VISIER-Special 114 Leseprobe

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Maschinengewehre II

Maschinengewehr-Magie

Der Dienst am VISIER-Messestand gehörte während meines Volontariats

Anfang der 2000er Jahre immer zum angenehmen Arbeiten. Man kam ins direkte Gespräch mit der Leserschaft, führte Hintergrundgespräche mit Kolleginnen und Kollegen, Kameraden und Kunden und erhielt immer gute Anregungen. Ein wichtiger Auftrag bestand darin, den in den Messestand integrierten Fernseher über einen VHS-Videorekorder mit Futter zu versorgen. Dabei sorgte ein gut einstündiger Film regelmäßig für Menschentrauben: Machine-Gun Magic. Der 1991 von Dillon-Precision-Gründer Mike Dillon produzierte Streifen behandelte die Geschichte der Maschinengewehre und die Faszination der Feuerstöße. Dabei zeigte er unter anderem Live-Aufnahmen von MGSchieß-Events in den USA. Hier verschossen die Teilnehmer waggonweise Munition, um Autowracks oder auch Modellflugzeuge zu zerlegen.

Kein Zweifel, dem Maschinengewehr wohnt bis heute eine Magie inne. Auch VISIER hat dem immer wieder Rechnung getragen. So knüpft dieses Heft etwa an die Specials 45 (Maschinengewehre) und 75 (Moderne deutsche Maschinenwaffen) an. Bis vor etwa zehn Jahren kannte ein großer Teil der deutschen Bevölkerung das Maschinengewehr sogar aus eigenem Erleben. Die meisten Wehrpflichtigen, Zeit- und Berufssoldaten der Bundeswehr lernten bereits in den ersten Dienstmonaten, das MG3 zu zerlegen, zusammenzusetzen und damit zu schießen. Ob demnächst neue Generationen Wehrpflichtiger die Nachfolgemodelle MG4 und MG5

bedienen lernen, bleibt abzuwarten. Von der vielbeschworenen sicherheitspolitischen Zeitenwende bleibt unser dreifach – strukturell, materiell und intellektuell – demobilisiertes Land derzeit leider noch weit entfernt. Aus meiner Sicht jedenfalls kann nur eine militärisch und gesamtstaatlich sinnvoll ausgestaltete Wehr- oder Dienstpflicht nachhaltig zur Widerstandsfähigkeit und Wehrhaftigkeit unserer Freiheit und Demokratie beitragen. Keine Zeitenwende gab es hinsichtlich meiner beruflichen Situation, daher hier wieder der Hinweis: Seit Ende 2015 bin ich hauptberuflich als Öffentlichkeitsarbeiter in der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie tätig. Dieses VISIER Special entstand im Rahmen meiner genehmigten Nebentätigkeit als freier Autor. Ich gebe hier ausdrücklich meine persönliche Meinung wieder. Und nun: Lasst die Magie geschehen!

Nassau an der Lahn, im September 2024

Dr. Jan-Phillipp Weisswange VISIER-Autor

IMPRESSUM

VISIER – DAS INTERNATIONALE WAFFEN-MAGAZIN

VERLAGS-/REDAKTIONSANSCHRIFT: BURGBERGWEG 1, 56377 NASSAU

E-MAIL-ADRESSE: VISIER@VISIER.DE

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INTERNET: W WW.ALL4SHOOTERS.COM

AUFSICHTSRATSVORSITZENDER: Carlo Alberto Gussalli Beretta

GESCHÄFTSFÜHRER: Dirk Schönfeld

LEITER DES REDAKTIONELLEN BEIRATS: Matthias S. Recktenwald (MSR)

CHEFREDAKTEUR: Hamza Malalla (HM), verantwortlich gemäß rheinland-pfälzischem Pressegesetz

REDAKTION: Robert Riegel (RR), Redaktionsassistenz: Natalia Dupper (ND), Durchwahl: -20.

LAYOUT & PRODUKTION: Markus Kimmel / Kimmel Creative, Lahnstein

FREIE AUTOREN DIESER AUSGABE: Dr. Jan-Phillipp Weisswange

ANZEIGENVERKAUF: Leitung Peter Hoffmann +49 (0) 221 94 19 88 92, E-Mail: peter.hoffmann@vsmedien.de

ANZEIGENABWICKLUNG: Rajaa Lamdarder-Sobotta +49 (0) 2604 94 464-15, E-Mail: rajaa.sobotta@vsmedien.de

ANZEIGENSATZ: Markus Kimmel / Kimmel Creative, Lahnstein

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VISIER erscheint monatlich jeweils am letzten Freitag des Vormonats. Preis des Einzelheftes: 6,90 Euro inkl. MwSt.

VISIER SPECIAL erscheint viermal im Jahr. Der Preis des Einzelheftes: 9,90 Euro inkl. MwSt. Im Festbezug: 9,90 Euro, bei kostenfreier Anlieferung. ISBN: 978-3-944196-57-2, ISSN: 0948-0528

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ERSCHEINUNGSTERMIN: 27. September 2024

FOTOS TITEL UND INTRO: FN Herstal, Heckler & Koch, Rheinmetall, SIG Sauer, Jan-P. Weisswange, Archiv

Dr. Jan-Phillipp Weisswange

Bundeswehr-Soldaten sichern mit ihrem MG5 ihre Kameraden – ab Seite 16 steht, welche Rolle das Universalmaschinengewehr heute erfüllt.

Das Dillon Aero 134D alias Maschinengewehr MG6. Was sich bei den schweren MG und Mehrrohrwaffen tut, lesen Sie ab Seite 76.

FN Herstal stellte mit seiner Evolys-Familie ein neues ultraleichtes MG-Konzept vor. Mehr zu diesem modularen System und anderen Hybriden ab Seite 62.

Israelischer MG-Schütze mit Negev-7 und Feuerleitsystem Arbel. Zum System Maschinengewehr gehören Optik und Optronik ebenso wie weiteres Peripheriegerät. Mehr dazu ab Seite 84.

Das leichte MG HK421 im scharfen Schuss. Ab Seite 40 lesen Sie alles zu der Entwicklungsgeschichte des neuen Maschinengewehrs aus Oberndorf.

Mit der „gelben Schleife“ und mit dem Veteranen-Abzeichen möchte das Team die Verbundenheit zur aktiven Truppe unterstreichen! Wir stehen hinter Euch!

Einführung

Kernstück der Kampfkraft S. 6

Grundsätzliches zu Einsatz und Nutzung der Maschinengewehre in den heutigen Streitkräften sowie aktuelle taktischtechnologische Entwicklungen und Trends.

Waffen

Auf weitere Sicht im Schwerpunkt S. 16

Die mittlere Klasse: Universalund Einheitsmaschinengewehre.

Kompakte Kugelspritzen S. 30

Die FN Minimi-Familie und weitere leichte Maschinengewehre.

Wo Rauch ist, ist auch Feuer S. 40

Das HK421 und das MG4 – die leichten Maschinengewehre aus Oberndorf.

Der Griff zum Gurt S. 48

Die leichten MG-Konstruktionen aus Russland und China.

GIs neues Gruppen-LMG S. 56

Das Next Generation Squad WeaponVorhaben der U.S. Army.

Lütticher LMG in Lauerstellung

Die Waffenfamilie FN Evolys und S. 62 weitere ultraleichte Maschinengewehre.

Die neuen Mittelschwergewichte

Die neue Klasse der mittelschweren S. 68 Maschinengewehre im Kaliber .338 Norma Magnum.

In guter Gesellschaft S. 76

Schwere und überschwere MG sowie Mehrrohrwaffen.

Kampfkraftmultiplikatoren

Eins, zwei, drei – alles dabei S. 84 Optik, Optronik, Ausrüstung und Zubehör.

Anhang

Licht ins Dunkel S. 92

Ansprechpartner und Adressen.

Ein herzliches Dankeschön!

Wie immer gilt mein herzlicher Dank dem VISIER-Team, meinem „alten Haufen“. Dieses Jahr waren insbesondere Markus Kimmel, Hamza Malalla, Tanja Kleucker und Peter Hoffmann an der Publikation beteiligt. Ich danke allen Kolleginnen, Kollegen und Kameraden aus der Industrie, aus den Fachmedien sowie aus den Streitkräften sowie Behörden und Orga-

Kurzinformationen

Alles Gurte S. 10

Patrone 7,62 x 51 mm NATO S. 23

Patrone 7,62 x 54 mm R S. 27

Patrone 5,56 x 45 mm NATO S. 35

Patronen 7,62 x 39 mm und 5,45 x 39 mm S. 52

Patrone 5,8 x 42 mm S. 54

Patrone 6,8 x 51 mm S. 61

Der Marine Corps-Ansatz: M27 Infantry Automatic Ri e S. 67

Die Patrone .338 Norma Magnum (8,6 x 63 mm) S. 70

Die Patrone .338 Norma Magnum (8,6 x 63 mm) S. 70

Die Patronen 12,7 x 99 mm und 12,7 x 108 mm S. 79

Die Patrone 14,5 x 114 mm S. 80

Die Patrone 14,5 x 114 mm S. 80

Dank des VISIER-Teams S. 98

nisationen mit Sicherheitsaufgaben, welche dieses Special durch Hintergrundgespräche, Informationen und Bildmaterial unterstützten. Ein riesengroßes Dankeschön gebührt einmal mehr meiner Familie, besonders Anke und „Woti“, für ihre Liebe und Geduld. Und ich danke allen, welche ich in meiner Aufzählung vergessen habe.

Hier geht‘s zu all4shooters:

Universal- und Einheitsmaschinengewehre:

Auf weitere

Sicht im Schwerpunkt

Bildnachweis: Bundesheer, Bundeswehr, M.Chernov, FN Herstal, Heckler & Koch, Vitaly Kuzmin, MilitaryNewsUA, MoD France, MoD UK, NATO/SHAPE, Norinco, Ohio Ordnance Works, Rheinmetall, Rosoboronexport, U.S. Army, USMC, Jan-P. Weisswange, Wikipedia, X (vormals Twitter), ZM Tarnow/Aneta Gawle, Archiv

Unterstützungswaffe für die Infanteriegruppe:

Kompakte

Kugelspritzen

Die Ära des leichten Maschinengewehrs – kurz lMG – begann in der westlichen Hemisphäre, als in den 1980er Jahren das zweite NATO-Standardkaliber in Form der 5,56x 45 mm aufkam. Ziel dieser Umrüstung war es, durch leichtere Waffe und kleinkalibrige Munition das Gewicht der Kampfbeladung zu senken, den Munitionsvorrat am Mann zu erhöhen und die Treffsicherheit durch geringeren Rückstoß und höhere Rasanz des Geschosses zu steigern. Die neuen lMGs sollten als kompakte Kugelspritzen in der Infanteriegruppe die Feuerkraft eines MGs mit der Führbarkeit und Genauigkeit eines senken, den

Sturmgewehrs kombinieren. Weiterhin erschien es aus taktischen und logistischen Gründen unzweckmäßig, zwei verschiedene Munitionsarten, neben den neuen kleinkalibrigen Patronen noch die ältere 7,62 x 51 mm, auf Gruppenebene zu führen. Ansätze für magazingespeiste Langwaffen dieser Art, etwa die L86 Light Support Weapon der Briten, die Automatic Rifl e and Machine Gun-Version (ARM) des israelischen Galil-Sturmgewehrs oder später die lMGVersion des G36, bewährten sich nicht. An einem echten leichten MG im neuen NATO-Standardkaliber führte früher oder später kein Weg vorbei.

Mini-Maschinengewehr:

Mit der Kaliberergänzung der NATO um eine leichtere Laborierung feierte die Mini-Mitrailleuse von FN Herstal einen veritablen Siegeszug. Die kurz Minimi genannte Waffe stammt ebenfalls von Konstrukteur Ernest Vervier und kam 1974 erstmals auf den Markt. Das Minimi wiegt leer je nach Ausführung knapp unter sieben Kilo, arbeitet als zuschießender Gasdrucklader mit Drehkopfverschluss, lässt sich wahlweise mit Magazinen oder mit einem Zerfallgurt laden und verfügt über einen Schnellwechsellauf ähnlich dem Gimpy. Die US-Streitkräfte beschafften es ab 1982

Bildnachweis: Caracal, Denel, FN Herstal, Heckler & Koch, IDF, IWI, MoD Australia, MoD Dänemark, Kale Kalip, MoD Korea, MoD Norwegen, MoD UK, NATO/SHAPE, RUAG, S&T Motiv, U.S. Army, USMC, Jan-P. Weisswange, Wikipedia, X (vormals Twitter), Archiv

Leichte Maschinengewehre aus Oberndorf:

Wo Rauch ist, ist auch Feuer…

Die aktuellen Entwicklungen im Maschinengewehr-Sektor und den Trend zu leichten MGs in stärkeren Kalibern beobachtete man auch in Oberndorf. Getreu des Sprichworts, wonach auch Feuer sei, wo Rauch ist, begannen daher im Jahr 2017 bei Heckler & Koch die Arbeiten an einem kompakten mittleren Maschinengewehr im Kaliber 7,62 NATO. Ziel des Projektes HK421 war es, eine leichte gurtgeladene und dank Rohrwechselmöglichkeit langlebige modulare Waffe zu entwickeln. Die Oberndorfer Waffenschmiede hatte für das „ sturmgewehrähnliche Nutzungspro l im abgesessenen/nicht lafettierten Einsatz “ insbesondere Infanterie oder Spezialkräfte als Anwender im Blick. Die Premiere der Waffe erfolgte dann im September 2023 in London: Auf der Fachmesse DSEI 2023 zeigte Heckler & Koch erstmals einem größeren Fachpublikum das Ergebnis seiner Entwicklungsarbeiten. In Deutschland feierte das HK421 seine Premiere auf der Enforce Tac 2024.

Das Gehäuse des HK421 ist unter anderem in Sniper Grey oder Flat Dark Earth erhältlich. Oben im Bild befi ndet sich die einschiebbare Para- und unten die SlimLine-Schulterstütze an der Waffe.

Bildnachweis: Bundeswehr, Heckler&Koch, Rheinmetall, Jan-P. Weisswange, Archiv

LEICHTE

LEICHTE MG: RUSSLAND UND CHINA

Wechselwirkung:

Der Griff zum Gurt

Zu Beginn des „ Kalten Krieges “ modernisierte die Sowjetunion ihre Infanteriebewaffnung deutlich. Dabei standen das Sturmgewehr AK-47 und dessen Nachfolgemodelle sowie die bereits im Zweiten Weltkrieg entwickelte Kurzpatrone M43 im Mittelpunkt. Die neue Munition in 7,62 x 39 mm diente ebenso für weitere Schützenwaffen auf Infanteriegruppenebene. Ebenfalls bereits im Zweiten Weltkrieg hatten einige Waffenkonstrukteure an leichten MGs in dem neuen Kaliber gearbeitet. Das 1953 eingeführte RPD (Rutschnoj Pulemjot Degtjarowa, leichtes Maschinengewehr nach Degtjarow) oder das Ende 1960 folgende magazingespeiste RPK (Rutschnoj Pulemjot Kalaschnikowa, leichtes Maschinengewehr Kalaschnikow) verschossen mit der M43 die gleiche Munition wie die Sturmgewehre der übrigen Fußsoldaten. Auf der anderen Seite des „ Eisernen Vorhangs “ folgten viele Warschauer-Pakt-Staaten und weitere mit der Sowjetunion verbundene Länder diesem Bewaffnungskonzept. Die Nationale Volksarmee der DDR führte das RPK beispielsweise 1964 als „ leichtes MG Modell K “ ein. Zwei Stück davon dienten in jeder Schützengruppe.

jeder

Bildnachweis: China Military, Konzern Kalaschnikow, Vitaly Kuzmin, Rosoboronexport, Wikipedia, X (vormals Twitter), Archiv

Die nächste Generation:

GIs neues GruppenLMG

Wieder einmal Premiere in Kentucky: Am 28. März 2024 treten in Fort Campbell Soldaten des 1st Bataillon, 506th Infantry Regiment zu einer feierlichen Unboxing-Zeremonie an. Das zuständige Rüstungsprojektleitungsbüro PEO Soldier des Army Future Command bittet die Infanteristen zum Auspacken der ersten Exemplare der Next Generation Squad Weapon (NGSW)-Familie. Der zur 101st Airborne Division zugehörige Truppenteil erhält damit als erster Kampfverband das neue Sturmgewehr XM7 und das leichte Maschinengewehr XM250. Damit gehören die „ Screaming Eagles “ wiederum zu den ersten Empfängern einer neuen Handwaffengeneration. Auch die neue Pistole „ Modular Handgun System “ M17 war zuerst nach Fort Campbell gegangen. Wohl kaum ein Handwaffenprojekt hat in den letzten Jahren für so viel Aufsehen gesorgt, wie die Gruppenwaffe der nächsten Generation – so etwa ließe sich das NGSW-Vorhaben ins Deutsche übersetzen. Denn auch viele NATO-Partner standen und stehen zum in

Im System gedacht:

vor Generationswechseln ihres Handwaffenbestandes. Und die insbesondere im Afghanistan-Einsatz aufgekommenen Kaliberdiskussionen klangen noch in allen Ohren. Die U.S. Army jedenfalls sieht ihr NGSW-Projekt als einen Meilenstein ihrer Bewaffnungsentwicklung. Erstmals seit 65 Jahren führt sie ein neues System in einem neuen Kaliber ein.

rüstete und ausgebildete Streitkräfte – zu verhelfen. Zur Close Combat Force zählen jene Truppengattungen der Army, die typischerweise mit Feindkontakt rechnen müssen, beispielsweise Infanteristen, Aufklärer oder Kampfpioniere. Insgesamt handelt es sich um 120 000 Soldatinnen und Soldaten – etwa jeder neunte der rund 1,07 Millionen Uniformträger der U. S. Army.

Die Wurzeln des NGSW-Projekts reichen bis ins Jahr 2017 zurück. Ziel des Vorhabens war und ist es, den Angehörigen der Close Combat Force der größten Teilstreitkraft der Vereinigten Staaten zur Überlegenheit gegen „ Near Peer “-Gegner – also nahezu gleichwertig ausge-

Für die Entwicklung gab die Army lediglich das neue Standard-Projektil 6.8 General Purpose Round (GPP) vor. Das darum herumgebaute Handwaffensystem sollte mit höherer Präzision höhere Wirkung auf höhere Reichweiten auch gegen mit modernen Schutzwesten geschützte

MG: NGSW XM250

Das XM250 verfügt über eine Gurtbox-Schnittstelle unten am Gehäuse, die einen schnellen Wechsel des Patronenbehälters ermöglicht.

Gegner erreichen können. Und das wiederum sollte mit vergleichbar leichten oder gar leichteren Waffen gelingen, als die derzeit noch in den meisten Kampfverbänden genutzten Karabiner M4 und leichten Maschinengewehre M249, beide im Kaliber 5,56 x 45 mm. An ihre Stelle sollten ebenfalls zwei Waffenmodelle treten: Eine NGSW Ri e (NGSW R) als Sturmgewehr und eine NGSW Automatic Ri e (NGSW AR) als leichtes MG beziehungsweise Squad Automatic Weapon. Unabhängig von Waffen und Munition schrieb die Army noch ein für beide Handwaffen vorgesehenes Feuerleitvisier mit der Typenbezeichnung XM157 aus. Damit setzt die U.S. Army konsequent den Waffensystemgedanken um.

Drei Entwürfe:

Um Waffen und Munition bewarben sich drei Firmenkonsortien mit je zwei Waffenentwürfen und zugehörigen Munitionslösungen. Textron bot teleskopierte Munition und Waffen mit beweglichem Patronenlager an. Ein weiteres Konsortium aus General Dynamics (später Lone Star Future Weapons), True Velocity und Beretta USA setzte hingegen auf Bullpup-Waffen und Polymerhülsen-Munition. SIG Sauer schickte sein SIG LMG-6.8 und eine Variante seines SIG MCX-Spear ins Rennen und dazu noch seine eigenentwickelte Munition mit Metall-Hybridhülse. Bei diesem Konzept handelte es sich um einen vergleichsweise konventionellen Ansatz. Das SIG LMG-6.8 und das

SIG MCX-SPEAR folgen keiner BullpupArchitektur und verschießen eine Metallpatronen-Munition. Gleichwohl zeigten sich die SIG-Konstrukteure durchaus innovativ: Das SIG LMG-6.8 lässt sich in jedem Zustand sichern und ebenso laden. Dabei kann der Deckel geschlossen bleiben. Dieser klappt überdies seitlich auf, was die Nutzung In Line-montierter Optiken und Vorsatzgeräte erleichtert. Das integrierte Rückstoßminderungssystem bremst den Rückstoß auf das Niveau eines M4-Karabiners. Der beidseitig bedienbare Feuerwahlhebel rastet in den Stellungen Sicher-Dauerfeuer-Einzelfeuer. Der Spannschieber sitzt an der linken Waffenseite und lässt sich an die Waffe anklappen. Die Gurttasche für 100 Patronen lässt sich über eine eigene Schnittstelle schnell arretieren und wechseln. Die Waffe verfügt über keine klassischen Schnellwechselrohre, jedoch ist ein Rohrwechsel schnell und mit wenigen Handgriffen auf Nutzerebene möglich, ebenso wie ein Kaliberwechsel.

Bildnachweis: General Dynamics, Lone Star Future Weapons, SIG Sauer, True Velocity, U.S. Marine Coprs. U.S. Army, Jan-Phillipp Weisswange, Wikipedia, Archiv

Ein neues MG-Kapitel:

Lütticher LMG in Lauerstellung

Ein Trend, zwei neue MG-Kategorien: Das Bestreben, hohe Feuerkraft dank Gurtzuführung mit geringem Gewicht zu kombinieren, führte sowohl unterhalb der leichten als auch oberhalb der mittleren Maschinengewehre zu neuen Waffenkategorien. Hier soll zunächst von der ultraleichten Kategorie die Rede sein. Als eine der ersten modernen Konstruktionen dieser Art stellte der MinimiHersteller FN Herstal im Sommer 2021 seine neue Waffenfamilie FN Evolys vor. Die Lütticher Handwaffenschmiede schrieb damit das nächste Kapitel ihrer langen MG-Entwicklungsgeschichte.

Die Truppe im Fokus:

Designbestimmend waren Forderungen aus der Truppe nach einer leichten, feuerstarken und präzisen Waffe. Hieraus schlossen die Lütticher Konstrukteure

folgendes: Die Waffe muss sich aus neuen Werkstoffen gewichtssparend herstellen lassen, sie muss gurtgeladen sein, sie muss Einzel- und Dauerfeuer schießen können und sie muss sich für die Montage von Optiken (einschließlich Nachtsichtvorsatzgeräten) eignen. Um hohe Beweglichkeit und Ergonomie auf dem Gefechtsfeld garantieren zu können, muss sie sich von einem Schützen bedienen lassen können und sich aus stehendem, kniendem und liegendem Anschlag schießen lassen können. Letztlich entstand mit dem FN Evolys ein Hybrid zwischen leichtem Maschinengewehr und Sturmgewehr, der die taktischkonzeptionelle Lücke zwischen diesen beiden Waffenkategorien schließt.

Das ultraleichte MG FN Evolys arbeitet als ein gurtgeladener zuschießender

Gasdrucklader mit Kurzhub-Gaskolbensystem und Drehkopfverschluss. Die Waffe verfügt über kein Schnellwechselrohr, um hierdurch das Gewicht zu senken. Derzeit gibt es das FN Evolys serienmäßig in den beiden NATO-Kalibern 5,56 x 45 mm und 7,62 x 51 mm. Die Tochter rma FN America hat aber auch schon Versionen für andere Kaliber vorgestellt.

Bei der Herstellung der FN Evolys kommen additive Verfahren, also 3D-Druck, und neue Werkstoffe, darunter Polymer, zum Einsatz. Hierdurch ergibt sich ein geringes Leergewicht. Es liegt je nach Ausführung zwischen 5,5 und 6,2 Kilogramm. Alle Ladetätigkeiten lassen sich mit nur einer Hand ausführen. Der Sicherungs- und Feuerwahlhebel rastet in den Stellungen Sicher, Einzelfeuer und Dauerfeuer. Ein integriertes hydraulisches

Bildnachweis: FN Herstal, Knights Arament Corporation, MoD Singapur, ST Engineering, U.S. Marine Corps, Jan-Phillipp Weisswange, Wikipedia, X (vormals Twitter), Archiv

Neu in der MG-Manege:

Die neuen Mittelschwergewichte

Ring frei! Eine neue Kampfkraftkategorie hält derzeit bei den Maschinengewehren Einzug, ähnlich wie zuvor bereits im Scharfschützenwesen leistungsstärkere Waffen den infanteristischen Werkzeugkasten ergänzen. Beide Maßnahmen basieren auf der gleichen Idee. Wie zuvor die neuen Scharfschützengewehre in stärkeren Kalibern die Lücke zwischen der 7,62 NATO und 12,7 x 99 mm schlossen, sollen dies die neuen mittelschweren Maschinengewehre auf dem MG-Sektor tun. Sie lassen sich zwischen den Einheitsmaschinengewehren in 7,62 x 51 mm und den schweren MGs in .50 BMG einordnen.

Scharfschützenwesen

die

Die neue mittelschwere MG-Klasse kann ihre Wurzeln auf den Afghanistan-Einsatz der westlichen Streitkräfte zurückführen. Es gilt als sicher, dass das sowjetische Universal-Maschinengewehr PKM in 7,62 x 54 mm R hierauf maßgeblichen Ein uss ausübte. Seit 1969 feierte es nicht nur im Warschauer Pakt, sondern auch auf dem Exportmarkt weltweit Erfolge – darunter auch in Afghanistan.

Es nimmt also kaum Wunder, dass nicht nur die Afghanische Nationalarmee ANA, sondern ebenso die Taliban über diesen MG-Typ verfügten. Bei Feuergefechten gaben sie den dort operierenden, zunächst querschnittlich mit Waffen im Kaliber 5,56 x 45 mm ausgerüsteten westlichen Truppen das Gefühl, „ outmatched “ oder gar „ overmatched “ zu sein. Diese Unterlegenheit galt es nicht nur zu beseitigen, sondern die Feuerkraft wieder deutlich zu erhöhen.

Folgerungen für die fortschrittliche Feuerkraft: Die neue Kategorie soll folglich den Dreiklang zwischen leichtem Gewicht, hoher Wirkung im Ziel und guter Präzision schaffen. Hieraus lässt sich folgendes ableiten: Erstens darf es ein dem Universal-MG vergleichbares Gewicht von etwa zehn Kilogramm möglichst nicht überschreiten. Dies soll die infanteristische Nutzung ermöglichen. Der

Bildnachweis: FK Brno, FN America, GDOTS, Ohio Ordnance Works, SIG Sauer, True Velocity, Jan-P. Weisswange, Wikipedia, X(vormals Twitter), Archiv

Eins, zwei, drei –alles dabei

Maschinengewehr-Gear und -Gadgets:

Was für das System Handwaffe gilt, gilt selbstverständlich auch beim MG: Je besser die Komponenten Waffe, Munition, Optik/ Optronik, Peripheriegerät und persönliche Ausrüstung miteinander harmonieren, umso mehr wirkt sich das auf die Kampfkraft aus. Freilich bedarf es weiterhin des richtigen Mindsets und des regelmäßigen Trainings. Dabei gilt grundsätzlich: Taktik bestimmt die Technik und nicht umgekehrt.

Verschiedenste Ausrüstungsstücke können die Kampfkraft des MG-Schützen

steigern. Das beginnt bei der Optik und Optronik. Zielfernrohre, Nachtsichtvorsätze, Laser-Licht-Module und selbst Feuerleitvisiere helfen dabei, Ziele schneller zu entdecken, erkennen, zu identi zieren und dann möglichst ohne Kollateralschäden präzise zu bekämpfen. Integrierte Schusszähler erleichtern es, Wartungsintervalle zu steuern und Waffen verfügbar zu halten.

Schalldämpfer reduzieren die Mündungssignaturen und tragen zur Tarnung und Überlebensfähigkeit bei. Es gibt vermehrt Ansätze, sie auch auf MGs

zu nutzen. Ein weiteres großes Thema bildet der Waffen- und Munitionstransport. Komfortable Trageriemen und Sturmgriffe erleichtern es dem Fußsoldaten ungemein, das MG einsatzbereit zu führen. Gurttaschen und Gurtboxen halten den Munitionsvorrat schmutzund staubgeschützt an der Waffe. Überdies lassen sie sich schnell an den Waffen anbringen und auch wieder von ihnen lösen, um Nachladetätigkeiten zu erleichtern und ihre Dauer zu verkürzen. Große Stautaschen an der persönlichen Ausrüstung ermöglichen es, weiteren Munitionsnachschub direkt am

Mann mitzuführen. Der klassische Stahlblech-Gurtkasten braucht also heute nicht mehr zwingend am langen Arm mitgetragen zu werden.

Zum weiteren Peripheriegerät gehören das Putzzeug, Koffer oder Taschen für den Transport oder zur Lagerung und dergleichen mehr. Fliegerdreibeine, Fahrzeug- und Erdziellafetten ergänzen das Equipment ebenfalls. So steigern sie die effektive Kampfentfernung eines mittleren MG beispielsweise von 600 auf 1200 Meter und mehr. Dafür schränkt man wiederum die Beweglich-

keit ein, wenn die Einheitsmaschinengewehre dazu mutieren, was die US-Kameraden als „ Crew Served Weapon “, also eine besatzungsbediente Waffe nennen. Daher arbeiten diverse Hersteller daran, leichtere und ergonomischere Lafetten zu entwickeln. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Gadgets, um den Einsatzwert der Standardwaffe zu erweitern. Einiges davon stellt das Special auf den folgenden Seiten vor.

In viele der Produkte, welche die Spezialausrüster weltweit feilbieten, ossen Einsatzerfahrungen aus den Krisenge-

bieten dieser Welt ein. Etliche Hersteller haben selber einen militärischen oder polizeilichen Hintergrund, wenn auch in unterschiedlicher Tiefe. Meist sprechen sie die gleiche Sprache wie ihre Kunden. Sie können daher sehr genau auf deren Bedürfnisse eingehen, wenn sie neues Equipment entwickeln. Gleichwohl nutzt der bloße Erwerb der oft teuren Ausrüstungsstücke nichts, wenn man selbst nicht regelmäßig damit übt, und seine eigenen Erfahrungen in der Praxis damit sammelt.

Jan-Phillipp Weisswange Bildnachweis:

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