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Thun-Thunersee Tourismus: Interview mit dem neuen Geschäftsführer Lorenz Blaser
«Unsere Stärke liegt in der Qualität»
Mitten in der Coronakrise übernahm Lorenz Blaser die Geschäftsführung von ThunThunersee Tourismus. Ein schwieriges Jahr für die Tourismusbranche. Bis jetzt sind die negativen Auswirkungen auf die Region zum Glück etwas weniger gravierend als anderswo.
Lorenz Blaser, welches ist Ihre Lieb-
lingsferiendestination? Überall, wo es Berge und Meer hat. In der Schweiz sind wir in der glücklichen Lage, alles sehr nahe zu haben. Wir lieben es, als Familie die Natur zu geniessen und immer wieder neue Ecken zu entdecken. Und natürlich lieben wir das wunderschöne Berner Oberland. Hier fühlen wir uns glücklich und zu Hause.
Dann hat Ihnen Corona keinen Strich durch die Ferienplanung gemacht? Nein. Im Sommer und Herbst waren wir im Graubünden und Tessin. Mit unserem achtjährigen Sohn geniessen wir es,
«Wenn man durch
Thun flaniert, fühlt man sich daheim.»
auf Bergwanderungen die Natur zu Fuss zu erkunden.
Berge scheinen Ihnen auch beruflich zu liegen. Sie waren zuletzt im Freilichtmuseum Ballenberg und auf dem Nie-
sen tätig. Was zog Sie nach Thun? Thun und der Thunersee sind Heimat für mich. Ich bin in Hünibach aufgewachsen, machte in Thun die Lehre und spielte bei Dürrenast Fussball. Es war ein Heimkommen.
Es war sicher aufgrund der Corona-Pandemie ein ziemlich harter Einstieg bei
Thun-Thunersee Tourismus? Ja, die Situation war speziell. Ein Vorteil war, dass ich schon vieles kannte und ein gutes Netzwerk habe. Aber die allgemeine Situation für den Tourismus war und ist natürlich sehr schwierig.
2019 verzeichnete die Region ThunThunersee fast eine halbe Million Logiernächte. Corona stoppte den Aufwärtstrend. Wie schlimm steht es um
unsere Tourismusregion? Es trifft nicht alle gleich. Hotels und Betriebe, die von Seminaren und Events abhängig sind, haben einen schweren Stand. Andere Hotels in Thun verzeichneten im Juli eine nur geringfügig schlechtere Auslastung als im selben Monat im Vorjahr. Im Vergleich zu anderen Städten wie Luzern oder auch Zürich, die andere Zielmärkte haben, war der Einbruch in Thun etwas weniger gross. Auch bei vielen Thuner Gastrobetrieben und Geschäften war die Auslastung im Sommer nicht schlecht.
Liegt das daran, dass die Region vor allem bei Schweizerinnen und Schweizern beliebt ist? Ja, sicher. Unsere Ausrichtung lag schon vorher hauptsächlich auf der Schweiz und dem umliegenden Europa. Daher mussten wir uns in der Coronakrise nicht neu erfinden
oder uns ein neues Image zulegen. Wir konnten bei den Schweizer Märkten sogar noch zulegen, was die Ausfälle bei den Fernmärkten etwas ausglich.
Was heisst das für die Zukunft? Führen
Sie Ihre Strategie so weiter? Ja. Unsere Stärke liegt in der Qualität, nicht in der Quantität. Wir müssen nicht die grosse Menge an Touristen holen. Unseren Stärken wollen wir Sorge tragen. Wenn Thun wie Venedig oder Barcelona plötzlich überrannt würde, verlöre es diese Stärke, dieses Flair.
Auch andere Schweizer Städte haben Qualität und Flair. Wie kann sich Thun
abheben von der Konkurrenz? Die kurzen Wege, die Nähe zu zahlreichen attraktiven Ausflugsmöglichkeiten kommen Thun sicher zugute. Und wenn man durch Thun flaniert, fühlt man sich daheim. Es ist authentisch.
Ein Stück heile Schweiz? Wenn Sie es so nennen wollen. Es geht um Authentizität, um Ehrlichkeit, Echtheit. Andere Orte haben sich aufgrund der Überflutung durch Touristen stark angepasst, auch bezüglich des Angebots. Dann droht die Balance verloren zu gehen, auch für die einheimische Bevölkerung, wie man in vielen europäischen Städten sieht.
TTST ist dabei, eine neue Strategie zu erarbeiten. Können Sie schon etwas
verraten? Die Strategie werden wir noch mit unseren Partnern diskutieren und abstimmen. Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass wir den eingeschlagenen Weg weitergehen.
Was würden Sie als Reiseführer einem Gast aus Neuseeland von der Region
zeigen? Ich würde sicher mit dem Schiff zu einem der schönen Schlösser fahren, ihm einen Ausflugsberg zeigen und eine kürzere Wanderung unternehmen. Dann täte ich mit ihm durch Thun flanieren und den Tag bei einem feinen Essen ausklingen lassen.
Individualismus, Ökologie und Bewegung sind aktuelle Trends im Tourismus. Inwiefern tragen Sie diesen Rechnung?
Das sind Themen, die uns beschäftigen. Wir sind jedoch nicht in einer Leadfunktion, sondern arbeiten zusammen mit Gemeinden und anderen Partnern, zum Beispiel bezüglich Mietvelos oder Bikeparks. Hier haben wir sicher noch Potenzial.
TTST will auch den «MICE»-Bereich, das heisst Kongresse, Events usw., künftig noch stärker bearbeiten. Was heisst
das konkret? Aufgrund der Coronakrise ist es sehr schwierig, konkrete Pläne zu schmieden. Es geht primär darum, dass wir Thun besser positionieren und die vorhandenen Stärken aufzeigen, unsere Angebote wie ein KKThun oder den Seepark noch bekannter machen, um Kongresse und Seminare nach Thun zu holen.
Zusammenarbeit scheint das Zauber-
wort. Ja, Zusammenarbeit mit Gastronomie, Hotellerie, Gemeinden, Dienstleistern und anderen Playern ist zentral, damit wir als Einheit, als Region auftreten können. Da vieles zurzeit nicht umsetzbar ist, können wir unsere Energie in die Pflege unseres Netzwerkes legen, um neue Ideen zu suchen und die Zusammenarbeit zu optimieren.
In die Digitalisierung hat TTST im letzten Jahr investiert. Wie profitieren Touristen davon? Es gibt verschiedene Pro
Bild linke Seite: Lorenz Blaser im Welcome-Center Thun, wo sein Team Gäste und Touristinnen berät.
Bild rechts: Ein Mini-Schloss und andere Marketingprodukte gibt es im WelcomeCenter.
Bild unten: Die Stärke der Tourismusregion Thun-Thunersee liegt in der Qualität. jekte, die wir mit unseren Partnern diskutieren. Zum Beispiel eine digitale Gästekarte oder auch digitale Information. Digitale Führungen sind auch ein Thema. Mit ihnen könnten die Gäste die Stadt Thun auf eigene Faust zum gewünschten Zeitpunkt entdecken. Damit kämen wir den individuellen Bedürfnissen noch besser nach, ohne die erfolgreichen Stadtführungen zu konkurrenzieren.
Prognosen sind aktuell schwierig. Aber
worauf freuen Sie sich? Man kann zurzeit nur in Möglichkeitsform sprechen. Ich freue mich auf den Zeitpunkt, wenn man wieder planen und sich ohne Vorbehalte bewegen kann. Die Situation wird sich vermutlich nicht sehr schnell verbessern. Wir müssen offen, zuversichtlich und optimistisch bleiben.
Interview: Simone Tanner Bilder: Erich Häsler, Christoph Gerber
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