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HOMESTORY HEIMETLI
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Beim Umbau wurde das alte Holzhaus komplett abgetragen und wieder neu aufgebaut. Dabei konnten beschädigte und morsche Teile ersetzt werden.
schätzen, denn wegen der neuen strengen gesetzlichen Regelungen zu Zweitwohnsitzen lässt sich heute in der Schweiz ein solches Projekt nicht mehr realisieren», sagt Beat Stuber.
Die Leitung aller Angelegenheiten übertrug er dem Architekten Stephan Jaggi. Er hat jahrzehntelange Erfahrung mit der Sanierung alter Chalets. Um dort, wo früher Kühe und Schweine standen, moderne Wirtschaftsräume, Haustechnik und einen Weinkeller einziehen zu lassen, sollte der komplette Steinsockel neu gemauert werden. Dafür musste man jedoch die auf ihm liegende Holzkonstruktion erfassen, nummerieren und abtragen. Das geschah zuerst mit der einen Haushälfte und schliesslich mit der anderen. Eine solche Vorgehensweise wird dann gewählt, wenn am Äusseren eines Gebäudes nichts verändert werden darf. Zudem gibt sie den Handwerkern die Möglichkeit, im selben Arbeitsgang beschädigte Teile auszuwechseln. Auch für die neuen Böden setzte man Hölzer und Tonplatten ein, die anderswo ihren Dienst bereits getan hatten. Über den Türen kamen Sturzbretter zum Liegen, deren geschwungene Form in einem alten Haus in Lauenen dokumentiert wurde. Für das Dach reiste eine Bauernfamilie aus dem Simmental an. Sie verlegte die mit dem Beil selbstgespaltenen Holzschindeln immer am Nachmittag. Der Vormittag blieb für die Arbeit auf dem eigenen Hof reserviert.
Der Architekt nahm seine Auftraggeber auch bei der Hand, als es um die Ideen für den Innenausbau auf 260 Quadratmetern Wohnfäche ging. «Wir haben uns viele bereits sanierte Häuser in der Region angeschaut. Aber wirklich gefallen hat mir keines. Das meiste war zu aufgesetzt und künstlich», erinnert sich Magdalena Stuber. Sie dagegen wollte die Einfachheit bewahren und die Natur ins Haus holen. Der erste Schritt in diese Richtung war die Öfnung des oberen Stockwerks bis unter den Dachgiebel und die Zusammenlegung von Wohnhaus und Scheune. So gewann man einen herrlich luftigen Raum, der dank mehrerer Tricks über ungewöhnlich viel Tageslicht verfügt. Zum einen liess man drei Dachfächenfenster einbauen, zum anderen wurde im Bereich der ehemaligen Scheune eine sogenannte Gimwand realisiert. Sie besteht aus mit Abstand gesetzten Holzbalken, durch deren Mitte eine dicke Glasscheibe läuft.
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Magdalena und Beat Stuber Um ihren eigenen Stil zu fnden, nahm sich die Hausherrin viel Zeit. Ein besonderes Faible fürs Einrichten hatte sie schon in ihrem Heim in der Stadt Zürich bewiesen, doch die Berge verlangten nach einem anderen Konzept. Sie studierte unzählige Bücher zum Thema Wohnen in den Alpen und sammelte alles, was sie in Zeitschriften über rustikale Interieurs fnden konnte. Schliesslich machte sie noch die Bekanntschaft mit einem Inneneinrichter aus Wimmis, der sie tatkräftig bei der Auswahl und Verarbeitung der passenden Stofe für Vorhänge, Kissen und Decken unterstützte. In seiner Polsterei wurden auch die beiden Sofas für das Wohnzimmer auf Mass gefertigt. Sessel, die schon vorhanden waren, bekamen neue Bezüge. Zu Leinen und Wollflz wählte man schmiedeeiserne Vorhangstangen, die so wunderbar mit den Lichtschaltern aus geschwärztem Stahl harmonieren.
Lebhaft erzählt Magdalena Stuber von einem produktiven Arbeitstrefen, das 2004 in den noch leeren Räumen stattfand und bis tief in die Nacht dauerte. Man habe Pizza bestellt und Rotwein aus Kafeetassen getrunken, weil nichts anderes im Haus war. Heute könnte das nicht mehr passieren. In den Küchenschränken sind bemalte Keramik, schöne Gläser und feines Besteck verstaut. Andere Dinge wie alte Leinenhandtücher und bestickte Kissen fand sie auch auf den Flohmärkten, die jeden Sommer im Tal stattfnden. Mit Monogramm versehene Stücke stammen von ihrer Grossmutter.
Kommen Gäste zu Besuch, werden sie fürstlich bewirtet. So wie diesen Winter, als das Ehepaar eine Einladung für 35 Personen aussprach. Das Catering besorgte ein Freund: Spitzenkoch Robert Speth vom traditionsreichen Restaurant Chesery in Gstaad. Weil es im Wohnraum einen grossen Esstisch mit zehn Stühlen, eine lange Bank entlang der Stallwand, bequeme Ledersessel, zwei Sofas und gepolsterte Sitznischen zu beiden Seiten des ofenen Kamins gibt, musste keiner stehen. Eine Treppe weiter unten fnden Freunde auch über Nacht Unterschlupf. Die Betten sind immer frisch mit Bettwäsche aus Naturleinen bezogen. Nebenan liegen eine gemütliche Stube und das geräumige Schlafzimmer der Besitzer mit Kachelofen und Blick ins Tal.
Im Heimetli gibt es aber noch eine andere Besonderheit. Der ehemalige Schuppen, in dem jahrhundertelang Gerätschaften untergebracht waren, ist heute eine Doppelgarage. Gefiest, beheizt und makellos sauber. Das hat seinen Grund. Beat Stuber sammelt Oldtimer. Jeden Sommer wählt er einen für das «Weekend des Vétérans» – eine vom Hotel Palace in Gstaad organisierte Rallye. Dieses Jahr soll es der Aston Martin DB4 sein. Als der Zürcher 1987 seine Frau kennenlernte, lud er sie auf eine Spritztour im DB6 Volante ein. Er besitzt ihn noch immer. «Zwei Dingen bin ich treu: meiner Frau und meinen Autos», wirft er lachend ein und bekommt einen beherzten Knuf von der Seite.
Buchtipp
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In den Alpen zuhause
Gstaad, das ist internationaler Jetset und sportlicher Esprit, gepaart mit der Bilderbuchszenerie des Berner Oberlandes und einer ursprünglichen Holzarchitektur. Modernes Bauen ist hier verboten, dafür sind die Interiors unter wettergegerbter Hülle umso überraschender und fantasievoller; oft werden traditionelle und zeitgemässe Elemente stilsicher kombiniert. Dieses Buch zeigt am Beispiel der Chalets ausgewählter und teils prominenter Bewohner, wie man sich gekonnt und behaglich alpin einrichten kann.
Chalets mit Stil Alpine Interiors in Gstaad
Knesebeck Verlag CHF 48.50
Reto Guntli & Agi Simoes / Text: Christine Marie Halter-Oppelt