Mein Verein für alle Zeit. Die Wiedergeburt des TSV 1860 München – Leseprobe

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ANNE WILD · RALPH DRECHSEL

MEIN VEREIN FÜR ALLE ZEIT

VERLAG DIE WERKSTATT

Die Wiedergeburt des TSV 1860 München




Interviews Die Zitate im Buch entstammen aufgezeichneten Gesprächen mit Florian Falterer, Jan Mauersberger, Robert Reisinger, Tanja Teschl und Thomas Briel, die aus ihrer persönlichen Sicht die Ereignisse in der Saison 2017/2018 schildern.

Florian Falterer (40) ist Wirt und Kulturveranstalter in Giesing. Eine seiner Kneipen ist das bei Fans beliebte »Riffraff«.

»Obwohl ich lange schon zu Spielen gehe, auch oft bei den Amateuren war und mit 14 Jahren schon eine Dauerkarte hatte, kann ich mich nicht erinnern, wann ich zuletzt so mitgefiebert und nach dem Abpfiff Tränen in den Augen gehabt hab.«

Robert Reisinger (54) ist seit Juni 2017 Präsident des TSV München von 1860 e.V. und der siebte Präsident des Klubs seit der Beteiligung von Investor Hasan Ismaik an der TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA im Jahr 2011.

»Die Menschen mögen den TSV wieder und haben ihn neu entdeckt. Der Löwe hat wieder ein Gesicht. Dazu haben die Mannschaft und das ganze Umfeld beigetragen. Das finde ich großartig! Dieses zarte Pflänzchen müssen wir hegen und pflegen – mit Bescheidenheit und Realitätssinn.«

Tanja Teschl (44) ist Mitbegründerin des digitalen Fanzines »Löwenmagazin« (www. loewenmagazin.de).

»Als Fans interessiert uns, warum bestimmte Dinge so sind, wie sie sind. Wir wollen selbst besser verstehen, hinter die Kulissen blicken und faktenbasiert darüber berichten, soweit wir es können.«

Jan Mauersberger (33) hat als Profispieler den Abstieg im Mai 2017 und den Aufstieg des TSV 1860 München im Mai 2018 miterlebt.

»Für uns war es jedes Mal ein besonderer Moment, wenn wir die paar Meter vom Trainingsgelände zum Stadion gefahren sind.«

Thomas Briel (48) ist Mitglied des »Vereins zur Pflege der Münchner Fußballkultur«, einer Initiative der aktiven Fanszene des TSV 1860 München, und Mitarbeiter der »Blauen Hilfe«.

»Giesing hat den Vorteil, dass ein Spieltag immer ein Erlebnis ist, auch wenn der sportliche Ausgang nicht völlig zufriedenstellend ist. Das verschafft Sechzig Luft.«


Inhalt

Der Abstieg

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Der Neubeginn

Der Saisonstart

Der Saisonverlauf Der Aufstieg Anhang

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Der Abstieg

Am 30. Mai 2017 verlor der TSV 1860 München in der Relegation nach einem 1:1-Unentschieden im Hinspiel das Rückspiel in der Münchner Allianz Arena vor 62.200 Zuschauern mit 0:2 gegen den Drittligisten SSV Jahn Regensburg. Nach zahlreichen vergeblichen Versuchen, in die Erste Bundesliga aufzusteigen, hatte der Klub seinem Investor Hasan Ismaik, seit 2011 Mehrheitseigner der Profi-Fußballgesellschaft, auf dessen Verlangen hin erstmals freie Hand gelassen, die Geschäftsführung, den Sportdirektor, das Trainerteam und den Spielerkader nach seinen eigenen Wünschen zusammenzustellen. Mithilfe externer Berater ließ Ismaik die Profi-Fußballtochter daraufhin radikal umorganisieren. Als Geschäftsführer holte man den erfahrenen Ex-Profi Thomas Eichin an Bord. Kosta Runjaic sollte den TSV 1860 als Trainer ins Oberhaus führen. Hochkarätige Spieler mit Erstliga-Erfahrung wurden verpflichtet. Doch bereits zur Halbserie verlor der Investor die Geduld mit seinem Personal und nahm erneut in großem Stil Veränderungen vor. Eichin und Runjaic mussten den Verein wieder verlassen. Mit dem Amerikaner Anthony Power fungierte nun ein enger Vertrauter Ismaiks als Prinzipal. Auf der Geschäftsstelle galt Englisch fortan als Unternehmenssprache. Der frühere Liverpool-Manager Ian Ayre sollte den Klub in eine goldene Zukunft führen. Mit dem portugiesischen Startrainer Vitor Pereira kamen in der Winterpause ein halbes Dutzend hochveranlagter Spieler aus verschiedenen Ländern.

Infolge der verlorenen Abstiegsrelegation trat noch am gleichen Abend Präsident Peter Cassalette von seinem Amt zurück. Ian Ayre hatte seinen Posten schon am Tag zuvor gekündigt, tags darauf war auch Vitor Pereira, der bei seiner Verpflichtung mit der vollmundigen Ankündigung »We go to the top!« auf sich aufmerksam gemacht hatte, mit seinem Trainerstab verschwunden. Die Fans reagierten teils wütend, teils resigniert. Als klar war, dass die desolate Mannschaft das Spiel nicht mehr herumreißen würde, kam es zu vereinzelten Ausschreitungen. Frustrierte Anhänger der Löwen fackelten in den Schlussminuten das Ballfangnetz ab und warfen herausgerissene Sitzschalen, Plastikfahnenstangen und Bengalos auf das Spielfeld. USK-Polizisten stürmten vor die Nordkurve und versuchten mittels Pfefferspray-Einsatz die Situation unter Kontrolle zu bringen. Nach zwanzig Minuten Unterbrechung wurde die Partie zu Ende gespielt. Der Verein war nach dreizehn Jahren Zweitliga-Zugehörigkeit mit einem der teuersten Kader der Zweiten Bundesliga sportlich abgestiegen. Weil Investor Ismaik Zahlungen, die für den Erhalt der Lizenz für die Dritte Bundesliga nötig gewesen wären, nicht fristgerecht leistete und sein weiteres finanzielles Engagement an für den Verein unerfüllbare Forderungen knüpfte, stieg der TSV 1860 München am 2. Juni 2017, dem sogenannten »schwarzen Freitag«, zwangsweise in die Regionalliga ab.

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6. Oktober 2017, Regionalliga Bayern, 15. Spieltag TSV 1860 München – FC Pipinsried 3:0 (2:0) Grünwalder Stadion, 12.500 Zuschauer


22. Oktober 2017, Regionalliga Bayern, 17. Spieltag

TSV 1860 München – FC Bayern II 0:1 (0:0) Grünwalder Stadion, 12.500 Zuschauer

»Kurzzeitig hatte ich während der Saison schon das Gefühl, es könnte sportlich knapp werden. Aber die Mannschaft wurde von Spiel zu Spiel von den Fans getragen. Als Löwe lebt man sowieso immer von der Hoffnung, und das seit Jahrzehnten.« Tanja Teschl

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31. Oktober 2017, Regionalliga Bayern, 19. Spieltag

TSV 1860 München – SpVgg Bayreuth 3:0 (2:0) Grünwalder Stadion, 12.500 Zuschauer

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3. November 2017, 20. Spieltag Regionalliga Bayern

TSV 1860 München – FC Memmingen 2:0 (2:0) Grünwalder Stadion, 12.500 Zuschauer

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»Die Rückkehr in die Heimat hat bei vielen Anhängern etwas Positives ausgelöst. Das Sechzger-Stadion, die Fans und dieser Stadtteil sind untrennbar miteinander verbunden. Wenn es nicht so wäre, hätten die Umzüge ins Olympiastadion und in die Arena das alles längst zerstört.« Thomas Briel

»Die Begegnungsmöglichkeiten im Grünwalder Stadion und in Giesing sind ganz andere als draußen vor der Stadt in der Allianz Arena. Fans reden am Spieltag endlich wieder miteinander. Das halte ich für ganz wichtig.« Tanja Teschl

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11. November 2017, 21. Spieltag Regionalliga Bayern

Wacker Burghausen – TSV 1860 Mßnchen 2:0 (0:0) Wacker-Arena, Burghausen, 8.520 Zuschauer

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20. November 2017, 22. Spieltag Regionalliga Bayern

TSV 1860 München – TSV Buchbach, abgesagt Grünwalder Stadion, keine Zuschauer Beim ausverkauften Freitagabendspiel gegen den TSV Buchbach fiel eine Stunde vor Spielbeginn das Flutlicht aus. Lediglich eine Notbeleuchtung funktionierte noch. Das Spiel musste abgesagt werden. Die Fans reagierten erstaunlich gelassen. Sie gingen wieder nach Hause oder in die umliegenden Kneipen. In der Westkurve feierten Fans noch bis 21 Uhr.

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»Der Fußball gehört in die Stadt und nicht an ein Autobahndreieck. Die Politik braucht Zeit um zu verstehen, dass so etwas wie in Giesing erhaltenswert und auszubauen ist. Das dauert und die Mühlen sind langsam, aber es ist möglich.« Florian Falterer

»Unser Sportlicher Leiter Günther Gornezel sagt, wir haben als Mannschaft Geschichte geschrieben, weil wir einen Wendepunkt gesetzt haben. Davon ein Teil zu sein, erfüllt mich mit Stolz und ich hoffe noch lange hier sein zu können – in welcher Funktion auch immer. Ich glaube an diesen Verein.« Jan Mauersberger

»Jeder einzelne Fan trug mit dem Kauf seiner Dauerkarte für das Grünwalder Stadion zum Neuanfang bei. Jedes Mitglied hat mit seinem Beitrag den Erhalt der professionellen Nachwuchsarbeit beim TSV 1860 München ermöglicht. Zusammen mit allen Förderern und Partnern bilden diese Löwen das Rückgrat unseres Vereins.« Robert Reisinger

»Egal wie sehr mich das Löwensein manchmal in den Wahnsinn getrieben hat und ich verzweifelt war, ich kann einfach nichts anderes sein – das ist für mich nicht vorstellbar. Einmal Löwe, immer Löwe.« Tanja Teschl

Der Bildband mit Fotografien von Anne Wild dokumentiert den Zeitraum zwischen dem Absturz des TSV 1860 München am Ende der Zweitligasaison 2016/2017 in die Regionalliga Bayern und dem gefeierten Aufstieg in die Dritte Liga am Ende der Saison 2017/2018. Begleitet werden die Bilder durch Zitate mehrerer Akteure, die mit ihren Worten und aus unterschiedlicher Perspektive das Geschehen vermitteln. Der Buchtitel »Mein Verein für alle Zeit« ist der Vereinshymne des TSV 1860 München aus dem Jahr 1963 entnommen.

»Die Dekade nach dem Bundesligaabstieg war mit einem starken Identitätsverlust verbunden, der in den letzten Jahren immer dramatischer geworden war. Jetzt hat der Verein durch diese Saison wieder an Kontur gewonnen.« Thomas Briel ISBN 978-3-7307-0442-4 VERLAG DIE WERKSTATT


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