VISIER 12/2012 Leseprobe

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Tests:

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12/2012 www.visier.de € 5,50 € € € € € €

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Von Profis getestet:

Remington 700 Mil Spec 5-R: So schießt das zivile M 24 auf 100, 300 und 500 Meter

Die neuen Minis für die Tasche

■ Beretta BU-9 Nano

Baikal SL-Flinte MP-153: Was leistet der russische Preisbrecher in der Praxis? ■ S & W Shield

■ Springfield XD-S

Ist das die Zukunft der AR-Familie?

Multikaliber-Sensation:

Jagdwissen kompakt:

Erfahren Sie alles über Drillinge

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Selbstlader Colt LE 901

Ex kl

Achtung, Wiederlader! Mit welchem Hülsenpolierer reinigen Sie am besten?





Remington 700 Mil Spec 5-R in .308 Win. | TEST & TECHNIK

ton-Importeur Helmut Hoffmann (www. helmuthofmann.de) für den deutschen Markt ein. Darunter auch die Testwaffe, wie der Schriftzug „10TH ANNIVERSARY EDITION“ hinter der Kaliberangabe „308“ auf der linken Laufseite verrät.

Der schwere Bullbarrel-Match-Lauf aus Stainless Steel der 700 Mil Spec 5-R weist an der Mündung einen Durchmesser von 20,6 Millimetern auf. Die Mündung selbst besitzt eine 11-GradMatchsenkung und ist vor den 5-rechtsdrehenden Zügen nochmals abgesetzt.

Erster Eindruck: In einem schwarzgrün-marmorierten HS Precision-Schaft in der Ausführung Varmint Synthetic (VS) steckt ein mattgestrahltes System mit ebenso behandeltem schweren Bullbarrel-Rohr. Beides besteht aus rostträgem Edelstahl. Den Kammerstängel, das Schlosskäppchen sowie die beiden aus Leichtmetallguss gefertigten Teile Abzugsbügel und Magazinklappe stimmten die Remington-Konstrukteure haargenau auf das Finish von Lauf und System ab. Der Schaft weist eine durchgängige griffe Oberflächenstruktur auf. Die folgt der Marmorierung. Im vorderen Schaftdrittel sitzt eine zusätzliche Riemenbügelöse zur Aufnahme eines Zweibeins. Den hinteren Kolbenabschluss bildet Dezember 2012

eine nicht verschiebbare mittelharte Gummikappe. Das Army-M  24 besitzt dagegen eine verstellbare Kappe. Das Besondere dieser Büchse versteckt sich im Inneren des Bullbarrels: ein Laufprofil mit nur fünf anstatt der ansonsten bei 700ern üblichen sechs rechtsdrehenden Züge. Diesen einen

Zug weniger haben nur die M 24-Modelle und dementsprechend auch die zivilen Ableger. Darauf beruht auch die Angabe 5-R (Rifling = Zug) in der Modellbezeichnung der 700 Mil Spec. Überdies sind die Kanten zwischen den Zügen und Feldern nicht so scharf wie bei den übrigen Remington-Läufen. Sie drehen das Geschoss beim Laufdurchgang auf einer V ISIER. de

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Colt LE 901 | TEST & TECHNIK

Wechsel-

Wirkung

Colts neues Modell LE 901-16 S greift eine alte Idee auf: Man richte Waffen der AR-Plattform so ein, dass sie sich von einem Kaliber aufs andere umrüsten lassen. Gary Paul Johnston untersuchte, wie Colt das verwirklicht hat.

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anche Dinge sind so gut, dass man zum Zeitpunkt ihrer Entstehung ihren Wert nicht begreift. Folglich verstauben sie, bis sie ein umso beachteteres Comeback feiern. Das zeigt sich am neuen Colt-Selbstlader LE  901-16S, mit dem wieder das AR-10 ins Rampenlicht rückt: Ab 1955/56 kurbelte der damals bei der Firma ArmaLite tätige US-Erfinder Eugene Stoner damit nicht nur seine Karriere an, sondern schuf auch die Grundlage für die als AR-Plattform bekannte Waffenfamilie. Jedoch hatte das AR-10 einen Hauptmakel – das Kaliber 7,62 x 51 mm Nato (im Zivilmarkt als .308 Winchester bekannt). Denn als sich Waffen mit Stoners Prinzip endlich durchsetzten, waren sie kleiner, verschossen das neue Kaliber 5,56 x 45 mm Nato (zivil bekannt als .223 Remington) und hießen AR-15, vom Militär als M 16 reglementiert. Während das die Basis für einen vielfach variierten Bestseller schuf und Stoner zum Millionär machte, verschwand der große Bruder des AR-15 in der Versenkung. Doch ungefähr zur Jahrtausendwende kam er daraus wieder hervor. Firmen wie Knights Armament, DPMS, ArmaLite oder Bushmaster brachten ihn auf den neuesten technischen Stand und bauten nicht nur 308er Versionen, sondern sogar solche von verwandten Dezember 2012

Kalibern zwischen .243 Winchester bis .300 Remington SAUM. Und ungefähr um 2000 herum kam die Idee auf, die AR-Plattform um zum schnellen Wechseln bestimmte Läufe zu bereichern. Die bekanntesten waren die von Lewis Machine & Tool sowie von MGI. Andere folgten. Doch blieb das Wechseln der gesamten oberen VerschlussgehäuseBaugruppe (= Upper) à la AR wohl die beste Lösung – also das ursprünglich von Eugene Stoner ersonnene Konzept. 1959 erwarb Colt das AR-Paket von Stoner, der das Patent auf das direkte Gas-“Transfer“-System (= direct gas impingement) besessen hatte, als er bei ArmaLite zu arbeiten anfing. Dieses Paket umschloss sowohl die Endversion des AR-10 in 7,62 x 51 mm Nato (.308) als auch das AR-15 in 5,56 x 45 mm Nato. Obwohl Colt den Bau des AR-10 plante, verlagerten sich die Forderungen zusehends zum kleineren AR-15 in 5,56 x 45. Und bei Colt packte man die Pläne zum Bau jeder AR-10-Variante zur Seite. Das aber hat sich nun, über ein halbes Jahrhundert danach, grundlegend geändert – durch das Modell:

Colt LE 901-16S Modular Carbine: Die Neuheit im Kaliber 7,62 x 51 mm ist, so formuliert es VISIER-Korrespondent Gary Paul Johnston, „die Verbindung der

AR-10- und AR-15-Linien mit weit reichenden Anwendungsmöglichkeiten. Kurz: Die LE 901-16S ist eine adaptive 308er Büchse, unter Verwendung eines stark abgewandelten und aufgerüsteten AR-15-Gehäuseunterteils (= Griffstück, Lower Receiver, kurz: Lower) mit einem gleichermaßen einzigartigen AR-10-Magazinschacht. So wandelt sich die Büchse zu einem M 4artigen Carbine in 5,56 x 45 mm.“

Upper aus einem Guss: Das LE 90116S wartet mit vielen der für AR-15 typischen Elemente auf. Im Lower gibt es beidseitige Bedienelemente. Im Upper steckt ein vierzügiger 417-mm-Lauf mit vierfach geschlitztem Mündungsfeuerdämpfer des Typs „4-prong flash hider“, Bajonettwarze für das M 4-Bajonett und verstellbarer Klappvisierung. Aber der eigentliche Pfiff ist die – recht ungewöhnlich – oben ununterbrochen über die volle Länge laufende PicatinnySchiene. Tatsächlich bildet das gesamte Verschlussgehäuse eine einteilige, extrem starke Sache: „Monolithic Upper“ nennt sich das auf Neudeutsch. Die untere Handschutzpartie mit ihrer Schiene lässt sich abnehmen, aber das dient hauptsächlich Reinigungszwecken. Das LE 901 orientiert sich (richtigerweise) an Stoners originalem, kolbenlosem Gassystem. Daher gibt es auch kein außenliegendes Piston-System. Bei allen GeV ISIER. de

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Springfield XD-S in .45 ACP | TEST & TECHNIK

Klein, kleiner, XD-S

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oulder, Nevada, Januar 2012: Obwohl eine große dunkle Sonnenbrille seine Augen vor dem gleißenden Sonnenlicht der Wüste schützte, war die Begeisterung von Rob Leatham unverkennbar: „Schauen Sie, wie zierlich das Ding ist. Die Kleinste von Springfield. Ist brandneu, haben wir im letzten Moment reinbekommen. Und sehen Sie, wie gut das schießt.“ Bei dem zur Rede stehenden „Ding“ handelte es sich um die neue Subkompakt-Pistole XD-S, geliefert von der in Geneseo (Illinois) ansässigen Firma Springfield Armory, für die Weltklasseschütze Leatham als Werbeträger auftritt. Nun schießt nicht jeder so verblüffend präzise, schnell und sicher, wie diese gut einsneunzig große Schießmaschine aus Fleisch und Blut es selbst mit einer unbekannten Waffenneuheit tut. Zumal die kaum aus Leathams Pranke herausschaut. Also ist diese für Notwehr- und Fangschusszwecke geSchützenlegende Rob Leatham stellte als einer der ersten die neue SpringfieldPistole in Boulder beim Media Day der SHOT Show 2012 vor. Sein Vorführstück war komplett in Schwarz ausgeführt. Das an Walt Rauch übersandte Testexemplar kam hingegen in Duotone. Hier mit Insight X2 Subcompact-Lampe, den Griffrücken-Wechseleinsätzen sowie dem serienmäßigen Fünf-Schuss- und dem optionalen Sieben-Schuss-Magazin. Dezember 2012

Auf der SHOT Show zeigte sich, dass der Trend zu kleinen Pistolen anhält, auch bei den Kalibern 9 mm Para und .45 ACP. VISIER stellt drei der Neuheiten vor – die Springfield XD-S eröffnet den Test-Reigen.

dachte 45er ein Fall für den Tester, der sich bei VISIER um solche Kurzwaffen kümmert: Ihr Auftritt, Walt Rauch. Dessen Testprotokoll begann so: „Wenn Sie an den Kauf einer subkompakten, halbautomatischen Pistole im Kaliber .45 ACP denken, sollten Sie auch die neue XD-S (Small) von Springfield auf dem Radar haben.“ Die XD-S ist die neueste und bisher kleinste Ausführung der XD-Pistolenfamilie. Um gleich bei Maßen und Gewicht zu bleiben: Die 610 Gramm schwere Waffe misst 160 x 25,4 x 112 Millimeter, hat einen 84-mm-Lauf und ein Magazin für fünf Patronen. Zum Vergleich die auch in .45 ACP gebaute Glock 36: Sie misst 172 x 28,5 x 121 mm, der Lauf 96 mm. Zwar fasst die Österreicherin eine Patrone mehr und ist mit 570 g Leergewicht spürbar leichter. Aber sie bleibt einen Hauch größer als die XD-S, für die es zudem noch gegen Aufpreis einen Sieben-Schuss-Behälter gibt. Von den Maßen her lässt die Neue sich am besten mit Subkompakt-Modellen der Neun-Para-Liga vergleichen: Caracal SC, HK P 2000 SK, Walther P 99 C und Glock 26 kamen alle mit Längen zwischen 160 und 168 mm: Damit ist die XD-S fraglos eine der kleinsten 45er Pistolen. „Der Tick mit dem immer kleiner ist typisch amerikanisch“, mag mancher denken und prompt falsch liegen: Spring-

field baut die Waffen nicht, sondern importiert sie von der Adria zur Endmontage in den USA. Denn das Geschick der XD-Pistolen beginnt in der kroatischen Firma IM Metal. Die fertigte 1991 eine Neun-Para-Pistole – und schon 1995 deren nächste Generation – für den heimischen Behördenmarkt. 1998 schuf IM Metal daraus die Polymer-Version HS 2000. Sie erhielt gute Kritiken, auch wenn der erste VISIER-Test ihr bei der Technik „vertraute Gesichtszüge“ bescheinigte (Heft 7/2000). Dennoch übernahm Springfield Armory das US-Marketing. Die Pistole wurde in XD (Extreme Duty) umbenannt; teilweise wurde sie auch als XD Extreme bezeichnet.

Familienbande: Äußerlich hat die XD ein bisschen etwas von verschiedenen Waffenmodellen. Der Rahmen etwa ähnelt demjenigen der Walther P 99, der originalen DA/SA SIG Sauer oder dem einer Glock-Pistole. Die XD – und damit auch XD-S – werden per Schlagbolzen gezündet, haben eine Abzugs-Fallsicherung sowie eine Schlagbolzensicherung, die Springfield „USA“-Abzugssystem nennt; das Kürzel steht für Ultra Safe Assurance. Die neue XD-S hat Merkmale der XD Extreme-Serie, allerdings mit Veränderungen. So kommt die XD-S mit einreihigem statt zweireihigem Stahlmagazin mit einer abnehmbaren Polymer-Grundplatte. Zwei Magazine V ISIER. de

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TEST & TECHNIK | Beretta BU-9 Nano

Nanu, Nano? Einfach zu benutzen und möglichst wenige mechanische Teile – so wird eine zuverlässige und einsatztaktisch nützliche Waffe konzipiert. Die Beretta Nano bietet nicht nur viel Feuerkraft, sondern erfüllt auch alle Anforderungen.

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uch die dritte der diesmal vorgestellten Mini-Pistolen kann sich sehen lassen – hier hat Beretta USA eine Backup-Pistole entworfen ohne die sonst üblichen stereotypen Designmerkmale: Keine Kompromisse bei der kinetischen Energie oder nur ein

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Feder-Masseverschluss wie bei vielen subkompakten Pistolen – die BU-9 Nano kommt mit einem kurzen, aber voll verriegelnden System in den Kalibern 9 x 19 mm oder .40 S & W.

hart und abriebfest. Alle Metallteile besitzen ein mattschwarzes Finish. Durch die Riffelung hinten vor der Kimme kann der Schlitten leicht und problemlos zurückgezogen werden.

Und ohne dabei größer zu sein: Die Länge beträgt 143 mm, am Griff maßen wir eine Breite von 23 mm. Die Waffe ist 106 mm hoch und wiegt leer 562 Gramm. Der Rahmen der Nano besteht aus fiberglasverstärktem Polymer, wodurch sowohl Gewicht als auch Größe verringert und Griffschalen überflüssig werden. Dank der Textur an Vorder- und Rückseite des Griffs ist die Waffe angenehm zu handhaben. Der Schlitten wurde aus Carbonstahl gefertigt, der laut Hersteller eine schützende Pronox-Nitridschicht bekam. Pronox sei vergleichbar mit dem Melonite-Überzug der bereits vorgestellten Mini-Pistolen von Springfield und S & W oder auch dem Tenifer-Schutz, den Glock seit Jahren verwendet. In jedem Fall ist Pronox außergewöhnlich

Verdeckt, daher glatt: Die Nano hat keine Haken oder abstehende Teile, die sich beim Ziehen aus dem Holster in der Kleidung des Trägers verfangen könnten. Weil auf das sonst außen sitzende Verschlussfangstück verzichtet wurde und kein Zerlegehebel-Schraubenkopf am Rahmen hervorsteht, kann die Waffe problemlos aus dem Holster gezogen werden. Sogar der Magazinhalteknopf ist gegossen und folgt so der Rundung des Rahmens. Der Abzugsbügel ist rund, Beretta folgt damit dem noch immer gültigen Konzept, dass eine Pistole die weichen Formen eines Stücks Seife haben sollte.

Manuelle Sicherung? Fehlanzeige. Wir sind der Überzeugung, dass es nur Dezember 2012



TEST & TECHNIK | Hülsenpoliergeräte

VibrationsWiederlader brauchen saubere Hülsen. Eine Möglichkeit sie zu reinigen, stellen sogenannte Tumbler dar. Aber für welches Gerät soll man sich entscheiden? VISIER ließ eine Auswahl der gängigsten Modelle zum Vergleichstest antreten.

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ittlerweile hat sich unter Wiederladern die englische Bezeichnung „Tumbler“ für die Art von Hülsenpoliergeräten, bei denen die Hülsen durch Vibrationen in einer Schüssel mit Reinigungsgranulat wild durcheinander marschieren (to tumble) und sich dabei blank scheuern, eingebürgert. Diese Methode dürfte noch vor den im-

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mer mehr in Mode kommenden Ultraschallreinigern und dem bloßen Waschen mit Seifenlösung die verbreitetste Reinigungsvariante für die leergeschossen Messingteile sein. Unter Wiederladern ist es eine echte „Glaubensfrage“, welche Methode die beste ist. Aber die soll hier nicht geklärt werden, sondern was einzelne Tumbler leisten. Dazu be-

schaffte sich die Redaktion insgesamt fünf Modelle: Wiederladespezialist Reimer Johannsen (www.johannnsen-jagd.de) steuerte den RCBS Vibratory Case Cleaner für rund 120 Euro, den Lyman Turbo 1200 Auto-Flo zu knapp 130 Euro und mit Dillon CV-750 für 229 Euro auch den teuersten Kandidaten im Test bei. Vom Importeur Helmut Hofmann (www.helmut Dezember 2012


Hülsenpoliergeräte | TEST & TECHNIK

Alarm hofmann.de) kam der Hornady M-2, den es für 105 Euro im Fachhandel gibt. Das günstigste Gerät stellte Frankonia (www. frankonia.de): Das Waffenhandelshaus bietet den CTI 1500 der Hausmarke TopShot momentan für unter 60 Euro an.

Funktionsprinzip: Bei all diesen Tumblern verbindet eine Rüttelplatte auf dem Standfuß die Polierschüssel fest mit einem Elektromotor. An dessen nach unten ragender Motorachse befindet sich eine exzentrische Schwungscheibe, Dezember 2012

die den Motor samt Rüttelplatte und darauf geschraubter Schüssel in Schwingungen versetzt.

Testaufbau: Um den Einfluss des Poliermediums auf das Ergebnis zu neutralisieren, kam ausschließlich grünes Granulat aus Maiskolben (englisch: corn cob) von Lyman zum Zuge. Damit füllten die Tester alle Polierschüsseln zu zwei Dritteln. Anschließend kam die laut Herstellerangabe maximale Anzahl an abgeschossenen .38 Special-Hülsen

(siehe Tabelle „Technische Daten“ ) hinzu. Unter diesen befanden sich je 50 künstlich gealterte Hülsen mit kleineren Grünspanflecken. Diese sollten stärker verschmutzte Hülsen simulieren und dienten als Kontrollobjekte für den Reinigungsfortschritt. Unter dem Motto „gleiche Bedingungen für alle“ schlossen die Tester die Tumbler dann an eine einzige Steckdosenleiste an, die wiederum über eine Zeitschaltuhr mit Countdown-Funktion V ISIER. de

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TEST & TECHNIK | Drillinge f체r J채ger

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Drillinge für Jäger | TEST & TECHNIK

Drei im Bunde Drillinge waren und sind fast nur im deutschsprachigen Raum zu Hause. Wie alle „Universalwaffen“ hat der Dreiläufer Vor- und Nachteile. Andreas Rockstroh beschreibt die verschiedenen Modelle sowie ihren Einsatz im früheren und heutigen Jagdbetrieb und greift dabei auf eigene Erfahrungen zurück.

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eine „Hohe Zeit“ hatte der „normale“ Drilling, auch Flintendrilling genannt, also der mit zwei oben liegenden Schrotläufen und einem mittig darunter liegenden Kugellauf, in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Er war die „Ganzjahreswaffe“ für Hoch- und Niederwildjagden. Im Frühjahr ging man damit auf den „Schnepfenstrich“, wie die Jäger den Balzflug der Waldschnepfe nennen, und den balzenden Tauber. Später auf den roten Bock, im September auf die Hühnersuche oder zur Hirschbrunft. Und ab Oktober auf die zahlreichen Niederwild- und Hochwild-Gesellschaftsjagden. Auch zu Ansitz und Pirsch auf Schalenwild wurde der Drilling eingesetzt. Und natürlich im Winter für die Raubwildjagd auf Fuchs und Marder, denn die Bälge waren damals viel wert. Wohlhabendere Jäger führten zwar seinerzeit schon Büchsen für die Hochwild- und Flinten für die Niederwildjagd, aber viele hatten „nur“ ihren Drilling, reine Niederwildjäger einen Zwilling, sprich: eine Doppelflinte.

Entwicklungslinien: Die Geburtsstunde des Drillings ist wohl der 3. Februar 1878, als der Münchener Büchsenmacher Peter Oberhammer eine Umstellung von Schrot auf Kugel mittels eines Hebels konstruierte und zum Patent anmeldete. Dieser Urdrilling besaß zwei Schrotläufe, einen Kugellauf, zwei Hahnschlosse und einen Roux-Verschluss. Spätere Selbstspanner-Drillinge wurden meist mit Blitz- und AnsonSchlossen sowie seitlich liegender Dezember 2012

Sicherung gebaut, teurere mit Seitenschlossen und oben liegender Sicherung auf dem Kolbenhals. Es gibt Drillinge mit zwei und drei Schlossen, meist mit Kugel- und Schrotumschaltung, viele aber auch mit separater Kugelspannung, bei denen sich nur die Schrotschlosse beim Öffnen der Waffe selbst spannen. Bei Bedarf aktiviert der Schütze das Schloss für den Kugellauf mittels eines Schiebers auf dem Kolbenhals. Es ist nicht Ziel dieses Beitrages, sämtliche Schlossvarianten, die im vergangenen Jahrhundert in Kipplaufwaffen verbaut worden sind, hier nochmals vorzustellen … fast alle kamen irgendwann auch beim Drillingsbau zum Einsatz. Ähnliches gilt für die Verschluss-Systeme. Am meisten findet man solche mit doppelter Laufhakenverrieglung und Greener-Querriegel.

In der Regel: Der beschriebene „normale“ Drilling wird heute vorwiegend als Ansitzwaffe auf Schalenwild und Raubwild eingesetzt. Häufig lässt man einen langen Einstecklauf in .22 Hornet oder ähnlichem Kaliber für die Raubwildjagd in den rechten Schrotlauf einbauen, denn zwei Schrotläufe braucht der Jäger heute kaum noch. Da der vordere Abzug für den Kugellauf fast immer über einen Rückstecher verfügt, kann der Einstecklauf, wenn die Waffe auf Schrot gestellt wird, auch gestochen geschossen werden. Rehwild-taugliche Einsteckläufe etwa in .222 Remington oder 5,6 x 52 R erfreuen sich ebenfalls großer Beliebtheit. So wird der Drilling

zum Bockdrilling, mit einem variablen, nachttauglichen Zielfernrohr (ZF) für fast alle Jagdgelegenheiten. Wer den Drilling häufig auf Hochwild, wie Rot-, Damwild und Sauen einsetzt, kann heute auch ein größeres Kaliber wie 8 x 57 IRS oder ähnliches für den Einstecklauf wählen. Ob stärkere Kaliber allerdings so wiederholgenau sind wie kleinkalibrige, diskutieren Fachleute kontrovers. „Die einen sagen so, die anderen so …“ Oft wird der Drilling mit offener Visierung, Rotpunktvisier oder kleinem Drückjagdglas auch auf Sautreibjagden und anderen Bewegungsjagden eingesetzt. Gilt es nur dem Schalenwild, besitzt der Dreiläufer mit einer Kugelpatrone und zwei Flintenlaufgeschossen geladen hohe „Feuerkraft“. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die langsameren Flintenlaufgeschosse ein anderes Vorhaltemaß bei flüchtigem Wild verlangen als Büchsenpatronen. Routinierte „Drillingsjäger“ wissen das. Wer diese Waffe aber nur gelegentlich führt, kommt bei einer „schnellen“ Sau nicht immer im sofort tödlichen Herz-Lungenbereich ab. Flintenlaufgeschosse gelten mittlerweile als „ablenkungsfreudiger“ als jagdliche Büchsengeschosse, so dass manche Revierinhaber ihren Einsatz auf Drückjagden verbieten. Mit „gemischter Ladung“, also Kugel, Schrot und „Brenneke“ sind etliche Jäger mental überfordert. Als Beispiel mag der mit Brenneke beschossene Fuchs genügen, was ja noch nicht einmal verboten, aber nicht beabsichtigt wäre. Vor dem jagdliV ISIER. de

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Der Sam-Browne-Waffengurt | GESCHICHTE & GESCHICHTEN

Lastenausgleich Das berühmte Sam-Browne-Koppel mit dem diagonal laufenden Schulterriemen lässt sich nicht aus der Militär- und Polizeigeschichte des 20. Jahrhunderts wegdenken – fragt sich nur, wer Sam Browne war und wie er auf die Idee für dieses Gurtsystem kam.

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ohin mit Pistole, Revolver und Säbel? Diese Frage stellte sich im Lauf des 19. Jahrhunderts immer mehr Offizieren, unabhängig von ihrer Nationalität. Kavalleristen konnten natürlich ihre Pistolen am Sattel in eigenen Futteralen führen, aber dann hatte man sie bei abgesessenem Einsatz nicht unbedingt zur Hand. Besser also die Trageweise am Mann. Dazu genügte am Anfang des Napoleonischen Zeitalters noch die in Frankreich (hier mehr) oder in Großbritannien (da weniger) dekorativ um die Taille oder über die Schulter geschlungene Schärpe, um Säbel und Pistole(n) darin oder daran zu verMeist kommt das Sam-Browne-Koppel mit einem Schulterriemen, befestigt mittels zweier an den Gurt genähter D-Ringe. Gesucht sind Muster mit zwei Schulterriemen. Dabei läuft einer der beiden auf dem Rücken des Trägers durch eine Schlaufe des anderen Riemens. Am Koppel die Revolvertasche mit von unten nach schräg oben geführter KnopfdornLasche und der Säbel Pattern Infantry Officer‘s Sword 1897. Hintergrund: USPolizei-Reenactor mit Tommy-Gun (Foto: Robert Bruce Military Photo Features).

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sorgen. Spätestens mit dem Siegeszug des Revolvers als Seitenwaffe kam der Wunsch nach etwas Praktischerem auf. Nicht nur die Waffe, auch die Munition musste gut geschützt am Mann befestigt, aber auch schnell zur Hand sein.

Mit Schieflage: Also griffen die Beschaffer wieder zum guten alten Ledergürtel. Meist in Braun oder Schwarz, je nach Gusto der Generalstäbler, manchmal auch dekorativ geprägt und verziert – aber in der Regel ein eher unpraktischer Kompromiss. Da hing links der Säbel, denn der wurde ja mit der rechten Hand geführt und bis zum Beginn des I. Weltkrieges als Hauptwaffe des Offiziers angesehen. Links fand sich die Pistolenoder Revolvertasche. Dazwischen tummelten sich noch ein bis zwei Täschchen für Patronen/Zündhütchen. Und folgerichtig hatte eine Seite Übergewicht, meist diejenige mit dem Säbel. Hier sollte Abhilfe her. Freilich weniger, um die ungleiche Belastung malträtierter Soldatenschultern auszugleichen. Sondern vielmehr, um der Ästhetik rund um den bunten Rock zu genügen: Ein schief sitzender Gürtel mochte im Gefecht ja noch angehen, aber bei Paraden war das

höchst unerwünscht. Man begegnete dem mit Haken am Uniformrock, um den Gürtel festzusetzen. Aber auch spezielle, mit leichteren Klingen versehene Paradesäbel kamen zum Einsatz. Bis, aus der Not geboren, der Klassiker des militärischen und polizeilichen Gürtels erfunden wurde – der „Sam-Browne-Belt“. Und der spielt in der Geschichte der Militärausrüstung eine große Rolle: Man kann ihn getrost als einen der wichtigsten Wegbereiter moderner Militärtragesysteme sehen.

Der Fremde aus Indien: Wie der Name es vermuten lässt, basiert dieses Koppel auf Entwürfen aus dem angelsächsischen Sprachraum. Dahinter steckt aber nicht irgendein Armee-Sattler, Arsenal-Techniker oder ZeugamtsMitarbeiter, sondern ein veritabler britischer General: Samuel James „Sam“ Browne, VC. Wie das offiziell zum Namen gehörende Kürzel „VC“ aussagt, handelte es sich dabei nicht um einen ansonsten namenlosen Berufsoffizier Ihrer Majestät Königin Victoria, sondern um einen, der mit dem Victoria Cross den höchsten Orden des Empire erhalten hatte. Er bekam diese Auszeichnung im V ISIER. de

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