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Sport: Interview mit der Tennisspie lerin Valentina Ryser
from TM 05 2019
by WEBER VERLAG
Die 18-jährige Thunerin Valentina Ryser gehört zu den 25 besten Tennisspielerinnen der Schweiz. Ihr Ziel sind die Top 100 der Welt. Für ihren Traum vom Tennisprofi trainiert sie hart und wird von vielen unterstützt – auch von ihrer Omi.
VALENTINA RYSER, wie fing das al-
les an mit dem Tennisspielen? Mit fünf Jahren stand ich zum ersten Mal auf dem Platz. Meine Eltern spielen beide Tennis und nahmen mich mit. Später besuchte ich Ferienpass-Kurse und schliesslich nahm ich regelmässig Stunden.
Gab es noch andere Optionen als
Tennis? Als Kind machte ich auch Kunsteislauf. Mir gefiel beides sehr gut. Irgendwann musste ich mich aus Zeitgründen für eine Sportart entscheiden. Weil ich immer so kalte Füsse hatte auf der Eisbahn, fiel mir der Entscheid nicht sonderlich schwer.
Wann haben Sie gemerkt, dass Tennis
mehr ist als ein Hobby? Schon ziemlich früh. Bereits in der 3. Klasse erhielt ich Dispensationen für das Angebot «Schule und Sport», wo wir im CIS Heimberg trainieren konnten. In der 7. Klasse besuchte ich in der Progymatte die Sportklasse. Ich hatte mega Glück mit meinen Lehrern, die alle sehr sportbegeistert waren und mich förderten und unterstützten. Mit 15 Jahren kam ich in die Swiss Tennis Academy in Biel, wo ich heute noch trainiere.
Was fasziniert Sie am Tennis? Tennis ist einfach cool und so vielseitig. Es ist ein schönes Gefühl, einen Winner zu schlagen. Zudem ist Tennis ein richtiger «Psychosport». Damit meine ich, dass sehr viel über den Kopf geht. Auf einem gewissen Niveau können alle gut Tennis spielen. Ausschlaggebend ist dann oft der mentale Bereich. Man kann einen Match immer noch drehen, weil es keine Zeitbegrenzung gibt wie zum Beispiel im Fussball. Diesen psychologischen Fight mit der Gegnerin mag ich sehr.
Der berühmte Kopf. Wie trainieren Sie
mentale Stärke? Ich gehe einmal pro Woche zu einer Mentaltrainerin. Mit ihr lerne und übe ich, wie ich mich in mental belastenden Situationen verhalten soll und die richtige Entscheidung treffe. Sie zeigt mir verschiedene Techniken und Strategien, zum Beispiel, wie ich ruhig und konzentriert bleiben kann in einer engen Situation. Vieles kommt auch mit der Erfahrung. Und Selbstvertrauen ist etwas vom Wichtigsten im Tennis. Daran arbeite ich. Schläge zu üben ist einfacher, als den Kopf zu trainieren.
Ihr Spiel ist schnell, offensiv. Sie wirken auf dem Platz cool, fast abgeklärt. Wie sieht es in Ihnen aus während eines Matchs? Oft anders. Ich zeige meine Emotionen nicht so stark gegen aussen.
Lange Zeit schien es mir sogar unnatürlich, eine Faust zu machen bei einem Winner. Emotionen zu zeigen ist aber hilfreich für das eigene Spiel und auch als Signal für die Gegnerin. Mittlerweile rufe ich schon mal «come on», um mich anzuspornen.
Wie Roger Federer. Er ist Ihr grosses Vorbild. Was bewundern Sie an ihm
am meisten? Sein ganzes Lebenswerk, was er alles erreicht hat. Er hat ein mega schönes Spiel. Mir gefällt aber auch sein Charakter. Er ist so bodenständig und gelassen. Und auch sehr respektvoll und mit viel Fairness am Spielen. Das ist bewundernswert.
Momentan fokussieren Sie sich voll und ganz aufs Tennis. Gibt es einen Plan B, wenn das mit der Profikarriere
nicht klappt? Es ist mir sehr wichtig, eine Ausbildung oder ein Studium zu haben. Dank unserem Bildungssystem kann ich das später noch nachholen. Etwas im Bereich Psychologie täte mich sehr interessieren. Aber jetzt will ich es probieren mit dem Tennisprofi. Mein Ziel sind die Top 100 der Weltelite.
Das bedingt viel Arbeit, Einsatz und Zeit. Welche Opfer müssen Sie brin-
gen für Ihren Traum? Ich war mir schon als Kind gewöhnt, viel Zeit auf dem Tennisplatz zu verbringen und zwischendurch halt etwas anderes zu verpassen, zum Beispiel wenn meine Freunde was zusammen unternehmen. Aber ich freue mich immer auf die Turniere und meine Kollegen unterstützen mich auch sehr.
Gab es schon Momente, in denen Sie den Tennisschläger in die Aare
schmeissen wollten? Nach einem verlorenen Spiel ist man schon frustriert. Aber ich wollte noch nie aufhören. Spätestens zwei Tage nach der Niederlage bin ich wieder motiviert, weiterzumachen.
Wie motivieren Sie sich? Wenn man etwas falsch macht, kann das durchaus motivieren, es besser zu machen. Dieses Jahr konnte ich die Junior-GrandSlams spielen, was ebenfalls sehr motivierend war, auch weil man dort den besten Spielerinnen zuschauen kann.
Melbourne, Paris, London, New York. Tennisprofi zu sein, ist auch mit Reisen verbunden. Haben Sie nie Heimweh?
Eigentlich nicht. Es ist zum Teil sehr anstrengend, aber zum Glück verträgt mein Körper es gut. Schade ist, dass man meistens nur wenig Zeit hat, um sich die Städte anzuschauen. Aber egal, in welch schönem Land ich bin, ich freue mich immer sehr auf zuhause. Ich liebe Thun über alles.
Ihre Familie unterstützt Sie sehr. Ist Ihre Karriere auch eine Art Familienprojekt?
Um Profi zu werden, muss man Tennis leben. Es braucht auch neben dem Platz einen grossen Einsatz: Organisation der Turniere, Sponsorensuche, Medienarbeit usw. Ohne die Unterstützung meiner Familie wäre ich nicht da, wo ich bin. Sogar meine Omi ist an jedem Match in der Schweiz dabei und feuert mich an. Sie ist bekannter als ich in der Tennisszene.
Interview: Simone Tanner Fotos: Erich Häsler, zvg
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Links: Valentina Rysers Spiel ist schnell und offensiv. Rechts: Die gewonnenen Pokale stehen in einem Schrank in ihrem Zimmer. Unten: Valentina Ryser in ihrem Zimmer, daheim in Thun.
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Zur Person
Valentina Ryser ist am 22. März 2001 in Thun geboren und hier aufgewachsen Hobbys: Malen, Lesen, Kino, Freundschaften pflegen Swiss Ranking: Nr. 23, ITF Ranking U18: Nr. 42 der Welt ITF World Ranking: Nr 779 der Welt