Wie Spaniens wohl verrücktester Wein-Wettbewerb funktioniert
Patrick Schirmer Sastre • original
Das von Sergio Caballero gestaltete Plakat für die diesjährige Ausgabe. | FOTO: VERANSTALTER
Am Tag, als sie sich kennenlernten, dachte Francesc Grimalt, dass dieser Fremde nur ein SpionfüreinkonkurrierendesUnternehmenseinkönne.SergioCaballerowarunangemeldet in derBodegaÀnimaNegrain Felanitx hereingeschneit.ErwolleeineFührungmachen,erklärte er.DemÖnologenGrimaltstandderKopfnichtnachFührung.Wirbereitengeradedie Weinlesevor,erklärteer. Woraufhin sich Caballero als kostenlose Hilfskraft anbot.
Das Misstrauen ob dieses allzu großzügigen Angebots wich schnell. Denn Grimalt stellte schnell fest,dassCaballerowirklichnurdieLeidenschaftfür gutenWeinantrieb.Esentstandeine FreundschaftundeineIdee: eine eigene Bodega. 2006wardas.Jedervonihneninvestierte dos kilos,also zwei Millionen Peseten,(oderbessergesagtdasÄquivalent:12.020Euro).Man rechnetezweiundzweizusammenundhatteschnelleinenNamenfürdasgemeinsame Abenteuergefunden.Heute,fast20Jahrespäter,ist4Kiloseinesderrenommiertesten WeingüterderInsel.WomannichtnurWertaufdenGeschmacklegt, sondern auch darauf, alles möglichst im Einklang mit der Natur zu produzieren. Bevorjemandeinenfalschen Eindruckbekommt,schiebtGrimaltsicherheitshalbereinWirsindaberkeineHippieshinterher.
Lokaler Wein: Das kleine Abc der Mallorca-Trauben
"Bitte langsam durchgehen"
Es ist ein Dienstagmorgen, Mitte Februar. Eine Gruppe Weinjournalisten vom Festland sind eingeflogen. MiteinemTransfergingesdirektindieBodeganachFelanitx.Achtetbittedarauf, dassihrsehrlangsamgeht,wennwirgleichinsHausgehen.Jelängeresdauert,destoeher habtihrdenEindruck,dassdashiereingroßerBetriebist,sagtCaballerogrinsend.Doch auch er weiß, dass es für die angereiste Fachpresse nur am Rande um 4Kilos geht.
Denn tatsächlich handelt es sich um die Präsentation der 17. Ausgabe des
Beim Wettbewerb gehen die Paare hoch konzentriert ins Rennen. / FOTO: VERANSTALTER
Weinverkostungswettbewerbs Vila Viniteca, gestiftet von dem gleichnamigen Weinvertrieb aus Katalonien.ErfindetjährlichabwechselndinBarcelonaundMadridstatt. In diesem Jahr ist die Hauptstadt dran, am 23. März.
Das Prinzip des Wettbewerbs ist leicht erklärt. Schwieriger ist die Vorstellung, dass da ernsthaft jemand eine Chance hat. DieTeilnehmertreteninPaarenan.Insgesamt135Teamskönnen teilnehmen.ImLaufeeinesVormittagsbekommensiesiebenWeinevorgesetzt.Aufeinem ZettelmüssensiefolgendeInformationenüberdenjeweiligenInhaltderGläsererschmecken: Herkunftsland(einPunkt),Herkunftsregion(einPunkt),dieHerkunftsbezeichnung(zweiPunkte), dieverwendetenReben(dreiPunkte),derJahrgang(dreiPunkte),denHersteller(dreiPunkte) unddenNamen(zweiPunkte).DiezehnbestenTeamskommenineinezweiteRunde.Dort warten noch mal sieben Weine mit den gleichen Spielregeln.
Plakat gestaltet
Dass der Hof der Bodega für die Präsentation des Preises ausgewählt wurde, liegt vor allem an Caballero. DennBodega-Betreiberistnureineseinerzahlreichen Berufsbezeichnungen.Erist auchMitbegründerdesrenommiertenkatalanischenElektro-FestivalsSónarundKünstler.Und sowaresnichtabwegig,ihndasPlakatfürdiediesjährigeAusgabedesFestivalsgestaltenzu lassen.ZumalmansoeineidealeAusredehatte,umbei pa amb oli und pop amb ceba (OktopusmitZwiebeln)verschiedene 4Kilos-Weine im Sonnenschein zu verkosten.

Die beiden Bodega-Betreiber haben ihre Rollen perfekt aufgeteilt. Grimalt, der Wein-Nerd, der erstaunlichverständlichinnerhalbvonwenigenMinutencharmantdarlegenkann,wiedie geologische Entstehung Mallorcas vor mehreren Millionen Jahren sich heute auf den Wein auswirkt, welche Herausforderungen der Klimawandel mit sich bringt und warum manche RebenvonihremWachstumsverhalteneherdemCharakter der gitanos (SpanischfürRoma) undanderedemdermallorquinischenBauernentsprechen.Caballeroderweilmimtden Lebemann,demdasGlückeineBodegaindenSchoßfallenließ.Nurzwischendurchlassen siedurchblicken, wie viel Arbeit wirklich dahintersteckt und dass diese durchaus mit finanziellen Risiken behaftet ist.
Wie der Traum vom eigenen Mallorca-Wein für viele Deutsche wahr wurde
Das Plakat hat Caballero mit KI erstellt. Es zeigt ein Paar, das in einer asiatisch anmutenden U-Bahnstationsitzt.DiebeidenPersonentragenanmilitärischeUniformenerinnerndeOveralls. SiehabenvierArmeundvierBeine.Caballerosteht derKIsehrpositivgegenüber.Ichglaube, wir haben eine bessere Zukunft mit der KI als mit den Menschen. Das meine ich ganz ernst. Wenn man die KI kreativ nutze, sei sie ein mächtiger Verbündeter. Ich bin jedenfalls mit
Hier wachsen die Reben, aus denen die 4Kilos-Weine entstehen. | FOTO: SCHIRMER
meinem Plakatvorschlag durchgekommen, sagt er grinsend.
Im Mittelpunkt der Wein
Szenenwechsel. Es ist Nachmittag. Die Reisegruppe hat sich in einem prunkvollen Saal im großen Herrenhaus des Landguts Jardins dAlfàbia aneinenlangenTischgesetzt.Die mallorquinischeSpitzenköchinMariaSolivellesstellt sichdenGästenvomFestlandals TalibanKämpferin der lokalen Zutaten und hateinmehrgängigesMenüzusammengestellt.Aufden TischkommenunteranderemdieMini-Fischlein jonquillos (Glasgrundeln) in gebratener Form oder Kalmar in Sobrassada-Sud mit Erbsen.AberdasEssenspielthiereineNebenrolle.Im MittelpunktstehtderWein.
Wein macht gute Laune: Francesc Grimalt, Quim Vila, Sergio Caballero und Siscu Martí in der Bodega 4Kilos.
Quim Vila und Siscu Martí sind die Masterminds hinter dem Wettbewerb. Während sich Martí eherimHintergrundhält,gibtViladenZeremonienmeister.SiebenWeinehaterfürdieses mehrstündigeMittagessenausgesucht.AufZettelnnotierenmüssendieGästenicht.Aberdoch einweniggemeinsamraten.ZuBeginngibteseinen Schaumwein. EinCava?Ein Champagner?Vielleichtdochwasanderes?Errätjemand dasWeingut?
Beim richtigen Wettbewerb haben die Teilnehmer 45 Minuten Zeit für die Weine. Die Teilnahmeplätze sind heiß begehrt. IndiesemJahrwarensienachdreiMinutenrestlos vergeben.Mitmachenkannjeder,derschnellgenugist.DerMZerzähltQuimVila,dass man schonallesdagehabthabe.ProfessionelleSommeliers, aberauchAnwälte,Bankerund ArchäologenwurdenschonzuSiegernerklärt.Lukrativ istesallemal.Der erste Preis ist in diesem Jahr mit 35.000 Euro dotiert.
Weinverkostung bei 4Kilos. | FOTO: VERANSTALTER
Die Blindverkostung
Quim Vila ist sichtlich amüsiert bei den Versuchen der Gäste, auch nur eine Kategorie bei den Weinen richtig zu erraten. BeieinemWeißweinvermuteteinerderTeilnehmer,es könnesich umeinenGrünenVeltlinerhandeln.Österreich,sagtVila.Interessant.Jemandanderespresst zögerlich ein Verdejo hinaus. Aha. Soso, sagt der Zeremonienmeister. Ein paar andere Versuchespäter,eswerdenauchJahrgängeerraten,stehtfest:Keinerhatterecht.Eshandelt sichumeinenVinhasVelhas,einenWeißweinausdemportugiesischenAnbaugebietBairrada. WirSpaniervergessenimmer,dassdiePortugiesenauch Weinproduzieren,kommentierteine derTeilnehmerinnen.Esfolgenunteranderemein amerikanischer, ein italienischer und auch ein deutscher Wein.
Beim Wettbewerb gibt es kaum eine Möglichkeit zu schummeln. Quim Vila entscheidet am Vorabend,welcheFlaschenermitnimmt. Ich brauche 14 Weine, nehme aber noch ein paar mehr mit, damitichimZweifelumentscheidenkann,wennderWeinbeispielsweisenichtpasst,weil esmehroderwenigerLuftdruckgibt. Nicht immer entfalten sich alle Weine gleich.
Warum aber macht er das? Warum der enorme Aufwand? Zunächst ist es natürlich eine Werbemaßnahme für den Weinvertrieb. Esgehtaberauchdarum,gemeinsamWeinzu genießen.DieLeutesehenesalsHerausforderung.ManchetrainierendasganzeJahr dafür. DasTolleistdoch,dassdieLeuteSpaßdaranhaben. VilaundMartíeingeschlossen.Ihre diebischeFreudebemerkenauchdieTeilnehmerbeidem Mittagessen. Quim genießt es, dass wir alle falsch liegen, sagteinerderTeilnehmerlaut.QuimVilatutempört: Ichgenießenicht. Icharbeitehier.EinMona-Lisa-LächelnumspieltseineMundwinkel.