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Fallbericht: Periimplantitis in der ästhetischen Zone
Dr. med. dent Ueli Grunder Vorgeschichte Die Gesamtsanierung eines Patienten mit multiplen Nichtanlagen (Abb.1 & 2) beinhaltete auch den Ersatz des fehlenden lateralen Schneidezahnes im Oberkiefer Rechts (Abb. 3 & 4). Bedingt durch die Diastema-Situation waren Alternativen nicht indiziert. Diese Behandlung wurde bei diesem männlichen Patienten bereits im Alter von 19 Jahren durchgeführt, da die Invalidenversicherung, welche für die Finanzierung solcher Behandlungen zuständig ist, nur bis zum Erreichen des 20. Altersjahr bezahlt. Erschwerend war sowohl für die Behandlung als auch für die unterstützende Therapie, dass der Patient eine geistige Behinderung hat. Nach Beendigung der aktiven zahnärztlichen Behandlung konnte aus verschiedenen Gründen nur alle 6 Monate eine Recall-Sitzung bei der Dentalhygienikerin vereinbart werden. Bei jedem Recall wurde erneut auch eine intensive Mundhygienetechnik-Instruktion durchgeführt. Leider kam es dann zu einem längeren Unterbruch der notwendigen Recall-Sitzungen.
Befund 14 Jahre nach der primären Behandlung Bei einer Recall-Sitzung 14 Jahre nach Abschluss der primären Behandlung musste leider eine ausgeprägte Periimplantitis in Regio 12 diagnostiziert werden. Der Befund beinhaltet massives BOP, ein radiologisch sichtbarer massiver Knochenverlust verbunden mit Sondierungstiefen zirkulär bis 8mm (Abb. 5 & 6). Es wurde entschieden, eine chirurgische Periimplantitis-Therapie durchzuführen.
Abb. 1 Abb. 3 Abb. 5
Abb. 2 Abb. 4 Abb. 7





Erste Behandlung Die direkt verschraubte Krone auf dem Implantat wurde entfernt. Dabei wird einmal mehr klar. wie wichtig es ist, dass solche Suprastrukturen nicht definitiv zementiert werden, was zur Folge hätte, dass eine chirurgische PeriimplantitisTherapie kaum adäquat durchgeführt werden könnte (Nebenbemerkung: Aus diesem Grund ist es ein Kunstfehler, Implantatsuprastrukturen definitiv zu zementieren). Es wurde ein Volllappen gebildet, das Granulationsgewebe ums Implantat entfernt und so der zirkuläre Knochenkrater ums Implantat freigelegt (Abb. 7). Die freiliegenden Gewindegänge wurden mit rotierenden Instrumenten entfernt und die Oberfläche so gut wie möglich poliert, ohne angrenzenden Knochen zu zerstören (Abb. 8). Die Krone konnte sogleich wieder aufgeschraubt und der Lappen verschlossen werden (Abb. 9). Es konnte ein normaler Heilungsverlauf beobachtet werden.
Befund weitere 2 Jahre später Leider musste festgestellt werden, dass sich keine entzündungsfreie Situation erreichen liess, was auch kaum erstaunt. Bedingt durch ein intaktes Attachment bei den Nachbarzähnen war eine Elimination der Sondierungstiefe um das Implantat nicht zu erreichen, ausser man hätte den fehlenden Knochen mit Hilfe der GBRTechnik aufgebaut. Nach erneuter Entfernung der Krone konnten Sondierungstiefen bis 9mm gemessen werden (Abb. 10). Nun wurde die Explantation geplant, was sinnvollerweise schon vor 2 Jahren die richtige Therapie gewesen wäre.
Zweite Behandlung Ein Titanimplantat kann mit Hilfe eines speziellen Instrumentes durch reines Ausdrehen entfernt werden, ohne zusätzlich Knochen zu verlieren, was bei einem Keramikimplantat nicht möglich ist (Nebenbemerkung: Was ein guter Grund ist, keine Keramikimplantate einzusetzen). Im vorliegenden Fall ist aber auch ersichtlich, dass die erste Periimplantitis-Behandlung mit Beschleifung des Implantates zu einer mechanischen Schwächung des Implantates und somit zu einem Frakturrisiko beim Explantieren durch Ausdrehen führt (Abb.11). Es wurde ein abnehmbares Klammerprovisorium eingesetzt. Nach einer 3-monatigen Abheilungszeit ist der entstandene Kammdefekt offensichtlich (Abb.12). Ein Implantat konnte in idealer Position und Richtung eingesetzt werden (Abb.13 & 14). Der fehlende Knochen wurde mit der GBRTechnik unter Verwendung einer titan-verstärkten, nicht-resorbierbaren PTFE-Membran und einem bovinen Ersatzmaterial aufgebaut (Abb. 15). Nach 6-monatiger Abheilungszeit ohne Membranexposition (Abb.16) und nach Entfernung der PTFE-Membran ist das nun ideale Knochenvolumen ersichtlich (Abb. 17). In der Folge wurde eine neue, direkt verschraubte Krone hergestellt und eingesetzt (Abb.18 & 19).
Abb. 8 Abb. 10

Abb. 9 Abb. 13Abb. 12 Abb. 11







Abb. 15
Abb. 16 Abb. 17
Abb. 18 Abb. 19

Der Autor

Dr. Ueli Grunder Dr. Ueli Grunder diplomierte am zahnmedizinischen Institut der Universität von Zürich 1982. Nach 2-jähriger Tätigkeit in der Privatpraxis folgte eine 3-jährige Nachdiplomausbildung in Kronen- und Brückentechnik, Teilprothetik und Materialkunde an der Universität Zürich. Dr. Ueli Grunder ist Fachzahnarzt für rekonstruktive Zahnmedizin (Spezialistenstatus SSRD) seit 1993 und hat den Spezialistenausweis (WBA) in oraler Implantologie seit 2011. Die zusammen mit Thomas Gaberthüel gegründete Praxis in Zollikon-Zürich führt er heute mit David Schneider und Jörg Michel. Sein Tätigkeitsgebiet ist ästhetische Parodontologie, festsitzende Kronen-Brücken Prothetik und vor allem Implatologie. In seiner internationalen Vortragstätigkeit und diversen Publikationen befasst er sich mit den chirurgischen und prothetischen Aspekten der Implantologie. Sein Buch «Implantate in der ästhetischen Zone» wurde 2015 im Quintessenz- Verlag publiziert und wurde bereits in 11 Sprachen übersetzt. Dr. Ueli Grunder ist Past-Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Implantologie (SGI) und der European Academy of Esthetic Dentistry (EAED).
Korrespondenzadresse: Dr. med. dent Ueli Grunder Dufourstrasse 7a 8702 Zollikon u.grunder@bluewin.ch Diskussion Anhand dieses Falles kann gezeigt werden, dass eine Periimplantitis-Therapie im Sinne einer Implantoplastik im ästhetischen Bereich kaum je sinnvoll ist. Es zeigt aber auch die Tendenz, die die meisten Behandler haben: ein Implantat, das man selber eingesetzt hat, versucht man häufiger zu retten als ein Implantat, das alio loco gesetzt wurde. Im beschriebenen Fall hat man eine unnötige, weil nicht erfolgversprechende Therapie durchgeführt. Kritisch muss auch diskutiert werden, ob es sinnvoll ist bei diesen Patientenvoraussetzungen (mangelnde Mundhygiene im Zusammenhang mit einer leichten geistigen Behinderung) erneut ein Implantat einzusetzen. Als Alternative könnte man aber, bedingt durch die DiastemaSituation, lediglich eine abnehmbare Lösung für diesen einen Zahn anbieten. Bedingt dadurch, dass der Patient erneut eine für ihn belastende Behandlung über sich ergehen lassen musste, ist zum Glück bis anhin eine verbesserte Mundhygiene zu beobachten und er hält ein regelmässiges 4-monatiges Recall ein. Es bleibt zu hoffen, dass das so bleibt.