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EIN PARADIES FÜR RADFAHRER STEIERMARK
«AN DIE GERÄTE»
Die Steiermark in Österreich ist ein Paradies für Radfahrer. Sie bietet gemütlichen «Genussradlern» wie sportlich Ambitionierten unzählige Möglichkeiten. Auf der neuen, rund 400 Kilometer langen Weinland Steiermark Radtour können Biker in acht Etappen das steirische Weinland mit seinen kulinarischen Besonderheiten und kulturellen Schätzen entdecken.
Text: Hansruedi Camenisch
«An die Geräte», fordert Luigi die Radfahrergruppe auf. Luigi ist einer von mehreren Rad-Guides in Bad Radkersburg, dem schmucken Städtchen mit intakter Stadtmauer, ganz im Süden der Steiermark gelegen und nur durch den Grenzfluss Mur von Slowenien getrennt. Luigis bestimmter Ton stammt nicht von ungefähr. 41 Jahre hat er für das österreichische Bundesheer als Nachschubsoffizier gearbeitet. «Einmal Soldat, immer Soldat», bemerkt er mit einem Augenzwinkern. Mittlerweile ist er 74 Jahre alt und frönt ausschliesslich seinem Hobby, dem Radfahren. Diese Passion hat ihm auch seinen Spitznamen eingetragen. Anlässlich einer Radtour von der Steiermark nach Rom hätten ihn seine Kollegen in der Ewigen Stadt «Luigi» genannt. «Und jetzt kennt mich die ganze Steiermark als Luigi», sagt er. Mehr brauche es nicht.
Luigi setzt sich auf sein E-Bike und bestimmt das Tempo der Radfahrergruppe. «Wir radeln jetzt etwa mit 23 Stundenkilometern durch die Gegend», klärt er auf. Zeigt der Computer an seinem Lenker eine höhere Geschwindigkeit an, lässt er seine Beine hängen. Luigi zählt zu den Rad-Guides in Bad Radkersburg, die jeden Mittwoch und Samstag gratis geführte Ausfahrten leiten. Da geht es nicht darum, möglichst viele Kilometer abzuspulen. Spass und Erlebnis mit entsprechenden Stopps stehen im Vordergrund. Die Ausfahrten tragen spezifische Namen wie zum Beispiel Eierspeis-mit-Kernöl-Tour oder Fischteichtour. Auch Ausflüge ins benachbarte Ausland beinhaltet das Programm. Bad Radkersburg befindet sich im Dreiländereck zu Slowenien und Ungarn. Und selbst Kroatien ist nicht weit entfernt. Nicht von ungefähr wirbt das historische Städtchen mit dem Slogan «Bad Radkersburg bewegt mein Leben.» Bad Radkersburg ist auch «Etappenort» der Weinland Steiermark Radtour, eines neuen, rund 400 Kilometer langen Radrundwegs. Er führt in acht Teilstücken, deren Längen zwischen gut 40 und knapp 60 Kilometer betragen, durch das steirische Weinland. Da begeistert nicht nur das Raderlebnis auf vorwiegend breiten, asphaltierten und auffallend verkehrsarmen Nebenstrassen und Waldpartien. Diese Radtour verläuft auf bereits bestehenden Wegen, die seit Juni 2015 neu vernetzt und seit Herbst 2016 einheitlich und übersichtlich beschildert wurden. Für Radurlauber gibt es Pakete mit Übernachtungen und Transfers zurück zum Ausgangspunkt. Durch die gute Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz kann die Route problemlos auf mehrere Teilabschnitte aufgeteilt werden. Ein Einstieg ist überall möglich.
Weinkönigin Jolanda II und der Schilcher
Die acht gemütlichen Etappen laden ein, die abwechslungsreiche Landschaft, kulturelle Schätze, kulinarische Köstlichkeiten und steirische Persönlichkeiten entlang und neben der Route zu entdecken. Buschenschanken am Wegrand locken mit genussreichen, teilweise sogar vegetarischen und veganen Jausen. Dass alle angebotenen Produkte vom eigenen Hof oder zumindest aus der Region stammen, ist nicht nur selbstverständlich, sondern gar Pflicht. Glück braucht es, um in einer der vielen Buschenschanken die amtierende Weinkönigin Jolanda II zu treffen. Die 20-jährige Schönheit und Studentin entpuppt sich als ideale Werbebotschafterin für die Steiermark. Auf höchst unterhaltene Art zeigt sie ihr immenses Wissen über den Wein, zum Beispiel wie in Deutschlandsberg der exklusive Schilcher aus den Blauen Wildbachertrauben gewonnen wird.
Je nach Interessen lassen sich entlang der Weinland Steiermark Radtour neben dem Wein – in der Region werden vorwiegend qualitativ hochwertige Weissweine mit den Hauptsorten Welschriesling, Weissburgunder, Morillon (Chardonnay) und Sauvignon Blanc produziert – mit Äpfeln und Kernöl zwei weitere steirische Genussprodukte sowie heilendes Thermal-
1 Abstecher nach Slowenien: Fährmann Anton schippert die Gäste mit der Rollfähre von Weitersfeld nach Sladki Vhr. 2 In acht Teilstücken führt der Weinland Steiermark Radrundweg durch das steirische Weinland. 3 Eine charmante Königin: Jolanda II. repräsentiert für zwei Jahre das steirische Weinland mit all seinen einzigartigen kulturellen Facetten.
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wasser entdecken. Auf dem Weg durch das Thermenland von Hartberg bis Bad Radkersburg laden am Zielort Thermen, wie zum Beispiel die von Friedensreich Hundertwasser kunstvoll gestaltete Therme Bad Blumau oder die Parktherme, zur genussvollen Wellnessrast im gesunden Thermalwasser ein.
Die Murecker Schiffsmühle
Vielseitig nutzbar ist die Strecke von Bad Radkersburg bis Leibnitz. Die gut 50 Kilometer führen teilweise durch Laubwälder oder durch grosse Mais- und Kürbisfelder und vorbei an kleinen Dörfern. Oft sind das Gewässer der Mur und seine bezaubernde Auenlandschaft die Begleiter. Zur speziellen Rast lädt am Grenzfluss der «Mühlenhof» in Mureck ein. Vor 250 Jahren war es ein Bauernhaus. Jetzt ist es ein Erlebnis-Wirtshaus. Balken für Balken wurde es am alten Standort abgetragen und am jetzigen originalgetreu als Gaststätte wiederaufgebaut. Hier erlebt der Gast raffinierte, traditionelle Wirtshausatmosphäre. Eine besondere Augenweide ist die angrenzende geschichtsträchtige Murecker Schiffsmühle in der Mur. Zu Zeiten von Fürstin Maria Theresia aus dem Hause Habsburg (18. Jahrhundert) waren Schiffsmühlen noch etwas Alltägliches. Aufgrund des aufkommenden Schiffsverkehrs wurden sie jedoch fast gänzlich verdrängt. Gab es damals noch mehr als 100 dieser faszinierenden Mühlen, ist die Murecker Schiffsmühle heute eine von nur noch sieben auf der Mur. Sie ist heute noch phasenweise in Betrieb und bietet vor allem auch eine wunderbare Kulisse.
Auf der gemütlichen Radfahrt entlang der Mur empfiehlt sich ein Halt beim hohen Murturm, einem spannenden architektonischen Bauwerk aus Stahl. Einige Kilometer später ist gar ein kurzer Abstecher nach Slowenien mit der Rollfähre von Weitersfeld nach Sladki Vhr möglich. Die Verbindung ist kostenlos. Am Ruder steht Anton, ein braungebrannter «Seemann», zwar wortkarg und etwas grimmig blickend, aber ein dankbares Fotosujet.
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1 Das «Grüne Gold» wird aus dem steirischen Ölkürbis gewonnen. Es hat eine dickfüssige Konsistenz sowie eine grüne bis dunkelbraune Farbe, die durch die Schalenrückstände entsteht.
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2 Im Thermenland Steiermark sprudelt heilkräftiges Wasser aus sechs verschiedenen Quellen, die dem Körper Energie und neues Wohlbefnden schenken.
Besuch bei der Käferbohnenkönigin
Speziell ist auch ein kulinarischer Abstecher in die «bohnbastischen Welten» in Halbenrain. Die Käferbohne (bei uns als Feuerbohne bekannt) ist den Steirern so wichtig, dass sie sogar eine Königin dafür ernannt haben. Sie heisst Michaela Summer und führt den Betrieb «Bäcksteffl», in den auch das Käferbohnen-Kabinett integriert ist. Von der Königin persönlich erfährt man viel Wissenswertes über die violetten Proteinbomben. Etwa, dass die Käferbohne und der Mais zusammengehören. Die rot blühende Käferbohnenpflanze schlängelt sich um den strammen «Maissoldaten» hoch. Geerntet werden Käferbohnen und Mais jeweils erst im November mit speziellen Dreschmaschinen, welche die beiden Sorten trennen. Aufgrund der sorgfältigen Lagerung können Käferbohnen ganzjährig angeboten werden. Nachdem die Käferbohnen 12 bis 24 Stunden in Wasser eingelegt und anschliessend gekocht werden, lassen sich zahlreiche Gericht zubereiten – vom Salat mit steirischem Kürbiskernöl über Suppen und Hauptspeisen bis zu Desserts auf Basis der Käferbohne.
Königlich ist im österreichischen Radfahrerparadies übrigens auch das Wetter: Die Statistik zeichnet für die Südoststeiermark im Durchschnitt jährlich 320 Sonnentage auf.
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Das «Grüne Gold»
Nicht zu übersehen sind auf der Bike-Tour durch die Südoststeiermark die riesigen Kürbisfelder. Sie liefern den Rohstoff, aus dem das weit über die Landesgrenzen hinaus bekannte Kürbiskernöl produziert wird. Die Steirer bezeichnen es mit Stolz als das «Grüne Gold». Ein unverkennbar intensiver Geschmack, der Duft nach Nüssen und Röstaromen sowie die dunkelgrüne bis braune Farbe machen das Kürbiskernöl einzigartig. Von der EU wurde dem steirischen Kürbiskernöl der regionale Herkunftsschutz verliehen. Familienbetriebe wie etwa jener von Josef Majczan in Bad Radkersburg oder die grosse Ölmühle der Firma Hartlieb in Heimschuh geben bei Besichtigungen gerne Einblick in ihre Tätigkeit inklusive Degustation. Sie demonstrieren den Werdegang vom Kürbis bis zum fertigen Öl und verraten unter anderem, dass es etwa 30 Kürbisse oder 2,5 bis 3 Kilogramm Kürbiskerne braucht, um einen Liter Kürbiskernöl herzustellen. Bei Hartlieb ist die Ölpresse mit modernsten Geräten täglich in Betrieb. Wie es früher zu und her ging, ist im hauseigenen Museum bei Führungen nachvollziehbar.
www.steiermark.com/rad
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