere Geldpolitik der Notenbanken; 왍 verspätete Reaktion der jeweiligen Finanzaufsicht; 왍 neue, unübersichtliche Finanzprodukte, zum Beispiel im Zusammenhang mit der Verbriefung von Hypothekarkrediten; 왍 falsche Anreize bei der Erteilung von Hypothekarkrediten; 왍 Versagen interner Risikomodelle; 왍 mangelnde Unabhängigkeit von Ratingagenturen; 왍 unkritisch-prozyklische Marktbewertung; 왍 Fokussierung auf kurzfristige Gewinne; 왍 überzogene Löhne und Boni, verbunden mit falschen Anreizen; 왍 globale Ungleichgewichte; 왍 Versagen der Wirtschaftswissenschaften. Die Relevanz solcher Erklärungsmuster ist nicht zu bestreiten. Die hier sichtbare ökonomische und finanztechnische Ebene reicht allerdings nicht aus für ein wirkliches Verständnis von Krisenlagen und deren Ursachen. Es braucht eine andere Dimension, jenseits von Markt und Ökonomie, jenseits von Finanztechnik und materiellen Überlegungen. (Siehe dazu auch Eck, 2009.)
Kapitel 1 Krisenphänomene und erste Erklärungsversuche
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