Claire Barmettler · Martin Gubler · Gregor Ziltener
Individualisiertes Personalmanagement Wie sich Laufbahnmodelle in der Praxis bewähren
Versus · Zürich
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Vorwort
Liebe Leserin, lieber Leser Bereits heute zeigt sich in etlichen Branchen und Unternehmen ein Mangel an Fachkräften. Durch die demografische Entwicklung wird sich dieser Trend weiter verstärken. Organisationen werden daher in den nächsten Jahren vermehrt gefordert sein, die für sie notwendigen Mitarbeitenden auf dem Arbeitsmarkt zu gewinnen und im Arbeitsprozess zu halten. So sind praktische Ansätze gefragt, dank denen zum Beispiel ältere Mitarbeitende länger und Frauen mit Kindern häufiger beruflich aktiv sein können. Ein betriebliches Personalmanagement, das die individuellen Bedürfnisse der unterschiedlichen Mitarbeitenden berücksichtigt, ist eine zentrale Voraussetzung dafür. Individualisiertes Personalmanagement entwickelt sich somit zunehmend zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor für Organisationen. Laufbahnmodelle bieten sich als hilfreiche Instrumente für die individualisierte Ausgestaltung einzelner Maßnahmen im Personalmanagement an. Trotz ihres großen potenziellen Mehrwerts für zentrale Fragestellungen in Organisationen werden solche Modelle in der Praxis bislang noch kaum genutzt. Unsere eigenen positiven Erfahrungen aus der praktischen Arbeit mit Laufbahnmodellen haben uns daher motiviert, Anregungen und konkrete Umsetzungsvorschläge dazu festzuhalten. In unserem Buch stellen wir Ihnen fundierte, wissenschaftliche Konzepte vor und zeigen auf, wie Sie diese in verschiedenen Personalmanagement-Prozessen
6 Vorwort .............................................................................................................................................................................
konkret nutzen und einsetzen können. Das Buch richtet sich an Führungskräfte, Personalfachleute, Personalentwickler und Laufbahncoaches. Es kann als Nachschlagewerk oder Lehrbuch in der Schulung und Weiterbildung genutzt werden. Zudem bietet es für alle Interessierten viele wertvolle Hinweise zur persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung. Wir wünschen Ihnen zahlreiche neue Anregungen und viel Spaß bei der Lektüre. April 2015
Claire Barmettler, Martin Gubler und Gregor Ziltener
Zusätzliche Materialien sind verfügbar auf www.versus.ch 쐍 Karriereanker 쐍 Raster Mobilität 쐍 Lernzyklus 쐍 Übersichtstabelle
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Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Kapitel 2 Personalmanagement als Grundlage für den Unternehmenserfolg . 15 2.1 Prozesse des Personalmanagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.2 Psychologischer Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Kapitel 3 «Traditionelle» und «neue» Laufbahnmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Kapitel 4 Mobilität der Mitarbeitenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 4.1 «Wie mobil müssen Mitarbeitende sein?» – ein Blick in die Praxis bei Bank ALFA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 4.2 Boundaryless Career . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Bedeutungen der Boundaryless Career . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Physische und psychologische Mobilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Kompetenzen der Boundaryless Career . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4 Kritische Gedanken zur Boundaryless Career . . . . . . . . . . . . . . .
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Kapitel 5 Selbstverantwortliches Laufbahnmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 5.1 Auf der Suche nach Entwicklungsperspektiven – ein Blick in die Praxis der Stiftung ARLEWO Arbeiten, Lernen und Wohnen für Behinderte . . . 36 5.2 Protean Career . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Lernzyklen in Laufbahnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Metakompetenzen der Protean Career . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3 Kritische Gedanken zur Protean Career . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kapitel 6 Laufbahnorientierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 6.1 Individualisierte Personalhonorierung – ein Blick in die Praxis bei der Versicherung TOPSECURA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 6.2 Karriereanker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.1 Karriereanker als Metapher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.2 Karriereanker im Berufsalltag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.3 Kritische Gedanken zu den Karriereankern . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kapitel 7 Individualisiertes Personalmanagement – die praktische Anwendung der Laufbahnmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 7.1 Personalgewinnung – so nutzen Sie die Laufbahnmodelle . . . . . . . . . . . 7.1.1 Wie mobil sollen die neuen Mitarbeitenden sein? . . . . . . . . . . . . 7.1.2 Wie wird Mobilität im Bewerbungsgespräch thematisiert? . . . . 7.1.3 Wie kann die Mobilität bei der Personaleinführung beigezogen werden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.4 Wie viel Erfahrung braucht es für die Stelle? . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.5 Wie stark sind Identität und Anpassungsfähigkeit eines Bewerbers ausgebildet? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.6 Welche Laufbahnorientierungen sollen bei neuen Mitarbeitenden ausgeprägt sein? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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7.2 Personalbeurteilung – so nutzen Sie die Laufbahnmodelle . . . . . . . . . . . 7.2.1 Wie kann die Mobilität der Mitarbeitenden beurteilt werden? . . 7.2.2 Wie schätzen Sie die Laufbahnkompetenzen der Mitarbeitenden ein? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.3 Wie können Sie die berufliche Entwicklung der Mitarbeitenden sichtbar machen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.4 Wie schätzen Sie Identität und Anpassungsfähigkeit der Mitarbeitenden ein? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.5 Wie konnten die Mitarbeitenden ihre Laufbahnorientierungen einbringen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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7.3 Personalhonorierung – so nutzen Sie die Laufbahnmodelle . . . . . . . . . . 7.3.1 Wie honorieren Sie die Mobilität der Mitarbeitenden? . . . . . . . . 7.3.2 Wie achten Sie bei der Honorierung auf die individuellen Lernzyklen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.3 Wie kann berufliche Weiterentwicklung honoriert werden? . . . . 7.3.4 Wie können Sie Mitarbeitende individuell und wirkungsvoll honorieren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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7.4 Personalentwicklung – so nutzen Sie die Laufbahnmodelle . . . . . . . . . . 91 7.4.1 Wie kann die Mobilität der Mitarbeitenden gefördert werden? . 92 7.4.2 Wie können die Mitarbeitenden ihre Laufbahnkompetenzen entwickeln? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 7.4.3 Wie können realistische Entwicklungsperspektiven erarbeitet werden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 7.4.4 Wie können Mitarbeitende mit unterschiedlichen Metakompetenzen gezielt gefordert und gefördert werden? . . . 101 7.4.5 Welche Laufbahnorientierungen braucht es in Zukunft? . . . . . 105 Kapitel 8 Schlussgedanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 8.1 Personalentwicklung lohnt sich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 8.2 Individuelle Lösungen im Personalmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Die Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
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Kapitel 1
Einleitung Ziele dieses Buches
Ob als Teamleiter in einem Großbetrieb, Abteilungsleiterin in einer öffentlichen Verwaltung, Personalverantwortlicher in einer Non-Profit-Organisation oder als Geschäftsführerin eines KMU – Ihre Aufgaben im Bereich Personalmanagement sind vielseitig und anspruchsvoll. In diesem Buch stellen wir Ihnen theoretisch abgestützte und doch praxisnahe Instrumente vor, mit denen Führungskräfte das Personalmanagement um wesentliche Aspekte ergänzen und damit den täglichen Herausforderungen besser begegnen können. Diese Instrumente bieten neue Perspektiven sowohl auf bekannte Fragestellungen (z.B. «Wie können Mitarbeitende mit Eigenverantwortung umgehen?» «Wie können Mitarbeitende am besten motiviert und honoriert werden?») als auch auf Themen, die trotz ihrer zentralen Bedeutung im Führungsalltag oft noch zu wenig beachtet werden (z.B. «Wie stark soll und kann die Mobilität der Mitarbeitenden ausgeprägt sein?» «Welche Führung erwarten mobile Mitarbeitende?»). Kurz, in diesem Buch lernen Sie Werkzeuge kennen, mit denen Sie Ihre Führungsarbeit noch zielführender gestalten können.
12 Kapitel 1: Einleitung .............................................................................................................................................................................
Lassen Sie uns einen kurzen Blick in den Führungsalltag von vier Vorgesetzten werfen. Besonders interessiert uns dabei, was diese Führungskräfte über Personalmanagement denken. Timo E., 43 Jahre alt, ist verantwortlich für den Bereich Privatkunden im mittelgroßen Treuhandgeschäft FIDE. Er leitet seit kurzem ein kleines Team von sechs kaufmännischen Angestellten und Treuhändern. Er selbst hat vor fünf Jahren die Weiterbildung zum eidg. dipl. Treuhandexperten abgeschlossen. Sein damaliger Vorgesetzter hat ihm diesen Weg vorgeschlagen, damit er innerhalb der Firma den Bereich Privatkunden übernehmen könnte. Timo ist überzeugt, dass seine Mitarbeitenden zufrieden sind, wenn das Unternehmen ihnen Vorschläge für ihre Entwicklung macht. In den jährlichen Gesprächen zwischen Vorgesetztem und Mitarbeitenden könnten diese Themen idealerweise behandelt werden. Konzepte für Personalmanagement braucht es seiner Meinung nach in einem KMU nicht, das koste nur viel Geld. Einer seiner Mitarbeiter ist Davide S., 33-jährig. Davide S. arbeitet seit über zehn Jahren als kaufmännischer Sachbearbeiter bei FIDE. Er ist ein engagierter und beliebter Mitarbeiter. Davide S. fühlt sich zum Betrieb zugehörig und kann sich nicht vorstellen, etwas anderes zu machen. Auch wenn sein Teamleiter ihm schon einige Male vorgeschlagen hat, sich um Weiterbildungen zu kümmern, hat er bis jetzt noch nichts in diese Richtung unternommen.
Sarah K., 35 Jahre alt, ist seit dem Abschluss ihrer Ausbildung zur Pflegefachfrau HF im Alterszentrum Sonne tätig. Vor einem Jahr wurde ein zusätzlicher Neubau bezogen, sodass das Alterszentrum sein Angebot ausbauen konnte und nun über zwei Standorte verfügt. Gleichzeitig wurde Sarah zur Teamleiterin befördert. Daneben leitet sie ein größeres, bereichsübergreifendes Projekt, bei dem sie acht Mitarbeitenden fachlich vorgesetzt ist. Die eigentliche Führungsverantwortung für diese Mitarbeitenden liegt jedoch bei den jeweiligen Teamleitern. Sarah K. findet, dass dieser Mix als Fach- und Linienvorgesetzte die Entwicklung der Mitarbeitenden nicht einfach mache. Eine der Mitarbeitenden in ihrem Team ist Emma F., 45-jährig. Sie arbeitet seit über 15 Jahren als angelernte Betreuerin im Alterszentrum. Von ihrer Umgebung wird sie als hilfsbereit, zuverlässig und loyal beschrieben. Aus Arbeitgebersicht könnte es mittelfristig trotzdem schwierig werden, Emma F. zu beschäftigen, weil sie als eine der wenigen Mitarbeitenden ohne Berufsausbildung nur unter Anleitung einsetzbar ist.
Marco L., 44 Jahre alt, leitet das Elektrogeschäft Buchmann. Erst kürzlich hat die Firma eine kleinere Elektrofirma in der Nachbargemeinde übernommen. Sein Team ist sehr heterogen zusammengesetzt. Es gibt junge, gut ausgebildete Berufseinsteiger, die vorwärts kommen wollen. Dann gehören zum Team einige ältere, langjährige Fachleute, die ihre Arbeit und ihren Arbeitgeber schätzen und hoffen, dass sich möglichst wenig ändert. Und dann gibt es einige der neu
Kapitel 1: Einleitung 13 ............................................................................................................................................................................. übernommenen Mitarbeitenden, die mit der aktuellen Situation unzufrieden sind und den Veränderungen viel Widerstand entgegenbringen. Mit diesem Team soll Marco seine Aufgaben bewältigen und die wirtschaftlichen Ziele erreichen. Nach seinen Grundsätzen der Mitarbeiterführung gefragt meint Marco, dass sie als Organisation zu klein seien, um für die Mitarbeitenden in Sachen Personalentwicklung viel machen zu können. Das sei etwas für große Unternehmen. Die Mitarbeitenden seien für ihre Laufbahn selber verantwortlich und ihre Berufsziele müssten sie selber angehen. Er habe eine offene Tür und wenn die Mitarbeitenden etwas wollten, sollten sie mit ihrem Anliegen zu ihm kommen. Als Beispiel erwähnt er Léon P., 23-jährig. Der gelernte Elektroinstallateur hat bereits seine Lehre im Betrieb gemacht. Seit drei Jahren arbeitet er in seinem Beruf. Schwerpunktmäßig wird er zusammen mit einem Team von fünf Kollegen in Neubauten eingesetzt. Léon P. habe Marco L. bereits zweimal darauf angesprochen, dass er in Zukunft mehr direkten Kontakt zu den Kunden haben möchte. Er stellt sich vor, mit einem eigenem Serviceauto unterwegs zu sein und bei Kunden kleinere Aufträge zu übernehmen. Der Vorgesetzte Marco L. findet das zum jetzigen Zeitpunkt noch etwas zu früh, will sich diesem Anliegen aber annehmen.
Petra F. ist 52-jährig, ausgebildete Gärtnerin und heute als Geschäftsführerin von SwissRose AG tätig. Die Firma betreibt drei Produktionsstätten, in denen Freilandrosen herangezogen werden, sowie zwei Verkaufsgeschäfte mit insgesamt 50 Mitarbeitenden, fünf Lernende eingeschlossen. Ihre Mitarbeitenden sind jung und bringen dadurch oft nur wenige Jahre Berufspraxis mit. Für Petra ist es normal, dass es in ihrem Team immer wieder Wechsel gibt. Eigentlich würde sie gerne etwas für die Personalentwicklung tun, weil dies allenfalls die Bindung der Mitarbeitenden zum Unternehmen stärken könnte. Wie sie das Thema Personalentwicklung jedoch praktisch anpacken soll, weiß sie nicht. Sie befürchtet aber auch, dass die Mitarbeitenden durch Personalentwicklung motiviert werden könnten, neue berufliche Möglichkeiten auszuprobieren, und sie am Ende gar noch schneller wieder kündigen als heute schon. Eine ihrer Mitarbeiterinnen ist Lucia C., 34-jährig. Lucia arbeitet seit zwei Jahren bei SwissRose AG. Sie stammt aus Portugal und wurde im Betrieb angelernt. Aufgrund der guten Erfahrungen möchte die Vorgesetzte Lucia C. fördern und vermehrt im direkten Kundenkontakt im Verkauf einsetzen. Dazu müsste Lucia C. aber ihr Fachwissen sowie ihre Deutschkenntnisse verbessern.
Unser Buch basiert auf zwei Grundhaltungen, die sich wie ein roter Faden durch alle Kapitel ziehen und die durch aktuelle Forschung (z.B. Hall et al., 2012) klar gestützt werden. Erstens sind wir der Ansicht, dass sich Personalentwicklung lohnt, sowohl für Organisationen als auch für deren Mitarbeitende. Das heißt, in diesem Buch zeigen wir auf, warum Vorstellungen bezüglich Personalentwicklung, wie diejenigen von Timo E., Sarah K., Marco L. und Petra F. in der Praxis oft nicht ausreichen und nicht zielführend sind. Zweitens sind wir überzeugt, dass Individualisierung der Schlüssel zu einem erfolgreichen Personalmanagement ist.
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Je individueller Maßnahmen auf einzelne Bedürfnisse abgestimmt werden können, desto besser und nachhaltiger wirken sie. Angesichts der demographischen Entwicklung und des Fachkräftemangels in vielen Branchen können es sich zahlreiche Organisationen zunehmend gar nicht mehr leisten, Aspekte eines individualisierten Personalmanagements außer Acht zu lassen. Wir stellen Ihnen in diesem Buch daher einige ausgewählte Laufbahnmodelle vor und zeigen auf, wie Sie diese Modelle in Ihrem Alltag nutzen können, zum Beispiel bei Ihren Entscheidungen in der Personalauswahl, der Führung und der Personalentwicklung. Theoretischen Modellen wird oft vorgeworfen, wenig mit der Praxis zu tun zu haben. Wie Sie sehen werden, muss das nicht der Fall sein. Im Gegenteil, aus solchen Modellen können wertvolle und praxisnahe Hinweise für ein nachhaltiges, individualisiertes Personalmanagement abgeleitet werden. Dieses Buch ist explizit kein allumfassendes Lehrbuch über Personalmanagement. Vielmehr wollen wir die existierende Personalmanagement-Literatur mit wissenschaftlich fundierten und praxistauglichen Instrumenten ergänzen, die in dieser Form bisher nicht in Praxisratgebern und Lehrbüchern zu finden sind. Was wir hier beschreiben, funktioniert in der Praxis – diese Erfahrung haben wir mit Führungskräften und Mitarbeitenden in zahlreichen Organisationen (Großfirmen, kleinere Unternehmen, Non-Profit-Organisationen) machen dürfen. In Kapitel 2 präsentieren wir die typischen Prozesse des Personalmanagements, wie sie Martin Hilb (2011) beschreibt. In den Kapiteln 3 bis 6 stellen wir Ihnen Laufbahnmodelle aus der Organisationspsychologie und der Managementforschung vor. Sie beleuchten zentrale Aspekte für die Personalführung, die bisher in der betriebswirtschaftlich geprägten Personalmanagement-Theorie sowie im betrieblichen Alltag vieler Unternehmen kaum Beachtung finden. Sie erfahren, wie sich traditionelle und neue Laufbahnen unterscheiden und lernen die Modelle der Boundaryless Career, Protean Career und Karriereanker näher kennen. Nach diesem Ausflug in die Theorie zeigen wir Ihnen im Kapitel 7 konkrete Hinweise und Anwendungsmöglichkeiten auf, die sich aus diesen Modellen für die Personalführung ableiten lassen. Einzelne Instrumente finden Sie im Download-Bereich der Verlagswebsite www.versus.ch für die eigene Anwendung. Das Buch schließen wir im Kapitel 8 mit einigen Schlussgedanken ab. Wir zeigen auf, wie sich unsere oben beschriebene Grundhaltung bezüglich Personalmanagement in einen größeren Kontext einfügt und wie potenziellen Schwierigkeiten im praktischen Umgang damit begegnet werden kann.