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Stay creative. Stay safe. Be empathetic

Katja Hübner

STAY CREATIVE. STAY SAFE. BE EMPATHETIC.

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Die Idee von öffentlichen Ausstellungen machte Katja Hübner und Antje Schröder mit ihrer Agentur Kommune Art über die Grenzen von Hamburg hinaus bekannt.

Zuletzt erschien Hübners Buch „Okay, danke, ciao!“ Eine Geschichte über Freundschaft und Obdachlosigkeit.

Die Zeit scheint reif zu sein für besondere Achtsamkeit und große Empathie für einen kraftvollen Zusammenhalt.

Stay creative. Stay safe. Eine PlakatKampagne gab vor einem Jahr der Situation der Kreativ-Szene, stark gebeutelt durch die Coronapandemie, ein Gesicht. Die kleine Hamburger Agentur Kommune Art scharte ein dutzend Kolleg*innen – Illustrator*innen und Künstler*innen – um sich und gestaltete eine aufsehenerregende Plakatkampagne eben unter dem Motto „Stay creative. Stay safe.“ Wir haben mit Katja Hübner, eine der Initiatorinnen, gesprochen.

Katja, wie kamt ihr auf die Idee, eine solche Kampagne zu starten? In den ersten zwei Monaten der Coronapandemie wusste niemand, was passiert und wie es weitergehen kann. Man spürte eine sehr große Unsicherheit. Die Musikbranche, für die wir bei Kommune Art viel arbeiten, stand von jetzt auf gleich still. Die Plakatkampagne war keine Idee, um irgendwelche Jobs zu generieren. Dieses Abwarten und der Kontrollverlust, nicht zu wissen, wohin es geht, gab in mir einfach das Gefühl, irgend etwas machen zu wollen. Und wir wollten kreativ sein. So enstand die Idee der Aktion „Stay creative. Stay safe.“

Wieso habt ihr euch für eine Plakatkampagne entschieden? Uns war aufgefallen, dass in Hamburg etliche DIN A1-Werbestellen von der TownTalker Media AG frei blieben – es hat einfach niemand plakatiert. Ich hab dann mit dem Chef gesprochen, ob wir die Rahmen nutzen könnten – er war sofort einverstanden. Wir haben daraufhin mit befreundeten Kolleg*innen gesprochen, darunter Illustrator*innen, freie Künstler*innen, Siebdrucker*innen, Comiczeichner*innen und einem Tattoo-Artisten, ob sie Lust dazu hätten, für die Kampagne Motive zu entwickeln. Innerhalb von 10 Tagen hatten wir die Motive beisammen und haben sie overnight drucken lassen. Wir sind zu viert mit dem Kleistereimer durch Hamburg gezogen und haben über tausend Stück in Hamburg plakatiert – zum Teil sogar „wild”. Wer mehr darüber wissen will, kann heute noch unseren damaligen Podcast zur Aktion hören. (spoti.fi/3rCr35n – Anm. der red.) Das war eine sehr schöne Aktion – da haben wir uns selber ein wenig Aufregung geschaffen.

Frisch gepresst! Supermarkt unter der Brücke, am S-Bahnhof Sternschanze. Damit habt Ihr eine Menge Aufsehen erregt. Die PAGE hat auch darüber berichtet. Wie kam es dazu? Eine Redakteurin von der PAGE hatte unsere Poster endeckt und hat online darüber berichtet. Sie lud uns ein, etwas zu einer neuen Serie „Was macht Corona mit uns?“ für das nächste Magazin zu entwickeln. Es gab unterschiedliche Themen, aus denen wir aussuchen konnten. Wir haben uns für „Kommerz“ entschieden und am S-Bahnhof Sternschanze einen riesigen Supermarkt geklebt. Wir wollten bewusst überspitzen: Brauchen wir wirklich achtzig Marmeladensorten? Brauchen wir drei Regalreihen Chips? Das Motiv (Auch Seite 22 – Anm. der red.) war überdimensional groß und damit sehr eindrucksvoll. In der Mitte hatten wir einen drei Meter hohen Kebab-Spieß, mit dem Zusatz „Frisch gepresst!“ Zwei Tage später war unser Supermarkt wieder überklebt – das war ein sehr vergängliches Kunstwerk.

Katja, nun hast du ein Buch geschrieben, das gerade erschienen ist. Okay, danke, ciao! Eine Geschichte über Freundschaft und Obdachlosigkeit. Wie kam es dazu? 2017 ist mir ein einsamer junger Mann in seinem dicken Parka auf einer Bank im Park aufgefallen, der sehr zurückgezogen, ja, psychotisch wirkte. Außer dem, was er trug, hatte er nichts. Irgendwann habe ich ihn angesprochen. Er lag im Gras, und ich fragte: „Ist alles ok?“ Er bejahte und fragte mich nach einer Zigarette. Seitdem habe ich immer wieder bei ihm Halt gemacht und mich auf ihn eingelassen. Sein Name war Marc. Ich hatte beobachtet, dass sich Marc Essen aus Mülltonnen besorgte und Zigarettenkippen rauchte, die andere Leute weggeworfen hatten. Da habe ich beschlossen, dass das so nicht sein muss. Ich habe mich verantwortlich gefühlt und ihn erstmal versorgt: Jeden Morgen habe ich Marc Frühstück gebracht, und abends, wenn ich von der Arbeit nach Hause ging, nahm ich für ihn eine Tüte mit Essen und Getränken, Schokolade und Obst mit. Das ging eine ganze Weile so, und er begann, mir zu vertrauen und auf mich zu warten. Nach und nach versuchte ich, mehr über ihn zu erfahren.

Wie kann man denn in Hamburg draußen überleben? Marc saß immer auf dieser einen Bank an der Hundewiese. Dort fühlte er sich anscheinend sicher – zumindest habe ich mir das damals so zusammengereimt. In diesem Sommer hatte es in Hamburg ziemlich viel geregnet. Marc war nach ein paar Tagen völlig durchnässt. Das alles war natürlich ziemlich verrückt. Nicht nur das: Als beispielsweise der G20-Gipfel war, saß er mitten im Schlachtfeld an der Schanze und ließ das einfach so geschehen.

Hast du versucht, nach Hilfe oder medizinischen Lösungen zu suchen? Ja, klar. Ich habe bei Hinz & Kunzt, bei der Diakonie und beim UKE angerufen, um zu erfragen, was ich tun könne. Alle haben mir die Auskunft gegeben, dass man nichts machen könne. Jeder hätte das Recht auf Selbstbestimmtheit und auch auf Krankheit, solange er andere oder sich selbst nicht gefährdet. Scheinbar war die Selbstgefährdung nicht groß genug, um helfen zu können. Ich fand, dass da irgendwo ein Fehler im System ist. Ein Mensch mit einer Psychose fühlt sich verfolgt oder erkennt überall Feinde. Solche Patient*innen gehen ganz selten freiwillig in die Psychatrie, weil sie nicht denken, dass sie krank sind.

Wie bist du persönlich damit umgegangen? Ich habe sehr viel mit Kolleg*innen und Bekannten darüber gesprochen, weil es zum Herbst hin anfing, mich zu belasten. Alle, denen ich davon erzählt habe, waren

Katja Hübner ist eine im Hamburger Schanzenviertel lebende und arbeitende Grafikerin und Buchautorin.

kommuneart.tumblr.com staycreativestaysafe.de unglaublich fasziniert von der Geschichte. Sie haben immer wieder nachgefragt, wie es Marc ginge, was Marc so mache. Das war im Herbst 2017 der Auslöser, dass ich beschloss, parallel zu meinen Erlebnissen die Geschichte aufzuschreiben. Das war auch gut für mich, so konnte ich etwas loswerden.

Wie ging es dann weiter? Im Herbst las ich ein Interview mit der Psychiaterin Prof. Dorothea von Haebler von der Charité in der Berliner Morgenpost zum Thema Obdachlosigkeit und akute psychische Erkrankungen. Ich habe sie angeschrieben und sie um Rat gebeten. Frau Prof. von Haebler hat mir dann innerhalb von einem Tag zurückgeschrieben – in cc den befreundeten Psychologen Prof. Dr. Bock aus dem UKE in Hamburg – sie freue sich so über meine Mail, weil Menschen sehr selten so aufmerksam durch ihre Nachbarschaft laufen würden. Prof. Bock hätte noch am selben Tag geantwortet und versprochen, zu helfen – obwohl mir das UKE bei meinen vorherigen Bemühungen erklärte, sie seien nicht aufsuchend tätig. So habe ich Thomas Bock an einem Samstag Nachmittag kennengelernt und mit ihm über Marc gesprochen. Wir gingen zur Bank von Marc und Prof. Bock konnte gleich feststellen, dass Marc unter schweren psychischen Störungen litt. Hier müsse geholfen werden. Zur gleichen Zeit – es war ein sehr kalter November – waren auf der Reeperbahn zwei Obdachlose tot in der Nacht geborgen worden. Ich versuchte, über den Sozialpsychiatrischen Dienst in Hamburg Hilfe für Marc zu kriegen. Es hieß, es ginge ihm noch nicht schlecht genug, er könne schließlich noch aufstehen und im übrigen sei es noch nicht kalt genug. Plötzlich ging es dann ganz schnell und Marc wurde abgeholt und eingewiesen. Auch auf diesem Weg habe ich ihn begleitet und konnte dann ein wenig loslassen. Aber ich wollte natürlich wissen, wie es weitergeht. Wie steht es um ihn nach einem halben, nach einem Jahr? Wir haben uns oft gesehen, und es gab schwierige Situationen und auch lustige Geschichten. Ich habe in der Zeit unglaublich viel gelernt und festgestellt, dass die Begegnungen in der Psychatrie sehr wertvoll für mich waren, auch weil ich jegliche Berührungsängste gegenüber psychisch Erkrankten verloren habe. Marc und mich verbindet heute eine ganz entspannte Freundschaft.

Gehst du heute anders durch die Straßen deiner Nachbarschaft? Ich gehe nicht durch die Straßen und beschäftige mich mit den Schicksalen von Obdachlosen. Seinerzeit Marc kennenzulernen war zu einem Zeitpunkt, als ich bereit dafür war. Aber ich habe jetzt vielleicht einen anderen, schärferen Blick.

Katja, ich freue mich darauf, dein Buch lesen zu dürfen und bedanke mich für dieses Gespräch! D

Katja Hübners erstes Buch: Okay, danke, ciao! (2021). Erschien im April als Softcover im Verlag Heyne Hardcore, 192 Seiten, 16,00 Euro

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