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ROLLST DU SCHON? FASZIENTRAINING
Rolst
du schon?
Das muskuläre Bindegewebe – die Faszien – ist eines der am meisten unterschätzten Gewebe unseres Körpers. Doch was sind Faszien überhaupt, wofür sind sie gut und was bringt Faszientraining?
Text: Karin Schmidt
Das dreidimensionale Spannungsnetzwerk des Menschen
Es sind die Faszien, die dem Menschen seine Gestalt geben. Faszien sind weisses, muskuläres Bindegewebe, das Knochen, Muskeln, Sehnen und Organe als Hülle umschliesst. Unsere Faszien bilden ein Netzwerk, das sich durch den ganzen Körper zieht und ihm somit Struktur gibt. Darüber hinaus haben Faszien ein enormes Wasseraufnahmevermögen und dienen deshalb auch als interner Flüssigkeitsspeicher. Früher hat man dieses Gewebe in der Schulmedizin eher vernachlässigt. Man hat es mehr oder weniger als «Verpackungsorgan» betrachtet. Aktuelle Forschungen belegen, dass Faszien eine wichtige Basis für körperliche Gesundheit und sportliche Leistungsfähigkeit bilden. Die wissenschaftlichen Entdeckungen der internationalen Faszienforschung sorgen für aufsehenerregende Erkenntnisse, die eine Neuorientierung mit sich bringen: im Leistungssport, in den gesundheitsorientierten Bewegungsprogrammen und der medizinischen Rehabilitation.
Was passiert, wenn Faszien miteinander verkleben?
Gesunde Faszien und Faszien in jungen Jahren haben häufig eine scherengitterartige Struktur und sind damit optimal elastisch. Bei älteren, verletzten oder untrainierten Menschen verfilzt das Gewebe, indem die Kollagenfasern eine ungeordnete Geometrie aufweisen und miteinander verkleben. Meistens liegt das an fehlender Bewegung. Verfilztes Gewebe kann jedoch auch vorkommen, wenn ein Körperteil eingegipst war. In der Folge ist man nicht mehr so beweglich und wird steif. Bei Sportlern können die Faszien ebenfalls verfilzen, was dann auf eine Überforderung der Faszien zurückzuführen ist.
Wie kann man Faszien trainieren?
Ein beliebtes Hilfsmittel zur Eigenbehandlung der Faszien sind Faszienrollen, die in einem nahezu unüberschaubaren Variantenreichtum angeboten werden. Sie dienen dazu, die Faszien durch leichten Druck und den Massageeffekt, der das Rollen ver-
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BUCHTIPP
Kyle Stull FOAM ROLLING
Die effektivsten Faszienmassagen für mehr Beweglichkeit, eine schnellere Regeneration und weniger Verletzungen.
Wer sich selbst tiefer in das Thema Faszientraining einlesen will, dem empfehlen wir dieses praxisbezogene Buch von Faszientrainingsexperte Kyle Stull. Von wissenschaftlichen Forschungen unterstützt, zeigt er Ihnen über 25 effektive Techniken der Selbstmassage und gibt zahlreiche Tipps rund um das Thema Faszien. Kyle Stull hat Gesundheitswissenschaften, Rehabilitation und Sportmanagement studiert, ist ausgebildeter Massagetherapeut und unterrichtet seit 2010 an der National Academy of Sports Medicine in Arizona. Im Laufe der vielen Jahre, die er in der Fitnessbranche tätig ist, konnte er feststellen, wie nützlich der Einsatz von Faszienrollen in allen Trainingsbereichen ist.
Erschienen im Mai 2018 im riva Verlag der Münchner Verlags- gruppe GmbH www.m-vg.de ca. CHF 33.90
ursacht, zu lockern und Verklebungen und Blockaden zu lösen. Die Rollen sind jedoch nicht die einzige Möglichkeit und reichen alleine auch nicht für ein Faszientraining aus. Mindestens genauso wichtig sind federnde, sprunghafte Bewegungen, welche die Faszien elastisch halten. Beispielsweise ist leichtes Hüpfen und Springen auf einem Trampolin sehr zu empfehlen. Darüber hinaus tun streckende Dehnungen, ähnlich wie bei einer Katze, dem Gewebe gut. Hierbei ist wichtig, dass die Dehnung nicht nur einen Muskel beansprucht, sondern ganzheitlich und dynamisch ausgeführt wird. Denn so werden die über mehrere Gelenke verlaufenden faszialen Ketten stimuliert. Besondern eignen sich hier zum Beispiel Yoga-, Tai-Chi- oder Qi-Gong-Übungen. Nicht zuletzt sollten Faszien auch als Wahrnehmungsorgan durch feine, die Sinne schulende Bewegungen trainiert werden. Sportwissenschaftler sprechen dann oft vom sogenannten sensomotorischen Training. Hierbei wird versucht, durch Ausschalten von visuellen Reizen (zum Beispiel Augen schliessen) oder andere erschwerende Bedingungen das Körpergefühl zu trainieren. Dazu zählt beispielsweise das gezielte Anschmiegen einzelner Wirbel an eine Rücklehne im Sitzen. Auch Behandlungen der sogenannten Triggerpunkte sind sehr zu empfehlen, weil sie Blockaden und Verklebungen der Faszien auflösen können. Triggerpunkte treten an den äusseren Faszien als Verklebungspunkte auf – meist im Schulter-Nackenbereich und sind mit den Fingern als schmerzhafte Verhärtungen ertastbar. Die Behandlung selbst kann durch geschulte Therapeuten oder durch Selbst- oder Partnerbehandlungen erfolgen. Auch für diese Art von Massage und Behandlung werden spezielle Tools angeboten – meist in Verbindung mit Faszienrollen. Bei aller Begeisterung: Faszientraining sollte man als Ergänzung – und nicht als Ersatz – für Muskel-, Kreislauf- und Koordinationstraining sehen. Wie so oft macht es auch hier die Kombination.