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Nr. 1 Raddampfschiff «Bellevue», später «Faulhorn»

Baufirma des Schiffkörpers Cavé, Paris (Faubourg St-Denis)

Länge über Perpendikel ca. 30,50m* (100’) Länge insgesamt (auch bewegliche Teile) ca. 39,50m* (130’) Breite im Hauptspant ca. 4,10 m (13½’) Breite über alles ca. 7,62 m (25’) Seitenhöhe ca. 2,14 m (7’) Mittlerer Tiefgang leer ca. 0,76 m (2½’) Mittlerer Tiefgang beladen ? Anzahl Schotten ?

Hersteller der Maschine Cavé, Paris Maschinenbauart Stehende Niederdruck-Balancieranlage mit zwei Zylindern Kolbenhub ?

Kolbendurchmesser ? Leistung 16 PS nom (ca. 65 PSi)

1. Kessel: Kesselhersteller Cavé, Paris Anzahl Kessel x Flammrohre 2 × ? Betriebsdruck ½ atü Durchschnittl. Brennstoffverbrauch 1½KlafterHolzfür38 km 2. Kessel, 1847: Escher Wyss & Cie 2 × ?

Druckkreisdurchmesser der Räder ? Anzahl Schaufeln 10,Holzbeweglich

Höhe x Länge der Schaufeln ? Durchschnittliche Probefahrts-V max 19,3km/h

Leerverdrängung ? Tragkraft 200 Personen Besatzung ? *DieLängenangabenfürdie«Bellevue»sindwidersprüchlich.Amsicherstenerscheintunsdas fürdenTransportaufdenBrienzerseeoffiziellfestgehalteneMassvon130Fuss,gerechnetüber sämtliche(d.h.auchdiebeweglichen)SchiffsteilewieBugsprietundHeckflaggenstock.

1834 Die von den Gebrüdern Knechtenhofer in Thun ins Leben gerufene AktiengesellschaftfürdieEinführungeinerSchiffsverbindungzwischenThunundNeuhaus bestellt, wohl durch die Vermittlung des Mitaktionärs Philippe Suchard, bei der Maschinenfabrik Cavé in Paris ein eisernes Dampfschiff in ähnlicher

AusführungwiedasDS«lndustriel»aufdemNeuenburgersee.Diebeweglichen

Schaufeln waren eine Spezialität von François Cavé (1794–1875), der ein eigenes System geschaffen hatte, kurz bevorWilliam Morgan ein anderes Konzept entwickelte,dasbisheuteinperfektioniertenFormenweiterlebt.

1835 Ein Fuhrwerk mit letzten Bauteilen verlässt den Faubourg Saint-Denis bei Paris am 26. Juni. Da offensichtlich grössere Komponenten und die Maschinen- und Kesselanlagen schon vorher spediert worden sind, ist es unter Aufbietung aller

Kräfte möglich, das Schiff in Thun-Hofstetten sehr rasch zusammenzubauen:

Bereitsam26.JulifindetnämlichdervielbestaunteStapellaufundfünfTagespäter,alsoam31.Juli,dieumjubelteJungfernfahrtstatt.BereitsimerstenJahrsind 77 Einsatztage zu verzeichnen. Fest steht zudem, dass die berühmte, heute im

Schlossmuseum Thun noch zu besichtigende (ursprünglich pedalbetriebene)

TrompetenmechanikvonallemAnfanganaufdemSchiffaufgestelltwar.

1836 Regelmässiger Fahrplandienst vom 15.Mai bis 15.Oktober. Das Schiff legt in diesemJahr13’480kmzurückundbefördertdabei24’657Personen.

1837 DS«Bellevue»erhältam15.MaidasMonopolderPostbeförderung.

1843 Im Hinblick auf die zu erwartende Indienststellung des neuen DS «Niesen» wirddie«Bellevue»imJanuaraufdemLandwegaufdenBrienzerseeverbracht. Ein an sich logisch erscheinender Transport auf der weitestgehend noch natürlichfliessendenAarewurdenachlängeremHinundHerverworfen.DasSchiff wirdimFrühjahrsozusagenunverändertaufdemoberenSeeinBetriebgesetzt; esträgtnundenNamen«Faulhorn».

1843–1856 ImDienstaufdemBrienzersee:sieheSchiffslebenslaufNr.102.

1857 Nach dem Beschluss, das DS «Faulhorn» wieder nach Thun zu transferieren, wird es dort auf Stapel genau untersucht.

1857/58 Der Transport und der anschliessende Stapelgang finden in diesem Winter statt. Nach Erneuerung des Holzbaus wird entschieden, das Schiff als Reserve voll betriebstüchtig zu erhalten. Für die Sommermonate wird der Einsatz als

Güterschifferwogen.

1858/59 AlsWinterschiffimJahr1858an131Tagenund1859an142TagenaufdemThunerseeimEinsatz.

1860 Die weitere Verwendung als Passagierschiff wird untragbar – die Antriebselemente werden zur Versteigerung ausgeschrieben. Ein Mechaniker Aeschlimann aus Thun ersteigert am 28.Mai Kessel und Maschine für 900 Fr. Die

Aggregate werden wahrscheinlich in seiner Werkstätte weiterverwendet. Am 19.November beschliesst der VR, die Schale des «Faulhorn» als Schleppschiff zuverwendenundentsprechendanzupassen.

1861 DiePfahlgruppeinderAarewirdzumLiegeplatzdesSchleppschiffeserklärt.

1863 ReparaturvonSchaleundHolzbau.

1864 Am2.AprilkurznachMittagwirdaufderKursfahrtThunab11.55Uhreinaus dem schleppenden «Neptun» und den Kähnen «Helvetia» und «Faulhorn» bestehender Konvoi vor Oberhofen von einem äusserst heftigen Sturm überrascht.DieWellenbringendiezuhintersteingereihte«Faulhorn»zufolgeihrer

Topplastigkeit – die Ladung lag auf dem Deck des sonst leeren Schiffes – ins

Rollen, wodurch die Deckladung verrutschte und das Schiff danach in kürzester Zeit kenterte. Glücklicherweise kann die Schleppverbindung hinter der

«Helvetia»gekapptwerden,sodasswenigstensdiebeidenvorderenBootenicht in zusätzliche Gefahr geraten. Entschlossene Retter aus Oberhofen können zweiMatrosenundeinenTeilderFracht(Wein,Öl,Kaffee,Seife)inSicherheit bringen.DiewichtigsteLadung,nämlich330FässerundSäckeSalz,versinken in den Fluten, wofür der Kanton Bern als Inhaber des Salzregals einen Schadenersatzvon1186,35Fr.einfordert.LeiderfindetauchSteuermannGlatthard denTodindenFluten.

Seither DasWrackder«Bellevue»/«Faulhorn»liegtheutenochin120MeternTiefeund istnachzahlreichenVersuchenam27.Juli2002geortetworden.Diezugänglich gewordenen Bildfragmente zeigen nur kleine Teile des Schiffs, so bspw. die

Stelle,wodasBugsprietbeimUmbauzumSchleppschiffabgesägtwurde.

Zu den Fahrzeiten der «Bellevue» gab es praktisch noch keine Fotografie; die Bilddarstellungen des erstenThunersee-Schiffes waren demnach etwa Kupferstiche, Lithografien oder Ölgemälde, deren Détailtreue meistens eher bescheiden war. Diese bekannte Aquatinta von Heinrich Siegfried vermittelt einen guten Einblick ins Aarebecken und eine etwas pauschalierte Wiedergabe des Dampfers.

Sammlung J.Meister

Oberst Luternau, Kommandant der Eidg. Central-Militärschule inThun, hat in seiner Freizeit einige recht präziseTuschezeichnungen der «Bellevue» angefertigt. Hier das Schiff von achtern mit dem typischen Kugelheck. Gut sichtbar auch das gegen aussen nicht abgedeckte Schaufelrad.

Sammlung E.Liechti

Ebenfalls von Luternau die gut nachempfundene «Bellevue» in einer idyllischen Szene.

Stadtarchiv Thun, SAT_3_16_S_15-17

Aktualisierte Rekonstruktionszeichnung von Erich Liechti.

Erich Liechti

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