FUSSBALLTRIKOTS
VERLAG DIE WERKSTATT
DA S B U C H F Ü R L I E B H A B E R
Neal Heard
THIS IS ‘A LOVER’S GUIDE’ BOOK
Aus dem Englischen von Olaf Bentkämper
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel The Football Shirts Book. The Connoisseur’s Guide bei Ebury Press. Ebury Press ist Teil der Penguin-Random-House-Gruppe Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Copyright © Neal Heard 2017 Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2019 Verlag Die Werkstatt GmbH Lotzestraße 22a, D-37083 Göttingen www.werkstatt-verlag.de Alle Rechte vorbehalten Satz und Gestaltung: Die Werkstatt Medien-Produktion GmbH ISBN: 978-3-7307-0379-3
INHALT EINFÜHRUNG KLASSIKER UND SAMMLERSTÜCKE SING WHEN YOU’RE WINNING DIE SCHÖNHEIT IM DESIGN TRIKOTS & POLITIK BRANDING STIL & ETIKETTEN DIE WUNDERBARE WELT DER SAMMLER DIE STIMME DES VOLKES: TOP 5 DANKSAGUNG FOTONACHWEIS
EINFÜHRUNG Wo alles begann: die St.-Michaels-Schulmannschaft von 1978. Ich bin der mit den langen Haaren. Das Trikot war gelb mit blauem Kragen – ich sehe es heute noch vor mir!
Puh, wo fange ich an? Seit 25 Jahren spukte mir die Idee für dieses Buch im Kopf herum, ehe ich es nun endlich niederschrieb und mir damit einen Traum erfüllte. In meinen Gedanken ebenso wie in der Realität hat es ein ganzes Spektrum an Erscheinungsformen durchlaufen. Ursprünglich sollte es so etwas wie Darwins „Entstehung der Arten“ für Fußballtrikots werden. Ich wollte damit einsteigen, die Bedeutung von Trikotfarben und Mustern zu erörtern, warum wir uns über Gruppen definieren und inwieweit Teamfarben einen wesentlichen Bestandteil unserer Identität bilden – also quasi von den tribalistischen Wurzeln bis heute (zu diesem Thema empfehle ich übrigens Desmond Morris’ vorzügliches Werk The Soccer Tribe aus den 1970er
NEAL HEARDS TOP 5
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Saint-Étienne 1981 Super Télé Dieses Trikot steht für alles, was ich an Trikots romantisch finde, außerdem ist es schlicht schlicht-weg umwerfend schön. Das unkonventionelle Grün, die Streifen, das abgefahrene Logo des mittlerweile nicht mehr existenten französischen Sponsors, abgerundet durch das hübsch geflockte Abzeichen von Le Coq Sportif – einfach ein Traum.
Jahren). Daran hätte sich ein historischer Abriss über die Evolution von Fußballtrikots in aller streberhaft-obsessiven Ausführlichkeit angeschlossen, angefangen mit dem Jahre null: Corinthian-Casuals, das Wall Game und der ganze Kram. Doch das habe ich einstweilen auf die lange Bank geschoben. Stattdessen habe ich meiner künstlerisch-freigeistigen Ader freie Hand gelassen. Denn warum sich von konventionellen Denkmustern einengen lassen?! Obwohl ich durchaus glaube, dass diese Aspekte total wichtig sind – und wer weiß, vielleicht greife ich sie im zweiten Band ja wieder auf –, neige ich nach all den Jahren des reiflichen Überlegens dazu, eine andere Richtung einzuschlagen.
Juventus 1983/84 Ariston Noch ein Trikot, das irgendwie das Glamouröse und Geheimnisvolle der frühen Begegnungen mit ausländischen Vereinen und deren schrägen Namen einfängt. Schade, dass man nicht auch in Großbritannien diese Gimmiks für Pokalsieger und Meister nach italienischem Vorbild verwendet – vollendet durch die aufgenähten Logos vom Sponsor und von Kappa!
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Während das Projekt auf der langen Bank schmorte, zeichnete sich ab, dass die Populärkultur den gleichen Pfad des universellen Bewusstseins beschritten hatte, und es erschienen hervorragende Bücher unterschiedlichster Ausprägungen über Fußballtrikots. Hatte die entsprechende Abteilung meines Bücherregals zuvor nur ein oder zwei zerfledderte Klassiker beherbergt, konnte ich sie nun um einige exzellente Werke ergänzen. Gewiss erfüllen die meisten dieser Bücher auf die eine oder andere Art und Weise ihren Zweck, aber so großartig sie auch sein mochten, traf keines davon meinen ganz persönlichen Nerv. Diejenigen unter Ihnen, die mit meinem anderen Werk Trainers vertraut sind (2015 bei Carlton Books nur auf Englisch erschienen), werden wissen, wie ich mich einem Thema nähere. Obwohl durchaus wichtig, geht es für mich nicht um detailversessene Pedanterie – also beispielsweise zu erläutern, in welchem konkreten Spiel ein Trikot getragen wurde oder ob sich das Logo mitten in der Saison änderte. Mir geht es um die Erinnerungen, die an ihnen hängen. Ich wende mich an die Leute auf der Straße. Und zwar auf allen Straßen der Welt, denn Fußballtrikots verbinden Menschen. Mir gefällt die Idee, dass man auf der ganzen Welt ein Trikot tragen und von einem wildfremden Menschen darauf angesprochen werden kann, woher man es denn habe. Trikots überschreiten Zeit, Ort, Alter und sogar Sprache. Es ist dieser weltumspannende Aspekt, den ich in diesem Buch einzufangen versuche. Das ist also quasi die Basis für dieses Buch – ein Buch über Trikots, die geliebt werden. Trikots, die nicht nur ich liebe, sondern hoffentlich auch die meisten von Ihnen. Bei der Auswahl ging es nicht darum, eine Liste namhafter Klubs abzuhaken; kein Trikot ist dabei, nur weil die Mannschaft so berühmt ist oder sie so viele Fans hat. Dafür bin ich nicht zuständig.
Wales 1976–79 Admiral Dieses Trikot sieht rückblickend sogar noch irrsinniger aus, und für mich wird es durch seine Absonderlichkeit nur noch besser. Grandiose Kombination aus Farbgebung und Logo-Platzierung. Seit Langem auf der Liste meiner heiligen Grale von vor dem Internet-Zeitalter.
Nerd! Da sieht man, wie Ich oute mich hiermit als waschechter t. Die Traumtrikots meines häftig besc n scho a lange mich das Them elfjährigen Ichs …
Newport County 1979–82 Das Trikot meines geliebten Heimatvereins, getragen in der erfolgreichsten Saison der Klubgeschichte, weswegen es einen besonderen Platz in meinem Herzen einnimmt. Schlicht und in dezentem Bernstein gehalten, gekrönt durch das legendäre adidas-Dreiblatt und den drei Streifen auf den Ärmeln.
Tampa Bay Rowdies 1979–81 Auch dies eine Mischung aus Exotik und Eleganz. Mir gefiel, wie weit weg und neu die NASL erschien. Der frische Wind, den die Amerikaner ins Trikotdesign brachten (inklusive der großen Teamlogos), übte damals großen Reiz auf mich aus und tut es bis heute.
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Zunächst möchte ich mich entschuldigen, sollte Ihr Klub nicht dabei sein. Ich habe kein Buch geschrieben, das auf möglichst große Publicity abzielt. Erstaunlicherweise werden Sie daher ebenso viele oder sogar mehr Trikots von kleinen Vereinen wie Newport oder Stockport County antreffen wie von den „großen“ Klubs. Außerdem sehe ich mich als Mitglied der Weltgemeinschaft und möchte Trikots aus aller Herren Länder vorstellen. Um ehrlich zu sein, interessieren mich nichtbritische Trikots mehr als die von den Inseln. Grundsätzlich hätte ich locker das Doppelte oder Dreifache an Trikots und Varianten unterbringen können, als hier vertreten ist. Es gab eine Bedingung für die Berücksichtigung: Würde man 30 Menschen unterschiedlichen Alters an einem Tisch versammeln und bitten, die 50 berühmtesten Trikots aller Zeiten aufzulisten, würde bestimmt mindestens die Hälfte der Nennungen bei den meisten Leuten übereinstimmen. Das sind jene Trikots, die Zeit und Ort überwinden und aus unterschiedlichen Gründen hier berücksichtigt werden. Vor allem aber sind es jene, an die sich fast jeder gut und in der Regel auch gerne erinnert. Über das eine oder andere ließe sich gewiss streiten, aber die Mehrzahl sollte in der Sammlung eines Trikotsammlers nicht fehlen oder zumindest ganz oben auf dem Wunschzettel stehen. Tatsächlich tauchen manche Trikots hier auf, gerade weil sie unter Sammlern so gesucht sind – wie z. B. die Niederlande 1988 oder Dänemark 1986. Ich entschuldige mich außerdem bei Fans von Trikots aus der Zeit vor 1966, denn ehrlich gesagt sind zu wenige davon dabei. Das hat seine Gründe. Zunächst einmal war die TVBerichterstattung damals noch nicht so allgegenwärtig, vor allem nicht in Farbe! Das bedeutet, dass viele dieser tollen Trikots nicht in gleicher Weise an Zeit und Ort gebunden sind (außer für die Menschen, die bei den Spielen leibhaftig dabei waren), sie hatten also gar nicht die gleiche Chance, sich in unser kollektives Gedächtnis einzubrennen. Auch waren Replika-Trikots noch weitgehend unbekannt, waren die Designs schlichter und unverfälschter und änderten sich nur selten. Zudem waren Musik, Mode und Populärkultur weniger mit Trikots verknüpft, weswegen Sie in diesem Buch nur wenige Beispiele aus der Zeit vor 1966 finden. Vom anderen Ende der Zeitachse wiederum sind wenig neuere Trikots zu sehen, denn sie hatten bislang kaum die Chance, Legendenstatus zu erlangen. e Liebe, ine andere groß Trainers, über me Mein erstes Buch icht 2003. erstmals veröffentl
Ein weiterer kurioser Aspekt, der mir bei der Auflistung der Trikots auffiel, war die Diskrepanz zwischen Erfolg und Ansehen einer Mannschaft und ihrem Kleidungs-Vermächtnis. Zwei Beispiele für eine solche Minderleistung sind Real Madrid und Bayern München. Schon diese Namen aufzuschreiben löst etwas in einem aus, ganz zu schweigen von dem Schauder, dem Respekt und dem nervösen Kitzel, der einen erfasst, sieht man diese klassischen roten bzw. weißen Farben gegen das eigene Team auflaufen. Aber welche Trikots dieser beiden
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Giganten sind einem konkret im Gedächtnis geblieben? Abgesehen von den klassischen Trikots der „Los Blancos“ aus der Ära Di Stéfano in den 1950er Jahren fällt es schwer, mir ein bestimmtes Trikot der Königlichen aus irgendeiner Saison vor Augen zu führen; geschweige denn, es zu beschreiben. Natür Natürlich entsinne ich mich der weißen Leibchen, in denen Zidane und die Galácticos aufgelaufen sind, aber damit hat sich’s auch schon. Ähnlich geht es mir mit den Bayern: unglaublich erfolgreich auf dem Platz, aber die Trikots meistens nichtssagend. Es gibt freilich auch umgekehrte Beispiele. Weniger erfolgreiche Vereine – Saint-Étienne oder Crystal Palace z. B. – würden gegen einen der beiden oben genannten Giganten sportlich kaum eine Chance haben, könnten ihnen in modischer Hinsicht aber locker den Rang ablaufen. Aber genug geschwafelt. Ich wollte nur ein wenig erläutern, welche Methode hinter meinem Wahnsinn steckt. Sehen Sie es mir nach, wenn ich bisweilen ins Schwärmen gerate, und scheuen Sie sich nicht, das Buch entnervt an die Wand zu schmeißen, sollte Ihr geliebter Verein fehlen. Aber seien Sie versichert, dass ich nach bestem Wissen und Gewissen gear gearbeitet habe. Jedes Trikot in diesem Buch soll Sie an einen bestimmten Ort und in eine bestimmte Zeit zurückbringen, Sie mit seiner Schönheit überwältigen, eine interessante Geschichte vermitteln und – am allerwichtigsten – in Erinnerungen schwelgen lassen. Ich mache keinen Hehl daraus, dass mich vor allem interessiert, inwieweit Trikots Einzug in das Reich der Populärkultur gefunden haben. Für mich geht es nicht nur um das Spiel oder die Spieler, sondern vor allem um uns, die Fans, die Menschen, ohne die der Fußball nichts weiter als ein Zeitvertreib wäre. Ein wichtiger Punkt: Sämtliche hier gezeigten Trikots sind Originale, entweder im Spiel tatsächlich getragene „matchworn“-Trikots oder Original-Replikas aus der jeweiligen Zeit. Anders als die meisten ernsthaften Sammler bin ich zwar nicht so sehr an Matchworn-Trikots interessiert, zugleich aber versnobt, wenn es um Originale statt neueren Retro-Trikots geht. Ich habe bewusst auf moderne Retro-Neuauflagen verzichtet – denn die sind Teufelswerk! Falls also ein kultiges Trikot nicht vertreten ist, obwohl es im Internet im Nu als Retro-Auflage aufzutreiben wäre, liegt das keineswegs daran, dass ich schlampig oder nachlässig gearbeitet hätte. Ich habe an meiner Vision festgehalten (wie schon in meinem Buch Trainers) und nur Vintage-Trikots und keine jüngeren Neuauflagen oder Kopien berücksichtigt.
Ich in jüngeren Jahren mit meinem beste n Kumpel Griffo im Stadio Luigi Ferraris in Genua bei der WM 199 0 in Italien. Griffo trägt sein geliebtes Benetton-T-Shirt und ich ein brasilianis ches Vereinstrikot, das ich bei einem arglosen Brasilianer für ein Newport-C ounty-Trikot ertauscht habe.
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Verknüpfungen haben großen Anteil daran, ob uns ein Trikot in Erinnerung bleibt. Konkrete Momente, Begebenheiten und Herkunft spielen eine wichtige Rolle dabei, ob ein Trikot Kultcharakter erhält. Englands Finaltrikot bei der WM 1966 ist ein klassisches Beispiel dafür. Nur selten getragen und auch ansonsten kaum beachtet, hat sich das rote Auswärtstrikot (das freilich im Fernsehen nicht mal als rot zu erkennen war bzw. ist) zu dem Trikot gemausert, bei dessen Anblick erwachsene Engländer feuchte Augen bekommen. Das Trikot ist schnörkellos und schlicht, aber sobald man es sieht, kommt einem der legendäre Kommentar von Kenneth Wolstenholme aus dem Finale in den Sinn: „Some people are on the pitch, they think it’s all over … it is now!“ Genau darum geht es in diesem Buch.
36) und e (siehe Seite 1 t sich: ich, Jess eß hli sc s ert wie ei ffi Kr ta r ss De , alle au arlett und Fabien meine Kinder Sc … hnachtsbäume die bunten Wei
Endlich b egriff au ch die Modepre sse, dass Fußball nicht nur etwas fü r Spieße und Stati r stiker ist. The Face veröffen tlichte ein paar Au gaben, sdie sich dem Thema F ußball u nd Mod widmete e n (inklusi ve diese Titelbilde r r). Auf de r rechten Seite selte ne brasi lianische Trikots, d ie dama ls von Duffer of St Georg e verkauft wu rden.
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Lassen Sie sich nicht täuschen: Das erste Objekt in diesem Buch, eigentlich eine semi-obskure Schallplatte aus dem Jahr 1986, ist bewusst ausgewählt worden und eine Absichtserklärung! Denn kaum etwas könnte dieses Buch und das, wofür es steht, treffender beschreiben als dieser Song von Half Man Half Biscuit. Der Song trifft bei mir, lieber Leser, einen empfindlichen Nerv, und damit stehe ich sicher nicht alleine!
‘ ‘ALL I WANT FOR CHRISTMAS IS A DUKLA PRAGUE AWAY KIT’
Es ist schwer, irgendjemandem unter 30 erklären, wie ganz anders das Leben in der Zeit vor dem Internet war. Wir hatten ja von nichts eine Ahnung! Das galt auch für ausländische Fußballklubs, ihre Namen und Trikots. „Weniger ist mehr“ lautete damals die Maxime. Wenn uns einmal im Jahr der Name irgendeines exotischen Klubs zu Ohren kam, hinterließ das tiefen Eindruck. Für mich und viele andere fing der Song von HMHB genau dieses Gefühl wunderbar ein. Eine Stimmung, die ich auch in diesem Buch aufzugreifen hoffe. Ich hatte das Vergnügen, mich mit Nigel Blackwell, dem Sänger der Band, über den Song zu unterhalten, und er erzählte mir: „Anfangs war die Sache mit Dukla Prag, zumindest als Song, nur eine Spielerei, aber sie schien sich bald zu verselbstständigen. So sehr, dass ich inzwischen vom Geschäftsführer von Dukla Prag zu den Spielen eingeladen werde.
Was das Dukla-Trikot und den Song betrifft: Damals haftete den europäischen Teams, die gegen britische Mannschaften antraten, eine gewisse Romantik an, nicht zuletzt wegen ihrer fremdartig klingenden Namen, denke ich. Lokomotive dies, Sparta das, und mein besonderer Favorit: Újpest Dózsa. Sogar jetzt weiß ich nicht, ob ich das richtig buchstabiert habe – und deswegen habe ich es im Song in ,Dukla Prag’ geändert, denn das passte genauso gut ins ,komischer Name, bestimmt alles Spione’-Muster und war leichter auszusprechen. Ich hatte keine Ahnung, wie deren Trikots aussahen, wäre aber auch damals davon ausgegangen, dass es recht ungewöhnlich war. Ich finde, das Wappen ist das Beste daran. Die beiden Seiten der Plattenhülle illustrieren den Song, die Zeichnungen sind von unserem Bassisten Neil Crossley. Sie erzählen die Geschichte von einem aufgeregten Jungen, der hofft, dass in dem Päckchen unterm Weihnachtsbaum ein Auswärtstrikot von Dukla Prag ist, aber am Morgen stellt er dann fest, dass es eins von den Go Ahead Eagles ist, und er ist total angepisst!“ Nun, besser hätte ich meine Einstellung zu Trikots nicht beschreiben können. In meinen Augen gelingt es dem Song, einfach alles zu erfassen: das Glamouröse, das Geheimnisvolle, das Exotische, die ganze Sehnsucht und die Freude, die wir mit Trikots verbinden. Momentaufnahmen. Ach ja, noch fürs Protokoll: Nigel war einer der ersten, der mir seine absoluten Lieblingstrikots verraten hat (1975–79 Sheffield United und 1971/72 Crystal Palace) – zwei Trikots, die ich nicht unbedingt auf dem Schirm hatte. Zum Glück war das eine frühzeitige Mahnung, darauf zu achten, nicht nur Trikots aus meiner eigenen Zeit zu berücksichtigen, sondern Stücke quer durch die Jahrzehnte und Kontinente. Dabei will ich es nun aber belassen und lieber die Trikots für sich sprechen lassen.
,Enjoy this trip, and it is a trip.’
DIE SCHÖNHEIT IM DESIGN
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Arsenal
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Auswärts
Fangen wir an mit der „Gequetschten Banane“, wie das Modell liebevoll genannt wird. Kein Entwurf, der exklusiv von adidas oder Arsenal genutzt wurde, nur die Gunners erzielten mit ihren eigenen Farben aber eine so erschütternde Wirkung.
Diese von Kevin Campbell getragene Europapokal-Version hat ein paar besondere Features: Wie von Shakey, dem Co-Autor des hervorragenden Buchs The Arsenal Shirt erläutert, musste ein rechteckiges Stück Stoff unterlegt werden, um die Nummern in dem ganzen Chaos überhaupt entziffern zu können!
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UdSSR Ein ähnliches Shirt haben wir bereits von den glor glorreicheren Niederländern gesehen (siehe Seite 15). Auch Russland – bzw. die UdSSR – spielte bei der EM 88, ebenso wie ein paar andere Ländern darunter Deutschland (siehe unten bzw. auf Seite 89) – in diesem ikonischen Muster. Allerdings bei der EM mit einem Kragen und einem anderen Wappen.
Der UdSSR-Schriftzug, bzw. CCCP im kyrillischen Alphabet, kommt auf dem Trikot besonders gut zur Geltung.
Deutschland Auswärts Statt einfach das ikonische Heimtrikot (siehe Seite 18) zu nutzen, war dies erstaunlicherweise das Auswärtsshirt Westdeutschlands bei der EURO 88 sowie der WM 1990. Der Hauptgrund, warum diese deutsche Version mit dem ikonischen Muster wenig bekannt ist, liegt wohl darin, dass es lediglich einmal getragen wurde. Und die Erinnerung daran wird englischen Fans die Tränen in die Augen treiben, denn es war das Shirt, das Deutschland beim Halbfinalsieg der WM 1990 in Italien trug.
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Manchester United Auswärts Gemeinhin als das „Schneeflocken“-Shirt bekannt, stellt dieses Trikot einen weiteren Bruch mit der Vergangenheit dar und schafft es, die in der Regel ganz in Blau oder ganz in Weiß gehaltenen Auswärts-trikots des Klubs zu kombinieren. In designtechnischer Hinsicht hat es definitiv hohe Wellen geschlagen und je nachdem, in welcher Zeit man geboren ist oder ob man ein Lo-fi- oder ein Hi-fi-Typ ist, steht man entweder auf solche Trikots oder kann sie nicht ausstehen.
FC Liverpool Auswärts Die Heim- und Auswärts-Versionen der Trikots dieser Spielzeiten sind die hinsichtlich des Designs wohl radikalsten, die Liverpool je getragen hat. Silber und Grau sind immer Farben, an denen sich die Geister scheiden, und sind traditionell auch nicht mit dem Klub assoziiert. Mit dieser obskuren Musterung ging aber alles irgendwie auf.
Arsenal Auswärts Nike sorgte für einiges Aufsehen, als man Anfang der 1990er Jahre in den Trikotmarkt im Vereinigten Königreich einstieg. Ob man die Firma nun liebte oder hasste, ignorieren konnte man sie jedenfalls nicht. Ich persönlich finde, dass viele ihrer frühen Versuche den Markt zumindest ein bisschen aufmischten, muss aber gestehen, dass mir der in gotischen Lettern gehaltene Arsenal-Schriftzug auf dem Trikot nicht besonders gefällt.
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Schottland Freizeitshirt Ein echtes Kultobjekt unter Trikotliebhabern und Designfreaks. Streng genommen, dürfte es nicht im Buch sein. Ich hatte es stets für ein schottisches Ausweichtrikot gehalten, bis ich von John Devlin, dem Autor der hervorragenden Trikot-Referenzbibel True Colors, aufgeklärt wurde, dass es sich um ein Freizeitshirt handelt. Aber weil es so wichtig ist und weil ich immer dachte, es wäre ein reguläres Schott Schottland-Spieltrikot, bleibt es drin.
Nordirland Auswärts Ich weiß nicht mehr, welches es war, aber wenn ich dieses Trikot sehe, muss ich immer an dieses Videospiel aus den 1980ern mit dem drolligen Monster mit der großen Nase denken nun ja, ich schweife ab. Das Trikot ist sicher eines der abstraktesten und abgeabge fahrensten aller Zeiten. Zudem brachte es, sich auf alte Zeiten besinbesin nend, das Blau in Nordirlands Auswärtstrikot zurück. Hieß das Spiel Dilbert? Gilbert? Mist.
Ajax Amsterdam Ausweichtrikot Vielleicht liegt es daran, dass sie für gewöhnlich ein so schlichtes und zeitlos schönes Heimtrikot tragen, dass die Ausrüster von Ajax sich hin und wieder bemüßigt fühlen, ein völlig abgedrehtes Auswärts-Leibchen aufzulegen. Dieses hier ist vollkommen schizo. Ich schätze mal, der Designer war nüchtern, als er die Nadelstreifen fertigte und dann am nächsten Tag nach einem zünftigen Rave die untere Hälfte und die Ärmel machte!
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Borussia Dortmund Zweifelsohne eines der Kulttrikots von einem der Kultvereine Europas. Der BVB ist der berühmteste Vertreter, der jemals nahezu neongelbe Shirts benutzte. Dieses Modell ist umso auffälliger, als Nike-Designer Dramberg das Adleremblem, das man damals überall sah, durch eine Adlerfeder an den Trikotärmeln ersetzte.
Adlerfeder an den Trikotärmeln.
Manchester United Ausweichtrikot Ein beinahe großartiges Trikot, das durch einen krassen Makel leider vollkommen ruiniert wird. Grundsätzlich finde ich die Idee einer Art Batikmusterung nicht schlecht, weil es eine innovative Note in das Trikotdesign bringt. Das stark vergrößert aufgedruckte Klublogo verschandelt aber das komplette Design.
Huddersfield Town Auswärts Auch dieses Modell ist sicher nicht jedermanns Sache, mir persönlich gefällt es aber ganz prima, zum einen aufgrund des ungewöhnlichen Designs, zum anderen, weil Gola keinen Zweifel daran lässt, wer das Teil hergestellt hat!
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USA
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Auf unsere amerikanischen Vettern ist Verlass. Man muss ihnen lassen, dass sie stets ihre ganz eigene Herangehensweise haben. Sie hatten sich schon eine Weile an „Soccer“ versucht, und wie ich finde, waren einige der Trikots aus der Zeit der NASL (1968–84) absolut herausragend. Als die WM im eigenen Land anstand, ließen sie sich die Chance, der Fußballwelt ihren Stempel aufzudrücken, natür natürlich nicht entgehen – und das umfasste auch die Trikots. Der ziegenbärtige, Gitarre spielende Alexi Lalas wird auf ewig mit diesem Design von adidas assoziiert werden.
Diese Auswärtsvariante war diejenige, die den größten Eindruck hinterlassen hat: die Sterne aus der Nationalflagge, schwungvoll auf einem Pseudo-Jeansstoff drapiert. Brillante Idee.
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Deutschland Die Spielkleidung, in der Deutschland erstmals als wiedervereintes Team an einer WM teilnahm. Im Schatten ihres ungleich berühmteren Vorgängers, in dem man vier Jahre zuvor Weltmeister geworden war, ist diese Kluft fast ein wenig in Vergessenheit geraten. Zu Unrecht, wie ich finde, und ich glaube auch, dass ihre Zeit noch kommen wird. Die Vorlage wurde nicht exklusiv von Deutschland verwendet (siehe gegenüberliegende Seite), die Farben freilich schon, und sie sind als eine Art Poncho gestaltet. Nicht jedermanns Sache, aber wer es bunt und knallig mag, wird es sicherlich schön finden.
Soweit ich mich erinnere, habe ich der Montur damals keine große Beachtung geschenkt, aber wenn man Trikot und Hosen zusammen sieht, ist es schon sehr stimmig.
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Mexiko Ich habe die Mexikaner bei der WM 1998 in Frankreich in diesen Leibchen spielen sehen, kann mich aber nicht entsinnen, dass mich das Design damals vom Hocker gehauen hätte. Viele konnten mit derartigen holografischen Auswüchsen wenig anfangen, ich muss aber zugeben, dass mir diese Art Neunziger-Exzesse inzwischen sehr ans Herz gewachsen ist. Ich habe Torwart Campos in seinem abgefahrenen Trikot noch deutlich vor Augen. Zurückhaltend und dezent war es jedenfalls nicht!
Ein Hingucker ist das Design. ein riesiger Inka/Maya-Kopf mit einer herausgestreckten Zunge als Hommage an das Erbe Mexikos.
Club América Die gleiche Vorlage wie beim Deutschland-Trikot von 1994, diesmal in den Farben des größten Klubs in Mexiko. Falls Sie die Gelegenheit haben, werfen Sie mal einen Blick auf frühere Trikots dieses Vereins: interessant und andersartig sind Attribute, die einem dabei in den Sinn kommen. Aus irgendeinem Grund ist das Team als die „Adler“ bekannt, was mir angesichts des Wappens nicht in den Sinn gekommen wäre. Wie auch immer, Coca-Cola als Sponsor ist nie verkehrt.
TRIKOTS & POLITIK
T r i k o T s
&
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Medureira Sporting Club Ein drittklassiger brasilianischer Verein mit dem legendären Guerillaführer Che Guevara auf dem Trikot? Gewiss nur eine Marketingmasche, oder? Schließlich war das berühmte Bild von Korda bereits auf Mauern und Millionen von T-Shirts auf der ganzen Welt zu sehen. Tatsächlich steckte aber mehr als reiner Kommerzgeist dahinter, denn es gab eine Verbindung, die auf eine Episode aus der Vergangenheit des Klubs zurückgeht. Aufgrund des Handelsembargos mussten die Kubaner in mancherlei Hinsicht darben. Das galt auch für den Fußball. Als also 1963 ein kleiner Klub aus Brasilien Kuba im Rahmen einer Tournee einen Besuch abstattete, war das eine große Sache. Die Mannschaft ließ es sich nicht nehmen, auch Che Guevara zu treffen, der an der Seite des kubanischen Revolutionsführers Fidel Castro gekämpft hatte. Entsprechend bescherte dieses Trikot, das 50 Jahre danach zur Feier der historischen Begegnung aufgelegt wurde, dem Klub mehr Aufsehen und Aufmerksamkeit, als Medureira sonst zuteil wurde.
Hasta la victoria siempre – siempre Immer bis zum Sieg.
T r i k o T s
&
P o l i T i k
Corinthians, Sócrates und Democracia
Corinthians Darf ich mir ein wenig künstlerische Freiheit im Sinne von Billy Braggs „Waiting for the Great Leap Forwards“ herausnehmen (dies ist für dich, Nick)?: „Mixing shirts with politics, she asked me what the use is? I offered her apologies and my usual excuses. . .“ [Sie fragte mich, was es bringen würde, Trikots und Politik miteinander zu vermischen. Ich hatte nichts als Entschuldigungen und meine üblichen Ausreden zu bieten.] Soziales Gewissen und schönes Spiel überschneiden sich nicht oft, aber manchmal tun sie es eben doch – und dies ist mein LieblingsbeiLieblingsbei spiel, das Trikot von Democracia Corinthiana. Ich werde meinem brasilianischen Kollegen @juniorhiltonmusic ewig dankbar sein, dasss er mir meinen langgehegten Traum wahr machte.
T r i k o T s
&
P o l i T i k
Sócrates bzw. der „Doktor“, wie er genannt wurde (er war wirklich einer, nämlich Kinderarzt), war mein Lieblingsspieler. Ein Akteur von lässiger Eleganz, außerdem klug, gebildet und ein wahrer Mann des Volkes. Neben zwei Weltmeisterschaften mit Brasilien als Kapitän spielte Sócrates sechs Jahre lang bei den seit jeher linksgerichteten Corinthians aus São Paulo. Brasilien war damals eine Militärdiktatur, und die Menschen wollten einen Wandel. Den meisten Fußballern war das herzlich egal, aber Sócrates war kein normaler Fußballer: „Wo eine Krise ist, besteht die Möglichkeit für eine Revolution“, wusste er. Sócrates war es, der, gemeinsam mit Verteidiger Wladimir (dessen Matchworn-Trikot aus dem Fundus von @juniorhiltonmusic hier zu sehen ist), Biro-Biro, Ataliba und Casagrande, die Democracia Corinthiana, die Demokratie von Corinthians, ins Leben rief. Eine ideologische Bewegung, die die damaligen politischen und sozialen Strömungen im ganzen Land spiegelte und unterstützte und sich nicht nur an die Spieler selbst richtete, sondern auch die Massen führen und ermutigen wollte, Demokratie einzufordern. Unter ihrer Führung übernahm die Mannschaft die Kontrolle über das Management des Teams und organisierte Abstimmungen der Spieler über alle Belange, die sie betrafen. Das war damals revolutionär. Ihr Motto lautete: „Ganhar ou perder, mas sempre com democracia.“ (Siegen oder verlieren, aber immer mit Demokratie.) Manchmal, nur manchmal, ist das, was abseits des Platzes geschieht, viel, viel wichtiger als das, was auf ihm passiert, und manchmal prallen die beiden Welten aufeinander. Dieses Trikot war eines von zweien, die ich für dieses Buch unbedingt auftreiben wollte. Wie ich darüber empfinde, lässt sich mit einem Zitat des Doktors persönlich bestens zusammenfassen:
„Das war die größte Mannschaft, in der ich je gespielt habe, denn es ging um mehr als Sport. Meine politischen Siege sind wichtiger als meine Siege als professioneller Fußballer. Ein Spiel ist nach 90 Minuten vorbei, aber das Leben geht weiter.“
1982 beschlossen die SpieSpie ler, die Botschaft „Geht am 15. wählen“ auf den Rücken ihrer Trikots drucken zu lassen, um die Fans aufzufordern, sich an den ersten demokratidemokrati schen Wahlen seit dem MiliMili tärputsch zu beteiligen.
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Trikotsponsoring, französischer Pokal Versuchen Sie mal einem Kind zu erklären, dass es Zeiten gab, in denen Fußballvereine nicht den Namen eines Sponsors auf ihren Trikots trugen. Falls es ungläubig lacht, erläutern Sie ihm, dass so etwas auch heute noch durchaus machbar ist – denken Sie z. B. an die NFL oder die NBA. Es geht also auch heute noch – und sollte nach meiner bescheidenen Meinung auch getan werden. Der Trend zum Trikotsponsoring ging ausgerechnet vom sonst so kultivierten Frankreich aus. 1968 handelte der französische Verband einen Deal mit Vittel aus, demzufolge alle Klubs aus den ersten beiden Ligen gehalten waren, im Rahmen des Pokalwett Pokalwett-bewerbs Trikots mit dem Logo der Mineralwassermarke zu tragen. Die TV-Anstalten und die Öffentlichkeit generell waren nicht begeistert und liefen Sturm, woraufhin einige Spiele abgesagt wurden. Noch im gleichen Jahr aber lief Valenciennes als erste Mannschaft mit Vittel als Trikotsponsor auf. 1970 übernahm Perrier als Sponsor des Pokalwettbewerbs, und alle Klubs trugen dessen Logo auf der Brust. Wie auf den Bildern des 1971-Finales zwischen Bastia und Marseille (1:2) zu sehen ist, trugen beide Seiten von Perrier gesponserte Trikots von Le Coq Sportif. Anschließend gab es keinen Weg zurück und die französischen Klubs ergaben sich dem Würgegriff des Sponsorings. So stellten beispielsweise Paris FC (der Vorläufer von PSG) sowie Marseille riesige Logos von BIC und BUT zur Schau. Die Sache lief dermaßen aus dem Ruder, dass Sponsoren wie Super Télé vorne auf dem Trikot bald mehr Platz einnahmen als alles andere und man auch vor der Rückseite nicht halt machte.
Eintracht Braunschweig 1973 waren dann die Deutschen an der Reihe, und der Kampf der Kulturen wurde aufs Neue ausgefochten. Den darbenden Klub lockte die Aussicht auf zusätzliche Einnahmen, den Sponsor die Chance, Millionen von Menschen zu erreichen. Der DFB aber wollte die Unverdorbenheit des Spiels erhalten, also verweigerte man Eintracht Braunschweig die Genehmigung, Name und Logo des Spirituosenherstellers Jägermeister auf den Trikots zu tragen. Um das Verbot zu umgehen, änderte die Eintracht sogar ihr Vereinslogo und ersetzte den bis dahin verwendeten Löwen durch den Hirschen, der auf den Flaschen des Kräuterlikörs und fortan auch auf den Trikots prangte. Rund ein Jahr später lenkte der DFB ein und gestattete allen Bundesligaklubs, Sponsorenlogos auf der Brust zu tragen. Als die Braunschweiger sich 1983 in Jägermeister Braunschweig umbenennen wollten, ging ihnen das aber dann doch zu weit!
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Hibernian Edinburgh In Großbritannien haben wir ein bisschen länger durchgehalten – guter alter Amateurgeist und der ganze Kram, Sie wissen schon. 1977 aber war es damit vorbei, und die Hibs aus Edinburgh waren der erste Klub auf den britischen Inseln, der einen Trikotsponsor präsentierte. Und machte dabei keine halben Sachen, denn der alteingesessene britische Hersteller Bukta nutzte die Gelegenheit und deckte gleich mehrere Baustellen ab: Das Logo des Unternehmens wurde auf den Ärmeln verewigt, der Name in großen Lettern auf der Brust. Der Kampf mit den Sendeanstalten war indes noch nicht ausgefochten: Sie weigerten sich, bei ausgestrahlten Spielen Trikots mit Sponsorenwerbung zuzulassen.
Liverpool In England machte 1976 das kleine Kettering Town aus der Southern League mit Kettering Tyres als Sponsor den Anfang. Der erste Profiklub, der mit einem Trikotsponsor auflief, war drei Jahre später der FC Liverpool mit dem japanischen Elektrotechnik Elektrotechnikkonzern Hitachi. Fortan war die Welt der Trikots auch in Großbritannien nicht mehr dieselbe. Anfangs mussten die Klubs noch die Sponsorennamen entfernen, wenn Spiele im Fernsehen übertragen wurden, aber auch dieses Heiligtum wurde 1983 auf dem Altar des schnöden Mammons geopfert. Damit war der Weg geebnet für all die Wettanbieter und Brauereien, deren Marken und Logos heute allenthalben zu sehen sind.
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VfL Bochum Auswärts Wir haben uns bereits mit dem langen und harten Kampf zwischen Fußballverbänden und Sponsoren um Markenwerbung in den 1960er Jahren beschäf beschäftigt. Hier ist ein Beispiel, wie ein Sponsor und ein Klub ziemlich schlau und versteckt die Regeln aushebelten. Das Glücksspielunternehmen Faber wollte ein auffälligeres Ensemble und benutzte das Regenbogensymbol, um einen solchen Effekt zu erzielen. Dazu meldete man sich schlauerweise als Trikothersteller und benutzte sein Logo in einer überdimensionierten Variante als Bestandteil des Trikotdesigns.
Slovan Bratislava Lassen Sie sich nicht blenden: Dies ist kein Fake, sondern ein von Slovan Bratislava im Europapokal getragenes und von adidas produziertes offizielles Trikot. Auf den ersten Blick scheint es von deren Konkurrenten Nike gesponsert zu sein. Doch weit gefehlt. Zwar ist der Schriftzug fast identisch mit demjenigen, den der Sportartikelhersteller in den 1970er Jahren zu Zeiten des „Windrad-Logos“ ver verwendete, doch weist er außerdem einen Akzent auf, der im Namen des US-Konzerns nichts zu suchen hat. Ich weiß nicht, wer oder was dieser Sponsor war, aber der Effekt ist interessant.
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FC Barcelona Lange Zeit gönnte sich Barça den Luxus, mit gänzlich blanker Brust aufzulaufen, ehe man 2007 die Idee des Sponsorings komplett auf den Kopf stellte. Nicht nur warben sie auf ihren Trikots für die Unicef, sie bezahlten das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen für dieses Privileg auch noch! Seither hat sich der Klub den Bedingungen des Marktes gebeugt und bedient nun auch richtige Sponsoren, den Schriftzug der Unicef tragen sie aber noch auf dem Rücken, und auch die Spenden an die Organisation fließen weiterhin. In der Tat „mehr als ein Klub“.
Brasilien Trikotsponsoring ist natürlich nicht nur auf Klubebene ein Thema. Zum Glück sind die nationalen Verbände bisher noch nicht eingeknickt, aber das ist wohl nur eine Frage der Zeit. Als ziemlich pfiffig erwiesen sich die Brasilianer, die bei der WM 1986 ein paar Spiele lang damit durchkamen, mit dem diskret neben dem Verbandswappen platzierten Logo des Sponsors Café De Brasil aufzulaufen. Auf Replikas blieb es sogar bestehen, und die meisten schienen die kleine Ergänzung neben dem Coupe Jules Rimet, hier in der Vergrößerung zu sehen, gar nicht zu bemerken.
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Leeds United Ich konnte nicht verifizieren, ob dies wirklich ein offizielles Trikot ist, aber es musste dabei sein, denn es soll von einer Vorbereitungstour durch Italien stamstam men und gehört einem wahren Leeds-Liebhaber. Das semi-obskure und früher recht punkige Modelabel Boy wird nirgends als Leeds-Sponsor geführt, nicht mal für die Trikots der Jugendteams, wie dieses hier. Es ist ein Mysterium, aber eins, dessen Resultat mir gefällt. Was immer es damit auf sich hat, es rockt! (Weiß vielleicht jemand mehr?)
Blyth Spartans Dass sich Fußballtrikots, Humor sowie hehre Absichten durchaus vertragen können, zeigt dieses Exemplar, dass britischen Lesern in gewissem Alter bestimmt ein Lächeln entlocken und Erinnerungen an „Roger Mellie the Man on the Telly“ und all die anderen wecken wird. Falls Ihnen das nichts sagt, googeln Sie es und tun Sie sich etwas Gutes, indem sie ein paar Ausgaben des superben Comedy-Magazins Viz erstehen. Als Spartans-Fans sprangen dessen Gründer ein, als es dem Klub finanziell schlecht ging, und bewahrten ihn damit vor der Pleite.
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NASL Auf die Amis ist Verlass! In den 1970er Jahren näherten sie sich mit unverbrauchtem Blick dem Thema Fußball (bzw. „Soccer“, wie sie das nennen) und brachten mit der Gründung der NASL frischen Wind in das schöne Spiel. Dazu gehörten ein neuer Look und innovativer Ansatz bei der Gestaltung von Spielkleidung (bzw. Uniformen, wie das in den Staaten heißt). Sich ein Beispiel am Baseball nehmend, wurde das Team zur eigentlichen Marke und
als Logo oder in großen Lettern auf den Trikots präsentiert – hier zu sehen am Beispiel der Atlanta Chiefs, Tampa Bay Rowdies und von New York Cosmos. Spitznamen waren obligatorisch, und tat tatsächlich sieht es inzwischen so aus, als habe die „alte“ Fußballwelt langsam Geschmack gefunden an der Idee. Gleichzeitig sehen die Trikots der aktuellen MLS wiederum eher traditionell und nach „alter Welt“ aus. Komisch.
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You Can’t Beat the Feeling! Was bin ich für ein jämmerlicher Angeber. Beim Schreiben dieses Buchs ist mir klar geworden, dass ich keineswegs der prinzipientreue radikale Linke bin, für den ich mich ausgebe (doch, bin ich wohl!), sondern genau wie alle anderen auf das ganze Markengedöns des dekadenten Westens reinfalle. Zu meiner Verteidigung (hey, ich sammle diese Dinger schließlich) muss ich sagen, dass ich sie nur mag, wenn sie nicht aus diesen glänzenden neumodischen Materialien bestehen und vorzugsweise von einem (zumindest
für uns Europäer) obskuren brasilianischen oder argentinischen Ausrüster wie Topper oder Penalty produziert wurden. Der Umstand, dass diese Trikots, oft in alternativen Farbkombinationen gearbeitet, in der Regel schön anzuschauen sind und möglicherweise einst von Ronaldo, Ronaldinho, Zico, Pelé oder Sócrates getragen wurden, bedeutet, dass ich einfach nicht wiederstehen kann. Zudem muss man dem Zeug lassen, dass das Logo schon echt kultig ist und die meisten Trikots sogar noch verschönert.
São Paulo Brasiliens zweitgrößte Stadt nutzt den Sponsor hier auch auf dem Rücken. Trotzdem ein schöschö nes, schlichtes klassisches Design und tolle Farben.
Fluminense Irre Farbkombi bei diesem Teil. Fluminense ist der Rivale von Flamengo, dem anderen großen Klub aus Rio. Man schaue sich nur das gestickte Penalty-Logo an!
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Palmeiras Nicht viele Klubs tragen Grün, und Wappen und Brandings passen hier einfach super zusamzusam men. Bob Marley wurde häufig in diesem Trikot gesehen, wenn er mit Mick Jagger abhing – dann allerdings im Shirt ohne Coca-Cola-Logo.
Grêmio Ein Trikot dieser Mannschaft war an anderer Stelle im Buch schon ohne Sponsor zu sehen. Was für eine Farbkombi, dazu der Sponsor auf einem aufgenähten Stoffpaneel! Großartig!
Fußballtrikots sind längst mehr als reine Funktionskleidung. Sie schaffen Identität, sind Mode-Accessoire und gehören nicht erst seit Oasis und den Toten Hosen zur Popkultur. Trikotsammler und -liebhaber Neal Heard hat mehr als 150 ausgewählte Exemplare zusammengestellt und nimmt uns mit auf eine bunte Reise durch die Welt der Fußballtrikots. Er erzählt wunderbare Geschichten zu skurillen Shirts, entdeckt die Verbindung zwischen Sport, Musik, Mode, Kommerz und Politik und zeigt zahlreiche legendäre Fußballhemden aus mehr als fünf Jahrzehnten.
„Eine Hommage an ungewöhnliche Fußballshirts“ Daily Mail
ISBN 978-3-7307-0379-3 VERL AG DIE WERKSTAT T