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Ausgabe www.visier.de
S P E C I A L 66
Geschosse & Ballistik
G 42089
Geschosse und
Ballistik Für alle, die schießen: ■ Was vorne raus kommt ■ Wie Projektile fliegen ■ Wie sie im Ziel wirken
Geschosse für Polizei, Militär, Sport und Jagd 66
66
4 194208 909503
20066
Schweiz CHF 14,80 Österreich € 10,40 Niederlande € 11,20 Luxemburg € 11,20 Belgien € 11,20
INHALT
Wie sich Jagdgeschosse aus Büchsen und Flinten im Ziel verhalten und wie sie dort wirken, lesen Sie ab Seite 58. Einen Überblick über Geschwindigkeitsmessgeräte wie die Mehl-BMC-Reihe gibt es auf Seite 80.
Zielballistiker wollen wissen, wie Geschosse in Weichzielen wirken. Aber für das Auge sind Vorgänge wie das Pulsieren der Wundhöhle viel zu schnell – im Bild oben sieht man nur noch den bleibenden Schusskanal eines Hohlspitzprojektils in ballistischer Gelatine. Doch mit einigen Messgeräten lässt sich in Beschussversuchen viel über die Wirksamkeit in Weichzielen herausfinden — ab Seite 78 mehr dazu. Alleskönner gibt es in der Welt der Geschosse nicht. Ob sie Baustahl durchschlagen oder sich im Ziel verformen, hängt von Aufbau und Materialauswahl ab — Einblicke in die Trickkiste der Konstrukteure ab Seite 40 und ab Seite 70.
Kurzinformationen • • • • •
Gebiete der Ballistik Komponenten einer Patrone Laufinnenprofile mit Drall Läufe und Außentemperatur Guido J. Wasser: Theorie und Praxis • Querschnittsbelastung 4
9 17 19 27 29 35
• • • • • • •
GEE Die temporäre Wundhöhle Briol-Einschießbock 10- und 20-prozentige Gelatine Ammo Encyclopedia, 4. Auflage Quickload/Quicktarget Exterior Ballistics V 4.2
37 55 81 85 86 88 89
• Exterior Ballistics 2.3 90 • Ballistik-/Wetter-Rechner: Kestrel 4500 NV 91 • 10- und 20-prozentige Gelatine 85 • iPad/iPhone: Ballistic 3.1 92 • iPad/iPhone: SO Ballistics 92 • 20x102 und 14,5x114: die Größten 115 VISIER SPECIAL 66/2012
EINFÜHRUNG Der große Wurf Große Geister von Leonardo da Vinci über Nicolo „Fontana“ Tartaglia bis hin zu Carl Cranz — die Geschichte der Ballistik.
SONDERGESCHOSSE 6
Anders als die anderen Panzerbrechend, explodierend, leuchtend — wenn die Projektile besondere technische Eigenschaften aufweisen müssen.
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INNENBALLISTIK Mit Hochdruck Rein in die Waffe und wieder aus ihr heraus — aber was geschieht beim Feuern in der Waffe mit dem Geschoss?
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Ein Ziel vor Augen Dass die Geschosse beim Flug und im Ziel sich verschieden verhalten, ist klar — nur: Wie erhält man Datenmaterial?
LAUFSCHWINGUNGEN Good Vibrations Im Schuss liegen die Läufe nicht still — wie dieses Beben entsteht, wie man es misst und wie man es dämpft.
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Die Mischung macht’s Die verschiedenen technischen Anforderungen an die Geschosse, ihre Materialien und ihr Aufbau.
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VISIER SPECIAL 66/2012
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Für Rechenkünstler Ganz ohne etwas Rechnen geht es nicht — dabei hilft Wiederladern diese Übersicht der wichtigsten Formeln.
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Kurz vor dem Ziel Abschließend der Fundus an wichtigen Adressen von Herstellern, Händlern, Verbänden und Institutionen.
Christopher Hocke
Ohne sie ginge es nicht
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ANHANG
JAGDBALLISTIK Kurz und schmerzlos Jäger müssen wissen, welches Geschoss im Wild wie wirkt — Grundsätzliches zu dem wichtigen Thema Zielballistik.
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FORMELN
WIRKSAMKEIT UND WIRKUNG Höhlen-Forschung Energie, Schusskanal und Kaverne — nur drei der zentralen Begriffe, um die es in diesem Artikel geht.
Jürgen Knappworst
FACHBEGRIFFE Glossar Von A wie „Abgangsfehler“ bis Z wie „Zielsimulanzien“ — damit Sie beim Fachsimpeln mitreden können.
KONSTRUKTION UND FERTIGUNG
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BALLISTIKPROGRAMME So tun, also ob Ein Überblick über die zum Selberladen und zum Berechnen von Flugbahnen wichtigen elektronischen Hilfsmittel.
AUSSENBALLISTIK Immer der Kurve entlang Begleiten Sie das Geschoss auf seiner Reise und erfahren Sie, warum seine Flugbahnen immer krumm ausfallen.
MESSEN UND TESTEN
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Auch dieses Special war ein Gemeinschaftswerk des VISIER-Teams und weiteren Fachleuten: Andreas Wilhelmus verfasste die Einführung und schrieb mit Unterstützung von Jürgen Knappworst sowie Dieter Plößl über Innen-, Außen- und Jagdballistik. Die Laufschwingungen studierten der Physiker Guido J. Wasser und Ulrich Eichstädt. Christopher Hocke widmete sich zusammen mit Andreas Skrobanek den Prinzipien der Geschosskonstruktion sowie den Sondergeschossen. Zusammen mit Jürgen Knappworst verfassten diese beiden auch den Artikel übers Messen und Testen. Andreas Skrobanek fragte sich, wie Geschosse eigentlich wirken, Ulrich Eichstädt erstellte den Überblick über Ballistikprogramme. Michael Schippers machte die Studioaufnahmen. Marianne Lawen, Gary Zens und Thomas J. Wieger gestalteten die Layouts. Die Durchsicht der Artikel übernahm der Schweizer Ballistiker Peter Pulver, die Schlussredaktion Gabriele Vierschilling. Den Anhang erstellte Claudia Mullins. Neben RUAG stellten viele weitere Firmen Fotos zur Verfügung, besonders von Geschossen und Schnittmodellen. Jagdbilder kamen von Andreas Rockstroh. Allen Helfern ein herzliches Dankeschön! 5
INNENBALLISTIK
Mit Hochdruck
12
kann der Schütze sie in der Regel nicht sehen. Aber dafür spürt er sie umso mehr: die Vorgänge im Lauf einer Waffe vom Moment des Schussauslösens bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Geschoss die Mündung verlässt. Zusammengenommen bilden all diese Abläufe im Waffenrohr die Innenballistik. o geht‘s los: In diesem rasend schnell S ablaufenden Prozess treten extreme Kräfte, Beschleunigungen sowie relativ
hohe Temperaturen auf den Plan. Alles beginnt mit dem Auslösen des Schusses. Bei der heute gängigsten Methode trifft hierbei ein vom Abzug freigegebener Schlagbolzen auf ein Zündhütchen — bei Zentralfeuer-Munition. Bei Randfeuer-Patronen schlägt er auf einen Zündsatz, bei Stiftfeuerpatronen auf einen Stift am Patronenboden, der dann auf den Zündsatz geht. Die dabei eingebrachte mechanische Schlagenergie bringt den Zündsatz zum Detonieren. Das führt zu einem Flammenstrahl, der in die Treibladung geleitet wird. Der Strahl erreicht letztere entweder durch
einen Kanal im Hülsenboden, oder er entsteht unmittelbar im Pulverraum der Hülse. Dann zündet der Strahl die Treibladung an. Dabei soll das entflammte Pulver möglichst gleichmäßig und zur selben Zeit zu brennen beginnen. Die dabei produzierten Gase dehnen sich aus und bauen Druck auf. Je mehr der ansteigt, desto mehr erhöht sich auch die Temperatur in der Patronenhülse. Dadurch brennt das Pulver schneller ab. Der Druck und damit die Temperatur sind umso höher, je größer der Ausziehwiderstand des
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Fotos: M. Schippers, Dr. N. Noordhook, H. D. Kupsch, Brenneke, RUAG Ammotec, Lothar Walther, A. Wilhelmus, VISIER-Archiv
ieht man einmal von durch den S Trommelspalt eines Revolvers schlagenden brennenden Pulvergasen ab,
INNENBALLISTIK
Kugelpulver zählen zu den sogenannten offensiven oder auch degressiven Treibmitteln. Sie brennen anfangs sehr schnell ab. Die Korngröße beeinflusst auch die Abbrenngeschwindigkeit.
Auch die Plättchenpulver verhalten sich offensiv im Abbrand. Dieser lässt sich durch die Struktur der Oberfläche steuern. Raue, poröse Flächen brennen schneller an als glatte.
Zündhütchens aber nicht mehr aus, um den Treibsatz gleichmäßig zu entzünden. Daher greift man bei Büchsenpatronen häufig auf so genannte Flaschenhalshülsen zurück. Diese weisen vom Boden bis zur sogenannten Schulter einen deutlich größeren Durchmesser als das Geschoss auf. So können sie größere Pulvermengen aufnehmen.
Mit Quickload berechnete Gasdruckverläufe (rot) einer mit progressivem Pulver geladenen 308er Büchsenpatrone und einer mit offensivem Pulver laborierten 9-mm-Luger-Pistolenpatrone (u.). Das offensive Pulver baut zwar viel schneller Druck auf, der fällt jedoch auch sehr rasch wieder ab.
Querschnittsbelastung ab. Innenballistisch sorgen somit Geschosse mit geringer Querschnittsbelastung (siehe Kasten Seite 35) für hohe Mündungsgeschwindigkeiten. Allerdings bremst der Luftwiderstand die leichten Projekti16
le nach Verlassen der Mündung auch entsprechend schnell wieder ab. Was sich dann in punkto Reichweite und Wirkung im Ziel niederschlägt. Je mehr Bewegungsenergie einem Geschoss zugeführt wer-
den soll, desto größer ist in der Regel auch die dazu nötige Pulvermenge. Für die muss dann aber auch Platz in der Hülse sein. Den kann man zunächst durch Verlängern des Messingteils schaffen. Irgendwann reicht der Flammenstrahl des
Bei Waffen mit gezogenen Läufen existiert aber noch ein weiterer Faktor, der Einfluss auf die Höhe des Gasdrucks hat. Dabei handelt es sich um den Einpresswiderstand. Dieser entsteht, wenn sich das Geschoss in die Züge oder besser in die Felder einpresst. Dabei wird es leicht gestaucht, und zwangsläufig muss Geschossmaterial verdrängt werden. Der Einpresswiderstand hängt ab von der Länge der geführten Geschossfläche sowie der Härte und Zähigkeit des Geschossmaterials respektive seines Mantels. Während beim Ausziehwiderstand in erster Linie Trägheit und Reibungskräfte eine Rolle spielen, kommt beim Einpresswiderstand noch der für das Verformen des Geschosses nötige Energieaufwand hinzu. otationsloser und Freiflug: R Damit die beim Ausziehen und Einpressen entstehenden Widerstandskräfte nicht zum gleichen Zeitpunkt auftreten und sich so addieren, müssen sie zeitlich voneinander getrennt werden. Gezogene Läufe besitzen daher einen „angetrichterten“ Bereich vor dem VISIER SPECIAL 66/2012
Noch eine offensiv umsetzende Pulverform: Stäbchen- oder auch Nudel-Pulver (l.). Kleine Löcher in der Mitte der Körnchen rechts daneben weisen diese als neutrales Röhrchenpulver aus.
Patronenlager, den sogenannten Übergangskegel oder -konus. Der Gasdruck treibt das Projektil aus dem Hülsenmund in den zunächst glattwandigen Konus, bis es am Übergang zum kalibrigen Laufprofil auf die Züge und Felder trifft. Die Strecke, die das Geschoss bis dahin zurück legt, bezeichnet man als rotationslosen Geschossweg. Innerhalb dieser Strecke kann sich das Projektil sogar komplett ohne formschlüssige Führung durch den Lauf bewegen. Das
Da ist alles drin
ist der Fall, wenn das Geschossheck den Hülsenmund bereits verlassen und sein Bug die Züge noch nicht erreicht hat. Diese Phase des rotationslosen Fluges nennt sich Freiflug. Sie sollte so kurz wie möglich sein. Je mehr „Anlauf“ das Geschoss bis zum Eintritt in die Züge nimmt, desto härter schlägt es hier auf und verursacht dadurch unnötig starke Laufschwingungen. Diese Schwingungen haben negativen Einfluss auf die Präzision und werden im Artikel „Good
Die Patrone bringt alle für einen Schuss nötigen Komponenten in die Waffe. Dieses Vehikel besteht aus Hülse, Anzündhütchen (kurz: Zündhütchen), Treibladungspulver und Geschoss. Die Hülse nimmt alle anderen Teile auf. Sie dichtet durch „Anlidern“ das Patronenlager nach hinten an. Die Hersteller fertigen Hülsen heute überwiegend aus Messing. In Folge der hohen Buntmetallpreise finden sich auch welche aus Aluminium und in letzter Zeit wieder öfter Stahlhülsen. Nach ihrer Form unterscheidet man zwischen zylindrischen, konischen und Flaschenhalshülsen. All diese gibt es entweder mit einer Rille oder einem Rand für den Auszieher am Boden. Dort befindet sich auch das Zündhütchen respektive der Anzünder für das Treibmittel. Metalleinheitspatronen arbeiten mit Stiffeuer- (Lefaucheux-), Randfeuer- oder Zentralfeuerzündung. Bei der veralteten Stiftfeuer-Version überträgt ein aus der Hülse herausragender Stift die kinetische Energie des Schlaghahns auf den Zündsatz. Als Widerlager der „Zündpille“ dient dabei die Hülseninnenwand. Beim Randfeuer-Prinzip sitzt der Zündsatz in einer zum Pulverraum hin offenen Ringfuge im Bodenrand. Dieser liegt hinten am Patronenlager auf und wird unmittelbar durch den Schlagbolzen gezündet. Letzteres passiert auch bei der Zentralfeuerzündung. Hier sitzt aber das Zündhütchen mittig im Hülsenboden. Diese Anzünder unterscheidet man nach dem Konstruktionsprizip: Boxerzündhütchen bringen das Widerlager für den Schlagbolzen selbst mit und entfachen das Pulver durch einen zentralen Zündkanal. Berdanzündchütchen nutzten dazu einen Amboss in der Hülse und schicken ihre Funken durch mehrere kleiner Bohrungen neben diesem Dorn in der Zündglocke. Treibladungpulver und Geschosse werden bereits an anderer Stelle in diesem Special ausführlich AW beschrieben. VISIER SPECIAL 66/2012
Vibrations“ ausführlich beschrieben. Ganz ohne die Anlaufphase geht es aber in der Regel nicht, da sonst ja Auszieh- und Einpresswiderstand zusammen fallen würden.
sen setzen die Hersteller dafür etwa auf weicheres Manteloder Geschossmaterial, teils auch auf spezielle Gleitbeschichtungen. Auch hierzu später mehr in diesem Special.
Noch etwas zum Einpresswiderstand: Bei sehr harten Geschossmaterialien wie Kupfer oder Stahl liegen die Projektile oft nur mit ihren Führungspartien an den Feldern an. Diese Partien sind die sogenannten Führungsringe oder -bänder. Diese sorgen für eine kleinere Anlagefläche. Und die wiederum setzt den Reibungswiderstand und Verformungswiderstand beim Einpressen herab. Zudem verringern sie auch die Reibung während des restlichen Laufdurchganges und damit auch die Abnutzung des Rohres. Bei anderen Geschos-
asdruck und Repetieren: G Zurück zum zentralen Faktor für alle Vorgänge, die sich beim Schuss innerhalb der Waffe abspielen: dem Gasdruck. Gleich, ob Gas- oder Rückstoßlader — bei Selbstladewaffen steuert er mittelbar oder unmittelbar den Repetiervorgang. • Beim Gasdrucklader werden die Verbrennungsgase an einer oder mehreren Stellen (Gasport oder -ports) im Lauf abgezapft. Dann gelangen sie direkt oder über ein Kolbensystem (Pistonsystem) auf den Verschlussblock und drücken
Metalleinheitspatrone Geschoss
Hülsenrand Hülsenhals Hülsenschulter
Pulverraum
Hülse Treibladung
Auszieherrille
Hülsenboden Zündhütchen 17
INNENBALLISTIK
Übergangskonus
Freiflug rotationsloser Geschossweg Damit Auszieh- und Einpresswiderstand nicht gleichzeitig auftreten, durchfliegen die Geschosse einen konischen Übergang.
diesen gegen eine Schließfeder zurück. • Ein Rückstoßlader bezieht die für das Öffnen des Verschlusses nötige Energie ausschließlich aus einer bestimmten Gegenkraft. Sie tritt auf, wenn das Geschoss — durch den Gasdruck — beschleunigt wird. Folglich führen zu hohe Gasdrucke genauso wie zu niedrige bei beiden Waffentypen zu
Funktionsstörungen. Die äußern sich etwa so: Eine zu „schlappe“ Patrone liefert nicht genug Energie, um den Verschluss ganz zu öffnen und die Hülse auszuwerfen. Eine zu starke Laborierung beschleunigt den Verschluss zu schnell nach hinten. Folglich wirft die Schließfeder ihn zurück, bevor die letzte Hülse das Auswurffenster komplett verlassen hat und so das Zuführen einer neuen Patrone verhindert.
Waffenstörungen zählen jedoch zu den vergleichsweise harmlosen Folgen eines fatalen Gasdrucks, wenn man sich nicht gerade in einer Notwehroder Gefechtssituation befindet, versteht sich. Viel gefährlicher für Leib und Leben von „Otto Normalverbraucher“ sind in der Regel Waffensprengungen (siehe auch VISIER 5/2007). Diese treten etwa bei zu hohem, sprunghaft ansteigendem Gasdruck durch zu große Treibladungsmengen oder falsche -sorten auf. Solche unkontrollierten Gasdrucksprünge können aber auch bei reduzierten Ladungen stattfinden. Bei zu geringem Druck bleibt das Projektil womöglich auch im Lauf stecken. Folgt dann ein weiteres Geschoss, kann es die vor ihm im Lauf „stehende“ Luft nicht weiter vor sich her schieben und baut so einen enormen Staudruck auf. Dies führt wiederum zu einem enormen Anstieg des Gasdrucks hinter dem neuen Ge-
schoss. Es folgt die Gefahr, dass dieser hohe Druckanstieg Lauf oder Patronenlager zum Bersten bringt. rüfinstanzen: Damit so etP was nicht passiert, gibt es verschiedene internationale Institutionen, die neben den maximalen Abmessungen auch den Wert für den maximalen Gebrauchsgasdruck einer Patrone festlegen. Hier sind zunächst zu nennen: das Militärbündnis NATO und das Sporting Arms and Ammunition Manufacturers’ Institute, kurz SAAMI. Letztgenanntes ist ein Zusammenschluss von Waffen- und Munitionsherstellern in den USA. Die von diesen Organisationen festgelegten Werte unterschieden sich teilweise stark von einander. In Deutschland rechtsverbindlich sind allerdings nur die vorgegebenen Patronenund Lagermaße sowie die vorgeschriebenen Gasdruckwerte der C.I.P. Das Kürzel steht für
Mit Hilfe von piezoelektrischen Messfühlern (u.) lässt sich der Gasdruckverlauf von der Zündung bis zum Moment, in dem das Geschoss die Mündung verlässt, festhalten. Messpunkt ist laut C.I.P. das Patronenlager, dazu muss die Hülse (r.) angebohrt werden. Die Patrone kommt dann samt Prüflauf in die Messapparatur (oben die von Munitionshersteller Brenneke). 18
VISIER SPECIAL 66/2012
Da dreht sich was
Laufinnenprofile unterscheiden sich nach Feld- und Zugdurchmesser, der Anzahl der Züge und Felder sowie dem Drall. Dabei „fahren die Züge durch die Felder“. Sprich: Die Züge sind die spiralförmigen Einschnitte und die Felder die erhabenen Stellen im Lauf. Die führen das Geschoss beim Durchgang und bringen es zum Rotieren um seine Längsachse. Als Dralllänge bezeichnet man den Weg, auf dem sich dabei ein Geschoss einmal um die eigene Achse dreht. Am verbreitetsten sind Läufe mit Rechtsdrall. Hier dreht sich das Projektil im Uhrzeigersinn. Neben diesen gezogenen Läufen gibt aber auch Rohre, die das Geschoss ohne Züge und Felder in Rotation versetzen. Die Bohrung dieser so ge-
Oben: Blick in die Mündung eines 357er Revolvers mit gezogenem Lauf. Unten: Der Laufabschnitt eines PistolenLaufs in 9 mm stammt aus der Produktion von Lothar Walther. Bei diesem Rohr fallen die Felder breiter aus als die Züge.
die Commission Internationale Permanente pour l'Épreuve des Armes à Feu Portatives (Ständige Internationale Kommission für die Prüfung von Handfeuerwaffen). Sie kontrolliert und reglementiert das BeVISIER SPECIAL 66/2012
schusswesen in ihren Beitrittsstaaten. Auch die deutschen Beschussämter unterliegen der C.I.P. In Deutschland für den zivilen Markt zugelassene Munition erkennt man an dem aufgedruckten C.I.P-Zeichen
nannten Polygonläufe weist den Querschnitt eines regelmäßigen Vielecks (Polygon) auf. Dabei ist die Bohrung bereits in sich gedreht. Die spiralförmigen Führungsflächen (Seiten des Vielecks) übertragen die Rotation auf das Geschoss. Polygonläufe gelten als haltbarer und sind leichter zu reinigen. Sie haben keine scharfen Kanten. Das Geschoss liegt an den Kontaktflächen dichter an. Die Projektile erreichen somit höhere Mündungsgeschwindigkeiten. Allerdings eignen sich Polygonläufe nur für geringe Drallgeschwindigkeiten. Bei zu großem Tempo können die Projektile über die Kontaktflächen „schlüpfen“, ohne in ausreichende Rotation zu geraten. Warum sich die Geschosse drehen sollen, lesen AW Sie im Kapitel „Außenballistik“.
Oben: Polygonläufe haben ihren Namen von der vieleckigen Bohrung, die sich vom Überganskonus bis zur Mündung durch den Lauf windet. Unten: Die Polygonbohrung besitzt Führungsflächen statt Felder für die Geschossführung.
auf der Verpackung. Nicht „gecipte“ Munition (außer wiedergeladene) ist für den hiesigen Sportschützen und Jäger tabu. essmethoden: Damit soMwohl die Beschussämter,
als auch die Munitionshersteller die Einhaltung des Maximalgasdrucks überprüfen können, bedarf es natürlich auch eines Messverfahrens. Aufgrund der bereits geschilderten extremen Druck- und 19
AUSSENBALLISTIK
eitenabweichung: Ein GeS schoss mit Rechtsdrall rollt im Flug aufgrund des nach dem deutschen Physiker Heinrich Gustav Magnus benannten Magnuseffekts (siehe Glossar) leicht nach rechts, eines mit Linksdrall entsprechend in die andere Richtung. Das macht sich aber erst auf größere Schussdistanzen ab etwa 600 Meter bemerkbar. Aber auch dort spielt es im Vergleich zur Windabweichung kaum eine beachtenswerte Rolle. Vereinfacht: Bei der .223 mit 69Grains-Geschoss kann man auf 300 m mit etwa zwei Zentimetern, auf 600 Meter mit 13 Zentimetern und auf 900 m mit 45 cm Seitenabweichung rechnen. Das gilt aber auch analog für alle Kaliber mit ähnlicher Flugbahncharakteristik. Recht simpel gesagt, lässt sich der Magnuseffekt durch eine geringe Schrägstellung der Visierung nach links bei Rechtsdrall oder im umgekehrten Fall in die andere Richtung auffangen.
geschwindigkeiten über 70 Stundenkilometer (19,44 m/s) und Entfernungen über 300 Meter macht er sich zielseitig im Zentimeterbereich bemerkbar. Die Böen liegen dann aber
schon im stürmischen Bereich. Da brechen auch schon dickere Äste weg, und Dachziegel fliegen davon. Von entscheidender Bedeutung ist aber der Wind, der von der Seite auf das
fliegende Projektil trifft. Auch hier spielt der Ballistische Koeffizient eine Rolle. Schnell verzögerte Geschosse sind windempfindlicher als welche mit großem BC. Unter Wind-
Nur viel schwerer bekommt man den Windeinfluss in den Griff. Eigentlich zu vernachlässigen ist Längswind, egal, ob er frontal oder vom Heck auf das Geschoss weht. Erst ab WindFrühe Feuerwaffen arbeiten ohne technische Hilfen der Geschossstabilisierung. 38
VISIER SPECIAL 66/2012
Aufgrund der oft nur kurzen Zieldistanzen machen sich Geschossabfall und Winddrift beim Schießen mit Kurzwaffen nicht nennenswert bemerkbar.
empfindlichkeit versteht der Ballistiker übrigens die vom Wind hervorgerufene seitliche Ablage eines Geschosse pro 1 m/s Querwind. Auf besagte 300 Meter Distanz sind das bei
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Büchsengeschossen etwa vier bis acht Zentimeter. Bei 3 m/s Seitenwind entsprechend zwölf und mehr Zentimeter. Konstanten Seitenwind können erfahrene Schützen
durch Ändern des Haltepunktes ausgleichen. Bei Böen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten oder wechselnden Richtungen geht das nicht mehr. Bei Kurzwaffen
kommt der Seitenwind aufgrund kleinerer Schussweiten (in der Regel bis maximal 50 Meter) und damit kürzerer Geschossflugzeiten kaum zum DP/AW Tragen.
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WIRKSAMKEIT & WIRKUNG
den lokalen schaften ab.
Gewebeeigen-
Blutkreislauf (schematisch)
Trotzdem versuchen Militärs schon seit Jahrzehnten, Wirksamkeitskriterien in JouleZahlen anzugeben. Motto: Eine ungenaue Zahl ist besser als keine. In Deutschland tauchte schon 1896 der noch heute international verbreitete Wert von 80 Joule auf. Sie sollen genügen, um einen Gegner gerade kampfunfähig zu machen. Doch die Zahlen schwanken bis zu 240 Joule (Russland) und scheinen daher oft recht willkürliche Annahmen zu sein. Weil die Trefferwirkung auch von physischen und psychischen Faktoren abhängt, dürfte außerdem ein realitätsnaher Wert bestenfalls statistisch zutreffen, also bezogen auf eine große Anzahl von Fällen. wischen Leben und Tod: Z Wie Geschosse töten, scheint auch heute noch nicht endgültig klar. Dafür gibt es viele Gründe. Der wichtigste: Sterben ist ein Prozess, eine genaue Grenze zwischen Leben und Tod lässt sich vielleicht niemals finden. Todeskriterien sind deshalb mehr oder weniger willkürliche Definitionen. Da Mediziner heute Menschen erfolgreich wiederbeleben können, gelten Atem- und Herzstillstand nicht mehr als Kriterien — der Gesetzgeber macht deshalb den sogenannten Hirntod zum Maßstab. In der Jagd genügt dagegen, dass das Herz des Tieres nicht mehr arbeitet. Beachtet man diese Schwierigkeiten nicht, bleiben noch genug Fragen übrig: Wundballistiker streiten bis heute über die unmittelbaren Ursachen für den mittelbar durch eine Schussverletzung verursachten Tod. Sichere Befunde dafür, dass ein komplexes Nervenversagen einen sogenannten Schocktod auslösen kann, gibt es zum Beispiel nicht. Trotzdem vermuten einige Fachleute, dass ein Geschoss diesen Effekt haben kann. Der Schweizer Ballistiker Peter 56
Die Wirkung eines Projektils hängt entscheidend davon ab, welche Blutgefäße ein Treffer zerstört. Denn Blut versorgt den gesamten Körper und das Gehirn mit lebenswichtigem Sauerstoff.
Bei Holzzielen hängt die Wirkung des Geschosses davon, ob es längs oder wie hier quer zur Faser eindringt. In diesem Versuch lag die Eindringtiefe des .45-ACP-Projektils um ein Drittel niedriger als beim Vergleichsbeschuss längs zu den Fasern. Auch die Holzart spielt für das Ergebnis eine Rolle. VISIER SPECIAL 66/2012
Pulver betrachtet das Problem sehr viel pragmatischer: “Das A und O der Tötungswirkung von mit Schusswaffen abgefeuerten Projektilen ist die mechanische Zerstörung am richtigen Ort. Jede vorsätzliche mechanische Tötung eines Säugetieres ist letztendlich mit Verbluten verbunden oder mit Zerfetzen durch übermäßige Energiezufuhr — sofern nicht zentrale Steuerungselemente wie Hirn, Rückenmark etc. durch ihren Ausfall beziehungsweise Einfluss den Blutkreislauf (Herztätigkeit) stoppen und dadurch den (Hirn)tod AS auslösen.”
THV im Test: Wegen ihrer sehr kleinen Masse von 2,8 bis 2,9 Gramm erreichten die THVProjektile in den Kalibern 9 mm Para und .38 Special/.357 Mag. eine sehr hohe Mündungsgeschwindigkeit von 600 bis 850 m/s. Die Querschnittsbelastung ist deshalb klein, und die Geschosse reißen einen trichterförmigen Schusskanal in die ballistische Seife (l. im Kaliber .357 Magnum). Das Diagramm unten zeigt, dass die meiste Energie schon an das Ziel abgegeben wird, wenn der zylindrische Projektilteil ins Ziel eindringt. Das Hohlspitzgeschoss gibt dagegen seine meiste Energie erst nach dem Aufpilzen ab (gestrichelt.).
Energieabgabediagramm
THV-Geschosse besitzen keinen Bleikern, sondern bestehen aus einer Kupfer-ZinkLegierung. Durch den Hohlraum im Projektil kann die Laborierung mehr Pulver aufnehmen.
JAGDBALLISTIK
Kurz und schmerzlos 58
männer. Zielballistik wird auch als End-, Terminal- oder Wundballistik bezeichnet. Dabei ist der letzte Ausdruck der aus jagdlicher Sicht wohl treffendste – gilt es da doch, dem Wild tödliche Wunden beizubringen. Möglichst so, dass es schnell ohne lange Qualen stirbt. Daher interessiert die Grünröcke vor allem, was die gewählte Munition im Wildkörper bewirkt – präziser: das Geschoss. Schließlich will man sicher stellen, dass der Anspruch an ein „waidgerechtes“ Töten auch vom Projektil erfüllt wird. Nebenbei bemerkt, handelt es sich bei der „Waidgerechtigkeit“ nicht um einen starren, eindeutig definierten Begriff, sondern vielmehr um einen aus der Tradition heraus gewachsenen jagdethi-
schen moralischen Anspruch. Dieser passt sich selbstverständlich den jeweils aktuellen tierschutzethischen Dinglichkeiten und technischen Möglichkeiten an. Da der Jäger vordringlich mit der Langwaffe dem Wild nachstellt, hat er demzufolge auch gewisse Ansprüche an die Geschosse, die er damit verschießt. Grundsätzlich sollen sie eine hohe Tötungswirkung mitbringen. Das gilt für Büchsengeschosse, Schrot und Flintenlaufgeschosse gleichermaßen. Da sich diese aber in ihrer Funktions- und Wirkungsweise teilweise erheblich unterscheiden, müssen sie auch getrennt von einander betrachtet werden. So gilt das Augenmerk zunächst den wohl in Deutschland am häufigsten jagdlich verwendeten Geschossen, den Büchsengeschossen.
Die mit dem Dreh: Geschosse sollen das Wild durch Zerstören lebensnotwendiger Organe oder durch das Herbeiführen von schnellem, großem Blutverlust töten. Welche Vorgänge sich dabei etwa im Gewebe des Tieres abspielen, steht ausführlich im vorangegangenen Artikel. Allerdings soll das Büchsengeschoss bei der Jagd nicht alle seine Energie im Körper abgeben, sondern noch einen Ausschuss erzielen. Letzterer ist wichtig, da das getroffene „Stück“ (= das einzelne Tier) in mehr als der Hälfte aller Fälle nicht direkt – wie der Jäger sagt – im Feuer liegt. Anders ausgedrückt, stirbt es nicht immer sofort an dem Ort, wo es getroffen wurde. Sogar bei einem optimalen Treffer mitten ins Herz passiert das. So kann etwa ein so getroffener stattlicher Keiler durchaus noch mehrere hun-
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Fotos: M. Schippers, P. Pulver, A. Rockstroh, A. Wilhelmus, VISIER-Archiv
aum eine Gruppe von Waffenträgern K beschäftigt sich so intensiv mit dem Thema Zielballistik wie die der Waid-
JAGDBALLISTIK
Ein toter Fuchs diente Peter Pulver als Testobjekt zur Bestimmung der Eindringtiefe von Schroten. Aus 40 Meter Entfernung schlugen die 3 mm großen Körner fast komplett durch den Rotrock.
bei auf seine Erfahrungen bei der in der Schweiz erlaubten und verbreiteten Rehjagd mit Schrot und Versuche mit Füchsen. Bei diesen Jagden fliehen mit Schrot beschossene Rehe oft große Strecken, während
andere bei gleicher Trefferlage sofort umfallen. Pulver führt das blitzartige Zusammenbrechen daher auf Treffer im Rückenmark oder davon ausgehende Nerven zurück. Dadurch werden die Tiere paraly-
siert. Sie sind aber nicht sofort tot, sondern verbluten anhand anderer Treffer innerlich. Oft atmen die Rehe noch, sind aber nicht mehr bei Bewusstsein, bis der Tod durch Blutverlust nach einigen Sekunden bis we-
Die Größe der Schrote variiert mit der Größe der Wildart: Die 3,5-mm-Schrote (l.) eignen sich etwa für Hase, Fuchs und Gans und die 2,5 mm großen Körner für Schnepfe, Taube und Kaninchen. 68
VISIER SPECIAL 66/2012
Für Hasen reichen auf kurze Distanz auch Schrote von 3,0 mm Durchmesser aus.
nigen Minuten eintritt. Kritiker halten dagegen, dass die Schrote dazu im Allgemeinen nicht tief genug in den Wildkörper eindrängen. Dem widersprechen Erfahrungen von Schweizer Jägern, deren vier Millimeter starke Schrote regelmäßig Rehe auf 30 Meter Distanz komplett durchschlagen. Auch Pulvers Schussversuche mit dem Fuchs widerlegen die Aussagen zur mangelnden Eindringtiefe: Ein bereits toter Reineke wurde dazu mit 3-mm-Schrot auf 40 Meter Distanz beschossen und anschließend untersucht. Dabei lagen die Schrote dann tatsächlich unmittelbar unter der Haut, aber auf der dem Einschuss gegenüberliegenden Seite. Da Füchse dicker sind als Hasen, erübrigte sich ein analoges Experiment mit dieser Wildart. Die Schrote Büchse wie Flinte. Welches dringen demnach in jedem Geschoss der Jäger letztlich wählt, das muss er selbst entFall tief genug ein. scheiden. Er sollte jedoch stets usammenfassend lässt sich mit der gewählten Munitionssagen: Die Geschoss- und sorte oft genug auf dem Munitionshersteller fertigen Schießstand geschossen haein ausreichendes Repertoire ben. So stellt er sicher, dass an Patronen, um die einzelnen der Treffer auch dort sitzt, wo Arten der Jagd waidgerecht er schnell seine tödliche WirAW auszuüben. Das gilt für kung entfalten kann.
Z
In der Schweiz rücken die Jäger mit Schrot auch Rehwild zu Leibe. Vorgeschriebene Mindestschrotgrößen sind hier 3,5 bis 4 mm. Oft liegen die Rehe damit direkt im Feuer.
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BALLISTIKPROGRAMME
PC: Quickload/ Quicktarget Das schon seit Mitte der 90er Jahre auf dem Markt befindliche deutschsprachige Programm wurde von Dipl. Ing. Hartmut Brömel aus Dreieich geschrieben. Mittlerweile ist es als CD-ROM in Version 3.6 bei verschiedenen Anbietern erhältlich, es verlangt nach einem Windows-Betriebssystem (ME, 2000, XP oder Win7). Das Handbuch in Deutsch und Englisch ist auf der CD zu finden, im Programm kann man die Sprache umstellen. Über 840 Kaliber und über 160 gängige Pulversorten sind integriert, ebenso über 1800 (!) übliche Geschosse mit ihren Ballistischen Coeffizienten. Weitere kann man selbst hinzufügen, von Zeit zu Zeit gibt Brömel auch Updates der Datensätze heraus. Es handelt sich quasi um zwei gekoppelte Programme: In „Quickload“ kann man Ladungen berechnen und sich auch langsam an die (theoretisch) ideale Ladung herantasten, indem man den Gasdruck und/oder die Mündungsgeschwindigkeit anpasst. Im Unterschied zu anderer Software zur Innenballistik werden hier nach einem sehr praxisnahen Rechenmodell die Daten ermittelt und nicht aus einer statischen Datenbank gezogen. Das klappt erstaunlich „treffsicher“, was selbst Profis aus Beschussämtern („den Abbrand von Pulvern kann man eigentlich nicht ohne weiteres berechnen“) erstaunt bestätigten. Nebenbei kann man den Rückstoß oder die Belastung für eine ZF-Montage ermitteln (um nur zwei Schmankerl zu nennen) und die Daten schließlich auf den eigenständigen Teil 2 übertragen: In „Quicktarget“, dem Außenbal-
Ein großer Monitor ist durchaus von Vorteil, um die einzeln aufklappenden Fenster in Quickload nebeneinander platzieren zu können (hier Version 3.5, aktuell ist 3.6).
Die Quicktarget-Ergebnisse kann man im Menü „Ausgabe als ...“ nach Wunsch anzeigen lassen. Das Raster und die Linienstärke sind änderbar, außer einer Grafik sind auch Schusstafeln möglich.
Ein besonderes Feature von Quicktarget ist die Darstellung der errechneten Trefferlage auf diversen Ring- oder Tiermotivscheiben, um Änderungen an den Einstellungen „im Ziel“ verfolgen zu können. 88
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listik-Programmteil, lassen sich die Quickload- wie auch eigene Daten „auf die Reise ins Ziel“ schicken. So sind diverse Ausgabeformen möglich, von der Schusstafel bis zur Grafik, alles basierend auf dem G1-Luftwiderstandsmodell und nur für flache Flugbahnen. Die CD enthält aber auch die Programmvariante „Quicktarget unlimited“, deren Rechenmodul unabhängig vom Luftwiderstand Schüsse auf weite Distanzen (Longrange), die maximale Steighöhe oder Höchstschussweite ermitteln kann. Die wenigen Wermutstropfen: Zum einen warnt die Software bei Quickload etwa beim Überschreiten der zulässigen Gasdrucke. Aber die Berechnung wird dennoch durchgeführt — man muss also stets wissen, was da tatsächlich simuliert wird und sollte sich innerhalb der Bereiche der Firmen-Ladetabellen bewegen. Ein entsprechender Warnhinweis beim Programmstart nervt (Gott sei Dank) so lange, bis man ihn mit „Ich stimme zu“ bestätigt. Davon abgesehen ist der Bildschirmaufbau mit zahlreichen Fenstern manchmal unübersichtlich, da man auch Warnhinweise verdecken könnte. Fazit: Quasi eine Pflichtsoftware für jeden Wiederlader und „Pulverforscher“, ebenso geeignet für alle außenballistischen Fragen. Das Programmpaket kostet ab 139 Euro bei Händlern wie Frankonia oder UE Johannsen.
Sehr leistungsstark, aber PC-technisch antiquiert: Nennstiels EB V4 in Englisch und im DOS-Fenster.
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Zum Programm-Paket „Quickload/Quicktarget“ gehört die Variante „Quicktarget unlimited“ — hiermit lassen sich unabhängig von der G1-Luftwiderstandsformel Schüsse auf lange Distanzen oder in die Höhe berechnen.
PC: Exterior Ballistics V 4.2 Forensiker und berufliche Ballistiker aus aller Welt halten die deutsche, aber nur in Englisch lieferbare Software „Exterior Ballistics 4“ für eins der besten Berechnungsprogramme für Außenballistik. Kein Wunder, denn der Programmierer Ruprecht Nennstiel ist für solch waffentechnische Fragen beruflich prädestiniert. Der Autor von Ballistik-Fachartikeln (in Englisch) arbeitet als Forensiker bei einer „Wiesbadener Bundesbehörde“ (private Website: www.nennstiel-ruprecht.de). Der Makel an der „aktuellen“ Software-Version 4.2, die Nennstiel für 150 Euro anbietet: Es handelt sich um ein „DOS“-Programm aus den Zeiten vor Windows (und der Jahrtausendwende) und läuft auf heutigen Windows-PCs nur mit Hilfe der Zusatzsoftware „Dosbox“. Die wiederum erfordert ausgiebige Kenntnisse an Eingabebefehlen, um sich überhaupt zum Start-Verzeichnis durchzuhangeln. Ausgedruckt werden kann nur auf ... Nadeldruckern — die mögen außer in vielen Behörden nur noch im Museum zu finden sein. Fazit: UE für Spezialisten, für alle anderen zu „speziell“.
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