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Geschichtlicher Abriss der Schifffahrt auf Thuner- und Brienzersee

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Schiffsregister

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1. Thunersee

1.1 Die Initiative Knechtenhofer: DS«Bellevue» In Thun-Hofstetten, einem östlich der Altstadt an der Aare liegenden Aussenquartier, betrieb Oberst und «Negotiant» Johann Jakob Knechtenhofer (1790–1867) bereits in den zwanziger Jahren des vorletzten Jahrhunderts einen bekannten und bestrenommierten Gasthof unter dem Namen Bellevue. Gegen 1830 entbrannte in der Region ein heftiger Streit um den Ausbau der um den Thunersee führenden ungenügenden Strassen. Nach heftigen Kämpfen wurde schliesslich beschlossen, die linksufrige Strasse über Spiez in ersterPrioritätaufeinenhöherenStandardauszubauen.

Knechtenhofer,amrechtenUferdomiziliertundalsAbsolventvoneinigenSemestern Jurisprudenz an der Universität Bern mit den Strömungen der «grossen Welt» wohl vertraut, fürchtete in dieser Ausgangslage, vom Verkehr und insbesondere vom immer grösserwerdendenTouristenstromabgeschnittenzuwerden.Erkamdeshalbaufdiezugleich brillanteundmutigeIdee,aufdemThunerseezurschnellerenVerbindungmitlnterlaken einen Dampfschiffsdienst einzurichten. Zusammen mit seinen zwei Brüdern – Johann Knechtenhofer (1793–1865, von Beruf Bäcker, Tuchhändler und Reserveoffizier), welcher später auch als Kapitän der «Bellevue» fungieren sollte, und Hauptmann und ebenfalls Tuchhändler Johann Friedrich Knechtenhofer (1796–1871) – formierte er den Kern einer Aktiengesellschaft. Dabei war die Anzahl Knechtenhofer-Aktien nicht durch drei teilbar. Als potentester Minderheitsaktionär war – wichtig – Philippe Suchard in Neuchâtel beteiligt.SuchardsBruderwarinParistätigundhattemancherleiBezügezuprogressivenKreisen, wahrscheinlich sogar zu Louis-Napoléon Bonaparte, dem späteren Kaiser Napoléon III, der 1829 die Artillerieschule inThun besucht hatte. In diesem Sinne erstaunt es nicht, dass die Firma Knechtenhofer gewissermassen im Fahrwasser der Suchard’schen «Industriel» auf dem Neuenburgersee im Jahre 1834 bei der Maschinenfabrik Cavé in Faubourg Saint-Denis bei Paris ein eisernes Dampfschiff in Auftrag gab. François Cavé persönlich warseinerseitsmitzweiAktienamUnternehmenbeteiligt.

Details zu diesem Schiff sind dem entsprechenden Lebenslauf zu entnehmen. Sowohl die Transporte von Paris ins Berner Oberland als auch die Inbetriebnahme und die ersten Dienstjahre sind relativ problemlos über die Bühne gegangen. Berühmt wurde die «Bellevue» vor allem durch die von Uhrmacher Leuenberger in Sumiswald erstellte Trompetenmechanik, welche die Schiffspassagiere mit einer Reihe von populären Weisen erfreuen konnte. Dieses ursprünglich pedalbetriebene Unikum ist heute noch im historischen

Schlossmuseum Thun aufgestellt. Wie bei den meisten frühen Schiffsverbindungen auf SchweizerSeengingauchdasMonopolderPostbeförderungaufdieserStreckeimInteresse eines beschleunigten Dienstes sehr bald auf die neue Dampfschifffahrtsgesellschaft über: Bereitsam15.Mai1836konntendieHerrenKnechtenhoferdieentsprechendenPrivilegien in Anspruch nehmen. Es sei hier aber daran erinnert, dass in diesen allerersten Zeiten nur im Sommerhalbjahr gefahren wurde; die Frequenzen bewegten sich bei durchschnittlich rund25’000befördertenPersonenproJahr.

1.2 DS«Niesen» I und seine Folgen Angeregt durch die Erfolge der Gebrüder Knechtenhofer, konstituierte sich im Jahre 1842 inThuneineneueAktiengesellschaftmitdemZweck,dieStadtThunselbstzumAusgangspunkt der Schifffahrt zu machen und damit den Nachteil wettzumachen, dass die «Bellevue»nurvordemHotelderKnechtenhofermitgleichemNamenanlegte.Nochbevordiese GesellschaftinallerFormgegründetwar,begabensichihreVertreternachZürich,umbei der Firma Escher Wyss & Cie über den Bau des neuen Dampfschiffes zu verhandeln. Im Kontor des Herrn Kaspar Escher trafen sie jedoch mit einem der Herren Knechtenhofer zusammen,derihnenmitderBestellungeineszweitenThunersee-Dampfschiffesumeine Nasenlänge zuvorgekommen war. Dank intensiver Verhandlungsbemühungen des Herrn EschereinigtensichdiebeidenAbordnungennochamselbenTag,nämlicham10.November1842,undschlosseninderFolgeeinenFusionsvertrag,auswelchemdie«Dampfschifffahrts-Gesellschaft für den Thuner- und Brienzersee» (DGTB) hervorging. Mit dieser Firmenbezeichnung stand von Anfang an fest, dass man sich nicht mit der Schifffahrt auf demThunerseebegnügenwollte.InderTatliessdieneugegründeteGesellschaftnochvor FertigstellungdesnunimBaubegriffenenneuenDS«Niesen»diebisherige«Bellevue»auf den Brienzersee versetzen, wo sie den Namen «Faulhorn» erhalten sollte. Das Ziel, die Stadt Thun mit einer Station am Freienhof selbst zum Ausgangspunkt zu machen, erwies sichbeieinerProbefahrtmitder«Niesen»zwaralsprinzipiellmachbar,jedochwegender unzureichenden Maschinenkraft beim gefährlichen Passieren der Aareschleuse auf die Dauer als doch zu riskant, weshalb zu Knechtenhofers Freude darauf zunächst verzichtet werden musste. Mit dem Bestand von zwei Schiffen, d. h. mit je einem Boot auf dem Thuner- und Brienzersee, operierte die neu gegründete Gesellschaft drei Jahre lang mit recht gutemErfolg,wobeiaberdasGeschäftsjahr1845einengewissenRückschlagbrachte.

1.3 DS«Helvetia» des «Generalunternehmers» Matti DerInitiantderBrienzersee-Schifffahrt,derDragoner-Offizier,Weinhändlerundspäterin BrienzauchHotelierDavidGottliebMatti(eigenhändigeUnterschriftMatty),gebürtigvon Saanen und ursprünglich wohnhaft inVevey, hatte nach demTransfer der «Bellevue» auf denoberenSeeklareingesehen,dassderBrienzerseeimJahre1843nichtgenügendPassagieraufkommen für zwei Dampfschiffe begründen konnte. Er liess deshalb sein Schiff «Giessbach» (siehe Kapitel 2.1) auf den Thunersee versetzen, wo es am 9.Mai 1843 unter dem Namen «Helvetia» in Betrieb kam und auf eigene Rechnung den See befuhr. Die Bezeichnung «Schiff Matti» lässt sich nach neueren Forschungen nicht aufrechterhalten; es

wirdamSeeundinderStadtThunwohlmundartlichoftvon«emMattisysSchiff»dieRede gewesensein.MattiliessseinSchiffzeitweiseschonzurWinterzeitverkehren,wennderEinsatz der grösseren «Niesen» unrentabel und er dann zudem konkurrenzlos war. Bei der geringenWinterströmung der Aare konnte sogar die Fahrt bis zum Freienhof gewagt werden. DieserZustandsollteallerdingsnichtlangedauern,dennbereitsimJahre1846erwarbdie DGTBdasSchiffvonMattikäuflich,esbliebbeimNamen«Helvetia».

1.4 Die «Dampfschifffahrts-Gesellschaft für den Thuner- und Brienzersee» (DGTB) WieinKapitel1.2beschrieben,entstanddieseGesellschaftinihremKernbereitsanlässlich derBestellungdesDS«Niesen»durchVermittlungvonHerrnKasparEscherinZürich.Nach der käuflichen Übernahme der Matti’schen Konkurrenzgesellschaft im Jahre 1846 wurde fürdieDGTBeinerelativruhigeEpocheeingeleitet.MitdemBestandvonzweiSchiffenauf dem Thunersee («Niesen» und «Helvetia») und einem Schiff auf dem Brienzersee («Faulhorn»,ex«Bellevue»)solltewährendetwazehnJahrenrechtundschlechtoperiertwerden können. Im Zeichen eines sich nun doch immer stärker bemerkbar machenden Verkehrsaufschwungs und auch zur Gewährleistung des nun ganzjährig vorgehaltenen Dienstes wurde auf dem Thunersee im Jahre 1856 die kleine und baufällige «Helvetia» durch das neueundleistungsfähigeDS«StadtThun»ersetzt.GleichzeitigwurdeaufdemBrienzersee derAbgangderaltersschwachgewordenen«Faulhorn»durcheinneuesSchiffRealität(vgl. auch 2.3). Eine schlagartige Verkehrszunahme ergab sich durch die Eröffnung der BahnlinieBern–ThunderSchweizerischenCentralbahn.DieStationThun(alterBahnhof)wurde am 1.Juli 1859 eröffnet, die Verlängerung nach Scherzligen, welche einen direkten AnschlussandieSchiffegewährleistete,konnteam1.Juni1861fürGüterundzweiJahrespäter fürdenPersonentransportinBetriebgenommenwerden.RechtzeitigaufdiesenZeitpunkt wurde das neue, grössere DS «Stadt Bern» fertiggestellt. Dennoch blieb der Schiffsbestand wiederfürmehrereJahrestabil.AuchanderRouteThun–Neuhausändertesich,abgesehen von der Eröffnung der Stationen Oberhofen, Gunten und Spiez, welche zunächst mit Stationskähnenbedientwurden,sogutwienichts.

1.5 Die «Oberländische Dampfschifffahrts-Gesellschaft» (siehe auch 2.4) ZumVerständnis der weiteren Entwicklungen muss kurz auf den Brienzersee geblendet werden: Unzufrieden mit dem allzu sparsamen Verkehr und im Zeichen eines stark aufblühenden Tourismus, wurde in lnterlaken im Jahre 1869 ein Konkurrenzunternehmen zurDGTBfürdenBrienzerseegegründet.EswarfderThunerGesellschaftvor,notwendige Verbesserungen wegen kurzsichtiger eigener Rentabilitätsinteressen zu unterlassen und damit den Interessen vor allem des aufstrebenden Interlaken nicht gerecht zu werden. Diese von grossem Optimismus beflügelte Gesellschaft bestellte bei der im Schiffbau erst gerade neu in Erscheinung tretenden Firma Sulzer in Winterthur ein in jeder BeziehungungewöhnlichesSchiffmitdemNamen«Oberland».

1.6 Die «Vereinigte Dampfschifffahrts-Gesellschaft für den Thuner- und Brienzersee» (VDGTB) Noch vor Inbetriebnahme des neuen Salonbootes «Oberland» gelang, allerdings nach zähenVerhandlungen,dieFusiondiesesneuenaufdemBödelidomiziliertenUnternehmens mit der angestammten Gesellschaft unter dem illustrativen Namen «Vereinigte Dampfschifffahrts-GesellschaftfürdenThuner-undBrienzersee».DieDGTBhattenochvorihrer Fusion sowohl für den Thuner- als auch für den Brienzersee je ein grosses Schiff zur Bewältigung des zusätzlichen Verkehr bestellt. Die politische Lage war allerdings 1870 sehr labil, und der Deutsch-Französische Krieg führte zu einem starken Fahrgastrückgang in diesemJahr.Dasführtedahin,dassmandenfürdenBrienzerseeimBaubefindlichenSalondampfer «Brienz» am liebsten auf dem Thunersee einsetzen und den Bau des für den ThunerseevorgesehenenDS«Beatus»zeitlicherstreckenwollte.Schliesslichwurdenaberbeide SchiffeungefährgleichzeitigfürdieursprünglichvorgesehenenSeenfertiggestellt.Fürden Thunersee wurde gar eine Option für ein Schwesterschiff des vorbildlich gelungenen «Beatus» unterzeichnet. Die VDGTB sollte nun den Verkehr auf den beiden Oberländer Seen langeJahrehindurchzurZufriedenheitderAnwohnerundderimmerzahlreicherwerdendenTouristendurchführen.DieSchiffewurdengutunterhaltenundlaufendmodernisiert. AufdemThunerseewurdeimJahre1874dieerwähnteOptioneingelöstundeinSchwesterschiff des «Beatus», das DS «Bubenberg», in Fahrt gesetzt. Im Jahre 1889 wurde im Zusammenhang mit der Eröffnung der Beatenbergbahn im Sommer der Einsatz eines dritten DampfersnötigunddahereinweiteresneuesSchiff(DS«Helvetia»II)inBetrieb genommen.

TrotzdieseransichidyllischerscheinendenVerhältnissewarenhinterdenKulissenlebhafte verkehrspolitische Grundsatzdiskussionen im Gange. Von den grossartigen Ideen gewisservomeuphorischenBahnbauinganzEuropaangesteckterInitiantenbliebennachvielen internen Querelen nur noch Fragmente übrig: In den Jahren 1872 resp. 1874 wurde in TeilstückendiesogenannteBödelibahnvonDärligenüberlnterlakennachBönigeneröffnet. Diese normalspurige Kurzlinie – zunächst als Kernstück einer nationalen Transitlinie von BernnachLuzerngedacht–verhindertezwarmitihremzweimaligenAare-Übergangdefinitiv die durchgehende Schifffahrt zwischen den beiden Oberländer Seen, rief aber auf dem Thunersee den Trajektbetrieb ins Leben. Von 1873 bis zum 1.Juni 1893 wurde deshalb auf demThunerseeeinlebhafterFährverkehrunterhalten,undzwarzunächstmiteinemeinzigen, ab 1886mit zwei Trajekt-Schraubendampfern. Mit dem genannten Datum vom 1.Juni 1893wurdedieBahnverbindungvonThunüberSpieznachDärligen(undsomitnachlnterlaken und Bönigen) eröffnet. Damit verlor die VDGTB ihr bisheriges Transportmonopol aufeinenSchlag.Zudemmusstesie,umInterlakenebensowiedieBahnerreichenzukönnenmithohenKostendenheutenochbestehendenSchiffskanalbauen.Gewissbedeutete die neue Konkurrenzganz erhebliche Verkehrseinbussen, doch fiel dieser Zeitpunkt mit einem ungeahnten Aufschwung des Tourismus zeitlich zusammen: Die Frequenzeinbussen waren nur vorübergehend, doch war der erste Schritt zum Sommer-Saisonunternehmeneindeutiggetan.NochbliebaberdasrechteThunerseeuferohneschienengebundenes Verkehrsmittel,sodasswenigstensaufdieserSeeseiteundfürQuerverbindungendieSchifffahrtfürzwanzigweitereJahreeineexistentielleBedeutunghatte.DieseEpochewargeprägt durchdieInbetriebnahmedesSchraubendampfers«Spiez»undvorallemdurchdenBaudes

neuen Flaggschiffes der Flotte, des Salondampfers «Blümlisalp», im Jahre 1906. Zu erwähnenistnoch,dassderFirmennameimJahr1895auf«Dampfschiff-GesellschaftThuner-& Brienzersee»vereinfachtwurde.(DGTB)

1.7 Die Thunerseebahn und der Übergang zur Berner Alpenbahn BLS Im Jahre 1912 ging die DGTB in der Thunerseebahn-Gesellschaft auf. Fast 20 Jahre Konkurrenz hatten gezeigt, dass trotz Hochkonjunktur dasVerkehrsaufkommen nicht reichte,umzweiUnternehmenausreichendrentabelzubetreiben.DerenRechtsnachfolgerin wurde bereits ein Jahr später die ebenfalls 1913 eröffnete Alpenbahn Bern–Lötschberg–Simplon, deren ältestes Teilstück somit das Trassee der ehemaligen Bödelibahn wurde. Seit diesem Zeitpunkt wird die Schifffahrt auf dem Thuner- und Brienzersee somit von der BLS betrieben. Diese musste in ihrer allerersten Zeit als Reeder zunächst die dramatischen Rückschläge des Ersten Weltkrieges und der darauf folgenden Krisenjahre bewältigen. In den zwanziger Jahren liess sie allerdings die arg vernachlässigten Dampfschiffe ausnahmslos sorgfältig aufarbeiten; verschiedene stillgelegte Schiffe wurden wieder aktiviert. Seit 1914 hatte die Schifffahrt mit der Rechtsufrigen Thunerseebahn eine weitere Konkurrentin. Das verlangte einen kostengünstig zu bewältigenden Lokalverkehr insbesondere auf dem unteren Thunerseeteil. Die BLS begann deshalb die im ZeichendesDieselmotorsunddesSchraubenantriebsstehendeNeuzeitmitzweikleinen, gebrauchten Schraubenschiffen für Lokaldienste, welche aber den gesteigerten Bedürfnissen entsprechend vergrössert und umgebaut werden mussten. Wenige Jahre danach wurde dieser Park durch das erste relativ moderne und komfortable MS «Niesen», ergänzt.DiezuKriegsbeginnmitdenMotorschiffen«Thun»und«Oberhofen»fortgesetzte Modernisierung fand dann für einige Zeit vorübergehend einen Abschluss.

Anders als nach dem Ersten Weltkrieg erholte sich der Tourismus nach dem ZweitenWeltkrieg sehr rasch und trat in die Hochkonjunkturphase ein in der die Schiffe so viele Fahrgäste beförderten wie nie zuvor und wie auch seitdem nicht mehr. Noch bis und mit 1953 waren die Dampfschiffe auf dem Thunersee absolut vorherrschend und wurden für sämtliche Hauptkurse fast ausschliesslich eingesetzt. Mit dem Bau und der Inbetriebnahme des damals Aufsehen erregenden Motorschiffes «Jungfrau» im Frühjahr 1954 wurde aber eine radikale Modernisierungswelle eingeläutet, welche innert siebzehn Jahren zum (vorläufig) völligen Ersatz sämtlicher Dampfschiffe führen sollte. In den folgenden Jahren wurde die bestehende stolze Motorschiffflotte laufend verbessert, den gestiegenen Komfortbedürfnissen angepasst und in jeder Beziehung unterhalts- und bedienungsfreundlicher gestaltet. Das 1971 in Betrieb genommene neue Flaggschiff MS «Blümlisalp» beendigte bis auf weiteres die Epoche der dampfbetriebenen Schifffahrt auf dem Thunersee. Das 1974 in Betrieb genommene kleinere Motorschiff «Stockhorn» bildete komfortmässig einen Quantensprung in der Kategorie der kleineren Schiffe.

DieetwaabjenemZeitpunktinFlussgekommeneRettungsaktionfürdiealte«Blümlisalp»istgewissermasseneine«Jahrhundertaktion»,derenBeschriebhierdenRahmen völligsprengenwürde.DielangeZeitalsreineUtopiebetrachteteWiederinbetriebnahme

der «Blümlisalp» im Frühjahr 1992 gehört zu den absoluten Höhepunkten der Thunersee-Geschichte. Kurz darauf ist der Schiffspark durch die unkonventionelle und auf die stark gestiegenen und veränderten Ansprüche der Kundschaft zugeschnittene «Berner Oberland»unddas2002inBetriebgenommeneMS«Schilthorn»ergänztworden.Seither beschäftigten die Rückkehr des MS «Oberhofen», die Stilllegung und schliesslich der Rückbau des MS «Stadt Bern» und der originelle Retrofit der «Spiez» die Verantwortlichen des Schiffsbetriebs und die Gemüter des Publikums – dies vor dem Hintergrund einerneuenFlottenpolitik.

2. Brienzersee

2. 1 David Gottlieb Matti und DS«Giessbach» I Angeregt durch die Erfolge der ersten Schiffe auf den meisten übrigen Schweizer Seen, beschafftesichderinThungeborene,inSaanenbeheimateteundmeistinVeveywohnhafterührige Dragoner-Offizier und Weinhändler David Gottlieb Matti (auch Matty geschrieben) vom Genfersee her das bisherige Privatschiff «Echo» des Lausanner PhilanthropenW.Haldimand und liess dieses mit grossem Aufwand auf den Brienzersee überführen, wo er es bereits imMai 1839 in Betrieb setzte. Es ist nicht mehr genau festzustellen, ob Matti mit seiner Schifffahrt Geld verdiente. Fest steht jedenfalls, dass er im Winter 1842/43, als die DGTB ihre ehemalige «Bellevue» unter dem Namen «Faulhorn» auf den Brienzersee versetzen liess, sofort und klar sah: Genügend Passagieraufkommen für zwei Dampfschiffe war auf demoberenSeenichtvorhanden.ErliessseinSchiffdeshalbaufdenThunerseeversetzen, woeresnochdreiJahrelangineigenerRegiebetrieb(vgl.Abschnitt1.3desKapitelsüber denThunersee).

2.2 Herren von Rappard, Schraubendampfer «Giessbach» II (vgl. Schiffslebenslauf Nr. 103) Auch die DGTB blieb mit ihrer «Faulhorn» nicht ohne Konkurrenz, denn bereits 1856 liessen sich die Herren von Rappard – die damaligen Besitzer der aufstrebenden GiessbachHotels – für den Zubringerdienst ein eigenes kleines Schraubenboot bauen. Zwei Jahre später übernahm aber die DGTB die Giessbachbesitzungen und damit den Schraubendampfer, welcher auf Grund von Konstruktionsmängeln wie zu grossem Tiefgang und schlechterManövrierbarkeitbaldausserBetriebgesetztwurde.

2.3 Die DGTB WieerwähnttratdieDGTBbereitsimJahre1843mitder«Faulhorn»inErscheinungundveranlassteMatti,seine«Giessbach»aufdenThunerseeeinzusetzen.Dieunter2.2beschriebeneEpisodedesRappard’schenSchraubendampfersdauertenichteinmalzweiJahre,undab 1858wardieDGTBwiederumalleinigeHerrinaufdemoberenGewässer.Sieersetztedieauf den Thunersee zurückversetzte «Faulhorn» durch den Neubau «lnterlaken» I und ergänzte denSchiffsparkbalddaraufdurchdasnochleistungsfähigereDS«Giessbach»III .

2.4 Die «Oberländische Dampfschifffahrts-Gesellschaft» NachrundzehnJahrenrelativklaglosen,aberauchnichtbesondersüppigenBetriebesregte sich die Konkurrenz und es konstituierte sich in lnterlaken unter der Führung einiger besonders initiativer und zukunftsgläubiger Hoteliers die «Oberländische DampfschifffahrtsGesellschaft»,welchebeiderfürdenSchiffbaugeradeneuinErscheinungtretendenFirma Gebrüder Sulzer in Winterthur einen äusserst komfortablen Salondampfer in Auftrag gab. Das in Aussicht genommene Geschäftsfeld der ODG war sowohl auf den Rundfahrten- und GenussverkehrderHotelgästealsauchaufdenTransitmitBrienzausgerichtet.

2.5 Die «Vereinigte Dampfschifffahrts-Gesellschaft für den Thuner- und Brienzersee» (VDGTB) Die angestammte DGTB wurde durch die Aktivitäten der «Oberländischen Dampfschifffahrts-Gesellschaft» aus einer gewissen Lethargie gerüttelt und konnte sich nach intensiven Verhandlungen mit dem neuen und unliebsamen Konkurrenten auf eine Fusion einigen.Diesogegründete«VereinigteDampfschifffahrts-Gesellschaft»wurdevonneuen Initiativendurchströmt,sodassgleichzeitigfürdenThuner-undBrienzerseejeeinneues grossesSchiffinAuftraggegebenwurde.FürdenoberenSeehandelteessichumeinzweites stattliches Salonschiff und für den Thunersee um einen grossen Halbsalondampfer. Wie unter 1.6 beschrieben, verdüsterte sich aber 1870 der wirtschaftliche und politische Horizontkurzwegendesdeutsch-französischenKrieges,sodasseineZeitlangsogardamit geliebäugelt wurde, das neue Brienzersee-Schiff auf dem Thunersee einzusetzen und die für den unteren See platzierte Bestellung zeitlich zu erstrecken oder gar zu stornieren. SchliesslichkamdasneueSalonboot«Brienz»aberdochaufdemBrienzerseezumEinsatz, undauchaufdemThunerseeentwickeltesichderSchiffbaugemässursprünglichemPlan. Für einige Jahre kehrte nun Ruhe auf dem mit zwei Salondampfern sehr grosszügig versehenen Brienzersee ein. Die Bödelibahn brachte zusätzliche Frequenzen; Anlass für Flottenerweiterungenwarjedochnichtgegeben.DieneuerbauteBrünigbahnvonAlpnachstad nach Brienz verursachte jedoch ab dem 14. Juni 1888 zunehmende Frequenzen. Gut acht JahrespäterwurdedeshalbderBaueinesneuenleistungsfähigenSchiffesunumgänglich: DasDampfschiff«Jungfrau»legtberedtesZeugnisdavonab.

2.6 Thunerseebahn und BLS DerÜbergangderSchifffahrtsinteressenaufdenbeidenOberländerSeenvonderVDGTB auf die Thunerseebahn im Jahre 1912 machte sich auf dem Brienzersee durch nochmals verstärkte Aktivitäten bemerkbar: Als Krönung des Schiffsparkes wurde im Folgejahr das schönste und grösste Schiff für den oberen See, das DS «Lötschberg», in Auftrag gegeben. Der ausbrechende Erste Weltkrieg bereitete jedoch der angebrochenen erfreulichen Entwicklung ein abruptes Ende. Und mit der Aufnahme der durchgehenden Bahnverbindung bis nach lnterlaken am 23. August 1916 erlitt die Brienzersee-Schifffahrt beinahe den Todesstoss. Ab diesem Zeitpunkt wurde sie mit Ausnahme des Lokalverkehrs nach lseltwald zumreinenSaisongeschäft.SievegetierteinderFolgebisMittederzwanzigerJahredahin, konnte sich jedoch im Zeichen des wiederauflebenden Fremdenverkehrs relativ rasch

eingermassen erholen. Die Krise der dreissiger Jahre und der Zweite Weltkrieg spielten aberderSchifffahrtaufdemoberenSeewiederstärkermitalsderoffenbarkrisenfesteren Schifffahrt auf dem Thunersee. Nur durch die Beschaffung eines weiteren Motorbootes vom Thunersee her für den Lokaldienst im Winter und für Rand- und Zusatzkurse sowie den Bau des MS «Rothorn» im Jahr 1950 rettete man die Brienzersee-Schifffahrt in der Kriegs- und Nachkriegszeit über eine fast fatale Flaute hinweg, wurde doch während einiger Jahre die totale Betriebseinstellung ernstlich erwogen.

Die sich nach 1950 immer stärker profilierende Hochkonjunktur brachte es mit sich, dassauchaufdemBrienzerseewiedererfreulichsteigendeFrequenzenausgewiesenwerden konnten. Trotz Ausmusterung von zwei bewährten Dampfveteranen im Jahre 1956 konnten die Fahrleistungen dank dem neuen und leistungsfähigen MS «Interlaken» markant gesteigert werden – eine Entwicklung, welche im Jahre 1981 durch das prächtige MS «Brienz» noch erweitert und gekrönt wurde. Die Verlegung des MS «Jungfrau» vom Thuner-aufdenBrienzerseeunddieTotalrevisiondesDampfveteranen«Lötschberg»zeigt denStellenwert,welcherderBrienzerseeauchheutemitFugundRechtverdient.

Im Rahmen der neuen Flottenpolitik stehen sowohl Bereinigungen als auch Erweiterungen der Flotte auf beiden Seen zur Diskussion. Die neue Strategie steht auch im ZusammenhangmitderGründungeinereigenständigenSchiffstochtergesellschaftinnerhalbder BLSAG.DamitwirdeinneuesKapitelinderbewegtenGeschichtederSchifffahrtimBerner Oberland aufgeschlagen. Die bestehende Flotte soll verkleinert und die verbleibenden Schiffe sukzessive erneuert werden. Ebenso soll ein neues Schiff mit wenig Tiefgang beschafftwerden,damitu.a.auchdieWinterschifffahrtausgebautwerdenkann.

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