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Schloss Thun: Interview mit der Museumsleiterin Yvonne Wirth

«Wir haben auch Fans–wie der FC Thun»

Seit knapp zwei Jahren leitet Yvonne Wirth das Schlossmuseum Thun. Im Wahrzeichen der Stadt können Menschen in 800 Jahre Geschichte eintauchen. Nebst Touristen will die Museumsleiterin vor allem auch die Thuner Bevölkerung für ihr Schloss begeistern.

Wie fühlen Sie sich als Schlossherrin

von Thun? (lacht) Als Museumsleiterin des Schlosses Thun fühle ich mich gut. Es macht riesigen Spass und ist eine ständige Herausforderung. Ich verwehre mich etwas gegen den Begriff Schlossherrin, da wir ein moderneres Verständnis davon haben, was wir hier tun.

Und was tun Sie genau? Wir setzen das Monument und Museum attraktiv, interessant und für alle Zielgruppen gerecht in Szene und leisten entsprechende Kulturvermittlung. Nebst den Ausstellungen und dem Gestalten des Jahresprogramms kommen viele Aufgaben der Betriebsführung dazu, etwa in den Bereichen Sicherheit, Denkmalschutz, Sammlungsbetreuung usw.

Sie sind Kunsthistorikerin und waren vor Thun bereits in anderen Schlössern tätig. Haben Sie ein Faible für Schlös-

ser? Die Monumente sind natürlich toll, aber vor allem für das, was darin passiert ist. Ich bin sehr begeistert von der Residenz-Kulturforschung: Schlösser waren in der Vergangenheit immer auch die Orte, wo wichtige Persönlichkeiten wichtige Dinge entschieden, wo die tollsten Kunstaufträge hinausgingen und Kunstschätze lagerten. Besonders spannend finde ich die Möglichkeit, am Ort des Geschehens die Kunstgegenstände, die man wissenschaftlich erforscht, wieder in den richtigen Kontext zu rücken.

Also ist die Forschung für Sie zentral?

Ohne Forschung keine Kulturvermittlung. Nur wenn wir die Geschichte kennen, können wir die Bedeutung dieses Orts vermitteln, spannende Geschichten erzählen und die Augen der Schlossbesucher zum Leuchten bringen.

Im Schloss Thun kann man eintauchen in 800 Jahre Geschichte. Warum finden Sie es wichtig, Geschichte zu ver-

mitteln? Wir alle leben in unserer Geschichte. Wir wollen erfahren, was früher war. Beim Studieren von Geschichte erfahren wir Möglichkeiten, in der Zukunft besser zu entscheiden. Wenn ich Thunerinnen sehe, die hier hochkommen, und ich erleben darf, wie die Menschen durchs Haus gehen, die Geschichte der Stadt erfahren und ihren Kindern erklären, erfüllt mich das mit grosser Freude und Genugtuung. Das Schloss ist auch identitätsstiftend. Es gibt Boden, Stabilität, Kontinuität, ist Heimat. Das hat man gesehen, als die Notre-Dame in Paris brannte, welch schlimme Wunden das riss. Ich denke, die Thuner schauen mindestens einmal im Tag hoch zu ihrem Schloss.

«Das Schlossmuseum ist wie ein guter Film.»

Wie kann man Geschichte attraktiv

vermitteln? Ein guter Ansatz ist, Geschichten an Menschen zu binden. Sie berühren und können dadurch Türöffner sein für den ganzen historischen Kontext.

Früher hängte man einen Speer an die Wand und fertig war die Ausstellung. Worauf legen Sie Wert bei der Präsenta-

tion? Nach der erfolgten Überarbeitung der Dauerausstellung, dem szenischen Ins-Bild-Setzen über Licht, Stimmung und Atmosphäre ermöglichen wir zum Beispiel über Entdeckerrundgänge ein stärkeres, punktuelles Eintauchen in die Geschichte. Auch einen Audioguide bieten wir an. Wir sind laufend daran, die Ausstellung weiterzuentwickeln.

Und was haben Sie mit den Sonderaus-

stellungen vor? Sie sollen künftig jedes Jahr wechseln, damit wir dem Publikum auch die 15'000 Objekte umfassende Sammlung vermehrt zugänglich machen können.

Die aktuelle zeigt Thun in Malerei, Druck, Fotografie und Film aus den Jahren 1750 bis 1918. Wie kam es

dazu? Es gibt Touristen, die suchen bei uns vor allem den Blick vom Turm hinüber zu den Alpen. Die ausgestellten Werke zeigen alle diesen Ausblick. So sieht man gut, wie sich die Stadt in dieser Zeit verändert hat.

Wollen Sie mit Ihren Ausstellungen pri-

mär Touristinnen ansprechen? Nein. Wir wollen auch den Thunerinnen und den Menschen aus dem Kanton Bern und der Schweiz das bieten, was sie interessiert. Wir sind für alle offen und haben eine gute Durchmischung, wobei ein Schwerpunkt auf dem Schweizer Markt liegt. Es ist ein Ziel, gerade die Thuner Bevölkerung wieder mehr für ihr Schloss zu begeistern.

Wie wollen Sie das erreichen? Vieles läuft über das Sichtbarmachen, über Marketing. Wir sind immer noch ein Geheimtipp und möchten noch bekannter werden. Wir gehen vermehrt raus, hatten einen Auftritt an der OHA. Zudem stärken wir Kooperationen und unsere Präsenz auf Social Media. Wir machen auch Kindergeburtstage auf dem Schloss. Sammlungsobjekte. Das ist eine gute

«Ohne Forschung keine Kulturvermittlung.»

Wie wichtig sind Events? Über Veranstaltungen wie die Lichtnacht, Spielsonntage, können wir das Schloss zusätzlich beleben und erlebbar machen. Sie ergänzen unsere Ausstellungen und ermöglichen einen Blick auf das Schloss aus einer anderen Perspektive. Sie sollen aber zu uns passen. Halligalli geht hier nicht.

Haben Sie eigentlich auch Stamm-

gäste? Ja, wir haben auch Fans, wie der FC Thun. Statt an ein Fussballspiel zu gehen, kommen sie zu uns. Ein Fan sagte mir mal: «Das Schlossmuseum ist wie ein guter Film, den man sich immer

Glauben Sie, dass die Digitalisierung einen Museumsbesuch bald überflüs-

sig macht? Nein. Nie. Menschen suchen authentische Begegnungen. Sie werden traurig, wenn sie nur noch auf Bildschirme gucken müssen. Das heisst nicht, dass wir uns gegen die Digitalisierung wehren. Wir planen zum Beispiel die digitale Erschliessung unserer wieder anschauen kann.»

Ergänzung, ersetzt aber nie den realen Besuch.

Interview: Simone Tanner Bilder: Erich Häsler, zvg

Linke Seite: Die Kunsthistorikerin Yvonne Wirth, hier im Rittersaal, ist begeistert von der Residenz-Forschung. Rechts und unten: Blick in die Dauerausstellung (Keller und 1. Boden). Die Sammlung umfasst 15'000 Objekte.

Zum Schloss und zur Person

Yvonne Wirth ist Kunsthistorikerin und Anglistin. Sie leitet das Schlossmuseum seit Juni 2018. Bis Ende März ist das Museum täglich von 13 bis 16 Uhr offen, ab April von 10 bis 17 Uhr. Nebst der Dauerausstellung (Geschichte Thuns und des Schlosses) ist aktuell die Sonderausstellung «Stadterkundigungen und Landpartien. Thun entdecken in Malerei, Druck, Fotografie und Film» zu sehen. Zudem gibt es verschiedene Veranstaltungen.

schlossthun.ch

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