Diskriminierung im Fußball – Leseprobe

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Adam Bednarsky

VERLAG DIE WERKSTATT

Diskriminierung im Fußball Sächsische Amateurvereine zwischen Toleranz und Ausgrenzung


Der Autor Adam Bednarsky (geb. 1980) lebt in Leipzig und ist promovierter Politikwissenschaftler. Als Gründungsmitglied und ehrenamtlicher Geschäftsführer des Roten Stern Leipzig (Julius-Hirsch-Preisträger des DFB) kann er auf eine langjährige Expertise in der Antidiskriminierungsarbeit insbesondere im Amateurfußball zurückgreifen.

„Fußball begeistert, quer durch alle Schichten und Kulturen, Jung wie Alt, er weckt Emotionen, er verbindet und vereint. Fußball ist sozial, emotional und nachhaltig.“ Dr. Theo Zwanziger, Ex-Präsident des Deutschen Fußball-Bundes

„Fußball ist schön, aber nur von jener Seite aus betrachtet, die der Liebhaber sehen will.“ Gunter Gebauer, Professor für Philosophie

„D: Ja, das ist Fußball, so. Das ist einfach von Grund auf eine männerdominierte Domäne …“ „E: Es ist halt extrem prollig. Von Grund auf.“ Ausschnitte aus geführten Gruppendiskussionen

Der Autor dankt allen, die an der Entstehung dieses Buches mitgewirkt haben, ganz herzlich für die Unterstützung. Die Veröffentlichung wurde gefördert durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Auch als E-Book erhältlich: ISBN 978-3-7307-0428-8 Copyright © 2018 Verlag Die Werkstatt GmbH Lotzestraße 22a, D-37083 Göttingen www.werkstatt-verlag.de Alle Rechte vorbehalten Satz und Gestaltung: Die Werkstatt Medien-Produktion GmbH, Göttingen ISBN 978-3-7307-0421-9


Adam Bednarsky

Diskriminierung im Fußball Sächsische Amateurvereine zwischen Toleranz und Ausgrenzung

VERLAG DIE WERKSTATT


Inhaltsverzeichnis

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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1.1 Theoretische Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.1.1 Vorurteile, Menschenfeindlichkeit und Diskriminierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.1.2 Anerkennung und symbolische Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . 19 1.1.3 Soziale Ungleichheiten und Antidiskriminierung . . . . . . 22 1.2 Methodische Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1.3 Soziale Ungleichheiten und Emanzipationsbewegungen im deutschen Fußball . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

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Rein ins Feld – ran an den Ball: Die untersuchten Vereine im Portrait . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 SV Flussdorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 SG Berghain . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 FC Florastadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Rassismus und Antirassismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 3.1 Rassismus und Antirassismus in der sozialen Praxis des sächsischen Amateurfußballs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3.1.1 Interaktionen mit ethnisch Anderen . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3.1.2 Ideologien, Stereotypisierungen und symbolische Repräsentationen von und über ethnisch Andere . . . . . . 76 3.1.3 Integrationsdiskurse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 3.1.4 Antirassistische Strategien und Effekte beim FC Florastadt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 3.2 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

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Sexismus und Antisexismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Sexismus und Antisexismus in der sozialen Praxis des sächsischen Amateurfußballs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Team Rasen: Der steinige Weg zur Überwindung der Geschlechterdifferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Team Mond: Frauenfußball – Einrichtung in einer legitimierungspflichtigen Normalität . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

4.1.3

Team Sonne: Der Amateurfußball als männliche Domäne und Arena zur Aufführung männlicher Tugenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4 Team Wolke: Fußballerinnen dienen nicht als Vorbild für jugendliche Aktive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.5 Team Sprint: Die Förderung des Mädchen- und Frauenfußballs als Gewissensfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.6 Team Linie: „Prollkultur“ – Zwischen reflektiertem Pöbeln und der Abgrenzung gegenüber Sexismus . . . . . 4.1.7 Team Tor: Partizipative Rahmenbedingungen für eine reduzierte Geschlechterdifferenzierung . . . . . . . . . 4.1.8 Team Ball: Möglichkeiten der gesellschaftlichen Einflussnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

Homophobie und Antihomophobie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Homophobie und Antihomophobie in der sozialen Praxis des sächsischen Amateurfußballs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.1 SV Flussdorf: Die Furcht vor dem homosexuellen Fremden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2 SG Berghain: Schwulsein im Dorf – eigentlich undenkbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.3 FC Florastadt: Gleichgeschlechtliche Lebensweisen als akzeptierte, aber wenig sichtbare Lebenskonzepte. . 5.2 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

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Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222

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Einleitung

Zweifelsohne hat Fußball eine hohe gesellschaftliche Relevanz: Seine ökonomische Vermarktungsfähigkeit stellt er speziell im Profibereich unter Beweis, wo jährlich Milliarden umgesetzt und gewonnen werden. Aus kleinen Vereinen wuchsen in den vergangenen 150 Jahren zum Teil global agierende Aktiengesellschaften, die auch weiterhin auf eine treue Fanklientel setzen können. Gerade der Profifußball vermag es, Emotionen bei den Anhängern1 zu entwickeln, die eine Flucht aus dem Alltag nach sich ziehen oder sogar in gewalttätigen bis kriegerischen Handlungen zwischen Nationalstaaten enden können. So waren im Verlauf der Halbfinalpartien zur Qualifikation für die Weltmeisterschaft (WM) 1970 zwischen den Nationalmannschaften von El Salvador, das sich letzten Endes durchsetzen konnte, und Honduras nach Unruhen erste Todesopfer zu beklagen. In der Folge eskalierte die angespannte politische Lage zwischen beiden Staaten und mündete einen halben Monat nach der Fußballpartie in einen 100 Stunden währenden „Fußballkrieg“ (Niebling 1991: 506). Davon unbeeindruckt erreichte El Salvador die Fußball-Herren-WM 1970, wo es in der Vorrunde mit null Punkten und null geschossenen Toren ausschied. Ungeachtet dieser Auseinandersetzungen sind im Freizeitbereich allein in Deutschland knapp sieben Millionen Mitglieder im Deutschen FußballBund e. V. (DFB) organisiert, sodass der Fußball auch im Amateurbereich die mit Abstand beliebteste Sportart im Land ist. Gerade diese gesellschaftlich breite Verankerung veranlasst die Wissenschaft, im Fußball ein „Gesellschaft veranschaulichendes Realitätsmodell“ (Theweleit 2004) oder „Brennglas“ der Gesellschaft (Dembowski 2007: 217; vgl. auch Pilz 2009: 564) zu erkennen. Was ist unter diesem Brennglas zu erkennen? Allein der Blick in die Lokalzeitungen zeigt die Realität auf sächsischen Fußballplätzen:2 Eine Handvoll Verwirrte hat am Sonnabend in Glaubdorf ausgereicht, den sportlichen Aspekt des Spitzenspiels in der Kreisliga zwischen dem FC Glaubdorf und der SG Fuchsdorf in den Hintergrund treten zu lassen. Vor,

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Um die Lesbarkeit zu erleichtern, wird für Personenbezeichnungen das generische Maskulinum verwendet, das grundsätzlich alle Geschlechter einschließt. Alle Klarnamen und Bezeichnungen von Vereinen, Regionen und Gemeinden sind in dieser Arbeit anonymisiert.


Einleitung

während und nach der Partie mussten sich Gäste und Spieler aus Fuchsdorf als Zigeuner, Homosexuell-Schwule und andere Tiraden gefallen lassen. Den Tiefpunkt markierte der tätliche Angriff auf den Fuchsdorfer Trainer im Kabinentrakt. […] Bis zu einem gewissen Grad versagt hat aber auch das Team von Glaubdorf selbst, das nach der Partie gemeinsam mit den Störenfrieden für ein Foto posierte. Neben der Popularität des Fußballs, die ihn insbesondere für die Sozialwissenschaften interessant macht, gibt es einen zweiten Pfad der Ausgangsüberlegungen für diese Arbeit: Die politische Landschaft des fokussierten Bundeslandes Sachsen ist geprägt von hohen Zustimmungsraten zu Items, mit denen abwertende Einstellungen gemessen werden. Sowohl die Bürger von Sachsen als auch die der anderen ostdeutschen Bundesländer sind signifikant fremdenfeindlicher, rassistischer und islamfeindlicher als Bewohner der übrigen Bundesländer. Trotz einer statistischen Rückläufigkeit ist gerade in Sachsen eine vergleichsweise stark ausgeprägte Homophobie feststellbar (Beckmann 2012: 21). Diese Fakten werden durch ein Spezifikum ergänzt: Aus diesen Einstellungsmustern können tatsächliche Handlungen resultieren, die bei den Wahlen 2004 und 2009 womöglich dazu geführt haben, dass die extrem rechte3 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) zum ersten Mal in ihrer Geschichte über zwei Legislaturperioden in einem Landtag vertreten war. Dabei soll der Erzählung „ostdeutsch = neonazistisch“ kein weiteres Kapitel hinzugefügt, sondern vielmehr der Versuch unternommen werden, dieses Narrativ zu differenzieren. Die Überlegung besteht darin, zu verdeutlichen, dass die menschenfeindliche Ideologie der extremen Rechten und deren zum Teil gewalttätige Handlungen in ein gesellschaftliches Umfeld eingebettet sind. Das Umfeld ist in einzelnen oder mehreren Facetten an diese Ideologie anschlussfähig und ermöglicht beispielsweise derartige Wahlerfolge. Eben diese „Mitte der Gesellschaft“ (vgl. Zick/Klein 2014) und ihre gesellschaftlichen Einstellungs- und Handlungsmuster können im begrenzten Rahmen einer Dissertation am Beispiel von Sportvereinen untersucht werden. Ausgrenzungsideologien sind gesamtgesellschaftliche Phänomene, und deren Bekämpfung ist – formal betrachtet – ein zentrales gesellschaftliches

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In Anlehnung an die Kritik des Begriffs Rechtsextremismus (FKR 2011) und der dahinterstehenden und in der Wissenschaft weithin problematisierten „Extremismustheorie“, die im Jahrbuch Extremismus und Demokratie (u. a. Hirscher/Jesse 2013) Anwendung findet, nutze ich alternativ den Begriff extreme Rechte (Hüttmann 2011).

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Diskriminierung im Fußball

und politisches Anliegen. Der im Artikel 3 des Grundgesetzes normierte Grundsatz der Gleichheit wurde 2006 durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)4 konkretisiert, wodurch von Diskriminierung Betroffene weitere juristische Möglichkeiten erhalten, gegen Ungleichbehandlungen vorzugehen (Liebscher/Fritzsche 2010). Was hat das alles mit Fußball zu tun? Der Sport ist primär ein kulturelles Phänomen, bei dem es – verstanden als „Tätigkeitssystem“ – unmittelbar um die regelgeleitete, praktisch-körperliche Betätigung geht (Güldenpfennig 1981: 23), die keinen politischen Bezug aufweist. Es existiert also kein typisch „sozialistischer“ oder „kapitalistischer“ Weitsprung (Krockow 1996: 360). Der Sport als „institutionelles System“ (Güldenpfennig 1981: 23f.), bezogen auf die Gesamtheit der gesellschaftlichen Träger des Sports, seine Institutionen und gesellschaftlichen Querverbindungen, hat jedoch durchaus einen politischen Charakter (Lösche 2010). Eben diese Sportorganisationen stellen häufig die positiven gesellschaftlichen Funktionen des Sports heraus, die ebenso im 12. Sportbericht der Bundesregierung aufgeführt werden: „Sport wird – zu Recht – mit vielen positiven gesellschaftlichen Werten wie Fairness und Gemeinschaft verbunden“ (Bundesregierung 2010: 11). Eng verknüpft ist diese Bedeutung mit der Vermittlung zentraler Werte wie Teamgeist und Toleranz und den Leistungen in gesellschaftspolitischen Feldern wie Integration (ebd.: 13; 93). Diese Funktionen dienen dem Profisport und dem Staat als Legitimationsgrundlage für die exponierte Förderpolitik gegenüber dem vereins- und verbandsorganisierten Sport (Braun 2013a: 23). Hierbei macht der Fußball keine Ausnahme. Auch diese Sportart legitimiert und vermarktet sich durch die Vermittlung gesellschaftlicher Grundsätze (Integration, Fair Play, Beitrag zum Umweltschutz, Bekämpfung von Gewalt) und die Anwendung einer modernen Corporate Social Responsibility (DFB 2010). Im ökonomischen Sinne sind insbesondere der Profifußball und die Akteure in den Spitzenverbänden (Fédération Internationale de Football Association – FIFA, Union of European Football Associations – UEFA und DFB) auf den ersten Blick für eine gesellschaftliche Modernisierung des Fußballs verantwortlich, was sich unter anderem in den Regelwerken des Fußballs widerspiegelt. Seit 2006 enthält die Rechts- und Verfahrensordnung des DFB den sogenannten Antidiskriminierungspara-

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Folgende Merkmale von Diskriminierung werden durch das AGG in § 1 erfasst: „Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“


Einleitung

graphen (Hilpert 2009: 141–144), auf den sich diese Arbeit zentral bezieht.5 Geahndet werden sollen nach Paragraph 9 der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB diskriminierende Äußerungen und Handlungen, die Bezug nehmen auf „Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion oder Herkunft“. Alle im DFB organisierten Verbände haben diesen Passus sinngemäß übernommen. Die Wissenschaft, die sich in den vergangenen Jahren verstärkt dem Phänomen Fußball zugewandt hat, erhebt jedoch gewichtige Zweifel an der „Integrationsmaschine Fußball“.6 Der Sozialwissenschaftler Gerd Dembowski beschreibt den Fußballsport als einen gesellschaftlichen Raum, in dem Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus gebündelt und dadurch besonders deutlich zum Tragen kommen (Dembowski 2007) und der „durch sein starres Regelwerk mit Befehl, Gehorsam und Bestrafung auch ein Präsentationsfeld für konventionelle, patriarchale Wertvorstellungen und autoritäre Charaktere schaffen kann“ (Endemann/Dembowski 2010: 23). Die Soziologin Nina Degele bescheinigt dem (Amateur-)Fußball vergemeinschaftende Wirkung, die aber auch auf dem Ausschluss von Homosexuellen, Frauen und Nichtweißen beruht. Ungleichheiten und Ausgrenzungen innerhalb der Gesellschaft spitzen sich im Fußball zu (Degele 2013: 60). Die Soziologin Marion Müller (2009) bezeichnet den (Profi-)Fußball gar als „Paradoxon der Moderne“ und beschreibt damit, dass Diskriminierungsformen, die in anderen gesellschaftlichen Feldern illegitim sind, im Fußball eine vergleichsweise hohe Akzeptanz erfahren. Die Vereinsforschung stärkt diesen skeptischen Blick auf den demokratisierenden Effekt von zivilgesellschaftlichen (Sport-)Vereinen, die ebenso antidemokratische Potentiale fördern und zur Verstärkung von gesellschaftlichen Ungleichheiten und Ausgrenzungen dienlich sein können (etwa Portes/Landolt 1996). Besonders Journalisten, die zu Strukturen der extremen Rechten recherchiert haben, warnen vor tatsächlichen und möglichen Unterwanderungen durch Neonazis in Sportvereinen (u. a. Blaschke 2007; Laberenz 2007; Staud 2006). Mit dieser Strategie wollen neonazistische Parteien ihre Ideologien innerhalb einer konstruierten „gesellschaftlichen Mitte“ etablieren. Ausgedrückt im NPD-Jargon ist das der „Kampf um die Köpfe“. Der Sport ist strategisch als niedrigschwelliger Zugang für diese Bestrebungen dienlich

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Dieser Antidiskriminierungsparagraph wurde als Diskussionsstimulus für die Gruppendiskussionen verwendet, was in Kap. 1.2 näher erläutert wird. Empfehlenswert ist die akribische Literaturanalyse von Klaus Seiberth (2012), der in seiner Arbeit Fremdheit im Sport die (populär-)wissenschaftliche Diskussionsentwicklung zum Themengebiet nachzeichnet.

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Diskriminierung im Fußball

(Geisler/Gerster 2009: 195; Endemann/Dembowski 2010). Die Wahlerfolge der extremen Rechten kommen und gehen, was aber weitgehend stabil bleibt, sind das potentielle rechte Wählerreservoir und die rechten Einstellungen und Orientierungen bei einem relevanten Teil der Bevölkerung. Die gesellschaftlichen Verzahnungen und Differenzierungen werden theoretisch und empirisch etwa durch das Konzept der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit (GMF) von Heitmeyer (2007) dargestellt. Der bereits erwähnte 12. Sportbericht der Bundesregierung (2010: 91f.) kommt nicht mehr umhin, die Problemfelder in den Sportvereinen zu benennen. Es kann konstatiert werden, dass es in den vergangenen Jahren „eine Vielzahl von öffentlich bekannt gewordenen rechtsextremistischen Erscheinungsformen im Sport, insbesondere im Fußball, allerdings mit großen regionalen Unterschieden“ gab (ebd.: 91). Ein umfassendes Problembewusstsein diesbezüglich ist allerdings weder in den Vereinen noch in den Verbänden erkennbar. Das Feld für eine genauere Analyse ist also bereitet: Die Spieler, Trainer und weiteren Aktiven in Fußballvereinen verbinden das Gemeinschaftserleben und Zusammengehörigkeitsgefühle. Diese wiederum gründen auf dem Wissen, wovon und von wem sich unterschieden wird. Daher folgt diese Arbeit der Forschungsfrage, welche Kategorien der Ausgrenzung (bzw. relational der Eingrenzung) und Diskriminierungsformen im jeweiligen sozialen Feld des Amateurfußballs identifiziert werden können. Gleichzeitig wird untersucht, wie diese Diskriminierungsformen artikuliert werden. Wie und aufgrund welcher Kriterien funktionieren Ein- und Ausgrenzungen? Wenn, wie angenommen, die Ein- und Ausschlusskriterien wandelbar sind, stellt sich zudem die Frage nach Gegenstrategien und Alternativen. Der Fokus liegt in dieser Arbeit auf den Diskriminierungsformen Sexismus, Homophobie und Rassismus, die als maßgeblich strukturierend für das Fußballhandeln im untersuchten Feld eingeschätzt werden.7

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Eine empirische Fundierung erfährt diese Annahme durch die Arbeit von Hannes Delto (2015). Auf Grundlage des Konzeptes der GMF untersuchte er sächsische Sportvereine und stellte fest: „Die Ergebnisse für das Bundesland Sachsen zeigen, dass Vorurteile im Gesellschaftsbereich Sport vorhanden sind und sportspezifische – insbesondere rassistische und homophobe – Stereotype zur Aufrechterhaltung menschenfeindlicher Einstellungen beitragen“ (Delto 2015: 31). Degele (2013: 185) spricht von einer Triade der Ausgrenzung (Homophobie, Sexismus, Rassismus), die das Fußballhandeln prägt.


Rassismus und Antirassismus

3.1

Rassismus und Antirassismus in der sozialen Praxis des sächsischen Amateurfußballs

3.1.1

Interaktionen mit ethnisch Anderen

Es gibt keine „Ausländer“

… aber komisch ja, dass wir wenig Migrationshintergrund haben bei uns im Breitensport. Im Freistaat Sachsen lag der Anteil der ausländischen Bevölkerung im Erhebungszeitraum zwischen zwei und drei Prozent. Damit befand sich der prozentuale Anteil deutlich unter dem bundesdeutschen Schnitt von circa neun Prozent.25 Der Kontrast zwischen den östlichen und den westlichen Bundesländern wird noch deutlicher, wenn die Vergleichszahlen von Menschen mit Migrationshintergrund26 zurate gezogen werden. Bundesweit sind knapp 20 Prozent der Gesamtbevölkerung Menschen mit Migrationshintergrund im engeren Sinn. Davon leben 96 Prozent in Westdeutschland und Berlin. Während in Westdeutschland ihr Anteil bei mehr als 20 Prozent liegt, entspricht dieser im Osten circa 5 Prozent der Gesamtbevölkerung (BpB 2013). Darüber hinaus sind im bundesdeutschen Schnitt Migranten im organisierten Sport deutlich unterrepräsentiert.27 Schon allein diese Zahlen lassen vermuten, dass eine rege Interaktion zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund im hier gewählten sächsischen Untersuchungsraum vergleichsweise seltener stattfinden kann. Diese Interaktionen stellen im Wettkampfgeschehen eher eine Ausnahme als die Regel dar, und auch in den untersuchten Vereinen sind Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft oder mit Migrationshintergrund deutlich in der Minderheit. In den Gruppendiskussionen nahmen laut soziodemographischer Selbstaussage

25 Vgl. http://www.sachsen.de/en/download/Faktenblatt_Auslaender_in_Sachsen.pdf [Zugriff am 22.10.2013]. 26 Als „Menschen mit Migrationshintergrund“ (im engeren Sinn) werden offiziell alle gezählt, die seit 1950 in die BRD oder DDR zugewandert sind und deren Nachkommen. 27 Vgl. http://www.dosb.de/fileadmin/fm-dosb/arbeitsfelder/wiss-ges/Dateien/2010/Siegel-SEB-Integration_2007_08.pdf [Zugriff am 22.10.2013]. Zahlen aus dem Jahr 2008 besagen, dass etwa 2,8 Millionen Migranten im Sport organisiert sind. Das sind 10 Prozent der Gesamtmitgliederzahl im organisierten Sport. Zum Vergleich: Wie gerade beschrieben, liegt der prozentuale Anteil an der Gesamtbevölkerung in Westdeutschland auf dem doppelten Niveau.

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Diskriminierung im Fußball

der Diskussionsteilnehmer nur Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft teil (vgl. Kapitel 2).28 Das Team Ball des großstädtischen FC Florastadt diskutierte erst auf direkte Nachfrage über die Erfahrungen mit „Ausländern“ im eigenen Verein. Spontan ist die Gruppe29 bezüglich dieser Thematik relativ sprachlos:30

?: Wir haben noch gar keine Ausländer. B:

I L Das ist ein Riesenmanko, finde ich, [Lachen] I L Ja,

?: [Lachen] E: Es ist ja kein Manko, aber es ist schon echt krass, dass kaum jemand Migrationshintergründe hat. Das ist schon komisch. (Gruppe Ball, FC Florastadt) Auffällig ist, dass die Verwendung des Begriffs „Ausländer“ in der Gruppe weitgehend unterbleibt und stattdessen von Migranten oder Menschen mit Migrationshintergrund gesprochen wird. Es scheint, dass der Begriff als abwertend und als politisch inkorrekt eingeschätzt wird. Im Wettkampfbetrieb treffen die Aktiven „kaum“ auf Gegenspieler mit Migrationshintergrund, was durch die demographischen Gegebenheiten der Region erklärbar ist. Zudem agiert nach Wahrnehmung der Gruppe der eigene Verein zurückhaltend, wenn es um den Abbau von Partizipationshemmnissen für Menschen mit Migrationshintergrund geht:

28 Im Gegensatz dazu lassen die Aussagen in den Gruppendiskussionen den Schluss zu, dass ein Teilnehmer keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. Weiterhin wurde nur nach der Staatsbürgerschaft und nicht nach einem möglichen Migrationshintergrund gefragt, sodass eine Einschätzung des Anteils von Menschen mit Migrationshintergrund nach den offiziellen Kriterien (Einwanderung seit 1950) nicht möglich ist. 29 Im Laufe der Diskussion werden Integrationserfahrungen in der Gruppe und im Verein dargelegt, vgl. Kapitel 3.1.3. 30 Bei der Zitation von Transkriptausschnitten steht die Lesbarkeit im Vordergrund. Daher wird auf eine aufwendige Darstellung von Unterbrechungen, Betonungen oder weiteren Bestandteilen der Diskussionen verzichtet. Unabhängig davon werden einzelne Elemente des Transkriptionssystems TiQ („Talk in Qualitative Social Research“) genutzt (Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014: 167-167, 409-413): „Das „L“-„Häkchen“ markiert den Beginn einer Überlappung bzw. den direkten Anschluss beim Sprecherwechsel; „[Lachen]“ – akustisch wahrnehmbare Aktion der interviewten Gruppe.


Rassismus und Antirassismus

C: Aber das Problem ist ja trotzdem ein anderes. Also ich meine, das Problem ist ja erst mal ganz allgemein, dass es natürlich hier irgendwie weniger Migranten oder Leute mit Migrationshintergrund gibt, aber dass man auch irgendwie dazu sagen muss, dass wir natürlich auch irgendwie wenig dafür tun, die wenigen irgendwie in den Verein mit einzubinden. (Gruppe Ball, FC Florastadt) Auch wenn innerhalb der Gruppe diskutiert wird, welche Ursachen es für den geringen Anteil an Migranten im Verein geben könnte, sind pauschal auf den Ost-West-Gegensatz rekurrierende Argumente ein zentrales Orientierungsmuster der Gruppe:

B: …wenn wir in Berlin spielen würden oder in Frankfurt, da würden die, die Hälfte unseres Team hätte ’nen, wären Spieler mit Migrationshintergrund, oder es wären sogar Migranten. Weißt du, das ist so. (Gruppe Ball, FC Florastadt) Die Gruppe kann sowohl intern im Team und Verein als auch extern im Wettkampfbetrieb nur minimale Erfahrungen auf Grundlage von direkten Interaktionen mit ethnisch Anderen im Sport aufweisen, was heuristisch ausgeglichen wird. Der Umgang mit Migranten wird im Allgemeinen als unproblematisch konstruiert, dennoch sind zum Teil die Artikulation rassistischer Vorurteile und Stereotype durch einzelne Teammitglieder erkennbar, wie das folgende Zitat belegt, das eine rassismusrelevante „Das Boot ist voll“Rhetorik enthält:

B: …und ich fühl mich, ich bin total offen den Typen gegenüber, die kommen, und warum soll ich denn hier einen Unterschied machen? Ja, äh, ich komm hier zwei Mal die Woche hierher zum Training. Ich hab überhaupt nicht da die Zeit und ich, das ist auch zur, also gar nicht mein Anspruch, das soll jetzt nicht böse klingen, ob das ein Deutscher ist oder jemand, der aus Afghanistan kommt, ja, dass ich nun, der spielt nicht so gut, aber der kommt aus Afghanistan, dem geb ich mehr, also dem geb ich mehr, also dem reich ich bisschen mehr die Hand als dem. Weißte, warum denn? Das weiß ich doch gar nicht. Erst mal weiß ich gar nicht, wie das funktionieren soll in dieser anderthalb Stunden Training, und zweitens hab ich den Kopf voll, ja und drittens, ja, muss ich ganz ehrlich sagen, das hab ich mir auch gar nicht auf die Fahne geschrieben, und weißte, warum nicht? Weil wir gar nicht hier angeschwemmt werden, äh, überschwemmt werden, wie es gerade in Westdeutschland ist. (Gruppe Ball, FC Florastadt) Auf der sportlichen Ebene haben die Aktiven der Gruppe Ball keine gemeinsamen Sozialisationserfahrungen mit Migranten, worauf ein Orientierungsmuster hätte aufgebaut werden können. Dennoch gibt es Meinungen und

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Diskriminierung im Fußball

Orientierungen über Migranten im Fußball, die weniger durch gruppenbiographische Erfahrungen und Verarbeitungen generiert, als vielmehr ideologisch-diskursiv überformt sind. Eine Ausnahme im Verein FC Florastadt stellt das Team Linie dar, das im Wettkampfbetrieb gegen den FC Türkspor, einen türkischen Migrantensportverein,31 spielt, was ausführlich im Kapitel 3.1.2 ausgewertet wird. Darüber hinaus sind die Argumentationen bezüglich der Interaktionsdichte mit Migranten sowohl im Wettkampfbetrieb als auch im eigenen Team und Verein weitestgehend homolog mit den Aussagen von Team Ball. In der Gruppe ist eine Person mit Migrationshintergrund aktiv, die als integriert wahrgenommen wird. Auf die Ursache der geringen Zahl von Migranten im Verein erfolgt ebenso der Verweis auf die Demographie der eigenen Stadt und speziell im eigenen Stadtteil:

B: Gerade hier in Ostvorstadt I F: L Also meisten ist mir sehr aufgefallen, als ich nach Florastadt gezogen bin. I B: L Also gerade hier in Ostvorstadt auf jeden Fall, denk ich, dass das zumindest zu einem Teil daran liegen könnte. G: Also es gibt auch allgemein wenige im Florastädter Fußball. Wenn, dann machen sie einen eigenen Verein, so ungefähr glaub ich. (Gruppe Linie, FC Florastadt) Der Gruppe Klassenerhalt im kleinstädtischen Sportverein SV Flussdorf zufolge kann im Verein eine – ausgehend vom geringen Vergleichsniveau – relativ hohe Interaktionsdichte mit Migranten („Kosovoalbaner“) und Spätaussiedlern aus Russland und Kasachstan konstatiert werden. Deren Fluktuation sei groß gewesen, dennoch galten diese Spieler als „angepasst“, sodass ihre Präsenz und Partizipation vereinsintern als unproblematisch wahrgenommen werden. Der Anpassungsdruck auf diese Gruppe der ethnisch Anderen und die Verteilung rassistischer Dominanzen zugunsten der „einheimischen Deutschen“ wird deutlich:

31 Über die „korrekte“ Bezeichnung von Vereinen, die von Menschen mit Migrationshintergrund organisiert werden und eine ethnische Selbstzuschreibung beispielsweise im Vereinsnamen ausdrücken, wird in der Wissenschaft kontrovers diskutiert, vgl. einführend zum Thema „türkische Vereine“ (Huhn/Metzger 2013; Metzger 2011; Soeffner/Zifonun 2008; Stahl 2010).


Rassismus und Antirassismus

B: Also, die haben sich immer angepasst. Haben jedes Späßchen mitgemacht. Haben sich auch, wenn wir mal zusammen gegrillt haben, ein Bierchen getrunken, haben die sich auch mit hingesetzt. Also, das war nie so, dass die sich irgendwie ausgegrenzt gefühlt haben oder so. (Gruppe Klassenerhalt, SV Flussdorf) Diese Gruppe spricht nicht über Interaktionen mit ethnisch Anderen, die in den gegnerischen Teams aktiv sind, sodass davon auszugehen ist, dass hier kaum Sozialisationserfahrungen gemacht wurden, die für die Gruppe relevant sind. Team- und vereinsinterne Auseinandersetzungen hatte es jedoch sehr wohl gegeben, was an späterer Stelle ausgeführt werden soll (vgl. S. 70f.). Ein weiteres Team des SV Flussdorf, die Gruppe Sprint, stellt zunächst durch ihren Mannschaftskapitän klar, dass sie „sehr tolerant sind gegenüber Mitspielern anderer Herkunft“ und die Gruppe eher Adressat (rassistischer) Schmähungen sei. Zur Bestätigung dieser Aussage wird ein Mitspieler mit Migrationshintergrund befragt, der die Auffassung bekräftigt, dass dieses sportlich erfolgreiche Team aufgrund der Leistungsstärke zum Ziel von Abwertungen wird. Er persönlich schätzt diese Situation, in einem seiner wenigen Beiträge zur Debatte, lakonisch ein: „Ich kann damit leben. Das geht da rein, da raus.“ Der im ländlichen Raum beheimatete Klub SG Berghain unterhält in der A-Jugend das Team Wolke. Die Liga ist mit vier Teams und insgesamt nur neun Spielen vergleichsweise klein:

D: … also recht überschaubar, und von den 50 Leuten, die da im A-Jugend-Bereich irgendwo rumflitzen auf dem Platz, äh da sind halt in der Regel auch keine Ausländer dabei, wo man jetzt irgendwie mal Kontakt hätte oder sich überhaupt die Möglichkeit bieten würde, sich da mal damit auseinanderzusetzen. (Gruppe Wolke, SG Berghain) Nach einem Einwurf des Trainers, der seine Spieler immer wieder durch Impulssetzungen zur Teilhabe am Gespräch gewinnt, stellt sich heraus, dass es bei einem Team in der Liga „Türken“ und einen „Asiaten“ gibt. Sofort wird eine Konfliktsituation angesprochen: „War das der, der letztens ausgerastet ist?“ Trotz der Grenzlage des Ortes zu Tschechien haben im Verein weder in der Jugend noch im Männerbereich „Ausländer“ gespielt; das Frauenteam, wo Spielerinnen aus Tschechien aktiv sind, wird in dieser Beschreibung aus Unkenntnis der Erzählenden ausgeklammert. In der jüngeren Vergangenheit wird nur von einer Ausnahme berichtet. Ein Spieler, der einen „asiatischen“ Migrationshintergrund habe, war längere Zeit im Männerbereich aktiv. Durch die Sozialisationserfahrungen vor Ort (Besuch der Grund-

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schule, Mitglied im Verein) können potentielle ethnische Differenzierungskategorien wie Sprache und Benehmen in den Hintergrund treten:

C: Ich meine, das hat man dann irgendwann, es ist eben nicht mehr aufgefallen, dass er ein bisschen anders aussieht, und der hat halt auch ganz normal geredet und ganz normal sich benommen. Den kannte halt jeder, aber das war halt in dem Sinne auch kein Ausländer. Ansonsten wüsste ich nicht, dass wir mal irgendeinen gehabt hätten. Keine Ahnung. Eigentlich nicht. (Gruppe Wolke, SG Berghain) Die jugendlichen Aktiven können dieses Bild der Abwesenheit von Menschen mit Migrationshintergrund in der Regel nur bestätigen. Einige berichten von – nicht immer nur einfachen – Kontakten mit tschechischen Mitschülern an ihrem deutsch-tschechischen Gymnasium. Innerhalb des Teams spiele ein Austauschschüler mit, der in Norwegen aufgewachsen sei und gut deutsch spreche. Seine Eltern hätten einen deutschen Pass, er selbst die norwegische Staatsbürgerschaft, könnte aber auch die deutsche nach eigener Aussage ohne großen Aufwand bekommen. Er sei äußerlich „nicht als Ausländer zu erkennen“. Die fehlenden äußerlichen, somatischen Erkennungsmerkmale, die auf eine Abweichung des „normalen“ Äußeren der eigenen Gruppe hinweisen würden, werden in der Gruppe sehr betont: „B: Blond, blauäugig. Mir fällt er gar nicht mehr auf.“ Auch das Team Sonne desselben Vereins berichtet, dass es im Umfeld keine Menschen mit Migrationshintergrund gebe. Weder im eigenen Team noch in der Liga gibt es „fremdländliche Spieler“, auch hier wird stark auf physiognomische Unterscheidungsmerkmale rekurriert („erkennt es von außen gar nicht“). Deren Abwesenheit führt dazu, dass die Gruppe bislang im Wettkampf in „keinster Weise“ rassistische Bemerkungen erlebt hat. Sehr schnell ziehen auch diese Teilnehmer ein Fazit, das offensichtlich von politischer Korrektheit motiviert ist und so verstanden werden kann, dass es die für das Gespräch vorgelegte Antidiskriminierungsregel des DFB zitiert:

F: Also kurz und knapp gesagt kann man sagen, eine Diskriminierung von Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion findet hier nicht statt. Um das jetzt mal auf den Punkt zu bringen. (Gruppe Sonne, SG Berghain) Doch auch in dieser Diskussion zeigen sich im weiteren Verlauf Differenzierungen auf Grundlage nationaler Fremdstereotypisierungen, die in erster Linie von der Abwertung von Tschechen, die in den Amateurligen des Kreises spielen, geprägt sind (vgl. Kapitel 3.1.2, S. 88ff.).


Rassismus und Antirassismus

Ins Bild der politischen Korrektheit reiht sich auch das Frauenteam des Vereins ein, die Gruppe Mond. In der äußerst schwierigen Diskussion wird zunächst die eigene Inkompetenz bei der Beantwortung aller Fragen, die sich rund um den gegebenen Impuls bewegen, in den Vordergrund gerückt: „Wir haben keine Diskriminierung. […] Du hast nichts mit Rasse, Hautfarbe hast du nicht. Wir haben das nirgendwo in der Mannschaft.“ Bei teilnehmenden Beobachtungen konnte ich feststellen, dass zumindest eine tschechische Spielerin im Team aktiv war, was im Laufe der Diskussion berichtet wird. Generell kann auch hier – wie im Männerfußball – eine Konfliktlinie zwischen deutschen und tschechischen Spielerinnen ausgemacht werden, die entlang einer kommerziellen Leistungsdiskussion und einer Stilisierung des Amateurismusideals verläuft. Homologien zur Diskussion des vereinsinternen Männerteams sind offensichtlich:

A: Wir haben keine Tschechen, nichts, gar nichts. D: E: Die haben wir leider zu wenig bezahlt. alle: [Lachen] (Gruppe Mond, SG Berghain)

I L Nee, jetzt nicht mehr.

Zusammenfassend lassen sich auf Grundlage der untersuchten Gruppen wenige Belege dafür finden, dass Migranten und Menschen mit Migrationshintergrund am sächsischen Amateurfußball teilhaben. Im Wettkampfbetrieb sind Kontakte zu Migranten eher die Ausnahme, wobei die Großstadt Florastadt eine Sonderstellung mit dem migrantischen Verein Türkspor einnimmt. Solche Vereine sind im Bundesland Sachsen im Gegensatz zu urbanen Gebieten in den westlichen Bundesländern und Berlin kaum im Amateurfußball aktiv. Ähnlich stellt sich die Lage innerhalb der untersuchten Teams und Vereine dar. Im ländlichen Verein SG Berghain gibt es bis auf wenige Ausnahmen keine Migranten, im großstädtischen Verein FC Florastadt ist die Situation ähnlich. Im ländlich-kleinstädtischen SV Flussdorf sind Menschen mit Migrationshintergrund aktiv, auch wenn die Anzahl im Vergleich zur Gesamtmitgliederzahl gering ist. Vor diesem Hintergrund der geringen Interaktionsdichte mit ethnisch Anderen werden mögliche rassistische Fremdstereotypsierungen und Vorurteile betrachtet.

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Rassistische Schmähungen

Bimbo, was soll das? Rassistische Beleidigungen wie die „Affenlaute“32 und Ähnliches gehörten bis in die 1990er und 2000er Jahre zum üblichen Schmähungsrepertoire in den bundesdeutschen Profistadien. Der vielfachen Beachtung dieser Phänomene im Profibereich steht die weitgehende Nichtbeachtung im Amateurbereich gegenüber. Rassistisch motivierte Handlungen im Breitensport werden dann – zum Teil bundesweit – bekannt, wenn physische Gewalt hinzukommt, und werden häufig auf Konflikte zwischen „deutschen“ und „nichtdeutschen“ Teams reduziert, die in der Regel in urbanen Zentren Westdeutschlands oder Berlin konzentriert sind. Speziell im ostdeutschen und sächsischen Amateurfußball, wo der Anteil von Migranten und migrantischen Teams gering ist, gibt es über die Modi der rassismusrelevanten Verhaltensweisen kaum Erkenntnisse. Daher sollten die untersuchten Gruppen Auskunft darüber geben, wie sie rassistische Handlungen bewerten und welche Funktionen rassistische Schmähungen im Wettkampfbetrieb und darüber hinaus haben. Erfahrungen aus den teilnehmenden Beobachtungen lassen eine hohe Dunkelziffer an rassismusrelevanten Handlungen im Amateurbereich vermuten, die in den Gruppendiskussionen nicht erläutert werden. Bei einer teilnehmenden Beobachtung einer Partie des SV Flussdorf stand ich in der Nähe der Wechselbank, ohne als Beobachter wahrgenommen zu werden. Währenddessen lief ein junger Mann, der in einem weiteren Team der Spielliga spielt, auf uns zu und erzählte den ihm bekannten Spielern von einem Ligawettkampfspiel. Voller Stolz schilderte er die eigene Art und Weise im Defensivspiel gegen einen gegnerischen Stürmer mit dunkler Hautfarbe. Dadurch konnte dieser erst „gar nicht rumtanzen“, da „dem Neger“ durch massive Foulspiele und verbale Attacken („Bimbo“) die Lust am Spiel genommen wurde. Diese Machtdemonstration führte zur Einschüchterung des Gegenspielers, der in der Folge kaum mehr einen Fuß auf den Boden bekommen konnte. Die Adressaten dieser Worte nahmen die Aussagen lediglich zur Kenntnis. Rassistische Schmähungen benötigen nicht die physische Anwesenheit von Migranten. Interaktionen mit ethnisch als fremd Wahrgenommenen im

32 Es handelt sich dabei um die Imitation von Affen durch Fußballfans, die beispielsweise „Uh-Uh-Uh“ schreien, wenn Spieler mit dunkler Hautfarbe am Ball sind.


Rassismus und Antirassismus

untersuchten Feld sind in der Regel die Ausnahme. Wo keine „Ausländer“ seien, da könne auch kein Rassismus sein und dadurch entfielen rassistische Schmähungen auf dem Spielfeld – so die (verkürzte) Wiedergabe einiger Diskussionsbeiträge. Das empirische Material differenziert diese Annahmen:

D: Vor allen Dingen kannst du ja auch rassistisch diskriminiert werden, dazu muss man nicht mal Ausländer sein. Also wir haben ja gesehen, das Spiel gegen Mehlau, wo hier, äh, äh, na Jonas irgendwie als Zigeuner beschimpft wird, ja keine Ahnung. (Gruppe Linie, FC Florastadt) Das Team Sprint des SV Flussdorf bestätigt zunächst, dass in der Vergangenheit Beleidigungen und grobe Foulspiele stattgefunden haben, die in Verbindung mit rassistischen Handlungen standen:

F: Ich denke mal, ich spreche für die Mannschaft, dass wir alle sehr tolerant sind gegenüber Mitspielern anderer Herkunft, wie das hier aufgeführt ist, aber wir haben auch schon Gegner erlebt, die da nicht so tolerant waren und sich dann in Form von Beleidigungen oder groben Foulspielen dagegen da versucht haben durchzusetzen und das halt dann verachtend geäußert haben. (Gruppe Sprint, SV Flussdorf) Das eigene Team sei kein Urheber solcher Handlungen, sodass die folgenden Erklärungen Narrative über die rassismusrelevanten Aktivitäten anderer sind, die konträr zur eigenen Gruppe stehen. Zudem ist mit Farid ein Spieler mit Migrationshintergrund im Team aktiv, der als integriert gilt und die Gruppenmeinung – authentisch – bestätigt. (Rassistische) Beleidigungen und Foulspiele seien Folge eines Leistungsunterschieds zwischen den Wettkampfteams und würden angewendet, um diesen Unterschied zu nivellieren. Dadurch soll ein „anders Aussehender“ aus der Fassung gebracht und dessen erfolgreiches Spiel gestört werden. Farid, der erklärt, dass er mit rassismusrelevanten Äußerungen keine Probleme habe („Ich kann damit leben. Das geht da rein, da raus“), beschränkt die Motivation rassistischer Schmähungen zunächst ebenfalls auf eine spielinterne Siegeslogik. Die Gruppe Sprint, die aus einer Reihe Gymnasiasten besteht, grenzt sich von diesen gegnerischen Spielern, die rassismusrelevant agieren, ab, nicht nur über die eigene Leistungsfähigkeit auf dem Spielfeld, sondern auch mithilfe der eigenen höherwertig angenommenen Schulbildung. Nach Meinung der Gruppe Sprint sind die Ursachen für rassismusrelevante Beleidigungen gesellschaftliche, der Fußball dient als „Ventil“ und soziales Feld, wo Aggressionen in besonderer Art und Weise zum Ausdruck gebracht werden können. Die Unterschiede ergeben sich u. a. aus dem Bildungsgrad der Aktiven, dem lokalen Hintergrund und dem Leistungs-

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niveau. In den unteren Ligen und im ländlichen Raum („Dörfer“) werde häufiger beleidigt als im Leistungssport und in der Großstadt:

J: Ja, als Schiedsrichter ist es genau das Gleiche. Wenn man dann auf irgendwelchen Dörfern pfeift, da kommen eben schneller mal Äußerungen, als wenn man, sage ich mal, ein Bezirksklassespiel pfeift, weil es eben fußballerisch ein höheres Niveau hat. (Gruppe Sprint, SV Flussdorf) In den höheren, zuschauerrelevanteren Ligen sind die diskriminierenden Akteure weniger die Aktiven auf oder neben dem Feld (Trainer, Betreuer) als vielmehr die „Fans, Hooligans, wie auch immer man das nennen möchte“. Schmähungen gehören im Allgemeinen zum weitgehend akzeptierten, wenn auch unfairen, Arsenal an Mitteln, die im Wettkampfspiel eingesetzt werden. Die Gruppe Sprint distanziert sich klar von Rassismus, aber entwertet die Relevanz von rassistischen Schmähungen dadurch, dass diese in den allgemeinen Kanon der latenten Beleidigungskultur des Spiels subsumiert werden:

G: Ich denke aber auch mal, dass das im Allgemeinen irgendwie die Äußerungen nicht unbedingt immer nur rassistisch sind oder irgend so was in der Richtung oder feindlich gegen irgendwelche andere Sachen, weil, ähm, ich denke, das ist im Allgemeinen ein Problem, dass einfach nur Beleidigungen halt kommen, und wenn dann halt eine Person auf dem Platz steht, die halt, was weiß ich, ein bisschen komisch spricht oder irgendwie einen anderen Fehler hat oder, na ja, Fehler ist jetzt vielleicht, irgendwie benachteiligt ist, sag ich einfach mal oder eben ein Andersstämmiger, dann wird das halt genauer darauf bezogen, denke ich mal. Und ich denke auch, jeder, der wo die halt nicht den Fehler finden, der würde von der gleichen Person auch irgendwelche Beleidigungen gegen den Kopf kriegen. Also ich denke nicht, dass das jetzt unbedingt nur in der Richtung ein Problem ist. Das wird dann halt eben genau als Aufhänger genommen, denke ich einfach mal, die Beleidigung in die Richtung dann zu lenken. (Gruppe Sprint, SV Flussdorf) Diese spielinterne Schmähkultur wird durch externe, gesellschaftliche Phänomene gestärkt bzw. „spiegelt“ diese „wider“. Die individuellen Folgen durch eine gesteigerte Konkurrenzsituation („Härte“) im „Arbeitsleben“, der „Leistungsdruck“, das Auflösen von „freundschaftlichen zwischenmenschlichen“ Beziehungen33 und die Annahme, dass die Gesellschaft auseinanderdriftet

33 Hier wird auch auf die negativen Folgen der Zeit um 1989/90 besonders in Ostdeutschland verwiesen.


Rassismus und Antirassismus

(Deprivationserfahrungen), führen dazu, dass im Fußball als gesellschaftlichem Raum Kompensation („Dampf ablassen“) noch legitimiert ist. Die Funktion für das Individuum besteht darin, von eigenen Unzulänglichkeiten abzulenken und durch die Abwertung anderer sich selbst aufzuwerten:

C: Ich denke mal, dass das alles aber sicherlich auch damit zusammenhängt, äh, sich selbst zu profilieren, […] weil es ist ja ganz eindeutig, dass man damit auch von sich selber ablenkt, und wenn ich zuerst den anderen beleidige und den niedermache, ist der nicht mehr in der Lage, die Fehler bei mir zu finden. Das, denke ich, ist sowohl auf dem Fußballplatz als auch, was Alex vorhin schon gesagt hat, im zwischenmenschlichen Leben, egal ob Arbeit, Schule, Freizeit, einfach so zu sehen.“ (Gruppe Sprint, SV Flussdorf) Sozial desintegrierte Menschen aus „sozial schwachen Familien“ sind, nach Meinung der Gruppe Sprint, besonders anfällig für abwertendes Verhalten. Es ist erkennbar, dass sich die Gruppe auch in dieser Beziehung als sozial vergleichsweise gut situiert betrachtet, was eigenes diskriminierendes Handeln minimiere bis ausschließe. In der idealisierten Gruppenvorstellung sollten Kriterien wie Herkunft, politische Einstellungen und weitere gesellschaftliche Kategorien keinen Einfluss auf den Sport nehmen. Das einzige legitime Kriterium sei die Leistungsfähigkeit. Die Gruppe Klassenerhalt des gleichen Vereins bestätigt eine Vielzahl der Aussagen aus der Gruppe Sprint. Auch sie sehen die Zuschauer als Hauptinitiatoren von rassistischen Schmähungen („Ja, der Fan hat gerufen: ,Sieg Heil! Verpiss dich in euer Land!‘“). Der Alkoholkonsum enthemme zusätzlich. Spieler mit äußerlich sichtbarem Migrationshintergrund stünden in einem besonderen Fokus:

C: Die Erfahrung ist ja, meistens bringen die Zuschauer das rein. Ja, wenn jetzt, wir haben ja, ich sag mal, auch teilweise einen Ausländer hier, der spielt und sonst was, das bringt dann meist der Zuschauer mit rein. Oder die Mannschaft, sagen wir mal, wo man zu Gast ist, ja, äh, und man fährt hin, hat einen Ausländer in der Reihe, der begeht ein grobes Foul, dann geht es da los. Die ganze Atmosphäre hängt sich auf. „Bimbo, was soll das?“ Ja, die ganzen Ausdrücke von A bis Z fallen. Also, und dann geht das ja richtig los. Ich denke mal, dass manche Spieler da was reinreißen lassen und dann das Gleiche da im Spiel dann provozieren, aber wir haben das selten. (Gruppe Klassenerhalt, SV Flussdorf) Hieraus ist erkennbar, dass auch Spieler rassistisch diskriminieren, aber diese Vorfälle selten sind. Dies kann mit der quantitativ geringen Zahl an Menschen mit Migrationshintergrund in diesen Spielklassen liegen. Auf-

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fällig und homolog zur Gruppe Sprint sind die Diskussionen über die Rassismusrelevanz solcher Äußerungen. Nicht ideologische Hintergründe seien ursächlich, sondern der „Adrenalinschub“, „die Emotionen“ von einigen „Hitzköpfen“. Hier werden spielimmanente Schmähungen von möglichen gesellschaftlichen Ursachen abgekoppelt und bagatellisiert:

G: Klar hört sich das im ersten Moment, ist das dann so, rassistisch, ist im Endeffekt vielleicht gar nicht so Einstellung, siehst aber, dass es ein Ausländer ist, und dann sagst du dann im Spiel, sagst du dann halt mal ein paar Wörter, die du gar nicht sagen willst. (Gruppe Klassenerhalt, SV Flussdorf) Eine Besonderheit in dieser Gruppe ist, dass hier ein aktiver Spieler als „Zuständiger“ für rassistische Äußerungen inklusive der entsprechenden Einstellung deklariert wird. Die Gruppe Klassenerhalt schildert ein entsprechendes Ereignis und den teaminternen Schlichtungsansatz:

A: Der hat auch, damals, als wir das Testspiel diese Saison hatten gegen die A-Jugend, da hat der einen Ball in die Weichteile bekommen auch von einem, und da ging das gleich volle Möhre los. Da hat der dann: „Ich lass mir doch nicht einen Ball in die Eier schießen von so einem hässlichen Kümmel“, und ich sag: „Ingo, bleib ruhig, das ist unsere A-Jugend. Das ist unser Verein.“ Und der ist da gleich hoch am Start. (Gruppe Klassenerhalt, SV Flussdorf) Die Diskussion zeigt deutlich, dass es in der Gruppe durchaus rassismusrelevante Äußerungen gibt („rutscht dir auch mal was raus“), die aber auch in diesem Fall auf dem Spielfeld bleiben. Die Dunkelziffer dieser Schmähungen dürfte ungleich höher sein („Aber das ist überall“). Es bleiben jedoch nur Verdachtsmomente, denn in einer anderen Passage schildert ein ehemaliger Jugendleiter, dass in seinem Team – trotz einer relativ hohen Anzahl an Spielern mit Migrationshintergrund – weder im Training noch in den Spielen andere Menschen aufgrund der Herkunft beleidigt wurden. Die Aktiven der Gruppe Sonne der SG Berghain haben bislang in ihren Spielen keine rassistischen Bemerkungen wahrnehmen können. Das ist auf die Abwesenheit von „fremdländischen Spielern“ und das Alter der Aktiven im Männerbereich zurückzuführen.34 Demgegenüber sei die Schmähkultur im Jugendbereich deutlicher ausgeprägt. Stärkster Urheber von Provoka-

34 Eine Sonderrolle nehmen tschechische Spieler in den Amateurligen ein, die als ökonomisch motivierte Sportmigranten klassifiziert werden (vgl. Kapitel 3.1.2, S. 88ff.).


Rassismus und Antirassismus

tionen und Beleidigungen nach Meinung dieser Gruppe sind auch hier die Zuschauer, ohne dass dieses Verhalten als „so richtig rassistisch“ eingeschätzt wird, wenn beispielsweise tschechische Spieler abgewertet werden. Ebenfalls werden Abwertungen durch Beleidigungen als spielimmanente Handlungen angesehen, die aber unabhängig etwa von der Hautfarbe den Gegner provozieren sollen. Zudem werden diese Verhaltensweisen mit der gesonderten Situation im Wettkampf erklärt („Emotionen“, „ja, nicht Larifari“). Wichtig sei, dass diese Auseinandersetzungen auf dem Spielfeld bleiben und nach dem Schlusspfiff vergessen sind, so die Gruppe Sonne. Die Gruppe Wolke (SG Berghain) wird zu dieser Thematik wenig explizit. Beleidigungen kämen in den Spielen schon vor, aber das „hat nichts mit Rassenbezug“ zu tun. Beleidigungen sind auch hier zumeist Reaktionen auf als unfair wahrgenommene Spielhandlungen und tendenziell affektiv: „Nee, aber das ist manchmal auch einfach so aus der Reaktion. Da denkst du gar nicht groß nach, da sagst du einfach was.“ Ungewöhnlich in der Diskussion ist die Tatsache, dass die verschärfte Ahndung von rassistischen Beleidigungen im Spiel rekapituliert wird:

F: Aber schon alleine wegen dem Schiri würde ich dann nicht sagen „Hier, du Neger!“ oder so eine Scheiße. Das gibt es doch nicht. Da kriegst du ja gleich Rot. Also wenn du da jetzt mal sagst „Halt die Klappe!“ oder so, dass du da eine Gelbe kriegst oder was weiß ich, aber wenn du rassistisch wirst, müsste es gleich die rote Karte geben. Deswegen würde ich das gar nicht machen. (Gruppe Wolke, SG Berghain) Rassistische Schmähungen sind durch die Regelverschärfungen der Fachverbände und die starke mediale Thematisierung im hohen Maße tabuisiert. Schmähungen, ob rassistisch motiviert oder nicht, folgen häufig auf Unsportlichkeiten und Fouls. Auf Grundlage der Gruppendiskussion kann konstatiert werden, dass rassismusrelevante Äußerungen ein Teil der verbalen Schmähkultur in den untersuchten Gruppen des Amateurfußballs sind, jedoch führte die sportjuristische Verschärfung diskriminierender Handlungen (Antidiskriminierungsparagraphen in den Satzungen der Fußballverbände) zu einer zunehmenden Tabuisierung rassistischer Schmähungen. Wenn – entgegen der (ostdeutschen) Normalität – Menschen mit Migrationshintergrund im Wettkampfbetrieb aktiv sind, stehen diese im besonderen Fokus als Adressaten rassistischer Schmähungen. Im Allgemeinen wird diese Art von Beleidigungen von den Gruppen als illegitim und Zeichen der eigenen Leistungsschwäche betrachtet. Funktional sollen rassistische Schmähungen innerhalb der spielinternen Logik helfen, spielerische Unterlegenheit zu kom-

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pensieren. Auf der individuellen Ebene können (rassistische) Schmähungen im sozialen Feld des Amateurfußballs auch als Frustrationsabbau innerhalb gesellschaftlicher Zwänge dienen. Der Fußball bietet hierfür – auch wenn die Handlungsspielräume schmaler werden – einen Raum, der in anderen gesellschaftlichen Bereichen in dieser Art und Weise weniger denkbar ist. Gewalttätige Auseinandersetzungen im Kontext interkultureller Konflikte

Jedes Mal war das Spiel am Rande einer Schlägerei gegen uns. Find ich sehr heikel. Fallbeispiel I: „Das türkische Trio“ Gleich am Beginn der Gruppendiskussion schildert die Gruppe Klassenerhalt vom SV Flussdorf eine gewaltsame Auseinandersetzung, die von Mannschaftsmitgliedern, „ein türkisches Trio“ (drei Brüder), fünf Jahre zuvor mit initiiert wurde. Auslösendes Moment war folgender Ausruf eines Zuschauers, dessen Sympathien offensichtlich eher dem anderen Team galten: „Sieg Heil! Verpiss dich in euer Land.“ Entgegen den inoffiziellen Spielregeln, die besagen, dass nach dem Abpfiff des Spiels spielimmanente Konflikte durch ein Shakehands beendet sind, setzte sich dieser Spieler-FanKonflikt fort:

C: Ja, ja. Aber was der dann hinterher getan hat. Also, von sich jetzt so aus. Ich meine, die Reaktion war ja so: Derjenige, der die Provokation hervorgeführt hat, der war dann ja nach dem Spiel verschwunden. Und dann oben in der Umkleide stand er ja da mit dem Auto, lächelt den noch an und beleidigt ihn noch mal und danach. (Gruppe Klassenerhalt, SV Flussdorf) In der darauffolgenden Auseinandersetzung zwischen den drei Spielern mit Migrationshintergrund des SV Flussdorf und den Gästefans kamen Waffen (Knüppel) zum Einsatz, die Beteiligten wurden zum Teil schwer verletzt. Wie reflektierte die Gruppe diesen Vorfall bzw. welche Konsequenzen folgten daraus? Das auslösende Moment an sich, eine neonazistische Provokation, wird in der Gruppe nicht diskutiert. Ein gewisses Verständnis für die Reaktion wird durch einen anderen Spieler artikuliert: „Aber, selbst Schuld, dass der vor die Fresse gekriegt hat.“ Eine Reaktion der eigenen Mannschaft, zum Beispiel dass der geschmähte Spieler Unterstützung oder Solidarität erfährt, wird nicht erläutert. Vielmehr werden allgemein Fanschmähungen und zum Teil Kommentare durch Gästespieler als Ursache für eine „unnötige Schärfe“ in Wettkampfpartien aufgezählt:


Rassismus und Antirassismus

A: Das geht dann von der Fanseite. Ist einfach so. Wenn dann Alkohol in Mengen getrunken wird. Nicht wahr? Dann, hat man ja heute auch wieder schön gesehen. Von der Gegnerseite, was die da reingepöbelt haben. Aber ich meine, freilich, das soll motivieren, aber das ist ja nicht immer der Fall. (Gruppe Klassenerhalt, SV Flussdorf) Im Team spielen „teilweise“ Personen mit Migrationshintergrund mit, die bei Fouls in einem besonderen Fokus der gegnerischen Fans stehen. Die Schmähungen beziehen sich auf den ethnischen Hintergrund und können rassistische Züge („Bimbo“) tragen. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Ursachen dieser Schmähungen endet bei dem Erklärungsmuster, dass übermäßig Alkohol durch die Fans konsumiert werde. Der Seltenheitswert derartiger Vorgänge wird betont. Die Gruppe ist gegenüber Adressaten rassistischer Schmähungen wenig empathisch oder solidarisch. Als Reaktion auf diesen Vorfall reagierte der Verein gegenüber den eigenen beteiligten Vereinsmitgliedern mit Ausschluss. Die Gruppe teilt diesen Schritt:

?: Alle drei. Gleich raus. I A: L Da haben sie dann Radikalschnitt gemacht. Ich glaube, das hat bloß einer, hat bloß drauf. Trotzdem haben sie gleich alle. Da gab’s dann ein gerichtliches Verfahren. Klar, muss ja dann. Körperverletzung und alles. Aber, was willst du als Verein machen? Du kannst ihn nur rauschmeißen. (Gruppe Klassenerhalt, SV Flussdorf) Fallbeispiel II: Direkte Interaktionen mit Migrantensportvereinen Eine Spezifik in der Interaktion mit ethnisch Anderen ist bei den Gruppen Linie und Tor (FC Florastadt) zu erkennen, da diese direkte Erfahrungen über Wettkampfspiele gegen Migrantensportvereine gesammelt haben. Die Gruppe Linie diskutiert intensiv diese Fußballpartien gegen die Mannschaft von Türkspor. Innerhalb der Gruppe werden Fremdstereotypisierungen über Spieler von Migrantensportvereinen verhandelt:

G: Also ich kenn, ich kenn Türkspor, nee, ich kenn von meiner Zeit bei Steindorf haben wir oft gegen Athena Florastadt gespielt. Griechen. Die haben auch nicht viel beim Spiel aufgenommen. Und bei denen war es ähnlich wie bei Türkspor, muss ich sagen, teilweise, ne, die waren alle ein bissl zu engagiert, hitzig, hatten so ihre Typen drinne, die ständig Ärger gemacht haben. Und hatten dann, die anderen da, die sich dafür bisschen geschämt haben, die es auch doof fanden. Und die Türkspor sind wohl ein paar mehr von den Idioten. Auf jeden Fall. Und es macht keinen Spaß. Ich weiß nicht, woran es liegt. (Gruppe Linie, FC Florastadt)

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Spieler der Migrantensportvereine werden als überengagiert, hitzig und zum Teil latent gewaltbereit kategorisiert (vgl. Kapitel 3.1.2, S. 80ff.). Speziell die Schiedsrichter seien Adressaten von verbalen Attacken, das Toleranzpotential gegenüber Fehlentscheidungen wird bei dieser Mannschaft als besonders gering eingeschätzt. Die Gruppe ist dennoch bemüht, das solidarische Miteinander gegenüber den Aktiven von Türkspor zu unterstreichen:

D: Gerade zu Türkspor, na, so vor dem Spiel: alles super, super mit denen unterhalten, auch während des Spiels oft. Aber wenn dann einer dort eskaliert, meistens nach der zweiten Schiedsrichterfehlentscheidung oder so was, dann heißt es auch von allen anderen: „Ja, das ist nicht okay, was der gemacht hat.“ Was weiß ich, wenn er einem, wenn er dem Schiri eine runtergehauen hat oder den zutiefst beleidigt hat, also mit wirklich unsagbaren Worten. Dann heißt es meistens: „Ja, das ist nicht ok. Aber der Schiri hat ja auch“, so oder so. (Gruppe Linie, FC Florastadt) Aus dieser Aussage lässt sich schließen, dass ein hoher Solidarisierungsgrad zwischen den Spielern von Türkspor angenommen wird. Dieser ergebe sich aus dem Gefühl der Benachteiligung, das durch unberechtigte Entscheidungen vom Schiedsrichter genährt werde. Zudem seien Grad und Frequenz der Beleidigungen vergleichsweise hoch:

G: Na, ich fand, das find ich aber nicht, muss ich sagen. Ich fand eigentlich immer, dass die dann nicht nur aufm Schiri drauf sind. I F: L Na, die haben ja auch dich getreten, als du am Boden gelegen hast, und das auch nur, weil der Schiri gepfiffen hat. I G: L Und die, die beleidigen dann auch jeden, der da grad in der Nähe ist. I D: L Manche, also nicht alle. I G: L Nee, nicht alle, das sind dann, es sind ein paar, die, die dann immer aufm Schiri und ganz wenige, die auch immer gleich den Gegenspieler mitbeleidigen oder auch mal nachtreten oder irgendwas androhen. Also ich hatte in Steindorf auch schon mal einen Spielabbruch gegen Türkspor … naja, da hat das keinen Spaß gemacht. Da wird dann halt Mord angedroht, da werden Frauen geschlagen, so ungefähr, das ist, ist nicht schön gewesen. I


Rassismus und Antirassismus

D: L Und es wurde nach, nachm Spiel auch schon behauptet, äh, dass wir die Türkei beleidigt hätten. Meinten Spieler von außen, „Ey, die haben die Türkei beleidigt.“ (Gruppe Linie, FC Florastadt) Den Aussagen ist unschwer zu entnehmen, dass die Interaktion mit diesem migrantischen Team äußerst konfliktbehaftet ist. Da sich die Kontakte mit Migranten im Fußball ansonsten in Grenzen halten, sind diese – negativen – biographischen Gruppenerfahrungen der Hauptfundus für Interaktionen mit ethnisch Anderen. Ein Umstand, der das theoretische Ideal des Antirassismus mit der konflikthaften Realität konfrontiert (vgl. Kapitel 4.1.4). Ebenso führt in der Gruppe Tor die immanente Nachfrage nach Erfahrungen mit „Ausländern“ im Amateurfußball zu Berichten über gewalttätige Interaktionen. Im Nachgang eines Wettkampfspiels, in dem sich ein Spieler vom FC Florastadt und ein Gegenspieler mit Migrationshintergrund verbal duelliert hatten, kam es zu einer tätlichen Auseinandersetzung:

?: Das war jetzt nicht direkt ein Spiel von uns, aber das war ein Spiel von der Gruppe Linie, glaube ich, noch gegen die Zweite von Motor Süd. Da ist mir noch in Erinnerung, ich weiß nicht, was da gefallen ist auf dem Platz. Ich weiß nur, dass es da zwischen Emil Alter und einem Spieler von denen da Gerangel gab, und eine halbe Stunde nach dem Spiel 10, 15 gut trainierte Russischstämmige oder Russlanddeutsche, keine Ahnung, was das für Leute waren, oder […] Budengänger halt am Start waren und dann halt mal kurz sich dort gemeldet haben sozusagen. Ausgeteilt haben. Das war vielleicht so, naja ich weiß nicht, ob das zu Rassismus passt, aber ich meine, das war eine ungewöhnliche Aktion, so was kriegt man wohl auch nicht alle Tage bei einem Fußballspiel geboten. Andererseits, wir wissen ja, was wir für ein Verständnis haben, wenn wir für den FC Florastadt spielen oder was uns mit dem FC Florastadt verbindet. Dass wir solche Sachen halt, wir fahren ja nicht für umsonst zur Mondiali Antirazzisti und, ähm, dass man sich da halt bekennt und niemanden nach seiner Hautfarbe beurteilt oder nach seinem Herkunftsstamm.35 (Gruppe Tor, FC Florastadt) Diese negativen Erfahrungen sind deutlich in der Gruppe präsent, auch wenn sie schnell in einen relativierenden Gesamtkontext eingebettet werden, der die Grundsolidarität und das friedliche Miteinander mit Migranten betont: „… irgendwie andersfarbige Spieler aus anderen Teams sind, dass die noch offener sind als halt Deutsche uns gegenüber“. Die Erfahrungen der Gruppe Linie in den Spielen gegen Türkspor zeigen die Ambivalenz im Ver35 Die „Mondiali Antirazzisti“ ist ein jährlich stattfindendes, nichtkommerzielles Fußballturnier von Fußballfangruppen in Norditalien, das ein Zeichen gegen Rassismus und Ausgrenzung setzen möchte.

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hältnis zu Migranten im sozialen Feld des Amateursports, das auch geprägt ist durch aggressive Schmähungen gegenüber den Schiedsrichtern („Ich ficke deine Alte“) und Handgreiflichkeiten auf dem Spielfeld:

C: Türkspor war ja auch schon im Jahr davor, wo Z. den Kung-Fu-Tritt von dem einen Spieler von Türkspor abgekriegt hat und dann auch Riesenrangelei war und Spieler von uns von denen als Nazis beschimpft wurden. Wir standen da und dachten uns: „Hä, was ist denn mit euch los?“ Also wir haben keinerlei Andeutung gemacht, nur ein bisschen gerangelt und die normalen Sachen, wie das dann nun mal so ausartet, wenn da einer umgetreten wird. Und dann kam halt schon … (Gruppe Tor, FC Florastadt) Diese Situation hat sich nach Auffassung des Spielers aus einem groben Foul („wenn da einer umgetreten wird“) ergeben, woraufhin die Spieler der Mannschaften „normal“ miteinander gerangelt hätten. Die Konsequenz daraus war ein „Kung-Fu-Tritt“ durch einen Spieler von Türkspor. Dieser Vorfall passt zu einer Reihe geschildeter problematischer Situationen mit Türkspor:

F: Also ich habe jetzt zwei, drei Mal gegen die gespielt und eigentlich nur negative Erfahrungen gemacht. Das finde ich auch extrem krass, wie … Ist halt schwierig, wenn die dann auf andere Teams treffen, die politisch vielleicht eher in der rechten Ecke stehen. Wie sollen die denn mit den Teams umgehen? Jedes Mal war das Spiel am Rande einer Schlägerei gegen uns. Find ich sehr heikel. (Gruppe Tor, FC Florastadt) Sehr deutlich kann aus diesen Aussagen ein gemeinsamer (negativer) Erfahrungshorizont gegenüber Spielern mit Migrationshintergrund abgeleitet werden, den speziell die Teams Tor und Linie vor dem Hintergrund biographischer Gruppenerfahrungen teilen.

3.1.2

Ideologien, Stereotypisierungen und symbolische Repräsentationen von und über ethnisch Andere

Sind direkte Interaktionen mit ethnisch Anderen, seien diese konfliktfrei oder konfliktreich, im sozialen Feld des Amateurfußballs aufgrund sozialer Kontexte nicht gegeben und fehlen diesbezüglich biographische Erfahrungen, lassen sich dennoch symbolische Repräsentationen ethnischer Outgroups erkennen. Aufbauend auf das zu konstatierende sportgesellschaftliche Klima für Migranten sollen rassistische Fremdstereotypisierungen und die Setzung (nationaltypischer) Klischees in den Gruppen identifiziert werden. Unter der Voraussetzung der Unterrepräsentanz ethnisch Anderer werden Rassismen in den einzelnen Gruppen untersucht. Wie äußern sich


Rassismus und Antirassismus

diese, welche „Sprachverstecke“ gibt es oder wie werden ethnisch Andere imaginiert und kategorisiert? Rassismus ohne Migranten: Sportgesellschaftliches Klima für Migranten

Im Osten ist es einfach eklig. Ich möchte nicht als Spieler mit Migrationshintergrund im Osten hier Fußball spielen. Die Gruppendiskussionen im Verein SG Berghain ergeben kaum Anhaltspunkte, die aufklären könnten, wie stark ethnisch Andere im Amateurfußball akzeptiert sind. Da es nur wenige Menschen mit Migrationshintergrund in Gesellschaft und Sport der Region gibt, folgt daraus, nach Ansicht der Aktiven in Berghain, dass auch keine rassistischen Einstellungen und Handlungen vorhanden sein können. Spieler der anderen Teams sind in der Regel seit Jahren bekannt, Konflikte seien spielspezifisch und „das bleibt alles auf dem Platz, was da irgendwie fällt“. Diese Normalität wird durch Menschen, die durch rassistisches Handeln oder rassismusrelevante Einstellungen von der gesellschaftlichen Norm abweichen („Extremisten“), nicht gestört.36 Anders fallen die Einschätzungen der Diskutanten im kleinstädtischländlichen Verein SV Flussdorf aus. Hier wird die eigene Region sehr kritisch reflektiert:

G: Ja, das ist ja wieder das, das sind ja wieder die, die absolut nichts im Kopf haben. Ja, das hat mit Fußball dann schon wieder gar nichts mehr zu tun. I F: L Da ist so was hier in der Region, denke ich, ja schon irgendwie vorprogrammiert. I G: L Monsau waren doch auch die Glatzen. (Gruppe Klassenerhalt, SV Flussdorf) Neonazismus und Rassismus sind gesellschaftliche Phänomene, die mit Neonazis in Verbindung gebracht werden („Glatze“). Die Gruppe Sprint

36 Die Gruppe mutmaßte, warum gerade ihr Verein in die Untersuchung aufgenommen wurde. Die hohen Wahlergebnisse der NPD, so die Vermutung, seien Anlass dafür gewesen. In der Reflexion der Diskussion wurde klar, dass die Gruppe(n) im Sinne einer sozialen Erwünschtheit argumentierte(n), da sie befürchtete(n), dass die in Misskredit gefallene Region weiter durch Externe in Verruf geraten könnte.

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Im Fußball-WM-Sommer 2018 platzte nicht nur die Titelambition der Nationalmannschaft, sondern mit der „Özil-Affäre“ auch die Gewissheit von der Integrationsleistung des Fußballs. Greifen Rassismus, Sexismus und Homophobie in den Stadien und Fußballplätzen um sich? Abseits der modernen Profistadien untersucht Adam Bednarsky die Fußballbasis in Sachsen und diskutiert Integrationschancen und AbgrenzungsRisiken im Amateurfußball.

ISBN 978-3-7307-0421-9 VERLAG DIE WERKSTATT


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