Leseprobe Hans Ruh: Bedingungsloses Grundeinkommen

Page 1

Hans Ruh

Bedingungsloses Grundeinkommen: Anstiftung zu einer neuen Lebensform Utopie oder Chance in einer Zeit des Umbruchs?

Versus ¡ Zßrich


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © 2016 Versus Verlag AG, Zürich Weitere Informationen zu Büchern aus dem Versus Verlag unter www.versus.ch Satz und Herstellung: Versus Verlag · Zürich Druck: CPI books GmbH · Ulm Printed in Germany ISBN 978-3-03909-298-7


Inhalt Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1 Warum ein Grundeinkommen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.1 1.2 1.3 1.4

Technologisch bedingte Arbeitslosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ungleichheit der Einkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Krise der Lebensform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unsichere Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 13 17 18

2 Das arbeitsunabhängige Grundeinkommen als Lösungsbeitrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6

Verminderung der Ungleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbesserung der Lage von arbeitslosen Menschen . . . . . . . . . . . . . Beitrag zur flexiblen Gestaltung der Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . Entlastung der Sozialwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ermöglichung von Firmengründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beitrag zur Angleichung des Einkommens zwischen den Geschlechtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7 Beitrag zur Bewältigung prekärer Arbeitsverhältnisse . . . . . . . . . . . 2.8 Wider die Maßlosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20 21 21 22 23 23 23 24

3 Begründungen für ein Grundeinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3.1 Dividende für Basisgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3.2 Hilfe für Benachteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 3.3 Minimalsicherung für alle Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

5


3.4 Korrektur einer ungleichen Tauschgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3.5 Die republikanisch-liberale Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3.6 Gegen eine interesseorientierte Rationalität der ökonomischen Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

4 Finanzierung und ökonomische Durchführbarkeit des Grundeinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 4.1 Höhere Verbrauchssteuern auf gesundheitsschädliche, umweltgefährdende und gewaltfördernde Produkte . . . . . . . . . . . . . 4.2 Luxussteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Finanztransaktionssteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Senkung der Fixkosten von Staat bzw. Gesellschaft durch den Sozialdienst und den zweiten Arbeitsmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39 40 41 42

5 Einordnung des Konzepts eines Grundeinkommens in einen gesamtgesellschaftlichen Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 5.1 Obligatorischer Sozialdienst für junge Menschen . . . . . . . . . . . . . . . 43 5.2 Freiwilliger Seniorensozialdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 5.3 Einführung eines zweiten Arbeitsmarktes: Komplementärmarkt oder Sozialmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

6 Das Grundeinkommen als Anstiftung zu einer neuen Lebensform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 7 Alternativen und Einwände zum Grundeinkommen . . . . . . . . . . . . 57 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Der Autor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

6


Ausgangslage Die Idee eines bedingungslosen und arbeitsunabhängigen Grundeinkommens hat eine längere Geschichte, die Diskussion darüber gewinnt aber neuerdings in verschiedenen Ländern an Aktualität, so etwa in Deutschland nach dem Aufsehen erregenden Interview von Telekomchef Timotheus Höttges über die technologisch bedingte Arbeitslosigkeit. In der Schweiz hat die Volksinitiative «Für ein bedingungsloses Grundeinkommen» eine breite Diskussion angestoßen, nicht zuletzt nach Prognosen über schwindende Arbeitsplätze im kaufmännischen Bereich. Die Aktualität ergibt sich aus dem Umstand, dass sich die Weltgesellschaft, und nicht zuletzt Europa, mitten in einem gesellschaftspolitischen, technologischen und ökonomischen Umbruch befinden. In einer solchen Lage ist es notwendig, nach neuen gesellschaftspolitischen Konzepten zu suchen und den Ausbruch aus bisher bewährten Lösungsmustern zu prüfen und zu wagen. Dies gilt insbesondere für die Arbeit bzw. für die Arbeitswelt. Im Vordergrund stehen die unterschiedlichen Formen von Arbeitslosigkeit, welche in vielen Regionen der Welt grassieren. Besonders schmerzlich und gefährlich sind Formen der Jugendarbeitslosigkeit, welche massenweise Jugendliche ohne Perspektiven, dafür mit Gewaltpotenzial, hervorbringen.

7


Unter dem Rationalisierungsdruck in der globalen Wirtschaft baut sich mehr und mehr ein starker Druck auf Menschen in den unterschiedlichsten Lagen auf. Zu diesem Druck kommen Löhne, welche dazu führen, dass große Massen von Menschen einem täglichen Lebenskampf ausgesetzt sind. Die Aktualität des Themas ergibt sich auch aus dem Umstand, dass es weltweit, aber auch in Mitteleuropa, eine unerträgliche Ungleichheit bei der Verteilung von Einkommen gibt. Eine weitere Spannung tut sich dann auf, wenn wir auf die ökologischen Folgen der modernen Arbeitswelt schauen: Der Materialund Energiebedarf bewirkt gefährliche Zerstörungsprozesse bei den Lebensgrundlagen. Aus verschiedenen Gründen stellen viele Menschen die Frage nach dem Sinn der Arbeit. Dabei geht es auch um das Gleichgewicht zwischen Arbeitswelt und Familie. Mit Blick auf die Arbeitswelt, allerdings nicht nur deshalb, stehen die heutigen Generationen vor der grundsätzlichen Frage der Gestaltung des Lebens und der Lebensform unter den erwähnten ökologischen, ökonomischen und demographischen Bedingungen. Dies ist der Grund dafür, das Thema des arbeitsunabhängigen Grundeinkommens nicht isoliert, sondern von vornherein und grundsätzlich im Rahmen gesamtgesellschaftlicher Fragestellungen zu verhandeln. Dann allerdings kann das Grundeinkommen zu einem bedeutsamen Element bei der Suche nach einer neuen Lebensform werden. Die Vorstellung eines Grundeinkommens hat im Übrigen bereits einen längeren historischen Vorlauf. Sie findet sich in der «Utopia» von Thomas Morus (1516). Allerdings darf Thomas Paine, der Vater der Menschenrechtsidee und eine wichtige Figur in der Französischen und Amerikanischen Revolution, als der eigentliche Vater der Idee eines Grundeinkommens gelten. Im 18. und 19. Jahr-

8


hundert gab es einschlägige Diskussionen in Frankreich und in England, dort insbesondere auch nach dem Ersten Weltkrieg. Wichtige Beiträge kamen auch von Seiten des Nobelpreisträgers James Meade (1907–1995). In den 1960er Jahren wurde die Idee in den USA vor allem in der Form der negativen Einkommenssteuer diskutiert (Milton Friedman und James Tobin). Auch in Belgien gab es, vor allem wegen Philippe Van Paris, eine intensive Diskussion. Initiativen zu einem bedingungslosen Grundeinkommen gab es in Südafrika, Brasilien und Namibia. In Deutschland gab es immer wieder Perioden mit einer intensiven Diskussion darüber. Beispielsweise vertrat der ehemalige Ministerpräsident von Thüringen, Dieter Althaus, die Idee eines «solidarischen Bürgergeldes». Wichtige Beiträge zur Diskussion erbrachten der Ökonom Thomas Straubhaar, vor allem aber Götz Werner, Gründer und Gesellschaftsführer der Drogeriemarktkette «dm». Katja Kipping von der Linkspartei vertritt das Konzept eines «emanzipatorischen linken Grundeinkommens». Auch in Österreich und in der Schweiz gab und gibt es Phasen intensiver Beschäftigung mit dem Thema. In Österreich kamen die Impulse von Seiten des Liberalen Forums.1 In der Schweiz dreht sich die Diskussion rund um die Volksinitiative «Für ein bedingungsloses Grundeinkommen». Dies alles zeigt, dass wir es hier nicht mit einer Eintagsfliege oder einer Kurzschlussidee zu tun haben. Zum Abschluss eine Bemerkung zum Standort dieser Überlegungen. Es sind grundlegende ethische Werte und Normen, die sich in der Entwicklung Europas und des Westens gebildet haben, insbesondere aufgrund einer aufklärerischen und christlichen Prägung. Als Beispiele solcher Werte und Normen seien genannt: Gleichheit, sozialer Ausgleich, Mitsprache, Freiheit und Menschenwürde.

9



Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.